Heilige Maria – Mutter Gottes

(XLVII)

 

 Λήθη XXIII    Erlösung XXVI  (Pfingsten 2022)

 

Gebundene Zeit V   (Allerheiligen 2022)

 

 

Am Geliebt sein scheitern  (November 2022)

 

 

Schwerkraft: etwas kommt sehr „wichtig“ daher, mit Getöse, Donner, Drohung, so, als gäbe es Wichtigeres nicht. Es können kleine Dinge sein, z.B. Stromausfall oder Präsidentschaftswahlen oder Schutz vor Corona, immer ist irgendetwas da, das beansprucht: Schwerkraft, ich bin jetzt das Allerwichtigste, schenk´ mir jetzt deine ganze Aufmerksamkeit. Das Gewichtige ist dann auch eine richtige Beschwerde, man macht sich „schwer“ damit, es zieht hinunter, es ist ernst mit diesem Schweren. Das Depressive kommt daher, dass man sich von den Schwerkräften mitziehen lässt. Prüfen wir einmal, wie oft wir versucht sind, Banalitäten zu besprechen, Themen zu erfinden oder einfach das nachzuplappern, was medial angeboten ist? Was soll man sonst reden? Sie geht rund um die Uhr so hin und her, diese sprachliche Banalität und zum Schweigen bringt man den Mut nicht auf. Heidegger, erinnere ich mich jetzt, hat einmal vom echten Scheitern gesprochen. Er meinte ein Aufwachen aus einem Dämmerzustand (Dauerrausch), ein Erwachen daraus, was man Normalität nennt. Hegel sieht dieses „Erwachen“ als Übergang vom abstrakten zum konkreten Denken. Das letzte Wort der Heiligen Schrift lautet: maran atha – Amen Komm, Herr Jesus! In 1 Kor 16,22 kommt dieses maran atha auch vor: Wenn jemand den Herrn nicht lieb hat, der sei verflucht – maran atha!

Ein unheimliches Wort, der Heilige Paulus spricht es und dem Heiligen Johannes wird es offenbart, nicht damals nur, nein, von Ewigkeit her: also jetzt und hier! Maran atha: der Herr komme „endlich“ – nicht in einer Zukunft (da auch), sondern „jetzt“ (in der Endlichkeit, in der Zeitlichkeit) komme der Herr, hier und jetzt offenbare er sich in seiner ganzen Herrlichkeit. Im maran atha liegt ein gewaltiger „Schrei“, eine tiefe Sehnsucht schreit: sei Du jetzt hier der du doch schon hier bist! Frage: schreien wir so, in dieser Art? Wer den Herrn nicht „lieb“ hat – der „sei“ (ist) verflucht. Im Griechischen Text steht das Wort: ἀνάθεμα – zu anathithemai: vor-legen. Was hat das mit „Fluch“ zu tun? Was ist ein Fluch?

 

Im Hebräischen bedeutet das Fluchen ein „Lästern“: ich nehme das, was eigentlich Licht und Liebe sein könnte und verderbe es in eine Anti-Liebe – ich gönne dir (mir) nichts, ich gönne dir weder Gutes noch gönne ich dir Ewiges Leben! Das meint eigentlich „Fluchen“. Fluchen ist wesentlich: Nicht-gönnen! Im hebräischen qalal (fluchen) liegt auch das "Sich-leicht-machen" und zwar in dem Sinne der "Erleichterung": eine abstrakte Formel hat es nicht mehr notwendig, konkret (lebendig) zu werden. Durchaus ist auch der Sinn des "lockeren leichten" Lebens, des Beschwingtseins, enthalten, also das flotte, leichte Leben, das Rausch-Leben. Schwer wiegt aber dann der Fluch, wenn das Heilige mit den Maßstäben des Profanen gemessen und abgeschätzt wird; dann wird das Heilige entweiht. Das Gönnen wünscht das Gute, das Nicht-Gönnen ver-wünscht, flucht, macht es sich leicht mit dem "Heiligen". Es-sich-leicht-machen ist identisch mit: distanziert sein, sich Aufhalten in der Fremde.

 

Fluchen also: „Nicht-gönnen“, missgünstig sein, es hat auch die Bedeutung von „Geringschätzung“. Hegel würde hier sagen: wer sich immerzu in Abstrakta aufhält, der flucht immerzu, er ist nicht im Konkreten zuhause, sondern belegt die Welt mit Formeln und vorgefassten Einbildungen, Begriffen, die er sich selbst zusammenreimt. Wer Jesus nicht „lieb“ hat: der ist „verflucht“, der vegetiert in der oben genannten Existenzweise der Vor-Verurteilung. Anathema ist ein „Aufgestelltes“, wie ein Turm (migdal), etwas, was zwischen mir und dem lebendigen Gott aufragt und die Beziehung hindert (Babel). Es ist der „Stolz“ (Hochmut), der da aufragt (der Stolz, ein Fluch), der diese lebendige Beziehung „hindert“. Heidegger schrieb einmal in den dreißiger Jahren, ich weiß nicht mehr wo genau, vom „Scheitern“ – fast ein Wehklagen darüber, dass der Mensch nicht mehr „wahrhaft scheitern könne“. Er meinte den Ernst der Infrage-Stellung des getriebenen So-seins, meint also: un-geschminkt sich in den Spiegel sehen können, den Mut dazu aufbringen, vor dem Antlitz Gottes zu stehen, also unsere Schwäche anzusehen, zu bekennen: es stimmt, ich bin schwach, habe diese Laster, diese Sünden; mit einem Wort: ich bin wirklich erlösungsbedürftig, deiner Erlösung, Herr, bedürftig! Heidegger hat das klarerweise nie so formuliert, aber ich denke, dass er das mit-gemeint hat. Wer zu dieser Erfahrung der Erlösungsbedürftigkeit kommt, der „scheitert“ an seinem bisherigen Existieren – es geht nicht mehr so weiter wie es den Anschein hatte. Ich war immer optimistisch: ich schaffe das schon nach Plan und Vorstellung, nach Eigenmacht und Energie; aber nein: mein Programm ist gescheitert – jetzt benötige ich den Retter, der immer da ist, den ich aber bisher abgelehnt habe. Man sträubt sich sehr dagegen, die Wahrheit der eigenen Schwäche aufgedeckt zu finden – ungeschminkt, nicht beschönigt, man schämt und versteckt sich, will den eigenen Schutzmantel nicht loswerden oder abwerfen. Hier liegt etwas vor, das keine Kleinigkeit ist, sondern weit in den Ur-Sprung des abgefallenen Mensch-seins zurückreicht: es ist eine Form (besser „die“ Form) des Stolzes sich als Scheiternder immerzu zu erfahren, es sich aber nicht einzugestehen. Dann muss man „fürchten“, dass die anderen dieser Schwächen ansichtig werden, man muss sie gut verbergen, immer lieb lächeln und Kompromisse schließen. Auch Gott ist dann so ein anderer, auch vor ihm muss man sich verstecken (Adam, Eva, Kain, die Menschen). Nicht mehr wahrhaft scheitern können im Existieren heißt: stolz sein! Wer dagegen die eigene Schwäche ansieht, die „Wunde des Existierens“ und wirklich einen Retter nötig hat, der hört auf, „stolz“ zu sein. Armselig, unzulänglich, unwürdig: ja, so bin ich! Das hat nichts mit einer sentimentalen (oder depressiven) Abwertung meiner selbst zu tun, im Gegenteil, diese Haltung (habitus) ist die Anerkennung der „Kindschaft Gottes“; also eine ungeheure Aufwertung! Anders: wer immerzu auf der Flucht vor der eigenen Schwäche sein muss, der ist „stolz“ und ängstlich, fürchtet immerzu, dass das aufgedeckt sein könnte, von wem auch immer. Aber Gott ist nichts verborgen, er kennt doch schon meine Schwächen und Sünden; jede Verbergung ist hier sinnlos, jedes Versteckspiel ein Leerlauf.

Dieser Stolz ist massiv gesellschaftlich am Werk; insgeheim weiß man schon, dass man Sünder ist, insgeheim; und so meint man, könne man gut leben. Es ist eine Lebens-Lüge, so zu tun, am Ende hindert diese Lüge an der lebendigen Beziehung zu Gott, der gerade den Sünder sucht, nicht den verlogenen Selbstverliebten. Man kann hier sagen: wer wahrhaft scheitert (der Wahrheit Stand hält), der demütigt sich im Sinne von: Mut zur Wahrheit (das ist Demut).

 

Demut hat nichts Unterwürfiges, Verminderndes, im Gegenteil: Demut öffnet zur ganzen Wahrheit, eine heilsame Ehrfurcht. „Bedürftig“ sein ist der Weg des Heils, des Ganz-seins: ich bedarf der Erlösung, mit mir selbst bin ich am Ende! Ich bin nicht mehr einverstanden mit dem Weltangebot, das Horizontale genügt mir nicht mehr, egal in welchem Kleid es daherkommt und andrängt. „Das“ ist das echte Scheitern. Man begnügt sich mit dem Horizontalen nicht mehr. Jener andere „Abfall“ aber im Sinne des Stürzens und Aufschlagens im un-endlich Horizontalem (es geht ohne Ende immer weiter so) verweigert den Erlöser; der stört eher, denn er macht auf die Beschränktheit dieses Sinnens aufmerksam. Es liegt eine große Gefahr darin, sich mit dem zu begnügen, was vergänglich ist; man kann auch sagen: dieses Sich-begnügen liegt weit unter der Hohen Würde, die wir von Gott her empfangen haben. Sich begnügen heißt: es ist mir wohl, es geht mir gut, was geht mich schon das Andere an, Hauptsache ist: meines ist gesichert, mir geht es jetzt und hier gut! In diesem Sich-begnügen liegt ein „Genügen“: es genügt mir schon, dass es mir gut geht, mehr brauche ich nicht, mehr will ich nicht. Ewigkeit spielt keine Rolle, hier, im Endlichen soll es gut und richtig sein!

 

Schämen, dass alles sterblich ist? Sterblichkeit bedecken – es nicht ansprechen, es verstecken, immerzu wegblicken. Die Ablehnung des Kreuzes Christi hängt auch damit zusammen: das Sterben nicht anblicken müssen, es wegblenden. Dass man sich bedingungslos der Zeitlichkeit und Vergänglichkeit ausgeliefert hat, dafür schämt man sich eigentlich, dass man hierauf gebaut hat, das will man nicht zugeben: tut und handelt aber dennoch danach. Das ist die Quelle der Scham: man setzt nicht mehr auf Gott, sondern auf das Horizontale, das will man. In dieser restlos horizontalen Weise zu „seyn“ erfordert das Taub-stumm-sein-wollen. Zeitlichkeit ist dann ein Absolutes. Dass man Zeit „überholen“ könnte, ja, dass Zeit schon über-holt (erlöst) ist, davon weiß man nichts in der Sprachverwirrung der Gegenwart. Und kalt „wissen“ kann man es auch nicht. Dass man hier aber weggehen „muss“ – ja, man weiß es schon, sagt es auch kurz, fast heroisch: aber innerlich lehnt man das ab, will davon nichts wissen, hören oder sehen! Das Kreuz Christi zeigt in voller Wucht: belüge dich nicht, deine Gesinnung, hier „alles“ finden zu können, das ist eine Lüge. Jesus sagt es mehrmals, ausdrücklich: er werde hier auf Erden weggehen müssen, also sterben, ich werde das Zeitliche hier verlassen müssen – es tut aber nichts, dieses Verlassen, denn ich komme wieder, werde auferstehen! Wie oft hat man das schon gehört, aber eben nur „taubstumm“ gehört. Man lässt es nicht nahe herankommen, will es weghaben, damit man beruhigt hier weiterschlafen kann. Es ist keine Kleinigkeit, dieses Weg-gehen von hier, es ist der große Bevorstand, der schon jetzt miterlebt wird und werden kann. Wie kann man diesem Bevorstand begegnen?

 

In erster Linie mit Nüchternheit: also mit dem klaren Bewusstsein, dass das Weggehen von hier Rückkehr in das Ewige Vaterhaus bedeutet. Wenn man das liest oder hört, da fallen meistens gleich die Rollläden der Seele herunter: das ist etwas für Gläubige, Fromme oder Religiöse. Gleich hier begegnet dieser Hochmut, der aburteilt und schon im Voraus Bescheid weiß. Denn ewiges Vaterhaus, Gott, das ist ja etwas für Gläubige. Die Frage wird sein: Alles oder nichts – bloße Zeitlichkeit oder Ewigkeit & Zeitlichkeit. Dieses Aufschlagen in der nur horizontalen Welt trägt dann auch keine „Sehnsucht“ mehr bei sich, eine Sucht nach dem Ewigen Gott und „Sucht“ ist doch immer ein „Suchen“, sicher oft eine verkehrtes Suchen in den Süchten des Horizontalen. Nein, Sucht nach dem Ewigen Gott, bei ihm seyn wollen, weil wir seine Kinder, Kinder Gottes, „sind“ (nicht irgendwann einmal werden, wenn wir sehr brav und fromm gewesen sind).

 

Gottes Liebe wartet auf „unsere Sehnsucht“ (Liebe), es ist das größte Risiko bei der ewigen (immer seienden) Schöpfung: lieben zu lernen, Sehnsucht zu spüren. Das Wagnis der Liebe liegt in der Freiheit „nein“ zu sagen. Diese Liebe kann „seyn“ (ja sagen) oder nicht seyn (nein sagen). Im Nein-Sagen folgen Hass, Neid, Missgunst, Eifersucht, Aggression, Bevorteilung, Ablehnung, Berechnung, Kalkül. Das Ja der Liebe dagegen ist dann auch in „Beziehung“ seyn, intensiv sein mit Gott. Intensiv sein: sich ausstrecken in Sehnsucht, es für bare Münze nehmen mit der Auferstehung von den Toten, intensiv sein mit Gott, dem Ewigen Vater. Er ist kein Objekt, er ist „Du“, Vater. Mit dieser Liebe, spürt man, ist es bei mir elend, ich bin viel mehr verliebt in Zeitlichkeit und Vergänglichkeit und in mein eigenes Planen und Machen. Die Liebe zum Zeitlichen ist viel größer als die Liebe zum Herrn, von Liebe kann da gar nicht gesprochen werden, es ist eine Eigensucht am Werk in der Hingabe an das bloß Zeitliche, ein Eigeninteresse ist hier Mittelpunkt: mir zum Genuss, für mein Bedürfnis.

 

Liebe ist „totale Hingabe“ oder sie ist keine! Wer die Zeitlichkeit liebt, nimmt es mit der Ewigkeit nicht ernst, wer die Ewigkeit aber liebt um des Herrn willen, der liebt auf „rechte Art“ die Zeitlichkeit. Kann man die Ewigkeit umbringen, töten? Antwort: ja, nicht dass man Ewigkeit überhaupt vernichten könnte, aber man kann die Ewigkeit nicht mehr ernst nehmen und das ist schon in gewisser Weise ein Töten (ein Kreuzigen). Dann ist der Herr, in dieser rein horizontalen Gangart zur Un-Person getötet: ein abstraktes Gebilde, eine historische Größe, ein entfernter Gegenstand der Untersuchung. Wort Gottes: Heilige Schrift – was sagt es mir? Öffnet sich mir jetzt das Wort? Ja, es eröffnet Ewigkeit, wenn ich es zulasse, wenn ich mich führen lasse vom lógos selbst. Das ist „Beziehung“, Vertrauen in das Wort, das sich mir schenken will. Ja, das Wort ist in sich lebendig: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen  - Jesus spricht hier von der Eröffnung des Ewigen Lebens im Wort. Das vergeht nicht, es west an, offenbart sich, ist jenseits der Zeit. Der Tod bringt auch jenseits der Zeit, deshalb ist der Tod im Wesen „gut“: der Bruder Tod (F.v. Assisi). Freilich, für den rein horizontal ausgerichteten Menschen bringt der Tod nur Verlust und Verwüstung, weil er dem ein Ende setzt, was der Mensch als alles betrachtet. Der Tod bringt zur Ewigen Seite Gottes und nimmt alles mit, was auch in der Zeitlichkeit war: nichts ist in der Ewigkeit verloren, sondern aufgehoben, geborgen. Der horizontale Mensch bildet es sich ein, er würde alles hier verlieren, nein, in der Ewigkeit ist es „da“, aber gerichtet, repariert, vollendet.

 

Das Äußere, Zeitliche, Vergängliche – es ist wirklich nicht alles und die Ewigkeit wird es aufnehmen, nichts geht verloren: die Rede vom Seyn des „Nichts“ ist eine Lüge, wer aber nur auf Zeitliches baut, dem das Zeitliche alles ist, der nicht mehr die Seele erhebt zum Ewigen, der baut auf Nichts. Der Weg in das, was wir Tod nennen und meinen, ist der Weg in das wahre Leben. Es ist wieder die ganze entscheidende Grund-Frage: wofür lebe ich eigentlich, für das Vergängliche (immer weiter so) oder für das Ewige, das das Vergängliche birgt? Erst von der Ewigkeit, vom lebendigen Gott, der mich persönlich anspricht, her, ist Leben „möglich“. Die Sorgen um eine eventuell radioaktive Verseuchung oder die Sorgen um die sogenannte Erderwärmung, die jetzt medial aufbereitet werden, es sind in Wahrheit keine echten Sorgen. In diesen Sorgen zeigen sich nur die Ängste des horizontal verirrten Menschen, dem das Vergängliche „alles“ gilt. Man hängt so sehr am Irdischen, dass man das ewige Leben darob verliert.

 

Ewiges Leben heißt dann auch im Irdischen: ich erwarte Alles, das hier Unmögliche, vom ewigen Gott. Dieser ewige Aufblick relativiert mit einem Schlag den Anspruch des horizontalen Absolutismus. Der Ewige Blick kennt auch den Tod als Abschnappen nicht mehr, er weiß um Ewiges Leben. Der verdrängte Tod ist jener, vor dem man eigentlich Angst hat, man will das zu Ende kommen nicht wahrhaben. Ein Teufelskreis: man muss sich dann zeitlebens betäuben, ja nicht bemerken. Nein, nicht Ende, ewiges Leben – ewiges Leben „endet“ niemals. Aber, wenn man im Grundgefühl des „Endens“ lebt, mehr unbewusst als dass man es sich klar macht, dann ist das Leben ohne Sinn. Dagegen wendet man ein: aber unsere Leben haben doch Sinn: wir haben Ziele in diesem Leben, wollen dies und das noch erreichen – alles ist wunderbar sinnvoll. Ja, und dennoch hat man in diesem horizontalen Optimismus seine Seele verkauft, verloren.

Daher regiert heute allenthalben diese Sentimentalität, der Rausch der Wehleidigkeit, des Erinnerns an die schönen Zeiten; alles in allem: es war einmal und ist nicht mehr! Sentimental müssen dann auch die Begräbnisse mit Hintergrundmusik organsiert werden. Noch schnell ein „Gefühl“ und wenn sich das nicht einstellt, dann bleibt die Leere! Die Ewigkeit in Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde wirklich als einzige Wahrheit an-zuerkennen, das wird vielfach „gehindert“. So bleibt der Blick horizontal (sentimental) ausgerichtet, das Leben dann: eine schillernde Seifenblase und am Ende steht eben der Untergang. Wenn es „so“ steht, hat man Ruhe und Frieden und Zeit verspielt. Ängstlich hockt man im eigenen Erdloch immer in der Furcht: jetzt könnte es vorbei und zu Ende sein! Das gibt man freilich nicht zu, ändert aber nichts daran, dass es sich so verhält. Wie oft hört man: ja dann, im Ruhestand, dann in der wohlverdienten Pension, ja dann….! So ist man gehetzt immer darauf aus, sein eigenes Leben und Schicksal zu meistern, wie man sagt. Dass mein Schicksal in Gottes Hand liegt, davon hörte man einmal was, aber man nahm es nie ernst, konnte keine Entscheidung treffen. Und jetzt ist es zu spät, man schnappt ab, das Sterben kommt unerwartet, plötzlich. Entscheidend ist daher in der Zeitlichkeit die „Sehnsucht“ nach der Ewigkeit, die Intimität mit dem Herrn – dieses sehr ernst nehmen: denn „jetzt könnte es sein“ (die Ewigkeit in Zeitlichkeit). Dann ist der Tod besiegt, das, wovor wir uns gefürchtet haben, dass da ein absolutes Ende sei: nein, es ist kein Ende, es ist, kann man sagen, der vollendete nie untergehende Anfang: die Morgenröte im Ewigen. Die größte Täuschung liegt eben darin, dass man das Zeitlich-Horizontale für alles nimmt; tut man das, dann ist man „erdschwer“, sehr beschwerlich im Existieren, es drücken dann Krankheiten, Kriege, das Vergängliche bekommt Absolutheitsstatus, etwas, was ihm nicht zukommen sollte. Es stellt sich hier die entscheidende Frage: die Schwerkraft des horizontalen Absolutismus scheint unüberwindbar, man bemerkt es bei sich selbst (wenn man es überhaupt noch bemerkt) und man sieht es allüberall in der Gesellschaft. Es sieht so aus, als ob alles auf den Abgrund des horizontalen Absolutismus zuläuft, ein massenhaftes Verloren-gehen der Seelen.

 

Was heißt eigentlich „horizontaler Absolutismus“? Dieser Begriff kam mir vor Jahren in den Sinn, in der Auseinandersetzung mit dem Denken Hegels, kaum ahnend, dass die tiefste Dimension in das wahre Mensch-sein vor Gott zurückreicht. Das Absolute im horizontalen Absolutismus meint die völlige Verschlossenheit Gott gegenüber, man ist absolut verbohrt in das Leben „hier“, 70 oder 90 Jahre, das war´s – mehr gibt es nicht und anderes ist auch nicht erwünscht. Die Welt hier soll „alles“ sein, höchstes Glück, höchstes Empfinden, ein Schillerndes ohne Ende, ein glückseliger Dauerrausch, am besten „bei bester Gesundheit“. Wenn man diesen „irdischen Trieb“ absolut setzt, in der ganzen Existenzweise, dann ist die Seele verstümmelt, verkauft, verloren. Es fehlt ihr der Schöpfer, aber den braucht sie nicht, der ist etwas für Fromme, der ist überflüssig. Am Ende ist der gelebte horizontale Absolutismus „Gottes-Verrat“, jetzt und hier, das reicht schon, hier soll alles sein. Jene Existenzen werden dann innerlich sehr betrübt und zornig, wenn sie an das Enden erinnert werden oder wenn es doch nicht so geht wie sie es sich vorgestellt haben. Horizontaler Absolutismus führt auch den „Verschluss“ mit sich. Unter „Verschluss“ verstehe ich die Verschlossenheit im abstrakten Wort: das Wort spricht hier nicht mehr, kann sich nicht eröffnen, kann sich nicht zu-sagen, einen Dialog beginnen, weil die Seele verkümmert und im Verschluss verschlossen ist. In dieser Sprachverwirrung versteht der eine den anderen nicht mehr, will es auch nicht, man wirft sich Worthülsen zu, rein Äußerliches. So gesehen ist der Verschlossene der Statist seiner eigenen Starre und Statik. So fängt der horizontale, lebenslange Schlaf an, eine gähnende Langeweile: weil alles schon zum Voraus abstrahiert wird. „Konkret“ dagegen wäre das offene Wort, die Überraschung, das je Neue, das immerzu sich Zusagende im „Jetzt“. Die große Gefahr liegt darin, dass man aus diesem horizontalen Absolutismus nicht herauskommt, ihn gar nicht bemerkt, ihn als für das „erfolgreiche Leben“ nimmt und sich gänzlich darin verstrickt. Von Ewigkeit her zu leben, weil das Leben hier ein Durchgang ist in das Ewige Leben beim Vater, der alle Güte (Gutheit) ist, diese reale Perspektive kommt gar nicht mehr zur Entscheidung. Aber erst von hier „aus“ erkennt man den Sinn von Erlösung: dass alles schon in des Ewigen Hand geborgen ist, jedes Schicksal liegt in der Gutheit des Vaters, er sorgt schon – und das ist doch eine unglaubliche Zusage.

 

IM ZEICHEN DES LAMMES

 

Das (Ewige) Leben sieht also, dass das Ende kommt. Jesus Christus (das Ewige Leben) sieht das Kreuz auf Golgotha, das Ende hier. Wir sehen auch unser Ende, nicht irgendwann: sondern jetzt ist „Ende“. Jesus Christus – das „Ewige Leben“ sieht, dass es hier zu Ende geht. Er weiß, er geht zum Vater, der Tod hat keine Macht über ihn. Diese Botschaft ist an uns gerichtet. Wenn das scheinbare Ende (was wir hier Tod nennen) naht, geht alles hier Wichtige weg, genauer: alles, was sich hier als „wichtig“ aufspielte, verschwindet dann. Es kommt die entscheidendste Phase im Leben, das spürt man hintergründig schon. Jesus Christus, das Lamm Gottes, es nimmt hin-weg die Sünde der Welt, heißt es in der Heiligen Liturgie. Es nimmt hin, lässt an sich geschehen, ohne Aufstand, ohne Widerwillen, ohne Zagen und Zaudern, ohne Hadern und Murren – im Vertrauen drauf, dass der Vater im Himmel es schon gut meint. Das Lamm, das geschlachtet wird, lässt an sich „geschehen“ was geschieht, was kommt, was anrückt. Der reflexhafte Impuls zum inneren Aufstand, zur Selbstbehauptung fehlt hier gänzlich. Das Lamm behauptet sich nicht mehr selbst, es ist in völliger Seelenruhe. Nur das „Vertrauen“ in den unendlich guten Vater (im Gebet) erbringt diese Seelenruhe. Es ist ein „blindes Vertrauen“ – weil doch die allermeisten schreien: das hast du dir nicht verdient, flüchte, es geht sich noch aus, Petrus selbst will es nicht wahrhaben. Die Botschaft ist jetzt an uns gerichtet: denn wir „sind“ die Sterbenden, jeder von uns geht den Weg nach Golgotha. Wie wird das sein? Was erwartet mich da in meinem Sterben hier? Gerate ich in Panik? Spüre ich: ach, jetzt wird es eng, schnell noch einiges erleben, solange es sich noch ausgeht, intensiv hier sein? Renne ich wieder davon? Suche Ärzte, kämpfe, wie es heißt, ums Überleben hier? Und dann liest man immer: Er hat den Kampf ums Leben verloren, den Kampf mit dieser schweren Krankheit verloren! Er hat gekämpft – aber wofür eigentlich? Für weitere 15 Jahre hier und dann kommt er doch, der Tod – und dann? Irgendwann ist Schluss mit der Flucht – weiß man auch, spürt doch jeder. Man spürt: man hat gelebt und doch zugleich nicht gelebt, hat nach und nach die lebendige Beziehung zur eigenen Seele und zu Gott verloren. Dann muss man sagen: ich habe veräußert gelebt, ganz im Äußeren, am äußersten Rand des Sich-zeigenden und Andrängenden, ohne Innerung, daher auch ohne ER-Innerung. Leben war dann ein stets Verschwindendes, nichts Haltbares, ein Jammer, eine Depression, ein Sand durch die Finger.

Ja, wird man sagen, Sohn Gottes, Jesus Christus, gut, welche Argumente, diskutieren wir, ist vielleicht ganz nett und interessant! Nein, kein Diskussionsobjekt, dann ist alles schon verloren. Es gibt keine Diskussion über den Heiligen, es bleibt sonst alles im Veräußerten und das Veräußern ist doch ein Geschäfte machen, eigentlich dann der „Verrat“ (Judas in uns). Judas hat den Herrn vermutlich sehr lieb gehabt, aber als Äußeres, als historische Figur, hielt ihn für einen, der mit Macht im Äußeren auftritt und Judas ist dann bitter enttäuscht, weil er die Botschaft vom Ewigen gar nicht wahrnehmen kann, so veräußert ist er im Äußerlichen.

 

Phänomenologisch bedeuten Verrat und Veräußerung nichts anderes als die Durchtrennung des Lebendig-seins durch das sich Einwohnen im Objekt der reinen Veräußerung, der Äußerlichkeit. Auf dieser Objekt-Stufe gibt es dann nur mehr historische Phänomene, die einmal waren, gut zu beobachten, gut zu studieren, gut, um darüber zu diskutieren. Im Grunde geht mich das in meinem Wesen und in meiner Disposition nichts an, ich kann ganz gut unbeteiligt darüber diskutieren, muss auch keine Stellung beziehen, denn das ist dann auf dieser Objekt-stufe „Privat-Sache“. Die Frage: will ich zu Dir, mein Herr und mein Gott, eine lebendige Beziehung haben, mit dir reden? – diese Frage steht auf der Objekt-stufe nicht mehr zur Disposition! Auf der Objekt-Stufe ist dann auch der Gekreuzigte ein Objekt der sadistischen Hinrichtung, der Kreuzigung, auf die man mit Abscheu und Gruseln reagiert – immer aus „sicherer Distanz“. Jesus, der Gekreuzigte, Objekt meiner Anschauung aus sicherer Distanz: es geht mich nichts an in meinem wesentlichen Existieren hier und jetzt. Ewiges Leben, Auferstehung: aus der Objekt-Sicht etwas Entferntes, Mich-nichts-Angehendes. So sieht der Objektmensch des horizontalen Absolutismus bloß den grausamen Tod am Kreuz, ein historisches Ereignis und dann die Schuld derer, die ihn mordeten. Dabei bleibt es, im Historischen, selbst fühlt man sich völlig unbeteiligt. Aber: Kreuzige ich, jetzt und hier und heute den lebendigen Herrn Jesus Christus – nicht damals nur, nein, jetzt und bin ich es, der den Herrn kreuzigt, indem ich ihn zum Objekt mache, zu einem Distanzphänomen? Wohin geht Judas nach dem Verrat? Er geht hinaus, weg vom Herrn: und es war Nacht!

 

Der Mensch des horizontalen Absolutismus, er geht in der „Nacht“ – er verschwindet in der Nacht, im Nichts, erhängt sich, ist kontaktlos geworden; sein Mensch-sein geht in Nichts auf. Verliert sich hier die Seele in Finsternis? Ist hier der Ort, von dem man spricht: Seelen gehen auf ewig verloren? Verrat – Verraten, der Verräter: der Verräter liefert aus. Markus 14,18 spricht von Verrat und Auslieferung. Ausliefern und Überliefern sind identisch: es meint im Wesen das Anbinden, die Bindung, ein Übergeben. Hier hast du den Herrn, ich liefere ihn dir aus, übergebe ihn dir, ich liefere ihn dir als Objekt aus: meiner und deiner Vorstellung und Einbildung. Wer liefert aus und übergibt? Der Verräter macht das. Wohin wird der lebendige Gott ausgeliefert, übergeben? An die Objektivität des horizontalen Absolutismus. Insofern dies erfolgt (und es geschieht) – unheimlich genug – fast automatisch, insofern wird die lebendige Beziehung zum Herrn „gehenkt“, aufgehenkt. Jesus, der lebendige Gott, wird in dieser Tat zum Objekt einer Anschauung, die mich persönlich nichts mehr angeht, er wird an die Objektwelt ausgeliefert, an diese horizontale „zeitliche“ Welt gebunden, genagelt, getötet. An die Zeit festnageln heißt eigentlich: die Ewigkeit, die ewige Wahrheit, im Horizontalen, im Vergänglichen unterbringen und das geschieht schon im distanzierten Modus der „Diskussion über…“. Das Definieren ist zwar eine Notwendigkeit des horizontalen lógos und hat hier seine Berechtigung, wenn aber das Sakrale, die ewige Wahrheit, in die Tiefebene des Horizontalen herabgezerrt wird und mit zeitlichen Maßstäben getötet wird, dann wird die Ewigkeit „verraten“. An die Zeitlichkeit etwas ausliefern, auch jetzt personal verstanden: ich liefere eine lebendige Person der Definition aus, binde sie fest an ein Abstraktum. Hegel hat das in seiner Festschrift: Was heißt abstrakt denken? glänzend analysiert. Der lebendige Mensch ist dann z. B. ein Verbrecher, oder ein Nichtstuer, oder ein Heiliger – der Titel gilt dann für alles und um das Abstraktum herum wird dann vielfältig gebaut (ein richtiger Turmbau).

 

Nun genauer: Da fragte Judas, der ihn auslieferte: Bin ich es etwa, Rabbi? Jesus antwortete: Du sagst es (Matt 26,25). „Bin ich es“ – nicht der historische Judas von damals, der auch, aber bin „ich“ es, der ich dich ausliefere, Herr? Jesus antwortet der Frage des Judas: Du sagst es! Das Ausliefern (Veräußern) geschieht immer dann, wenn wir „innerlich nicht bewegt“ sind, der Verräter transportiert den lebendigen Herrn in die Ferne einer Objekt-Angelegenheit, innerlich abgestorben, beziehungslos. Man kann so auch fromme Gebete beten, sie sind aber nichts anderes als Leerformeln, weil keine „Beziehung“ da ist. Jesus ist dann nichts weiter als eine historische Person, die wir ja alle auch sind, am Ende ein Abstraktum. Ist es so, dann ist Jesus in das Abstrakte verkauft (veräußert), ganz im Äußerlichen fern gehalten vom eigenen Herzen, keine Sehnsucht ist da, es ist kalt. Die Diskussion oder „Rede über…“ ist dann Standard, es ist die tote Objektsprache. Ausgeliefert an die Welt der Zeitlichkeit, an unsere horizontale Welt mit ihren Maßstäben, hier, mit diesen Maßstäben wird der Herr am Ende zerfleischt. Dass der Herr immerzu vom Vater im Himmel spricht, von Ewigkeit, das will und kann das horizontale Existieren weder verstehen noch begreifen und „will“ es auch nicht: es ist ihm doch diese vergängliche Welt „alles“. Der vergänglichen Welt verfallen (Lebens-Rausch) kann man das Ewige nicht mehr sehen mit jenen Augen, die „übermüdet“ (Gründonnerstags-Andacht) sind vom Augenschein des Sich-darbietenden. Fortwährender – un-endlicher Rausch: es meint eine emotionale Achterbahnfahrt, ein Höhepunkt nach dem andern, bis zum Abschnappen: Studium, Wissenschaft, Sport, Erotik, Medienkonsum, Alkohol, Urlaub, Nikotin, Drogen, Fernsehen uvm. Es heißt einmal, man könne den Tempel Gottes nicht betreten, wenn man in solchem Rausch ist. Es wäre hier Tiefes zu sagen über „Brot und Wein“, über den geheiligten Wein und über den Rausch, die Gefahr, dass der Wein „vergossen“ wird, zur Erde hingeschüttet wird.

 

Rausch ist immer „innere Erregung“: ein Hochgefühl, ein Spannungszustand, der immer wieder repetiert werden muss.

 

Bei der Heiligen Wandlung, im Einsetzungsbericht, spricht Jesus die Worte: NEHMET UND TRINKET ALLE DARAUS: DAS IST DER KELCH DES NEUEN UND EWIGEN BUNDES, MEIN BLUT, DAS FÜR EUCH UND FÜR ALLE VERGOSSEN WIRD ZUR VERGEBUNG DER SÜNDEN. TUT DIES ZU MEINEM GEDÄCHTNIS.

 

Die Wandlung von Wein in das „Blut Christi“: dieses Blut Christi wird vergossen, damals, heute, immerzu. Was heißt es, das Blut Christi wird vergossen? Wenn ich etwas vergieße, ist es immer ein Gießen auf die Erde, ein Fallen zur Erde (nach Naturgesetz ist das schon so).

 

Halten wir den Rausch (die Erregung) jetzt im Hintergrund! Was ist Blut? Im Blut ist das Leben, das „Blut ist Leben“ – und das Blut Christi ist Ewiges Leben, auch mein Blut sind nicht nur rote und weiße Blutkörperchen, Blut meint im Wesen: Gleichnis und Bildnis Gottes sein, so gemeint sein, „ein Blutkreislauf“. Lasst uns Menschen machen nach unserem Gleichnis, nach unserem Bildnis (Gen 1,26).

 

Es ist der „Kelch des Neuen und Ewigen Bundes“: des Bundes mit Gott, wir sind in seinem Bilde, in seinem Gleichnis, das meint „Blut“, ein Ewiger Blut-Kreislauf. Und dieser Bund, dieses „Blut“ wird vergossen, zur Erde: in der Todesangst zur Erde geronnen (Litanei zum Kostbaren Blut). Was heißt das? Der Mensch im Bildnis Gottes ist „Gottes-Kind“, er ist nicht nur ein Abstraktum zum Gebrauch, zur Handhabe, nur zur Bezeichnung: Mechaniker, Lehrer, Verschwender, Reicher usf. Er ist dann eben „nur“ so einer und „nur“ so einer. Dass der Mensch als Lügner zugleich ein Heiliger ist (zumindest im Bildnis und Gleichnis Gottes), das kommt dem horizontalen Menschen gar nicht in den Sinn, das kann er nicht „sehen“, weil er blind und taubstumm ist dafür. Wenn das „Blut“ vergossen wird zur Erde, dann saugt die Erde (materia) es auf, schluckt es. Es meint: das Lebendige erstarrt in den Abstrakta des horizontalen Absolutismus. Es gibt ein Gefühl der Macht, des Verfügens, des Regierens und was wäre das anderes als sein wollen wie Gott? Sein Blut – Jesu Blut – vergießen meint: ER ist immerzu präsent, aber wir sind es nicht, weil wir klüger, gescheiter, nicht mehr erlösungsbedürftig sind; so etwas hat man nicht mehr notwendig, man muss stark sein, potent, überlegen. Wir entsprechen dem Bild und Gleichnis Gottes nicht, weil wir Abtrünnige in einer Objektwelt sind.

 

Jesus „sieht zu“, erlebt es hautnah, wie sein Blut, der Ewige und Neue Bund, von uns vergossen wird (zur Erde hin verschüttet wird). Er schlägt nicht zurück, wie wir es täten, er flieht nicht, er zeigt sich auch nicht als allmächtiger äußerlich wirkender Gott. Der Neue und Ewige Bund im Blut, die Welt der ewigen Liebe also, kann nur sein im Gegenüber zur Alten Welt, zur Welt der Zeitlichkeit, die als Welt des horizontalen Absolutismus den Sohn Gottes umbringt. Das „Lamm Gottes“ lässt mit sich „geschehen“ und geht nicht in Gegenangriff über: das ist das ganz „Neue“ in der Alten Welt, es sagt: das Leben, von dem ihr meint, es sei „alles“, es ist in Wahrheit viel, viel mehr – es ist Leben in der „Einheit mit dem Vater“. Jesus bezeugt mit seinem Leiden und Sterben den Weg der Ewigen Liebe, die waltet im Seyn: der Retter „ist“ und dieses Seyn ist ewig, es hat gesiegt. Aber nicht „es“, sondern: siegt es mir, meinem Dasein, siegt es in mir?

 

Der Sohn Gottes nimmt alle Konsequenzen des horizontalen Absolutismus „auf sich“ – ohne Gegenwehr und dieses Auf-sich-nehmen, das Tragen der gesamten Sünden-Last, kann man sagen, es ist der stille Schrei an uns: ihr, die ihr mein Blut vergießt, das wahre Leben ist viel, viel mehr als ihr es euch auch nur ein wenig vorstellen könnt. Den Neuen und Ewigen Bund könnt ihr jetzt nicht begreifen, das tut nichts, ich gehe dennoch, für euch. Nicht damals nur, historisch, jetzt in meinem Leben, hier an diesem Ort, zu dieser Zeit: diese Liebe zu mir, gänzlich personal, mich meinend, ER geht für mich ins Äußerste, damit ich es sehen könne, ahnen könne, mich trauen könne, das anzunehmen. Man könnte im Zeitenverlust des Horizontalen hier ahnen, was Ewigkeit meint, woraus alles kommt was ist, das Bleibende im Gehenden, das Strömen des Ewigen Wassers (Ezechiel, Offenbarung) aus dem Tempel. Der Erlöser, der soter, er ist „in“ der Zeit von jenseits der Zeit. Tod, Krankheit, Aggression haben hier keinen Sinn mehr, auch nicht mehr die Flucht in das Haben müssen und wollen. Wenn Jesus, der lebendige Herr, der Retter, herrscht, dann herrscht ER im Seyn, in dem, was „ist“. Rettung „ist“ da, einerlei wie der Zeitfluss fließt. Der „Verrat“ ist die Auslieferung an die „tote Sache“; es geht mich dann nichts mehr an, ich kann zwar „reden über“, bin aber innerlich nicht bewegt oder erschüttert – es kommt dem Reden über einen Zeitungsbericht gleich. „Rettung herrscht“, übersetzt: das „Geliebt sein“ ist herrschend, die Zeitlichkeit schon immer vom Vater her unterfangend. In der Überschrift heißt es: Am Geliebt sein scheitern. Vom Hebräischen her weiß man: Jeschua, Jehoschua – Jesus: Rettung, Heil herrscht! Geliebt sein herrscht; nicht irgendetwas wird geliebt, sondern mein Dasein ist geliebt von Ewigkeit her, unverrückbar, egal auch wie ich tue, ob ich mich zuwende oder abwende: es bleibt beim Geliebt sein, sogar im Verrat bin ich der Geliebte. So ist auch Jesus der „Sohn Davids“ und David, das ist doch der „Geliebte Gottes“ und dem David ist es doch nicht immer so gut gegangen, im Gegenteil, er war eher horizontal gesehen auf der Verliererstraße und doch wusste er sich von Ewigkeit her als der „Geliebte“.

 

Am Geliebt sein scheitern ist also keine Kleinigkeit, es hängt am Ende mit unserer Armut zusammen, mit dem Arm-sein vor Gott, dass wir eigentlich „Bettler“ im Wesen sind und wer gibt schon gerne zu, dass er Bettler im Wesen ist? Der Bettler, recht verstanden, verliert den stolzen Anspruch bei sich selbst, etwas aus sich heraus „seyn“ zu können. Er ist ganz der Empfängnis geöffnet, dem dankenden Empfang. So kann er zugreifen in vollem Dank und er vermag wegzugeben ohne Kalkül. Geliebt sein: es ist schon, es kann nicht geleistet werden: es ist schon geschenkte Gabe, ohne die wir gar nicht hier seyn könnten. Dass alles aus Gott ist, das ist doch der Blick in die Innerung meines Wesens, nichts aus mir, alles liegt geborgen in IHM, denn alles gehört IHM. Am Ende der Heiligen Schrift ist doch das „Neue Jerusalem“ und alle Evangelien enden (beginnen) mit der Auferstehung des Herrn. Von hier aus ist doch alles, was immer auch geschehen musste, relativ hier, eingezeichnet in eine gütige Verlässlichkeit, die ich gar nicht durchdringen kann noch muss: der Glaube (die Liebe) ist das Überzeugt-sein von der Göttlichen Verlässlichkeit und Güte. „Frohe Botschaft“ heißt es doch: wahrhaft, die Freude darüber, dass der Herr mir jederzeit durch meinen Tod und über ihn hinaus voran-geht (der Vor-Gänger). Die Hauptsache bleibt: habe ich eine lebendige Beziehung zu Gott und zwar zum Allumfassenden, dem Ewigen, dem Einen, zu ihm, der die Güte (Gutheit) im Wesen ist – zu dem ich: „Vater“ sage? Glaube ich das – ist es mir ernst damit?

 

Am Göttlichen Geliebt sein „scheitern“ meint: den Vater „als meinen Vater im Himmel“ aus meinem Herzen verbannt haben. Es heißt immer wieder in den Predigten: Lest die Heilige Schrift! Was heißt die Heilige Schrift „lesen“ – lesen wie wir Texte lesen? Die Heilige Schrift ist „heilig“, nicht profan, sie ist lebendiges Wort, das sich mir zeigen und eröffnen will. Der Heilige Geist ist der Mittler und Überbringer, er ist es, der das Heilige Wort mir eröffnet. Bin ich mir dessen überhaupt bewusst und wenn ja, was hat das für Folgen? Es gibt wirklich diesen wesentlichen Unterschied des Profanen und des Heiligen und es ist immer das Heilige, das das Profane heiligt und nicht ist es umgekehrt. Und es ist immer das Heilige, das das Profane trägt und unterfängt und schon „eingeholt“ hat. Einholen, wie man eine Ernte „einholt“, das heißt auch: ein-sammeln, Sammlung und das Sammeln ist das légein, das Auf-lesen, z.B. die Wein-lese. Der Göttliche lógos ist auf der Suche nach mir, längst, bevor ich mich auf die Suche mache, sucht und ruft ER mich schon, sonst wäre ich ganz verloren im Profanen, im Zeitlichen, im Vergänglichen. ER sucht mich, bis ER mich gefunden hat, ER lässt alles zurück, damit ich heim-kehren kann in das Ewige Vaterhaus.

 

Es gibt (ewige) Augenblicke, in denen spürt man die Verlassenheit: es ist der Ort, da man „versteht“ und man weiß, es ist jetzt nicht mehr notwendig es mitzuteilen weil man sieht: ich stehe jetzt vor dir, mein Gott – du und ich.

 

Jesus trägt die Sünde, die Krankheit, den Tod für uns alle. Wenn wir das hören, dann sind wir so stumpf, dass man damit wenig anfangen kann. Es sagt: ich gehe für dich und was immer du in deinem Leben erleben, erleiden, ersterben wirst, das habe ich schon durchstanden und bin auf-erstanden, ich bin dein Ewiger Vor-Gänger, ich gehe dir immer voraus. Glaubst du das? Ja, ich glaube das, ich bin überzeugt davon, ich halte dir die Treue, Herr, hilf´ meiner Untreue!

 

Wir bekennen im Beginn der Heiligen Messe unser Schuld: in Gedanken, Worten und Werken. Die Gedanken kommen zuerst. Der Kampfplatz ist also jener des „Geistes“. Welcher Geist ist in mir am Werk oder welcher Un-Geist, das ist der Widersacher-Geist – ebenso ein „Geist“.

 

„Am Geliebt sein scheitern“ lässt jener andere Widersacher-Geist, der „hindert“, der nicht „gönnt“. Was gönnt er nicht: dass Glaube, Hoffnung und Liebe (der Heilige Geist) den horizontalen Absolutismus zum Himmel hin durchbrechen, dass man „frei“ sein könnte von allem Zwang, aller Angst und Enge, dass das tiefe Empfinden in einem aufsteigt: das Gut-Sein Gottes herrscht, einerlei was die Zeitlichkeit bringt, dass dieses Vertrauen „stark“ werde und unerschütterlich.

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XLV)

 

 Λήθη XXI    Erlösung XXIV  (Pfingsten 2022)

 

Gebundene Zeit III   (Allerheiligen 2022)

 

Bleibe bei uns, denn es will Abend werden (Lk, 24,29)

 

 

Im 6. Kapitel des Heiligen Evangeliums nach Johannes heißt es im Vers 66: Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm  umher. Es liegt darin etwas Endgültiges, ein Abschied für immer. Die Emmaus-Jünger dagegen erkennen den Auferstandenen und erkennen ihn zugleich nicht: sie wissen schon, dass der lebendige Herr „da“ ist und bitten ihn: bleib´ doch bei uns, denn es will Abend werden; es ist eine tiefe Stimmung und Überzeugung in ihnen, die sie gar nicht so recht fassen können und das Ewige ist ja auch „unfassbar“. Petrus wird dann sagen: Herr, zu wem sollen wir gehen? In diesen wenigen „Heiligen Worten“ versammelt sich die gesamte Frage des Existierens, nicht als interessante Frage so in der modernen Art eines banalen Existenzialismus oder in einer noch banaleren psychologisierten Anfrage. Der junge Heidegger fragte einmal: wofür lebe ich, wofür sterbe ich (eigentlich)? Die erste große Blockade der Begegnung mit dem „Wort Gottes“ liegt schon darin, dass es lange her sei, damals war es so, damals die Heilungen, die Besessenen, diese Geschichten, die da erzählt werden, damals die Passion. Aber was geht mich das eigentlich jetzt und hier an? Eine noch viel schlimmere Blockade liegt dann aber darin: man sieht den Ewigen Gott, erkennt wie Petrus: Du bist der Heilige Gottes! – und dann ziehen sich dennoch „viele Jünger“ (also wir) zurück, wollen lieber eigenes Leben leben, so, wie es uns gefällt. Es ist am Höhepunkt der Besessenheit (der Mann aus Gerasa): die Menschen „erleben“ die Heilung, sie sehen das auch (innerlich und äußerlich) und sie haben große „Ehrfurcht“ (Mk 5, 15). Sie staunen (das Staunen ist hier ein Ergriffen sein, berührt werden) über dieses Geschehen und dann passiert, kann man sagen, ein Unglück: sie schicken den lebendigen Herrn (der sie im Herz ergriffen hat) wieder weg, er soll weggehen, ferner werden, nicht mehr so nah sein. Ich erlebe das jetzt: Heilige Messe, Gebetsabend, 12 Uhr Engel des Herrn, Abendgebet usf., vielleicht einmal Exerzitien, schön. Man fühlt: Gott ist nah! Man bittet auch in jedem Gebet um diese Nähe und Führung, formuliert das aus, spricht es aus. Schön, kann man sagen, in der Theorie. Aber, sonst ist es uns schon lieber, wenn der Herr nicht so nah´ ist, er soll dann lieber wegziehen aus der Nähe. Diese Grund-Stimmung könnte lauten: Herr, ich bitte dich, zieh´ weg aus meiner Gegend (meines Existierens), verlasse mein Gebiet. Vielleicht aber, wie bei den Emmaus-Jüngern, kommt mir: Herr, bleib´ bei mir, heile weiter – oder wie bei Petrus: Herr, wohin soll ich denn gehen auf dieser Erde, bei Dir ist doch das Heil! In uns selbst ist diese extreme Anspannung, ein vielleicht innerer Kampf. Zieh´ weg, lebendiger Herr, aus meiner Existenz – du bist zwar der Heilige Gottes, das habe ich schon verstanden, aber zieh´ dennoch in die Ferne von mir!

 

Jesus frägt dann auch: Wollt auch ihr weggehen? Will ich weggehen, wünsche ich, dass du, Herr, in die Ferne rückst? Vielleicht: ein wenig „mag“ man den Herrn schon, für 1 Stunde Event, oder in Notlagen, aber sonst? Vielleicht ist man auch innerlich „froh“, dass der Herr wegzieht denn der Herr zieht weg, er folgt unserer Weisung! Dieses „Wegziehen“ meint: ich interessiere mich dann lieber für die Alltagsdinge, die sind dann wichtiger oder für den medialen Rummel. Ertragen wir den präsenten lebendigen Gott nicht in dieser Nähe (Intimität)? Petrus sieht das in der tiefsten Tragweite: Wohin, Herr, soll ich denn gehen – ich habe doch alles (im Horizontalen) überblickt, bei Dir allein ist das Leben! Ertragen wir Jesus nicht? Lieber weiter weg, dann kann ich mehr selbst gestalten, nach Lust und Laune und nach Gefühl (Event). Die Konfrontation mit Ewigkeit ist offenbar einer harte Auflage für das horizontal ausgerichtete Gemüt. Man weiß schon, dass man hier nur einige Jahre verbringt, aber von Ewigkeit will man jetzt noch nichts wissen und haben, so muss ich eben darauf achten, dass ich ja gesund bleibe in den nächsten 40 Jahren. Zugleich gibt es diese Berichte jener Menschen, die dem Tod nahegekommen sind und wieder zurück auf der Erde sind. Die berichten alle: ich habe jetzt keine Angst mehr, denn ich „weiß“ um diese Ewigkeit; sehr beruhigend, ein tiefer Friede liegt darin. So, als wollten sie, die Zurückgekehrten, sagen: Herr, bleib´ doch bei mir, geh´ nicht weg! Die Zurückgekehrten haben dann ein sehr relativiertes Verhältnis zum Horizontalen, sie leben hier auf Erden aus der Ewigen Quelle. Bei Johannes heißt es wirklich: Was er sagt, ist unerträglich (Joh 6,60). Es ist also nicht zum Tragen, es ist zu schwer, zu massiv, man bricht vielleicht unter der Last der Heiligkeit zusammen, muss flüchten, weil es so dicht andrängt!

 

Ist das eine eigene Erfahrung? Man erlebt das Wunder Gottes und dann sagt man: Zieh´ weg aus meiner Gegend! Dieses „Sagen“ meint hier die gesamte Ausrichtung des Existierens, das Wohnen der Existenz in Welt! Es ist kaum artikuliert, vielleicht wenig bewusst, aber die Antwort gibt hier die Schwerkraft und Wucht des Existierens selbst! Die ganze Art des Existierens in Welt antwortet: zieh´ weg aus meinem Existieren, ich bin lieber mit mir selbst beschäftigt! Der lebendige Gott konfrontiert mit Ewigkeit, mit dem Vater im Himmel – ist uns das nicht „lästig“, diese Konfrontation? Am Ende führt sie dazu, dass wir ihn kreuzigen, hinrichten dafür, dass er von Ewigkeit spricht und uns das Ewige Leben bringt – dafür töten wir ihn. Dieses Töten ist ja nichts anderes als: ich will dich loswerden, geh´ weg aus meinem Leben! Bei Petrus ist das spürbar in dieser „Verleugnung“: Herr, ich will dich jetzt loswerden – ich kenne dich nicht, eigentlicher: ich will dich jetzt nicht kennen! Warum, das ist die Frage, will ich das Heil (Jesus) loswerden, will mich lieber dem Zeitlichen hingeben, das mir im Moment wichtiger ist? In diesen ganzen Fragen zentriert ein „Geheimnis“ und es steht nicht zufällig bei Johannes kurz nach dem Petrus Bekenntnis: Du bist der Heilige Gottes – das Wort: Und doch ist einer von euch ein Teufel! Ist es dieser Kampf mit dem Bösen, mit den gefallenen Engeln, der Böse, ein gigantischer Gegner, fortwährend flüstert er: du hast das Leben hier im Horizontalen, hier bis du heimisch, das Ewige ist konfus, nicht greifbar, beschäftige dich lieber mit den horizontalen Angelegenheiten. Gut, dir ist zwar der lebendige Gott begegnet, aber jetzt lass´ es sein damit, es wartet die Welt, es wartet das echte Leben „hier“ auf dich! Dass das, was hier im Horizontalen geschieht, von Gott gelenkt wird – glauben wir das oder ist das un-glaublich, wollen wir das auch, oder wollen wir es nicht? Klaus Schwab, Gründer des WEF (The Great Reset), weiß zielsicher, wie nach COVID 19 die Welt „neu aufgebaut“ werden muss. In all seinen Reden (den Inhalt einmal weggeblendet), zeigt sich eine Formel: „wir müssen…machen“ und: wir „wissen wie es geht“! Wer sich nicht vom inhaltlichen Blendwerk täuschen lässt, das mitunter den sozialen und humanistischen Anstrich hat, der muss erstaunt sein. Es zeigt sich „konzentriertes (ausschließliches)  Machertum“ – wir schaffen das, wir können das – wir sind die „neuen Götter“.

 

Es sind Allmachts-Fantasien, die unter dem Deckmantel humanistischer Ziele daherkommen. Erschreckend dabei ist die reine, horizontale Sichtweise, ein Absolutismus, der rein horizontal ausgerichtet ist mit dem Ziel, eine „neue Welt-Ordnung“ (in der alles möglich ist) zu programmieren.Die Welt ist doch in Gottes Hand und Vorsehung, ER ist doch der Schöpfer des Himmels und der Erde, ihm gebührt die Ehre. Von dieser Ewigen Perspektive her gesehen zerschellt jedwedes irdische Machertum, jede Allmachts-Fantasie muss hier scheitern. Der Anspruch des horizontalen Absolutismus ist in sich „un-rein“: sein ganzes Streben liegt im ausschließlich Weltlichem, jetzt im „Programmierbaren“: alles, scheint es, ist diesem Absolutismus möglich: den wahren Gott, den Schöpfer, den braucht es hier nicht, der stört nur. Wer nur für diese Welt und von dieser Welt leben will, der ist „un-sauber“, der verdrängt Ewigkeit und verwechselt sie mit Un-Endlichkeit (immer so weiter hier). Kann man glauben, dass man „lebt“ ohne diese horizontale zeitliche Welt? Nicht, dass man diese Welt verachten sollte, sondern dass mit dem Tod nichts vergeht, alles bleibt. Gott hat uns doch nicht für den Tod geschaffen, dass dann alles vorbei sei – ein leeres Nichts. Es sind die heutigen Todes-Anzeigen durchgängig sentimental, wirklich elend: alles war so schön, unvergesslich, aber jetzt ist es leider vorbei – wir danken dir für dein großartiges Leben und weinen ein wenig! Beim Sterben schläft man ein (im Normalfall) – man sagt dann auch: er ist ent-schlafen. Jesus sagt selbst: das Kind ist nicht gestorben, sondern es schläft. Man darf sich weder vor Tod und Teufel, noch von der Panik-Mache der wenigen Eliten noch vor der medialen Kriegs-Rhetorik Angst einjagen lassen: wer im Heiligsten Herzen Jesu ruht (in sinu Jesu) – der ist schon jetzt „auferstanden von den Toten“. „Ewiges Leben“ hat kein Ende, irdisches Programm endet sicher. Worauf also baue ich, worauf setze ich? In der Tragik des horizontalen Absolutismus zeigt sich auch eine Beschränkung und Verminderung an: mir genügt das rein Horizontale! Dann ist der Friedhof wirklich Endstation, etwas sehr zu Verdrängendes und Bedrückendes. Für den „Glauben“ aber ist der Friedhof „Haus des Lebens“, es ist nicht aus und Ende, es geht ins Ewige. Das Ewige könnte man verstehen, sich darauf einlassen: aber, wir ertragen es nicht, laufen fort, wagen das Ewige im Zeitlichen nicht. Schon im nächsten Augenblick ist man Gefangener der zeitlichen Dinge, gebunden an das Sinnliche, an das Vergängliche; zu Ende gekommen im Staub! Dieses „zu Ende kommen im Staub“ ist das Versprechen der alten Schlange (des Teufels), der immerzu die vergängliche Welt lüstern präsentiert, Lust auf sie macht. Dann lebt man auf den Staub hin, glaubt ihm, hofft auf ihn und liebt den Staub und am Ende ist man der Getäuschte, will und hofft, dass es wenigstens noch ein paar Jahre weiter ginge, bis man endlich abschnappt.

 

Lebe ich vom Ewigen her oder nur vom Zeitlichen? Das ist keine Nebenfrage, sondern die Hauptfrage und sie ist zu entscheiden! Gott macht keine Geschöpfe für die Zeitlichkeit und wirft sie dann weg, Ende und aus!

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn: in dem Ewigen Augenblick der Umkehr (metanoia) ist der Geflüchtete schon „ganz gesegnet“, der Vater läuft ihm entgegen, kein Wort der Anschuldigung mehr. Gott tötet nicht, macht man sich das klar? Wir leben in und aus Ewigkeit her. Es ist unsere Alltagssprache so verendlicht, dass es einem grausen könnte. Die Sprache ist zu Staub „erstarrt“, oft sehr ekelerregend. Das Leben von Ewigkeit her leben: dann hört es mit dem „starren Dasein“ (Lähmung) auf. He-rod-es: charod: erzittern, erbeben, Angst haben, in der Enge leben. Es heißt: wer Angst hat oder Angst „ist“, der verbreitet auch Angst, der setzt das heraus, was in ihm anwest. Wer also Angst ist, der muss Angst einjagen, Angst machen. Im Horizontalen ist es immer eng, kaum Platz da für Ewigkeit. Ewigkeit ist da: jetzt kommt mir diese Ein-Sicht, dieser Große Zusammenhang, es spricht sich von Ewigkeit her zu – gewaltig. Endzeit heißt, wie der Name es sagt: die Zeit ist zu Ende! Wann wird das sein? Es ist eine sinnlose Frage, denn sie frägt horizontal und die bloße Zeitlichkeit ohne Ewigkeit hat keinen Sinn. Ende der Zeit ist immer dann, wenn Ewigkeit in Zeitlichkeit einbricht: also Gnaden-Zeit. Dann leben wir „jetzt“ im Jahre 2022 in einer Gnaden-Zeit? Antwort: ja, in einer großartigen Gnaden-Zeit. Gnaden-Zeit heißt dann auch: Ewigkeit ist da, von Ewigkeit her die Zeitlichkeit bewässern lassen. Dann ist die Zeit zu Ende (der Allwahn-Anspruch, dass nur das Zeitliche zu gelten habe). Ende damit: das ist End-Zeit! Ende der Zeit ist auch dann: wenn Aggression aufhört, Auflehnung gegen das, was geschieht und ist! End-Zeit ist dann, wenn Ewigkeit beansprucht wird: dann kann die zugeschickte Zeit schon kommen, steht zur Verfügung, keine Eile mehr, keine Versuchung des Gehetzt seins mehr. Aber wer die Zeit selbst beherrschen muss, der muss aggressiv sein, denn es geht sich dann hinten und vorne nach eigener Vorstellung nicht aus. Erkennen wir Gott „in“ der Zeit, haben wir den Mut dazu! End-Zeit ist auch, wenn die Zeitlichkeit im „ewigen Jetzt“ zu Ende kommt. Das Ewige Jetzt unterfängt Zeitlichkeit, hält sie aus, sonst könnte sie nicht sein. „Jetzt“ ist der Moment der Ewigkeit: schwer zu begreifen, schwierig, sich darauf zu besinnen, dass Ewigkeit „jetzt“ da ist. Diese Ewigkeit (Heiliger Geist) erzählt sich zu, benötigt Aufenthalt, ein Anhalten in der Ruhe, der Stille und der Einsamkeit. Wenn du mit dir ganz allein bist: ist dann der lebendige Herr bei dir, sprichst du mit ihm, sagst: Herr, warum dies oder das oder dankst du ihm, sagst: danke, Herr, du fügst alles!

Dieses Jetzt der Ewigkeit verträgt keine Eile oder Ungeduld: End-Zeit ist dann, es meint: die Herrschaft der Zeitlichkeit ist zu Ende, die Ungeduld ist zu Ende, mit der Eile ist es zu Ende. Dann ist alles da vom Ewigen Gott her wie es ja auch in Wahrheit da ist. End-Zeit hat keine Eile mehr, sie ist zur Ruhe gekommen, denn die Zeit hat ihre Herrschaft verloren. Im ewigen Jetzt, kann man umgekehrt sagen, hat man die „Zeit der Einverleibung“, es ist die Zeit der Intimität mit Gott.

 

End-Zeit ist daher immer die Zeit des Dankes und des Lobes. Das Denken ist dann ein Danken und ein Loben: weil Ewigkeit alles überstrahlt und durchdringt. Die Welt dann herankommen lassen als „Begegnung“, im Innersten die Begegnung mit Gott. Warum dann Ungeduld oder Eile, nein, mit dem ist es dann vorbei. Also: vorbei mit dem Erzwingen, vorbei mit der Eile, vorbei mit der Ungeduld, vorbei mit dem Macht ausüben, vorbei mit dem Machertum, vorbei auch mit dem Einfluss ausüben wollen oder müssen. Im Angesicht der Ewigkeit haben die eben genannten Strebungen ihren Sinn verloren. Ein Kennzeichen unserer Zeit ist die „Raserei“, diese verlorene Schnelligkeit. Raserei ist ein „Wahn“, so sagte man auch früher zu den Wahnsinnigen: sie seien in „Raserei“. Heute ist die Raserei sogar gesellschaftlich legitimiert. Man könnte also ganz „beruhigt“ sein, denn der Retter ist ja zugegen. Wo ist er? Ja, man versteht das schwer, begreift es kaum. Immer dann, wenn es in einem „sehr still und ruhig“ wird, eine tiefe Gelassenheit aufkommt, ein Friede, dann ist doch der Herr da, spürbar sogar. Leben wir darin – nehmen es für bare Münze? Nicht eine Formel hersagen, sondern wahrhaft sein mit Gott: ja, du bist da! Dann ein unglaubliches Wort: Lass´ dir deine Verzweiflung (und verzweifelt sind wir doch alle irgendwann einmal) nicht nehmen durch die sehr gescheiten Ärzte: schlucke also nicht Psychopharmaka, besaufe dich nicht, renne nicht in die Apotheke. Halte es aus bei deiner Verzweiflung, der Retter ist da und er kommt auf dich zu. Man spricht gegenwärtig immerzu von den Gefahren der Gegenwart: Corona, Atomkrieg, Inflation, Ukraine, globale Schuldzuweisungen, Umweltverschmutzung, Weltuntergang, korrupte Politik. Diese Atmosphäre der Drohung verseucht die Gemüter, schürt völlig irrationale Ängste, man stolpert von einer Drohung in die andere. Kürzlich sah ich mir das Video von 2016: Reinhard Mohn Preis Verleihung an, der Preis ging an den Gründer des WEF Klaus Schwab. In der kurzen Dankes Rede möchte man fast ergriffen sein von so viel Empathie und Mitgefühl des Redners. Kurz: es geht um „verantwortliches Unternehmertum“, man solle professionell sein, Sinn und Zweck verfolgen, Leidenschaft haben, bescheiden und demütig sein, die Welt verknüpfen, Zukunft gestalten, Lösungen ausarbeiten, die alten Ideologien für ungültig erklären, „neue Wertvorstellungen“ kreieren und schließlich am Wichtigsten: den Menschen in den „Mittelpunkt“ stellen. Die Rede endet auch mit diesem Fokus, den Menschen alleine zu zentralisieren.

 

In der ersten Reihe des Publikums fiel mir auf, dass ein ehemaliger Bundeskanzler Österreichs zugegen war und sehr begeistert applaudiert hat. Einer, von dem ich mir immer dachte, der müsste es besser wissen.

Diese Rede von Schwab kommt unglaublich humanistisch daher, mit Wertvorstellungen, die auch in einem moralischen Kontext bestehen könnten. Das Böse kommt nicht mit Hörnern und Schwefelgestank daher, das wäre zu primitiv, das Böse kommt in der Eloquenz des „scheinbar Guten“. Am Ende der Rede wird die nachgeäffte Wahrheit präsentiert: Ziel sei, dass der „Mensch“ im Mittelpunkt stehen solle. Man kann ruhig hinzufügen: der manipulierte, steuerbare und programmierte Mensch. Man bedenke: ein Geschöpf soll „Mittelpunkt und Zentrum“ sein und die Moralvorstellungen von gestern, die gelten nicht mehr, man schafft sich neue, angepasste, eigene. Und die versammelten Eliten applaudieren, es sind die Wirtschaftsbosse, die Pharmariesen. Es ist eine gigantische Formation einer modernen Diktatur unter dem Deckmantel: The Great Reset. Die Ideologien von gestern sind ungültig, so Schwab, wir schaffen uns eigene, neue, angepasste. Für diese neuen Programme will man „verantwortlich“ sein, das heißt dann „Verantwortung“. Wenn ein Geschöpf der Mittelpunkt sein soll, dann braucht es den Schöpfer nicht mehr, der ist alt und verstaubt. Die Gefahr in dieser „neuen Ideologie“ liegt genau darin, dass man Begriffe wie Verantwortung, Demut, Sinn und Zweck, Leidenschaft und Herz und Bescheidenheit zwar in den Mund nimmt, aber völlig entwurzelt. So bleibt der Anschein von Humanismus und Gut-Menschentum, im Grunde aber ist hier ein eiskalter, berechnender logifizierter Verstand am Werk, ein Zentralismus der kalten Berechnung. Gott, der Schöpfer, hat hier nicht einen Millimeter Spielraum. Wenn man unbedarft Schwab in seiner Rede zuhört, bekommt man Lust auf das Gestalten, es kommt eine Stimmung auf: wir, die zentralisierten wichtigen Menschen, wir schaffen das schon, wir schaffen Zukunft, wir planen und setzen um – herrlich. Und man applaudiert, ist gerührt und betroffen (ja richtig besoffen), auch die politischen Eliten erweisen dieser Diktatur ihre Ehrerbietung. Im Grunde verwirklicht sich schon die Programmierung des Neuen Menschentums, die Formation und Steuerung des kalten lógos. Der kalte lógos ist die Logifizierung der reinen Berechnung und Durchführbarkeit im bloßen Anschein des Gutmenschentums. Ferdinand Ulrich hat in „Virginitas foecunda – Krippe und Kreuz“ – diese neue Ideologie glänzend analysiert. Gott und seine Schöpfungsordnung sind absolut von vorgestern, so etwas darf man auch nie mehr wieder andenken oder aussprechen. Am Ende der Rede hätte doch wer aufstehen sollen mit der Bemerkung: ach, welch ein Irrtum liegt hier vor, Sie haben in ihrer Rede doch den Schöpfer ganz vergessen, nicht einmal nur annähernd seiner gedacht! Diese Neue Ideologie des IWF ist eigentlich ur-alt, sie geht zurück bis zu Genesis, Kapitel 3. Im Kapitel des Sündenfalles geschieht diese Dynamik der Selbstvergottung, die heute kosmopolitisch am Werk ist. Das Gefährliche an dieser modernen Ideologie ist dann auch, dass sie im Kleide des Fortschrittes und des Wohlwollens und des scheinbaren Friedens daherkommt – schön zum Anhören, schön für das Gemüt: Applaus.

 

Die Fratze des Krieges (Ukraine oder andere Kriegsherde) kommt dagegen klarerweise abstoßend daher, daher konzentriert man die Kräfte dagegen. Man sprach immer von Diktaturen des Ostens, aber im sogenannten freien Westen gab und gibt es auch eine (vielleicht) viel schlimmere Diktatur: die Diktatur der Verabsolutierung des Geschöpfes. Es passt hier sehr gut das Wort: horizontaler Absolutismus; er ist planetarisch am Werk und das Erschreckende ist, dass auch jene applaudieren, die es doch besser wissen sollten. Und in dieser Rede von 2016 ist auch hintergründig die „sehr ernste“ Atmosphäre spürbar, diese angebliche Verantwortung, die der absolut zentralisierte Mensch dann auf seine Schultern nehmen muss: Kein Fehler darf da passieren! Wenn das Horizontale allein das Ausschlaggebende ist, dann ist es wirklich sehr ernst, dann ist mir das Vergängliche lebens-notwendig und jeder Verlust desselben eine Katastrophe. Wer die Ewigen Maßstäbe Gottes nicht mehr sieht, der muss im Horizontalen untergehen, der kann wirklich nicht im Frieden sein, kann die Welt hier nicht mehr relativieren im Angesicht Gottes (Augustin Guillerand). Dann wird letztlich wirklich alles „bluternst“ sein müssen, am Ende siegt hier nur die kalte Aggression. Die Schwab-Rede von 2016 könnte man auch überschreiben: Schlanke Metaphysik! – abgemagert, spindeldürr: es fehlt die Liebe zu Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, ihm gebührt der Mittelpunkt, nicht dem Menschen. Ein Pharisäer ist ein „Abgesonderter“, ein Getrennter. Wovon trennt sich der Pharisäer? Er trennt sich von Gott, seinem Schöpfer. Der idiotés im Griechischen ist ein „Privatmann“, auch ein Abgesonderter, ein Getrennter. Die Pharisäer und die Idioten, sie blicken nur mehr auf das Horizontale, machen Entwürfe, stellen Programme auf, sind dem Machertum eingeschworen. Und wer dann die „Spielregeln“ der Neuen Ideologie nicht einhält, der ist unfair und wird ausgesondert. In diesem Sinne kommen auf jene, die hier nicht mitmachen, schwere Zeiten zu. Aber es sind wahrhaft „befreiende“ Zeiten, lichte und leichte Zeiten, getragen vom Herrn, denn ER ist das Zentrum, ER trägt es, für uns. Die schwere Last dauert nur einen kurzen Moment (und wenn das Jahre sein sollten): am Ende ist der Sieg des Herrn unverrückbar. Gott „weiß“ schon – er ist doch der Schöpfer von Allem; ich muss zum Glück nicht wissen, auch keine horizontalen Programme liefern, das wäre schrecklich, eine reine Überforderung. So brauche ich auch gar nicht neugierig „hier“ sein, es wird schon gut gehen und gut sein: Gott lenkt. So überlasse ich alles Gott, er macht es gut, ich kann hier gar nichts tun und machen. Ja, „wissen“ kann man das nicht, ein Zu-Ende-Definiertes ist es auch nicht: aber glauben, hoffen und lieben, das schon: hier spüre ich „Ewigkeit“. Wer den Ewigen Gott verdrängt, der muss letztlich aggressiv sein eigenes beschränktes Hoheitsgebiet bis aufs Blut verteidigen, spätestens dann, wenn ihm selbst die Haut abgezogen wird. Und wer nicht mitmacht, der wird aussortiert. Warum den Ewigen verdrängen, der Ewiges Leben „ist“? Ja, das ist die große und einzige Frage, denn sie nicht beantworten hieße, sich dem Tod überlassen, in der Meinung, man könne selbst sein Schicksal lenken und steuern. Aber das ist eine große Lüge: niemals kann man selbst entscheiden, was und wie mein Schicksal sein soll. Wir sind nicht mehr „überzeugt“ davon, von Ewigkeit her zu leben, es ist uns das keine letzte und erste Gewissheit mehr. Der Hebräerbrief spricht das aus, dass dieses Überzeugt-sein das Wesen des „Glaubens“ ist – aber unter Glaube versteht man heute nur: na ja, ist halt ein bisschen fromm, ist gut, aber geht mich nichts an. Man hat schon die Vorverurteilungen parat, um das, was Glaube meint, vor-zuverurteilen. Die Zeitlichkeit wird von der Ewigkeit her unterfangen und allein, wenn ich Armseliger das „denken“ kann, wie viel mehr wird es der Schöpfer gönnen? Der „veräußerte Mensch“ ist der verkaufte Mensch: er kann nur Äußerliches „sehen und erkennen“, nur Zeitliches kommt ihm, berückt ihn, fesselt ihn. Es ist dieser große Sprachverlust, das Taubstumme unserer Zeit: man redet besinnungslos ohne Unterlass, pausenlos. Was geht mich das zeitliche Geplapper an, das medial kontaminierte – davon wirst du nicht leben können! Es ist ein untrügliches Zeichen der entäußerten Welt, dass sie besinnungslos das Wörtchen „viel“ benutzt: viel gelesen, viel erlebt, viele Jahre gelebt, viel studiert, viel gearbeitet, viel mitgemacht, viel verdient usf. „Viel“ ist der reine Ausdruck der Quantität, ein Messbares. Wer also nach dem Quantitativen lebt (einziger Maßstab), der ist blind (er sieht zwar viel, aber nur Zeitliches) und der ist zugleich stumm (er spricht zwar viel, aber „sagt“ nichts). Daher ist das besinnungslose „viele“ Herumgeschwätz eine echte Volkskrankheit, ein notorisches Herumreden-müssen.; es zeugt von einer inneren tiefen Leere, einer Sinnlosigkeit, die man in sich trägt, die man sich aber nicht eingesteht. Nur „so“ im Quantitativen leben: schrecklich! Das wahre Töten ist: Ewigkeit aus dem „Leben streichen“, es wegmachen, vergessen machen, nichts mehr davon wissen wollen. Man streicht das Ewige aus dem Zeitlichen, will von Ewigkeit nichts mehr wissen, das ist etwas für die Vorgestrigen.

 

Jesus wird nicht nur physisch getötet, hingerichtet, sondern in erster Linie „geistig“: indem er distanziert wird, weggehalten wird, missbraucht wird für zeitliche Befindlichkeiten. Sein Leiden ist in erster Linie: sie wissen nicht, wer ich bin, welche Botschaft ich ihnen bringe, sie sind blind und taub, erkennen mich nicht, können nicht verstehen.

 

 

LEIDEN

 

Vom „Leiden“ will man heute nichts hören und sehen, das eigene Leid nicht und das der Anderen auch nicht und das „Leiden des Herrn“ ist überhaupt etwas Unzumutbares. Man denkt dann reflexartig an Schmerzen und die will man nicht. So wird das Leiden ganz veräußert verstanden, vom Schmerz her, der weh tut. Zahnschmerzen sind schrecklich, man nimmt sofort Medikamente, oder Kopfschmerzen usf. Seelischer Schmerz ist mitunter noch schlimmer: man sieht keinen Sinn mehr im Existieren, man ist physisch bei bester Gesundheit und dennoch sehr depressiv, immer enger, bis man nicht mehr will. „Das Leiden unseres Herrn Jesus Christus sei immer in unseren Herzen“ – es ist der Wahlspruch, das Leitwort der „Passionisten“. Da tut man sich sehr schwer damit und meint gleich: das sind alles Masochisten, die verehren die Leiden und Schmerzen – sehr pervers! Dann das „Kreuz Christi“ – auch unzumutbar, wieder diese Schmerzen, die Folterung, die Geißelung – und das alles soll man verehren, loben und danken dafür und es als erstaunlichstes und größtes Werk der Göttlichen Liebe erkennen (Hl. Paul vom Kreuz). Das bringt der rein horizontale Verstand nicht zusammen, es ekelt ihm davor und der Grund liegt in der Starrheit, im horizontalen Ausgeliefert-sein der gesamten Existenzweise. Wenn ich nur auf „physische Schmerzen“ starre und es sonst „nichts gibt als das“, dann ist klar, dass das Leiden nur negativ sein kann. Größtes Werk der Göttlichen Liebe? – für den Horizontalen muss dann Gott eine blutrünstige Bestie sein – nein danke!

 

Nun gibt es auch ein Leiden des „Nicht-verstanden-seins“: wenn Gott die reine Liebe ist, und daran darf kein Zweifel bestehen, dann schenkt er Alles: und ALLES ist ALLES, also das ALLER-Beste schenkt er hin, das ganz Heil schenkt er hin. Besser geht´s  nicht, kann man sagen – ein vollkommenes Geschenk wie es auf Erden keines geben könnte, er schenkt den kostbarsten Schatz ganz umsonst, verlangt auch nichts dafür, will keine Gegenleistung. Diesen vollendeten Schatz bietet der Vater uns zum Geschenk: und wir „lehnen ab“, verstehen gar nicht, was der Vater uns da schenken will: Ewigkeit, ewiges Leben bei ihm, Unvergänglichkeit, ewige Seligkeit im Himmel. Das Beste „erfassen“ wir gar nicht, können es vielfach gar nicht begreifen, weil wir so verhindert sind (und der Hinderer ist doch der Satan). Wir begreifen gar nicht die Dimension, die hier angeboten ist, ganz umsonst, wir sind wie blockiert und dumm stehen wir davor in unserer vorschnellen Gescheitheit und Rechthaberei. Und vielleicht bekommt man eine leise Ahnung davon, wie tief das „Leiden des Herrn“ geht: denn sie (also wir alle) wissen nicht, was sie tun; niemand da, der wirklich „versteht“ – einzig Maria, die Heilige Mutter unterm Kreuz; sie protestiert nicht, sie weiß um die Größe des Leidens, das der Herr auf sich nimmt – für uns alle, die wir „Unverständige“ sind – also ein Seyn in Unverständigkeit. Es sieht so aus, als „müssten“ wir so sein: Unverständige. Das Leiden erreicht hier seinen Höhepunkt: ich gebe dir das Allerbeste, den ewigen Himmel – aber du begreifst nicht, lehnst sogar ab, tötest mich! Und der Heilige Johannes ist da – er ist der ganz Begnadete: der Herr gibt Gnade (Jehochanan). Maria, die voll der Gnade ist, Johannes, auch er ist voll der Gnade. Maria Magdalena, auch sie ist „da“, die einstmals so hochmütige und stolze (migdal, der Turm), die einstmals „voll“ Besessene. Sie „verstehen“ schon, nicht in einem kalten lógos, sie verstehen mit der „Liebe“.

 

Und unser sterbender Gott am Kreuz „betet“ für uns, die Unverständigen: rechne es ihnen nicht an, ihre Unverständigkeit! Der geht ganz „umsonst“, alles ist gegen ihn und er geht „dennoch, trotzdem“ es ihm alles kosten wird. Wer kann „dieses Leiden“ begreifen? Das Sterben am Kreuz unseres Herrn ist der endgültige Sieg über allen horizontalen Absolutismus: Ewiger Himmel, ewiges Leben beim Vater – das ist hier „errungen“ – das ist der Oster-Sieg. Die rein horizontale Welt kann keine Lösung (Erlösung) bringen, hier herrscht doch der Fürst der Welt (Satan). Und der Herr geht in einer vollendeten „Gott-Verlassenheit“, wie wir sie alle ein wenig spüren, wenn wir nur ehrlich zu uns selbst sind. Jesus zeigt uns: hier, im Horizontalen, ist keine Dauer, keine Erlösung, kein Wohnen in Ewigkeit; am Ende bleibt nichts! Keiner versteht das richtig, will  es sich auch nicht klar machen. Ich kann es euch auch nicht mit Formeln beweisen oder mit Wissenschaft, ich gebe euch jetzt das Zeugnis meines Blutes. Gottverlassenheit: der Vater selbst ist der Verlassene, er leidet das Verlassen-sein: wer wird antworten, wird einer antworten? Dieser verlassenen Welt schenkt er sein Liebstes, seinen Sohn. Wer kann das begreifen, der verlorenen Welt, die ihn vernichten will, schenkt er noch sein Liebstes. Es dämmert vielleicht hier ein wenig, wie groß die „Größe der Liebe Gottes zu uns“ ist, von der der Heilige Paul vom Kreuz spricht. Dann haben Leiden und Schmerz einen viel tieferen Sinn als Zahnschmerzen, die einmal aufhören. Die Liebe Gottes dagegen „hört nicht auf“ – alles physische Leiden hat einmal ein Ende, aller seelischer Schmerz endet einmal: Ewigkeit (Liebe) endet nicht. Das ist die Frohe Botschaft des Kreuzes Christi, hier muss man ein-sehen, Einsicht haben. Der Herr mutet uns ALLES zu, eben die Ewigkeit, nicht nur Zeitliches, sondern Ewiges (den Himmel). Deshalb ist er gekommen uns das zu „sichern“. Sicherheit gibt es nur im Ewigen, es gibt keine horizontale Sicherheit, das ist eine Lüge des Anderen. Und je mehr du das Ewige wichtig nimmst, desto mehr gewinnst du auch das Leben „hier“. Je mehr du aber nur das „Hier“ wichtig nimmst, desto mehr verlierst du die Ewigkeit. Die Ewigkeit bei Gott also wichtiger nehmen als das Zeitliche, das wäre schon viel, sehr viel, reine Gnade, kann man sagen und eine große Freude, denn erst jetzt ist man „ausgerüstet“ für das Leben im Horizontalen, hat man vielleicht eine Ahnung davon, was „Göttlicher Humor“ bedeutet: Nimm´ dein Leben und alles was dir widerfährt nicht so todernst wichtig (nimm es schon ernst) aber, nimm´ es nicht todernst, so, als ob Leben und Tod davon abhinge. Bewahre dir meinen Göttlichen Humor (Fulton Sheen), denn du bist in meiner Göttliche Hand geborgen, was kann dir dann schon passieren? Das Zeitliche lebt eigentlich erst durch den Einbruch des Ewigen: erst dann kann man von „Leben“ sprechen. Wer nur „horizontal“ ausgerichtet existiert, der lebt nicht, der vegetiert, ist ein Vegetarier, frisst nur Horizontales, ist noch nicht auf der Höhe seiner Göttlichen Würde, ist nicht Kind Gottes, könnte es aber sein.

 

Nimm´ dein Kreuz auf dich – heißt dann auch: nimm´ deinen ganzen Lebensweg und alles, was dir beschieden ist, heiter und mit Freude auf dich, was immer kommen mag, wie grauslich es auch für den kurzsichtigen Verstand aussehen mag: du bist in mir, deinem Gott, von Ewigkeit her geborgen, es kann dir niemand auch nur ein einziges Haar krümmen – sei also zur Gänze un-besorgt, ohne Sorge, ohne Angst. Hab´ also keine Furcht vor den physischen Schmerzen, die vergehen, am Ende bin ich doch der Auferstandene, also der Ewige! Das ist die Ewige Perspektive, diese muss man entschieden bejahen, sie sich ganz klar machen und eine Entscheidung treffen! Ja, darüber sollte man sich endlich (in dieser Endlichkeit) Klarheit verschaffen. Man spricht heute nicht mehr davon, dass „Seelen verloren“ gehen, deshalb, weil man nicht mehr von den „Letzten Dingen“ spricht, auch von Seiten des Priestertums. Eine Seele geht „verloren“, sie „verliert“ sich im rein Horizontalen, hat keine Verbindung mehr zur Ewigkeit, hält sich nur mehr im losen Endlichen auf, das End-lose immer so weiter. Und die Zeit frisst alles auf, es bleibt nichts, am Ende die tragische Depression: wann geht endlich das Licht aus, man wünscht sich dann im Endlichen ewige Betäubung, Bewusstlosigkeit, nicht mehr wahrnehmen müssen.

 

Das Leiden des Herrn: man bedenke, der Herr ist voll des Lobes und des Dankes, voller Freude, er geht zum Vater, es erwartet ihn die Kreuzigung, keiner kann sich das Leid hier vorstellen, er geht in die äußerste Gottesnacht, die Gottverlassenheit und in das vollendete Nichtverstanden-sein: Jesus jammert nicht, er hadert nicht, er betäubt sich nicht: er ist voll des Dankes, er ist nicht unglücklich, er geht! Nimm´ auch deinen Lebensweg, dein Kreuz, „so“, in dieser Art und Weise, auf dich – sei immerzu voll des Dankes, in jeder Situation. Heute, bei der Heiligen Wandlung, im Geschehen der Heiligen Eucharistie, geschieht der Einbruch des Heiligen in das Profane, Zeitliche, jetzt begegnen sich Ewigkeit und Zeitlichkeit. Der, der hinzutritt, nimmt den Ewigen (Ewigkeit) in sich auf, verbindet und vermählt sich mit Ewigkeit. Wer kann das fassen, wer kann es würdigen? Wer nimmt es „ernst“? Wir „essen“ Ewigkeit, Unvergänglichkeit, Ewigkeit wird eins mit unserem Blut: das Blut des Lammes und unser Blut, ein Blut-Kreislauf. Jetzt geschieht das, während dieser Feier, es ist eine Heilige Feier in Ewigkeit: Ewige Liturgie. In dieser Heiligen Feier ist die Zeitlichkeit „ausgesetzt“, denn alle Himmlischen sind versammelt, zugegen und wir, die Sterblichen treten hinzu. Was ist uns da angeboten? Wer mag es fassen? Der Heilige Paulus sagt einmal: Ihr seid schon gestorben und auferstanden! Es ist also schon in der Heiligen Taufe geschehen, ein Perfekt. Wir sind schon gestorben: man sollte sich das klar machen. Dass alle Getauften schon Gestorbene und Auferstandene sind, wer macht sich das wirklich klar, denn eine Folge davon wäre doch, dass das, was wir hier Sterben nennen eigentlich keines ist. Der Tod, oder was wir uns darunter vorstellen, hat seinen Stachel verloren. Stehen wir fest in diesem Glauben, in dieser einzigen ewigen Sicherheit: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein – „heute noch“ meint: von Ewigkeit her, nicht irgendwann, jetzt, im ewigen Jetzt. Das „Blut“ Christi ist heilig, es ist Gleichnis mit dem Vater. Es vergießen heißt auch: ihr habt mich nicht verstanden, ich bin der Unverstandene, ich nehme auch das auf mich, gerade deshalb. Blut-Hochzeit: Vermählung, Begegnung mit dem Lebendigen Gott in Zeit: Heilige Eucharistie.

 

Noch einmal das "Kreuz Christi": im tiefsten Sinne spricht es zu uns: ich, dein Gott, ich bin auch bereit dazu, dass man mich tötet - wenn es dir nur gut geht, das ist mir das Wichtigste!

 

Der Zyklus „Heilige Maria – Mutter Gottes“ spricht immerzu von „Erlösung“. Und die einzige Lösung ist das sehr, sehr „ernst“ Nehmen des eigenen Lebens, und Ernst nehmen meint hier: es wahr und echt nehmen: es „so“ nehmen von Ewigkeit her, dass es von Ewigkeit hier da ist. Wenn du das glaubst, dann bist du überzeugt, dann weißt du, dann geschieht das „jetzt“ – dann bist du „erlöst“ – begegnest dem Erlöser.

 

 

Gelobt sei Jesus Christus!

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XLIII)

 

 Λήθη XIX    Erlösung XXII  (Pfingsten 2022)

 

Gebundene Zeit (Oktober 2022)

 

Wir kleben und haften so an dieser irdischen Erde, dass wir uns einfach nicht erheben können. „Einfach“ erheben (nicht kompliziert), einfach ist „kindlich“. Also keine komplizierte Philosophie, keine Vorstellungen. Aus der Position der Unverbindlichkeit, der Beziehungslosigkeit redet man dann, wenn man dem Erdhaften anhaftet. So lebt man unehrlich, eindimensional, kann dann nicht sprechen bei dem vielen Herumgerede, ist dann moderner Analphabet. Diese Lebens-Lüge (weil sie die gesamte Existenz verseucht), wird gut verdrängt, gar nicht zugelassen „als“ Lüge. Wenn wir die Welt der Wichtigtuer „relativ setzen“, diese ernsten Gesichter nicht mehr so ganz ernst nehmen, dann wird diese Welt wütend werden (sehr zornig). 2 Makkabäer, 7. Kapitel  - das Martyrium der 7 Brüder! Der König der Welt (des Horizontalen) wird immer zorniger, wütender. Jedes „Wort“ ist hier sagend, spricht zu: der König der Welt (des Horizontalen), er „zwingt“ (er engt, jagt Angst ein). Alle sieben Brüder (7 ist die Vollzahl, das Insgesamt) – sind dennoch „treu“. Der König der Welt „droht“ ihnen alle Schrecklichkeiten an, die man sich nur vorstellen kann: die 7 Brüder bleiben „treu“. Sie pfeifen auf seine Drohungen, sagen: du kannst uns ruhig rösten, es wird weh tun, sicher, aber nur kurz, für die Ewigkeit ist das eine Nebensächlichkeit! Und der König der Welt (es ist der Satan), er weiß um seine absolute Niederlage, darum ist er so wütend und zornig! Der Satan bittet die Mutter der 7 Söhne: rate dem Jüngsten, er solle sich doch bitte retten. Der Satan setzt sein ganzes Vertrauen in die Mutter der 7 Söhne (hier sieht man schon, wie der Satan um seine absolute Niederlage weiß). Der Satan bettelt die Mutter an und glaubt schon an seinen Sieg, ist davon insgeheim überzeugt. Und dann passiert das Unerwartete: die Mutter (mater, materia, die terra immaculata) spricht im wahren Wort: Jüngster meiner Söhne, hab´ keine Angst vor dem Tod, sei ganz ohne Sorge darüber, alles ruht in Gottes Händen! Und so starb der Jüngste, heißt es, mit „vollendetem Gottvertrauen“ – danach auch die Mutter. Der „Jüngste“ ist der reinste, die ganz reine Seele, sie ist vollendet intim im Vertrauen auf Gott, einerlei wie die Welt zürnt und wütet und tötet. Die Parallele zur Kreuzigung Jesu ist hier schon sichtbar. Die Heilige Gottesmutter Maria steht, wie es im Stabat mater heißt, „ohn´ alles Klagen“ unter dem Kreuz. Kein Aufruhr, kein Zorn, keine Klage, keine Beschwerde, keine Entrüstung, keine Aufregung! Und der Satan zürnt, weil er hier nichts mehr mit seinen Drohungen oder Versprechungen bewirken kann. Noch einmal (gerade auch für unsere jetzige Zeit): der Satan glaubt an seinen Sieg und die Mutter der 7 Söhne rät dem Jüngsten: nimm´ den Tod in Kauf, folge deinen Brüdern!

 

Sie spricht zum Jüngsten: nimm alles an, denn der Herr, unser Gott, er schenkt alles zum Besten! Im 30. Vers steht in der Jerusalemer Bibel das Wort: Kaum hatte sie aufgehört! – aufhören ist ein Hinauf-Hören, ein Enden also im Horizontalen und ein Hin-hören zum Ewigen. In diesem Augenblick des Hinauf-Hörens ergeht der Befehl an den Jüngsten (er ist der reinste): ich gehorche dem horizontalen Geist (der Androhung) bestimmt nicht! Er, dieser Jüngste (reinste), nimmt den Tod an! Da wird der König (der Satan) am Ende sehr, sehr zornig, die Wahrheit der Rede des Jüngsten hatte ihn im Innersten so verletzt, dass er ganz verzweifelt re-agieren muss. Der Satan ist letztlich – und das weiß er wohl sehr bestimmt – bloßer Re-agierer, Nach-Äffer der Göttlichen Gutheit (der Affe Gottes).

So konfrontiert, wird der König der Horizontale immer „zorniger, immer wütender“! Der Wutbürger ist nicht der, der auf „etwas“ in dieser Welt wütend reagiert, er, der „Wüter“, ist im Grunde wütend darauf, dass er die Relativierung seiner horizontalen Ansprüche ahnt, dann eilig das Mysterium weiter verdrängen muss und umso mehr weiter lügt und aufgeregt sein muss. Selbstmitleid ist eine ganz dumme Form des Stolzes, also eine Weise ins „Ich“ zu gehen: der Andere soll gefälligst meine Leistung anerkennen, das habe ich mir doch redlich verdient! In dieser Eigendrehung liegt eine große Gefährlichkeit: man verliert dabei den Blick auf den allguten Vater im Himmel, dreht sich dann nur mehr im eigenen Ich-Schlamm und Selbstmitleid, am Ende jammert man nur mehr, wie schlecht doch die Welt zu einem ist. Man verliert hier die „Freiheit“ Gott für die Fülle zu danken, die er doch jeden Augenblick gibt. Also: nicht ins Ich gehen, nicht ins Selbstmitleid gehen, nicht in das Gieren nach Bestätigung durch die Anderen gehen, „frei“ von diesen Drangsalen sein, das ist nur möglich in der Grundausrichtung auf den Herrn.  Ein dankbarer Mensch sieht das Gute, das Schöne und er freut sich daran. Ein undankbarer Mensch sieht nur Probleme, er regt sich immerzu auf, sieht nur das Defizit, wird hineingezogen in eine Traurigkeit, letztlich in das Böse; denn das Böse ist ein Mängel-Wesen, das Böse ist der Mangel an Gutem! Die Fülle des Guten ist da, „präsent“, gerade im scheinbaren Mangel, der uns nur als „Mangel“ erscheint, gerade hier ist die Fülle des Guten zugegen. Nur wer die allpräsente Fülle in Gott „sehen“ kann, der kann auch wirklich „dankbar“ sein.

 

Wer immerzu auf das Defizit sieht, muss dagegen un-dankbar sein. Man merkt es den Gesichtern an: die Jammerer, die es immer so schwer haben, das Leben spielt ihnen übel zu, meinen sie, sie haben es ja so schwer, das hat man sich doch nicht verdient. Ich weiß noch, wie einer bei einem Toten sagte: so etwas hat er sich nicht verdient! Und dann muss man auch sagen: wir leben im Übermaß der Überfülle, materiell zumindest und wir jammern, wir fürchten, wir befürchten und vergessen ganz zu „danken“. Heidegger sagt einmal im Alter: der Dank dafür, dass einer sich dem verdankt, dem er geeignet ist! Es meint: der wahre Dank gebührt dem, dem man doch „gehört“, dessen Eigentum man ist und das ist doch unser Gott. Ihm gehört alles, er schenkt alles, ohne seinen Heiligen Hauch wäre doch nichts. Wir vergessen ob unserer kleinlichen Sentimentalität den Großen Dank, haben dann nur mehr Augen für unsere Befindlichkeitsstörungen. Wenn man sich dem Ewigen verdankt, so wird die schwere (schwierige) Welt leicht und licht: warum also Befindlichkeitsstörungen? Hier ist jener existentielle „wirkliche“ Schwerpunkt: will ich in das Gelobte Land oder will ich es nicht? Dieses Hinein-wollen heißt dann: ich bin absolut von der Grund-Gutheit Gottes in allen Dingen überzeugt, nehme sein durchdringendes Wohlwollen an, nichts kann mich davon trennen. Die zukommenden Ereignisse des Lebens mögen mir schwierig, ganz verkehrt oder sonst wie vorkommen: der Herr ist dennoch der „Gute Hirte“. Diese Haltung hält am Ewigen Gut-Sein Gottes fest und von dieser Perspektive her sind die Geschehnisse der Zeitlichkeit sehr relativ, eben vergänglich, nicht der Aufregung wert, kann man sagen. Ins Gelobte Land wollen ist diese „Entschiedenheit“, ich muss „ja“ sagen, das sehr ernst wollen, meinen und leben. Hier unterscheiden sich die Geister; man kann diese Entschiedenheit nicht „lau“ angehen oder meinen, die Entschiedenheit komme schon mit der Zeit oder gar von selbst. Nein, jetzt und hier muss ich mich entscheiden, mit ganzer Kraft, mit meiner ganzen Existenz. Ich denke, im Alter wird es, wenn man nicht jetzt diese Entschiedenheit entscheidet, immer dunkler, es kommt nicht von selbst, man wird im Alter nicht von selbst poröser (durchlässiger) für das Licht des Himmels, im Gegenteil; im Alter wird man von selbst immer stumpfer! Eine Gefahr liegt in der Gewöhnung an das, was uns horizontales „Leben“ heißt; das Gewohnte will man nicht mehr verlieren oder loslassen.

 

In der Gewohnheit stellt man keine wirklichen Fragen mehr, es kommt einem Dämmerungszustand gleich: Götzendämmerung. Keine Fragen mehr stellen bedeutet eigentlich: das je jetzt zugschickte „Wort“ (den lógos) nicht mehr befragen, keine Beziehung aufnehmen, nicht lebendig anfragen: was sagst du mir jetzt, was bedeutet das hier und jetzt? „So“ zu fragen hieße: das Bedeutsame achten, auf es aufmerken! Wir haben uns verirrt, das verirrte Lamm sind wir selbst, es hat sich verstiegen in der Flucht. „Flucht“ nennt man heute noch den „Abgrund“, wer also „flieht“, fällt in den Abgrund. Und Er, das Lamm Gottes, es sucht uns, mich, dich und es findet uns immer. Das ist die Frohe Botschaft: wohin wir uns auch verirrt haben, das Gottes-Lamm findet uns verirrten Lämmer. Jedes verirrte Lamm ist wertvoll, gehört dazu, fehlt, wenn es gänzlich verloren ginge, also abstürzte in der Flucht. Man verirrt sich im Gesetzmäßigen, im Ästhetischen, im Halben des horizontalen Absolutismus oder in der Verwirrung (Babel). „Frohe Botschaft“ heißt es, es ist die „erlösende Botschaft“, die Botschaft vom Erlöser. Die horizontale Welt ist nicht alles, was uns so vorkommt, als wäre das Vergängliche alles, was uns so erscheint, als verginge alles im Nichts, diese Welt ist doch letztlich relativ zur Ewigkeit: das Tragende für die Welt ist eben das Verborgene, die Freiheit der Liebe, der Hoffnung und des Glaubens. Gebirge spricht von Bergung, in der Verbergung liegt die Geborgenheit, im Schoß des Gebirges, für die Augen nicht sichtbar und doch gerade deshalb präsent. Es gibt diesen  verborgenen Zusammenhang in Gott einen tiefen Sinn, der sich ent-birgt. Wieder das „Gebirg“ Gottes, das den Sinn stiftet.

 

„Faulheit“ ist der Zug in uns, der meint: bloßer Zufall, meint, es hätte auch anders sein können. Die zeitgenössische Faulheit will sich nicht mehr binden, nämlich an den Göttlichen Sinn, der immer zutrifft und „meint“. Faulheit zuckt mit den Schultern und raunt: bloßer Zufall! Man will über die Geschehnisse, die einen augenblicklich treffen, nicht mehr näher eingehen und zwar im Sinne des Göttlichen Mysteriums. Faulheit ist im Grunde die Trägheit, auf den zugeschickten Sinn, der je jetzt passiert, aufzumerken, dahinter das Verborgene wahrzunehmen. Diese Faulheit als Trägheit ist das Gegenteil zu dem, was man „Liebe“ nennt. Wenn die Liebe vergeht, weil die Faulheit mächtig wird, spricht die Langeweile. Das ist dann auch in dem vielen Herumgerede spürbar. Man zeredet das Äußerliche bis ins Detail und schon wartet die nächste Worthülse. Wer also „liebt“, der frägt immerzu: was bedeutet das jetzt, was geschieht hier aus dem „Gebirg Gottes“? Man muss sagen: die Sprache „spricht“ sich schon zu, immerzu spricht die Sprache, aber im Herumgerede hat man kein Ohr für den lógos. Und jetzt etwas Entscheidendes: es ist heute überall spürbar und sichtbar: oft und oft blickt man das Minus an, den Verlust oder die Katastrophe und die „Fülle“ sieht man dann nicht mehr, man rührt den Schlamm hin und her und verstrickt sich darin. Dann wird man depressiv und muss in die Apotheke. Nein, wir sollten die „ganze Fülle“, die präsent ist, anblicken, nicht mit unseren kurzsichtigen Augen, sondern mit den Augen der Intimität. Dann fragt der Gescheite: wo ist sie denn, diese ganze Fülle, ich sehe nur Schrecken und Elend, Krieg und Verderben. Dann muss man sagen: die ganze Fülle offenbart sich der Intimität mit Gott; erzwingen kann man das nicht. Die „ganze Fülle“ ist präsent: das kann man nur im Glauben „wissen“, von außen her ist das ein Irrsinn. Wenn man ganz „müde“ ist, also diese Müdigkeit im Leben da wir erkennen, das eigene Leisten ist nicht das Wichtigste, diese tiefe Müdigkeit des Sein-lassens: da wird etwas spürbar von der „ganzen präsenten Fülle“, die schon da ist, die wir auch nicht leisten müssen (und können). Sich an die „ganze präsente Fülle“ gewöhnen meint dann: wohnen darin! Die Gewöhnung ist die Wohnung des Lebens, wie einer gewöhnt, so wohnt er, lebt er. Die ganze präsente Fülle hat keinen Mangel bei und in sich, sie ist das „Gute“, also die „Güte“. Wenn der Blick auf diese Güte gerichtet bleibt, gewöhnt (wohnt) man sich an den Sinn-zusammenhang, dann bleibt man im wahren Gespräch. An der präsenten absoluten Fülle in Gott ist kein Zweifel; der innere Blick darauf wird vielfach „gehindert“ und so sind wir oft die Gehinderten, halten unsere Blicke auf das Defizitäre (was wir als defizitär bezeichnen in unserer Kurzsichtigkeit) fixiert. Der Satan (der Böse) wird im Hebräischen der „Hinderer“ genannt, er ist diese Macht, die die absolute Gutheit nicht gönnt. Etwas nicht gönnen: ich gönne dir nicht deinen Erfolg, dein Wohlsein, dein Glück. Oft gönnen wir nicht und uns selbst gönnen wir auch nicht diese Fülle der Intimität mit Gott.  Das Nicht-gönnen ist das Neiden: ich will dir nicht wohl sein! Der Satan in seinem Wesen ist jener, der dir das „absolut Gute“ (die Fülle der Güte in Gott) nicht gönnt. Diese Fülle in Gott ist nur zugänglich in der Freiheit des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe – diese sind frei und können sich erheben, in ihnen erdigt sich es nicht, da ist nichts Herabziehendes.

 

Über den Glauben, über die Liebe und über die Hoffnung, da merkt man, da gibt es nichts zu diskutieren, jede Diskussion darüber ist überflüssig, man kann auch nicht über das Gebet diskutieren, entweder betet man oder eben nicht. Wie man auch nicht über die Liturgie oder die Himmlische Liturgie diskutieren kann; man kann sagen: die Wahrheit lässt keine Diskussion zu, sie ist in sich wahr, immer dieselbe, bleibt sich treu. „Diskussion“ verlangt Zeit, im Himmel sind keine Diskussionen, da gibt es keine Zeit dazu. Ewigkeit hat keine Zeit (Vergänglichkeit). Ist man bereit Liebe zu empfangen von einem, von dem man völlig abhängig ist? Vom Ewigen her empfangen, will man das? Wollen wir nicht „Alles“ empfangen (und Alles ist Alles), die Empfängnis des Absoluten? Wir wollen rechnen, also zuerst berechnen, ob es sich schon lohnt, abwägen; darin zeigt sich: ich will nicht vertrauen, zuerst meine Rechnung und dann vielleicht ein wenig Hingabe. „Wissen“ in dem weiten Sinne jetzt genommen als: habitus, Haltung, das Wohnen in der Welt. Mir scheint, dieses Wissen ist das glatte Gegenteil von „Gott-Vertrauen“. Der Baum der Erkenntnis ist verführerisch, die Frucht des „Wissens“ ist (der Überschlag der eigenen Kalkulation) im Wesen „böse“. „Wissen“ ist daher in der Wurzel ein Abstands-Phänomen, ein Distanz-Phänomen: es hält fern vom Vertrauen, schiebt sich dazwischen und lähmt. Möglich, dass gerade der „Gelähmte“ in den Evangelien einer ist, der immer schon zu viel „gewusst“ hat, der sich immerzu vorerst im Wissen des eigenen Überschlags absichern muss, bevor er „tut“. „Einfach“ zu empfangen und „einfach“ zu geben: das scheint das Schwierigste zu sein für den, der es zuerst „wissen“ (berechnen) muss, bevor er so tut. Empfangen hieße eigentlich: ich dulde einen Herrn über mir, der mir schenkt, ja der mich reichlich beschenkt, der mir alles gibt. Kann ich und will ich das zulassen? Schenken meint dann restlos loslassen, weggeben, einerlei wie der Empfänger damit umgeht. Darin liegt die Freiheit des Existierens: ich bin dann frei davon, in welcher Art und Weise mir die Welt im je jetzigen Augenblick auch entgegentritt, nur eines wäre dann wichtig: immerzu geben, schenken, ohne Berechnung. Das Dulden duldet auch den abträglichen Angriff, es beschönigt ihn nicht, nennt ihn, lässt sich aber nicht hinreißen, heißt: verzeiht dem Angriff. So kommen die Dinge und Ereignisse wie sie kommen (Krieg und Frieden, im Großen und im Kleinen) Gesundheit und Krankheit, es kommt wie es kommt und in all diesem Kommen liegt das „höchste Gut“, die Zeit und die Dinge in ihr, sie überrollt uns – wissen kann man das nie. Jede Berechnung und Eigenkalkulation ist im Innersten schon Aufruhr gegen das, was zugeschickt ist. Der Aufreger ist damit nicht zufrieden, er stellt dann eigene Überlegungen und Berechnungen an. Die Frucht vom Baum der Erkenntnis (des Wissens) ist zu verlockend und so manövriert man sich in eine Enge, in der man letztlich rundumschlagen muss: die Enge der Angst (weil die eigene Berechnung nicht aufgeht oder es immer anders kommt als man will).

 

Es heißt: wenn einer die Taufe ablehnt, so bedeutet das, dass er dabei bleibt, über die Zeit (mit der eigenen Berechnung) herrschen zu können (ober er das klar sieht oder nicht). Es ist hier genau die Position des Existierens, in der man abhängig wird vom eigenen Ich oder in das Grund-Vertrauen in Gott zurückkehrt. Dieses Grundgefühl: ich muss tun, ich muss leisten, ich muss erarbeiten und Pläne machen, Programme usf. In dieser Art verfällt man in den Götzendienst des „Machbaren“: wir machen schon, wir sind Optimisten, wir schaffen das usf. Die Sünde hat viele Gesichter und eines davon zeigt sich in der Form: das musst du dir erst verdienen, das musst du erst leisten, von Nichts kommt nichts! Der Leistungsmensch in uns ist so ein Götzendiener! Der Kaufmann in uns ist dieser Rechner und Berechner: es muss sich auszahlen, quid pro quo! Heute nennt man das „fair“ sein, man spricht von Fairness! Buße, büßen: was heißt Buße? Der Büßende legt die Rechnung weg, er berechnet nicht mehr, sondern empfängt Alles in Allem; das ist Büßen, aufmerken darauf, was einem wirklich gefehlt hat. Gefehlt hat mir eigentlich die bedingungslose Annahme dessen, was mir von Ewigkeit her, also von Gott dem Vater, zugeschickt ist und wird. Dagegen war immer Auflehnung, eigene Rechnung, am Ende könnte man Egoismus dazu sagen. Der Büßende ist daher in seinem Wesen sehr „froh“, hat keinen bitteren Ausdruck bei sich. Wenn man heute von Bußzeit spricht, da fallen gleich die Rollläden herunter, man meint eine bittere Klagezeit. Nein, Buße, das ist die Zeit der höchsten Freude, weil der verlorene Sohn „umkehrt“, weil das verirrte Lamm gefunden ist. Darum wird es gehen! Eigentlich etwas – vom horizontalen gesetzmäßigen Standpunkt aus – ganz Unmögliches; die „umkehrende Seele“ erzählt von reiner Gnade, hier versteht man, was das ist: Gnade. Gott erbarmt sich, ist gnädig, schenkt dieses Wunder der Umkehr! Hier wird das greifbar und spürbar! Per Gesetz ist Umkehr wirklich unmöglich!

 

Wenn es heißt: kehrt um, tut Buße – so ist das das höchste Gut im Horizontalen, das einer menschlichen Seele widerfahren kann, im Wesen eine „reine“ Freude, eine himmlische Freude! Der Büßende wagt diesen Schritt zur bedingungslosen Annahme: Gott schenkt alles Gute, und das Geschickte im Geschick ist zugelassen von ihm her, ob es mir nun gerade passt oder nicht. Alles nimmt der Liebende an, weil er vertraut – auch wenn mir jetzt der Tod zugeschickt wird, er kommt aus Gottes Fürsorge, ER wird schon wissen, warum jetzt und in dieser Art: ich aber bleibe im Vertrauen. Ja, auch der Tod ist Teil der Göttlichen Liebe. Das ist eine ungeheure Ansage, da muss man einmal inne halten! Der Tod soll „gut“ sein, Gott lässt ihn doch zu? Verstehen (Wissen im Sinne: jetzt weiß ich es, habe es durchschaut) kann man das nicht. Hier beginnt die Freiheit des Vertrauens in Gott, dass er es schon weiß, ich muss es nicht wissen, aber ich kann vertrauen, treu sein, intim sein mit seiner Liebe. Der Herr hat jetzt gegeben, der Herr hat jetzt genommen: wissen und verstehen kann ich das nicht, aus Überlegung, mit Berechnung – geht auch nicht: dennoch: gepriesen bist Du Herr und Gott! Das Ganze annehmen besagt dann: Alles annehmen, nicht nur 50 % annehmen, nicht nur das für mich gute, sondern auch das, was mir widersinnig, abträglich, was gegen mich ist. Alles „ist“ Alles! Unser Herr geht auf´s Ganze, er will die Lauheiten (die Halbheiten) nicht, er speit sie aus aus seinem Munde! Es kommt also wie es kommt und kommen muss und so ist es gut, sogar sehr gut! Die innere Stimmung dieses: es kommt wie es kommt und so ist es sehr gut, ist das Glücklich-sein, daraus das wahre Loben und Preisen strömt (also der Lobpreis). Lobpreis ist sehr oberflächlich, wenn man wie ein Maschinist ein paar Lieder singt und ein paar Gebete daher sagt und Musik gemacht wird. Wahrer „Lobpreis“ ist eine tiefe Grund-Stimmung in mir, eine Grund-Freude darüber, dass alles in Gottes Hand geborgen ist, in seiner ewigen Vorsehung ruht. In dieser Vorsehung ruhend entspringt Freude darüber, auch in sehr schwierigen Zeiten (die uns in unserer Kurzsichtigkeit „schwierig“ vorkommen). Wir leben doch wie kein anderes Zeitalter in der permanenten Atmosphäre der Androhung; keine Zeit war so geprägt vom „Drohen“ wie die gegenwärtige. Es ist also unser Zeitalter jenes der Enge, darin die Angst, darin die Drohung: das ist ein negativer Bund, kann man sagen, der heute geradezu medial auch alles verseucht. In dieser negativen Atmosphäre kommt der Mensch nicht mehr dazu, groß und göttlich von sich zu denken, sich zu empfinden in der Größe des Kind-seins in Gott. Er empfindet sich dann existentiell wirklich als Kleinbürger, voll von Angst und Sorge was die Zukunft bringt. „Heiterkeit“ dagegen ist fest verankert im Vertrauen auf die Vorsehung in Gott, der schon das Allerbeste zugesichert hat, einerlei wie es um uns herum droht und androht. Man kann also mitten in den Wirrnissen und Kriegen, den großen und den persönlichen, sehr gelassen und heiter sein; sicher, nicht per Gesetz und nicht weil man soll oder muss, sondern in der Freiheit des Vertrauens, in der Freiheit der „Beziehung“.

 

Jehoschua: der Herr hilft, der Herr rettet! Jesus wird der Erlöser genannt. Nicht weil ich so brav bin und ich mich anstrenge und viel bete; das wäre Kaufmannsmentalität. Der Erlöser ist am Kommen, weil er „mein“ Erlöser sein darf. Dieses Kommen des Erlösers geschieht, ob ich brav oder schlimm bin, hängt nicht von meinem Verhalten ab; würde es dies, ich wäre verloren. Die Garantie der Erlösung, kann man sagen, ist vom Erlöser her. Der Erlöser ist „da“, nicht von einer Einbildung, Vorstellung, Planung oder einem Wissen her. Die Erlösung vom Erlöser her ist ohne Beweise, sie ist also mächtiger als jeder Beweis. Der Beweis sagt: ich möchte erst nachrechnen, Vorstellungen ausbreiten, Einbildungen machen, bilanzieren, diskutieren. Der Glaube durchbricht diese Planbarkeit (Diskussion). Erlösung ist in Wahrheit keine Option, ob ich sie persönlich ablehne oder nicht. Erlösung ist da, wie immer auch mein Verhalten sein wird und das ist die Garantie, diese absolute Zuverlässigkeit. Wir kommen immer wieder in diese Versuchung, nur vom Horizontalen her die entscheidenden Dinge zu sehen, aber wir müssen vom Erlöser her ausgehen, von IHM kommt die Erlösung, nicht aus unseren Überlegungen. Ohne Beweis glauben und lieben, ohne Vorteil und Nutzen, das ist Tat der Buße: also im Innersten „froh sein“ – der Erlöser ist da. Das Nur-Horizontale hat keine Tiefe, also keine „Beziehung“. Man bemerkt das schon beim „Wort“, es bleibt da nur die (flüchtige) wechselnde Hülle, die im nächsten Moment ausgetauscht wird (keine Beziehung ist da). Die Beziehung zum Wort wird dann gestiftet, wenn mir das Wort etwas „sagen darf“, ich frage dann: was bedeutet das jetzt? Dem Mir-Zugesagten gebe ich damit Raum, damit es sich zusprechen kann. Dafür ist verlangt, dass „Ich“ weniger werde, damit „Du“ sein kannst. Was sagt uns das jetzt, was bedeutet das (dieses mir Zugeschickte, Zugesagte)? Das ist der Beginn der „Liebe“, Liebe geht auf´s Ganze (nicht sentimental, lieb und nett). Liebe ist kein Gefühl, das wäre Einbildung. Liebe wagt das Äußerste, sie lässt alles Ich zurück. Das Wort „Liebes-Beziehung“ sagt es schon: der Ewigkeit Raum geben, Ewigkeit „ein-räumen“ – das ist Beziehung wagen. Denn ein Wagnis ist es allemal: es geschieht in der Atmosphäre des „liebenden Umsonst“. Viae Zion lugent – heißt es einmal: weil keiner mehr zur Feier geht, deshalb diese horizontale Traurigkeit. Der Mensch hungert und man merkt es ihm an in seiner Banalität. Hannah Arendt sprach einmal von der Banalität des Bösen; es gibt auch eine Banalität der Norm-alität, sie ist ein Kreuz der Beliebigkeit, aus ihr gähnt eine ungeheure Langeweile. Warum dieses „Kreuz“ jetzt, hier an diesem Ort, zu dieser Zeit: muss ich es mit-tragen? Heißt „Kreuz“ tragen schweigen, den Mantel der Liebe darüber legen? Oder ist Schweigen Dummheit? Eine schlechte Ehe ist eine, in der es diese Kreuze gibt, aber jeder schweigt darüber und so bleibt die Wunde ungeöffnet, eitert dahin und vergiftet alles. Nein, Liebe „schweigt“ nicht aus Angst, sondern spricht offen, aber ohne Hass. Erst die Liebe wagt das offene Wort und die Kraft zu diesem Wagnis empfängt sie aus dem Kreuz Christi. Der Herr am Kreuz spricht offen aus: Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht was sie tun. Er spricht offen aus, was ist, aber nicht verurteilend. Der Herr schweigt nicht am Kreuz.

 

Entscheidend: erst der, der gestorben ist, hat die Kraft zur Offenheit der Wahrheit, kann sie sehr ruhig ansprechen, aussprechen, ja er kann klagen wie Hiob und in aller Klage „sündigt“ der dann nicht. Tod und Auferstehung bedeuten: radikal anders geworden sein; das Alte ist nicht mehr, Ewiges tut sich auf. Früheres Leben war auf das Horizontale, auf das Tote hin ausgerichtet, jetzt aber, im Sterben und im Auferstehen, da lebt man auf Ewigkeit hin, zum wahren Leben. Nicht irgendwann einmal, so in 30 Jahren, dann, wenn der Tod handfest antritt, nein, jetzt und hier sind Tod und Auferstehung: das ist die Taufe. Die Wege nach Zion trauern, weil keiner mehr zum Fest erscheint: diese Traurigkeit ist die Langeweile des Horizontalen ohne Himmel, ohne Engel, ohne den Gekreuzigten. Darin vegetiert man tot dahin, längst bevor der Tod das Abschnappen bringt.

Und plötzlich, nicht machbar, in dieser horizontalen Nacht: die tiefe „Über-zeugung“: ewiges Leben ist da, präsent; also keine Angst vor Vergänglichkeit. In der Über-zeug-ung spricht sich doch der „Zeuge“ aus, der, der zeugt und Zeugnis abgelegt hat, der bezeugt. Der Zeuge, er „zeigt“ auch. Eine Über-zeug-ung kommt aus der Tiefe, ein Zeuge (ein Bote, ein Engel). Es stimmt: wir sollten reden über die Letzten Dinge, sie sind die Wichtigsten. Nicht die Zeit mit Horizontalem zu Tode bringen und gescheit über die Letzten Dinge aburteilen (oft sehr geistlos). Es ist interessant, dass gerade die Kritiker des Glaubens gar nicht bekannt sind mit dem, was sie kritisieren; sie kritisieren aus dem Leeren ins Leere hinein. Ein-Bildung: aufgrund meiner Einbildung meine ich „konkret“; je mehr Grenzen man zieht, desto dringlicher ist man in der Einbildung gefangen, dann spielen die Formeln: nur so und nur so, entweder – oder, eine sehr große Rolle. Ein-Bilden heißt: sich konkret ein Bild machen, das eingebildete Bild wird dann „dicht“, konkret und man glaubt diesem Bild. Man sagt doch: der ist sehr „eingebildet“ und meint damit, der ist „eitel, stolz, aufgeblasen“. Da ist schon der richtige Sinn darin: Eingebildetheit ist eine Form des Hochmutes, des Stolzes. Ich traue meiner Ein-Bildung mehr zu als dieser innersten Beziehung zu Gott, der mich anspricht, und zwar ohne Unterlass. Aber, ich habe kein Ohr dafür, bin mit meinen Einbildungen beschäftigt. Die Zeitlichkeit hat das Zähflüssige an sich und diese Verzögerung alarmiert meine Einbildung, es soll dann konkret sein, man hält sich dann dabei auf und geht am Ende verloren, weil der innere Blick in das Heile verloren geht. Heil-ig ist „heil“, ganz, vollendet, die ganze Fülle, alles in Allem! Wenn diese Stimme (Stimmung) des Heilen in einem Besitz ergreift, dann ist der Geist des Heilen anwesend: der Heilige Geist. Es ist der Geist vom Himmel, er wohnt in uns, aus der Tiefe des Existierens stillt er uns (in der Stille).  Horizontales wird dann erst gesehen „als“ Horizontales, vorher war man ganz dicht im Horizontalen, bewegte sich im Existieren so, als gäbe es nur dies. Der alte, blinde Kartäuser (Film: Die Große Stille) sagt einmal: Schade ist, dass die Welt den Sinn für Gott verloren hat. Das ist schade.

 

Der Gedanke an Gott wird verworfen und „Gedanke“ ist nicht nur so ein Geistes-Blitz, nein, im Gedanc liegt der „Dank“ und im Danken liegt das Lieben, das intim sein, die Beziehung zu Gott aufnehmen, in Fahrt kommen in dieser Beziehung: miteinander sprechen. Der Gedanc meint also „Beziehung“, Intimität – ein altes Wort für diese Intimität ist ja auch „Erkennen“: Adam „erkannte“ Eva, es meint eine Eins-Werdung ohne rationalen Überschlag, ohne Vorberechnung, Einbildung oder Überlegung (was es mir einbringen könnte). Das „Wort“ (der lógos) ruft in der Stille, will, dass man ihn (den lógos) endlich wahr-nimmt: er sagt je jetzt zu, „bedeutet“ und will, dass man ihn „erkennt“, also intim ist mit dem Wort.

Dieses rufende Stillen ist in sich ein Licht- und Leicht-werden, ein Aufstieg (Hinaufstieg). Die Schwere der Zeitlichkeit wird erst in diesem Aufstieg „als“ Zähigkeit gesehen und somit schon relativiert. Wer den „Ruf“ vernimmt, der ist schon herausgezogen (im Prinzip) aus der Zeitlichkeit und hineingehalten in die Ewigkeit, aus der er kommt und in die er geht. „Hart werden wir nur aus Enttäuschung“ – enttäuscht ist man immer dann, wenn keine wahre Freude da ist: die Freude „als“ Dankbarkeit.

 

Das Martyrium der 7 Brüder in 2 Makkabäer 7 spricht wirklich von einer „Zeit der Gnade“: denn der Tod ist besiegt! Zeit der Gnade ist zugleich immer Zeit des Schuld-Bekenntnisses, wer seine Schuld bekennt vor Gott, der ist wahrhaft begnadet und da merkt man schon: da sträubt es sich, denn von einer Schuld vor Gott will „Man“ nichts wissen. Schuld bekennen ist nichts anderes als metanoia, Umkehr, in sich gehen, erkennen, was trägt und wahr ist! Am Ende (im Anfang) steht die Dankbarkeit, dass der Herr das Leben führt, schützt und nährt, in ihm ist nichts verloren. Ende und Anfang sprechen von „Zeit“ (Zeitlichkeit, von „Sein und Zeit“). Kann man es be-achten: Zeit wird „gebunden“? Kann man es wahr-nehmen: Zeit wird enthauptet, geköpft, hingerichtet? Dann, wenn die Zeitlichkeit enthauptet wird, ist sie nicht mehr führend, sie sagt nicht mehr an: etwas Anderes west an und leitet: der Erlöser. Zeit „gebunden“, wie soll das sein, ist doch die Zeit so mächtig und rollt über uns hinweg, Zeit scheint das Mächtigste zu sein – wie dann „Zeit binden“? Wenn der Mensch die Zeit bindet, dann hat sie ihre ganze Macht über ihn verloren, der Mensch regiert dann die Zeit und die Zeit nicht ihn. Aber nicht der Mensch als Mensch könnte die Zeit binden, es ist der Menschen-Sohn, der das Zeitliche mit dem Ewigen (Vater) verbindet. Der Verband zeigt auch das „Wunde“ (die Verwundung) an, das, was nicht heil ist und war, ist dann „gut“ gemacht, wieder hergestellt, repariert. Im Angesicht des Herrn hat die Zeit ihre alleinige (scheinbare) Macht verloren: der Menschen-Sohn ist Herr über die Zeit. Herr über die Zeit, über das, was kommt und geht; es ist zwar da, aber enthauptet, das Zeit-Haupt fällt weg, diese vermeintliche Haupt-Sache Zeit. Die Zeit ist durch Ewigkeit gebunden: sagen lässt sich das nicht mehr, Heiliger Geist ist da.

 

Darin liegt dieses stille Geheimnis der „Entsprechung“; still, weil es verschwiegen anwest, diese Stimmigkeit: ewige Freude nimmt Form an, nimmt Fahrt auf. Gemeint ist nicht mehr eine vorübergehende (zeitliche) Freude, sondern eben eine „ewige“. In Markus 1, 15 heißt es: die Zeit ist erfüllt! Im Griechischen steht hier: ὁ καιρὸς – die Zeit des kairos ist nicht mehr die horizontale Zeit, sondern Einfall der Fülle der Ewigkeit in Zeitlichkeit. Der Herr sagt dann: das Reich Gottes ist nahe – es liegt nicht fern und dann und irgendwann; es ist „da“, präsent, man kann es schon sehen in der Morgendämmerung. Das alles sind Bilder, wahre Bilder, die lebendig anwesen. Machen kann man das nicht – es schenkt sich zu. „Die Zeit ist erfüllt“: ein gewaltiges Wort. Erfüllung spricht von Vollkommenheit, die Fülle ist da, da fehlt nichts mehr, da ist alles „gut“ gemacht, die Fülle west an in der Zeit, das Siegel der Vollendung leuchtet in der Nacht der Gebrochenheit, könnte man sagen. Man spürt schon: Friede ist da und das deutsche Wort Friede ist doch gleich dem Wort Freude und darin liegt die Entsprechung zum Kommen der Fülle, die immerzu präsent an-kommt. Voll-kommen: das Kommen der Fülle ist da. Wir müssen sie nicht suchen, dieses Kommen der Fülle, es ist ja da, aber wir sind blind und taub und gelähmt und sehr ein-gebildet, sehr stolz sind wir, wollen es berechnen; der Stolz ist behindert im Annehmen der Fülle.

 

Gelobt sei Jesus Christus!

 

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XLIV)

 

 Λήθη XX    Erlösung XXIII  (Pfingsten 2022)

 

Gebundene Zeit II   (Oktober 2022, zum Fest des Heiligen Antonius Maria Claret)

 

 

Wenn jemand zu erzählen beginnt, also spricht, so spricht er eigentlich nicht aus, was sich erfüllt hat, sondern jeder spricht seine Sehnsucht und auch seine Sorgen aus. Ich wollte schon Erfüllung, zugleich ist diese Schwachheit in mir, Schwäche. Schwäche, das darf und soll eine starke Gesellschaft nicht zeigen. Das Sagen und Sprechen „spricht“ sich aus: immer enthaltend die je jeweilige Situation. Das Erzählen meint Sehnsucht, ein ständiges Suchen und Eingeständnis: hier, im Horizontalen, ist es nicht erfüllt und dennoch ist zugleich die Fülle da. Schwer zu begreifen: nicht erfüllt und doch erfüllt! So ist wohl der Beginn der Sprache, das Erzählen beginnt damit: in diesem Nicht und Schon! Ohne „Sehnsucht“ gäbe es keine Sprache. Sicher, heutzutage ist die Sprache vernebelt, banal, oft sehr sentimental; es wütet die horizontale Sprache und doch findet man in ihr die Quelle: den lógos. Der lógos ist von Ewigkeit her, also je jetzt. Ein eigenartiges Jetzt! – beweisen kann man das nicht. Lógos meint: Ewiges Wort – Wort Gottes. Im Hebräischen ist das Wort vom „Seyn“ (howe) – es bedeutet hier: Herr – ein ewiges Präsent sein im Seyn. Der Herr ist „da“, es fehlt nichts, es ist heil. Der Augenschein freilich sieht das nicht, er sieht oft nur die eigene Befindlichkeit oder das, was ihm horizontal angeboten wird. Noch einmal: Sprache (Erzählen) wäre nicht, gäbe es die Sehnsucht nach dem Ewigen Gott nicht. Diese „Sehnsucht nach Gott“ bleibt vielen verborgen, wir alle tragen sie in uns, mancher gesteht sich das ein, viele nicht und sehr viele bemerken das gar nicht. Und oft ist das Erzählen sehr verkrüppelt, immer aber findet sich eine Ewige Spur in jeder Erzählung. Noch einmal das Wort „verbinden“: einen Verband nennt man auch einen Verbund, es gehört zusammen und der Verband ist auch einer, der die Wunde „stillt“, der die Wunde zum Heil bringt. Verbindung hat noch den weiteren Sinn bei sich, nämlich den der Vermittlung. Es ist EINER, der verbindet, verbindet die Wunden, die geschlagen werden und sind, verbindet aber auch den Anfang und das Ende, die Zeitlichkeit mit Ewigkeit.

 

Das Wort „Fülle“: etwas ist erfüllt, vollendet. Man tut sich schwer mit dem, was „Fülle“ meint und wenn der Herr sagt: die „Zeit ist erfüllt“, dann tut man sich besonders schwer. Etwas an-füllen bedeutet eigentlich: ein-schenken, darin das Schenken liegt. Die ganze Fülle ist geschenkt und im Zeitlichen auch anwesend. Wissen kann man das nicht oder berechnen: aber der Glaube „weiß“ das. Freilich zeigt die Welt ein ganz un-erlöstes (un-erfülltes) Gesicht, das ändert aber an der Wahrheit der Fülle der Erlösung gar nichts. Die Fülle ist „voll“, es fehlt nichts, es muss nichts hinzugefügt werden. Die Heilige Gottesmutter Maria, sie „ist in der ganzen Fülle der Gnade“, (voll aus Gnade), sie steht im ganzen Licht, die terra immaculata ist ausgefüllt mit Gnade (mit Heiligkeit). Das Wort Gnade kann auch übersetzt werden: angefüllt mit Einheit, mit Ganzheit, erfüllt sein mit Ewigkeit. Die Fülle ist von Ewigkeit her da, auch im Zeitlichen, Vergänglichen, Un-erlösten. Zu dieser Vollendung von Ewigkeit her kann sich die Seele jederzeit erheben, aus den Tiefen des Un-erlöst-seins aufsteigen wie reiner Weihrauch. Die Zustände im Horizontalen bleiben vielleicht dieselben, werden für den weltlichen Sinn sogar schlimmer, dennoch ist die „Vollendung“ da. Ich kann das annehmen oder ablehnen, das ist meine Wahl, meine Entscheidung. Diese Fülle oder Vollendung von Ewigkeit her ist „grenzen-los“, hier dringt daher keine Berechnung oder Kalkulation ein, das Ewige Land kann nur betreten der, der sich erhebt im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. Jede Diskussion darüber scheitert, muss zurückbleiben. Hier, an dieser absoluten Grenze, muss eine Entscheidung getroffen werden: ja, ich glaube das, ich bin voll überzeugt, ich bin „voll“ des Glaubens! Wenn dies geschieht, dann ist auch das Zeitliche wirklich voll der Gnade; das ist dann dieser kairós, dieser ewige erlöste Augenblick in Zeitlichkeit: je jetzt (kairós). Der „erlöste“ Mensch ist eigentlich der „treue“ Mensch: er ist dem Welt-Angriff vielfach ausgesetzt, beschönigt da auch nichts an dem Schlimmen und Bösen, das angreift, aber er bleibt treu, festhaltend an der schon seienden Erlösung. Einsamkeit, heißt es, sei das Fehlen von „Beziehung“; wer sich einsam fühlt, der hat Mangel an Beziehung, fast mundtot ist der, kann nicht sprechen und zeigen (zeugen). Der so Einsame ist behindert im Zeugnis und also kein: Zeuge! Der Herr, heißt es in Genesis, „schaut auf das Opfer Abels“ – er ist der „Hüter“, nicht der Macher, der „Hüter im Garten Gottes“, kann man sagen. Man kann aber auch sagen: Abel „hütet“ die Beziehung zu Gott, er sieht die Fülle der Vollendung da-seiend und verliert sich nicht im Horizontalen: Abel ist „Hirt“ des Seins in Gott. Abel er-kennt die Beziehung zu Gott und dieses Erkennen meint „Beziehung haben“, miteinander reden, nicht kompliziert oder in Formeln, nein, aber sehr intim: von Herz zu Herz, cor ad cor loquitur! Opferung heißt im Hebräischen „Näher kommen zu Gott“ (korban) – Abel opfert recht, er hat Beziehung und Gott nimmt sein Opfer an. Kain dagegen geht „leer“ aus, weil er „leer“ (beziehungslos) ist; das Sein von Kain hat keine Beziehung, es fehlt ihm die Wärme der Beziehung und es ist klar, dass Gott auf kein kaltes Herz blicken kann; anders: das kalte Herz des Menschen kann der Liebe Gottes nicht Stand halten. Das kalte Herz ist das abgewandte Herz, Kain „hütet“ die Beziehung nicht, er ist unfähig zur Intimität. Modern ausgedrückt: er ist immerzu ein „Beschäftigter“, immer sind andere Dinge zu erledigen und zu tun, Sorgen und Ängste sind da, die sind dann wichtiger.

 

Für Abel ist die „Zeit jederzeit erfüllt“, weil er mit Gott intim ist, Abel ist in der Fülle „voll von Beziehung“ (voll der Gnade). Der Kain wird ihn zwar erschlagen, das ändert aber nichts an seiner Beziehung zu Gott, an seiner Gott-Erfülltheit. Der Abel „tut“ eigentlich nichts, er „hütet“ aber, er ist einfach da und „so“ seiend ist er auch voll der Gnade. Der Tod, kann man schon sagen, kommt über ihn, sehr brutal, hat aber keine Macht über ihn. Jeder Moment hier auf Erden ist eine Möglichkeit, in Freiheit (nicht im Zwang der Angst) die Beziehung zum Ewigen zu stiften, zum Vater – jetzt und hier! Abel „spricht“ mit Gott, nicht im Machertum, sondern indem er Gott dankt im Hüten, das sagt: die Vollendung, die Fülle ist ja da, man kann nur staunen und dankbar sein! Das Hüten drückt sich in der Dankbarkeit aus. Kain, kann man sagen, ist im Wesen die Undankbarkeit. Jetzt, in diesem Augenblick, ist die „Zeit erfüllt“: dann, wenn Beziehung, Intimität ist; nicht irgendwann.

 

Gelobt sei der Herr in Ewigkeit!

 

Liebe ist dem Wesen der Freiheit gänzlich gleich, sie könnte nicht ohne Freiheit sein, frei zu entscheiden: ja oder nein! Die Freiheit der Liebe beinhaltet auch dieses „Nein“, sie riskiert geradezu dieses „Nein“, weil sie hofft, diese Liebe, dass dennoch ganz „umsonst“ Liebe antworten wird! Metanoia: Buße tun, Sinnes-Umkehr heißt es eigentlich, das gesamte Wohnen (Existieren) in der Welt wird gewandelt, das ist Buße tun. In der Umkehr ereignet die „Kehre“, der Blick ist ein anderer, viel weiterer und sehr, sehr bescheiden. Bescheiden, darin liegt: beschieden – es ist dir beschieden und im Schied liegt ja schon der Unter-schied (die Krise). Die Metanoia ruht nicht auf einem eigenen Kraftakt, einer Überanstrengung, im Gegenteil: metanoia ist ein Zulassen dessen, was einem „beschieden“ ist. „Zulassen“ ist ein Zur-Ruhe-kommen, Friede ist da – es heißt ja: requiescat in pace, im Frieden ruhen, das gilt nicht nur für die Verstorbenen, sondern besonders für die Welt des Lebens, was man so „Leben“ nennt. Die „Kehre“ setzt  einen Null-punkt voraus, einen Stillstand, sonst kann Kehre nicht sein. Dieser Null-punkt ist das völlige Zur-Ruhe-kommen, deshalb, weil alles schon „erfüllt“ ist. Der Jäger der Horizontale dagegen ist selbst der Gejagte, er muss immerzu „tun“ und sich beschäftigen, ein Programm haben, er kann nicht „ruhen“, das ist der Fluch des Jägers, hat er ein Tier (Geschäft) erlegt, jagt er dem nächsten nach. Am Ruhe-Tag (es ist der ewige Sonntag), sagt man, baut Gott den Tempel; dass es sich zu-baut, das ist der Sinn des Still-standes in der Kehre. Am Ruhe-Tag Gottes lässt man sich doch nicht mehr betrügen von den Lügen-Propheten, die den Welt-Untergang androhen. Und dann zittern die Seelen, weil ihnen plötzlich klar wird, wie sehr sie nur in der horizontalen Welt wohnen und nur diese behalten wollen. Wer Angst hat (besser: als Angst existiert), der fängt mit dem Berechnen an, der hat die Ruhe und Stille nicht, dem fehlt auch das Vertrauen in das Ewige, das durch das Zeitliche keinen Verlust erleidet. Man kann es heutzutage sehr oft beobachten: die Menschen fragen nicht mehr nach, sie wagen nicht mehr das Fragen: sie reden zwar ohne Unterlass Formeln nach, das, was sich medial verbreitet und das Unheimliche ist: sie haben keine Fragen mehr, wirkliche Fragen, sie ziehen keine wahre Bilanz mehr; sie scheitern zwar immerzu, aber sie wollen dieses Scheitern nicht wahr haben. So versteckt sich der moderne Mensch hinter dem, was „Man“ sagt. Heidegger hat das schon klar voraus gesehen. Man müsste hier offen entgegentreten und sagen: hör´ endlich auf mit diesem Herumgerede!

 

Buße tun bedeutet auch: ich habe jetzt wirklich Fragen: was bedeutet das, was sagt mir das jetzt? Und zwar nicht nur so horizontal hingefragt, sondern erschütternd gefragt! Es meint: du wirst bis ins Innerste deines Existierens fraglich – ein Erdbeben – Gottesbegegnung! Dann hört man auf, wie ein Besoffener zu lallen.

Noch einmal das Ein-bilden: was wir uns ein-bilden, das „ist“ auch (ein seyn). Einbildung ist die Art und Weise, wie der Mensch das Seyn besteht. Einbildung ist keine Nebensächlichkeit, sondern die Hauptsache des Existierens. Es bildet sich ein – es nistet sich ein – es nimmt Form an, fixiert sich im Bild. Das Bilder-Verbot im Alten Bund meint Tiefes darüber: mach´ dir kein „Bild“ meint dann eigentlich: frage immerzu, lege dich nicht fest, deinem Gott schenke absolutes Vertrauen, das soll dir genügen! Verirre dich nicht in Einbildungen, sonst verlierst du den Blick auf mich, deinen Gott, der ich bin, der da sein wird (berechnen oder vorstellen kannst du dir das nicht; habe aber dieses Grundvertrauen, das soll dir genügen). Es ist unsere gegenwärtige Zeit eine der sehr, sehr engen (ängstigenden) Gemüter. Eine Drohbotschaft nach der anderen, das wird dann nachgesagt, man kopiert diese Drohungen, legt sich damit fest. Man flüchtet förmlich in diese Festlegungen. Im Habitus dieser Art zu existieren bedeutet: ich habe keine wahren Fragen (Anfragen) mehr, ich habe schon Fragen, aber sie betreffen bloß das Horizontale, Berechenbare, das, was sich für mich jetzt in diesem Leben noch auszahlen könnte. Wenn dann die Stunde des Todes handfest antritt, dann ist man noch immer auf der Flucht, sucht den besseren Arzt, das bessere Krankenhaus. Aber irgendwann ist Schluss mit dieser Flucht und dem könnte man sich jetzt schon stellen: was ist dann, werde ich dann sentimental oder lethargisch? Ich habe bei einem Sterbenden das erlebt, dieses depressive: wann geht das Licht endlich aus?

 

Wir sollten wirklich diese Frage ent-scheiden, nicht übermorgen, sondern jetzt und hier: wenn der Ewige Gott auch mein Vater ist, dann lässt er mich nicht verloren gehen. Dann kann, drastisch formuliert, ein Meteorit einschlagen, das tut vielleicht für einem kurzen Augenblick weh, ändert aber nichts an der Ewigkeit Gottes und daran, dass er mein Vater ist von Ewigkeit her. Wir sind ja schon die „Gestorbenen“, leben damit  und auch hier könnte man sehen: wir Sterbenden „leben“ doch, es ist etwas Ewiges in uns, das nicht vergeht in aller Vergänglichkeit. Darauf soll sich der Blick richten, darauf setzen, darauf vertrauen. Das alleine ist entscheidend, dann kann keine horizontale Droh-Botschaft auffressen. Fragen: was bedeutet das jetzt, was willst du mir, Gott, jetzt und hier damit sagen? Es ist eine heilige Pflicht zu „fragen“. Nicht mehr ernsthaft zu fragen – heißt: ich sehe nur mehr mit zeitlichen Augen, ich habe den Sinn für das Ewige weggeworfen. Es ist eine – wie es heißt – Sünde wider den Heiligen Geist nur mehr mit zeitlichen Augen sehen zu wollen. Oben war vom „Sterben“ die Rede: das Sterben meint hier aber den ganz tiefen Sinn der Relativierung, es stirbt dabei der absolute Blick auf das Horizontale, Sterben bedeutet das Ende der Vorstellungen (der Erklärungen), das Still werden im Ewigen, es hört auf damit Leben „nur in der Zeit“ zu sehen und es als solches nur zu sehen. Es stirbt die beschränkte und behinderte Seins-weise des Nur-Horizontalen in dir, dann ist Ewigkeit da, die erhobene Seele (sursum corda). Leben: eigentlich kann man erst vom Ewigen her das Leben „Leben“ nennen, der Sieg des Lebens über den Tod ist vom Ewigen her, das ist dann die Relativierung des Zeitlichen zum Ewigen hin. Erst hier „ruht“ die Seele auf dem Tragbaren, sie kommt zur Ruhe und kehrt um, wendet den Blick. Das Kreuz Christi stellt uns das klar vor Augen, es ruft: ich bin dir hier voraus-gegangen, ich bin dein persönlicher Vor-Gänger und du folgst mir – habe dieses absolute feste Vertrauen, dass das schon „gut“ ist und sein wird! Mit der Relativierung der horizontalen Welt beginnt der Aufstieg der Seele zu Gott und man sieht, wie sehr beengt das Verständnis dessen war, was man „Leben“ nannte. Wer den Sinn für Gott verloren hat (der alte, blinde Kartäuser), der hat wirklich den Sinn für das Leben verloren, weiß dann gar nicht was er daher redet, wenn er nur mit horizontalem Sinn vom Leben spricht. Die „Zeit“ ist da, aber sie herrscht nicht mehr. Über den Verstorbenen, sagt man, hat die Zeit keine Herrschaft mehr. Er lebt jetzt auch ganz und gar im Ewigen, alles umfassend, auch die Zeit umfassend: mit Leib und Seele im Ewigen. Man lasse sich nicht mehr vom Zeitlichen beunruhigen, es ist da, aber es soll nicht beherrschen. Die Zeit herrscht dann nicht mehr, wenn sie in Bezug zum Ewigen Gott relativ gesetzt wird: Beziehung ist da. Dass die Zeit nicht mehr die Seele beherrscht heißt eigentlich: gestorben sein (das geschieht schon in der Taufe). Eine sehr moderne und schlimme Form der Depression ist die Ansage: nun, man lebt und irgendwann ist es eben aus und vorbei!

 

Tod und Auferstehung sind die ganz zentralen Mysterien im christlichen Glauben. In der Taufe auf den Herrn „ist“ das vollzogen, es ist keine x-beliebige Formel, die eben dazu gehört. Wenn man einen starren und erstarrten Gott erlebt, dann ist man es selbst, der da erstarrt ist. Schwer vorstellbar: Ewigkeit. Man soll sie auch nicht vor-stellen, sondern ergriffen sein, sich also von Ewigkeit greifen lassen. Ewigkeit ist immer anwesende Präsenz in Vergänglichkeit, Ewigkeit schluckt Zeitlichkeit. Man könnte das Vergängliche „als“ Vergängliches gar nicht bemerken, wäre nicht die Lichtung von Ewigkeit. Die „Zeit steht still“: wenn du Herr über die Zeit bist (erhoben über die Zeit). Ruhe und Stille, Friede: ist da, wo die Zeit entmachet ist. Besessenheit: einer kann es nicht ertragen, dass etwas von Gott, vom Ewigen kommt. Besessenheit: das Göttliche erträgt man nicht. Unsauber, unrein: tamee: zur Norm gehörend (norm-al). Gesund-sein: wenn man aus der Quelle des Ewigen schöpft. Dann weiß man es nicht, es kommt wie es kommt, immer neu und überraschend: so erst ist man ganz, gesund. Ein Besessener ist unfähig geworden, Fragen zu stellen, er ist an seine Fixierungen gebunden. Der unsaubere Geist ist der beschränkte (eingeengte) Geist: er kann nicht über den eigenen Tellerrand blicken. Der Besessene „nennt den Namen“ Jesus: den Namen nennen sagt: ich weiß, wer du bist! Ich kann dich fassen! Der Besessene ist also auf Fixierung aus, wie es seine Gewohnheit ist, aber das Göttliche lässt sich nicht fixieren oder berechnen, er will das Göttliche einfangen, „fassen“, damit es in seine kalkulierte sichere kleine Welt passt. Das Göttliche (die Liebe) aber kann man nicht fest-legen, fixieren, so zu tun ist die Art von Besessenheit, man ist richtig versessen auf eine gemeinte Vorstellung, glaubt: jetzt hat man es! Nazareth: die starre Form. Na-zar-eth: Zar: die starre Form, die Eindeutigkeit (keine Fragen mehr). Ein Besessener fixiert immer auf Eindeutigkeit, auf eine starre Form. In Nazareth gibt es keine Fragen mehr, hier schreit es immerzu: Eindeutigkeit. „Ich weiß schon…“ schreit die Besessenheit, ich habe keine Fragen mehr, denn ich weiß ja schon alles – Punkt! Jesus aus Nazareth: der Herr „rettet“ aus dieser Verirrung, er ist da im Fleisch der Eindeutigkeit, oder anders: auch in der fernsten Verlassenheit ist der Herr da!

 

Wirkliche Fragen stellen bedeutet eigentlich: Konfrontation mit der Wahrheit und das bringt immer eine Erschütterung mit sich. Besessen sein heißt dann: ich will lieber meine Ruhe haben, ich habe für diese erschütternden Fragen keine Zeit und will auch keine haben. Ich will lieber sitzen bleiben auf dem, was mir bekannt ist. Wenn Jesus heilt, heilt er für „Ewigkeit“ (und nicht für einen bestimmten Zeitabschnitt im Horizontalen). Wie verlässt mich ein „unsauberer Geist“? Der unsaubere Geist ist doch der Geist des horizontalen Absolutismus mit all seinen Spielarten. Ich muss mich fragen: was wird in 100 Jahren sein, wo bin ich dann, wo sind die anderen dann, was wird mit der Welt sein? Jetzt habe ich zwar Sorge wegen eines Dritten Weltkrieges, aber dann, was wird dann sein? Interessiert mich das nicht? Unsauberer Geist: Angst, Eifersucht, Neid, Aggression – diese Geister „fahren aus“, wenn sich die Seele der Ewigkeit öffnet. Dann wird das Leben leicht und licht, keine Depression mehr: Ewigkeit ist da, der Messias ist da. Wer also Sehnsucht hat, der frägt, und wer frägt, der ist be-freit. Das Fragen ist doch in gewisser Hinsicht ein „Freien“, ein Werben: also „in Sehnsucht“ sein, in der Sehnsucht nach Gott wohnen. Der unreine Geist fährt aus, wenn Ewigkeit in dir ist, die Eindimensionalität „schreit“ dann, hält es mit Ewigkeit nicht aus, muss weichen, fährt aus. Man ist dann innerlich sehr „bewegt“, hin und her gerissen, man weiß: ein innerer Kampf, die bösen Geister müssen weichen. Ist es so weit gekommen, dann lenkt Gott schon die Geschicke; lass´ es  nur geschehen, habe Vertrauen. Man schöpft dann aus der Quelle der Ewigkeit, dann ist der Verbund da, die Verbindung ist da und das ist zugleich auch der Verband der wunden Seele. Besessenheit spricht in ihrem Wesen von einer tiefen „Beziehungslosigkeit“: man kennt nur die eigenen Fixierungen, Einbildungen, Vorstellungen, Meinungen, das Angelesene, das medial Verbreitete. Der fraglos gewordene Mensch ist ein Besessener, er hat vielleicht schon noch horizontale Fragen, aber keine wirklich erschütternden Fragen mehr, Fragen, die wirklich ins Ewige reichen. Der frag-los gewordene Mensch will lieber seine Ruhe haben, er ist versessen (sitzt darauf) auf seine Vorstellungen und das Un-vorstellbare ist ihm lästig, stört seine faule Ruhe. Der Herr heilt aber von dieser Besessenheit, der Herr selbst öffnet die Seele: die Beschränktheit (die Behinderung) wird aufgehoben, das Enge (die Angst) weicht, fährt aus, hat seine Wirkmacht verloren. Die Begegnung (Beziehung) mit Jesus bewirkt, dass die bösen Geister weichen. Die Beziehung mit Jesus erlöst von der eindimensionalen Fixiertheit: so und nur so! Ewiges Leben ist da, sicher, auch ein Verlassen dieser Erde, aber ein Dasein in Ewigkeit: Auferstehung von den Toten. Der Herr lebt, die Emmaus-Jünger, sie erkennen ihn nicht.

Heilung meint ein „ganz“ werden, alles ist versammelt, nichts geht wirklich verloren. Deshalb: keine Angst vor dem, was man Sterben nennt: es versammelt sich alles im Ewigen, nichts geht verloren, alles lebt!

 

Erst dann kann man im Frieden sein und leben und auch die anderen leben lassen, sie „seyn“ lassen, ohne Aggression, denn der Ewige Vater sorgt schon für sie, ich muss ihnen meine Überzeugungen nicht aufzwingen. Einer der das Ganze kennt, das Ewige spürt, der kann nicht mehr aggressiv sein. Es gibt eine Krankheit der Seele: die, dass wir glauben, wir müssten überzeugen, erklären. Was heißt eigentlich etwas „erklären“? Es bedeutet Wahrnehmbares zeigen (erklären), also das scheinbar Eindeutige zeigen, es fixiert zeigen, es zu Ende erklären. Dann ist man schon ein Besessener, weil man die Ewigkeit dabei verliert. Erklärungen sind nichts anderes als Fest-stellungen, Fest-nahmen und jede Festnahme ist in sich Fixierung, Erstarrung, Totes, bedeutet „Gefangenschaft“. Wer festgenommen ist, der kommt ins Gefängnis! Alles Zeitliche kommt aus dem Ewigen. Mit dem Zeitlichen kann man keine Ewigkeit bauen. Mit dem Zeitlichen kann man Un-endlichkeit bauen, also horizontalen Absolutismus, aber keine Ewigkeit. Verloren gehen in Un-Endlichkeit ist schrecklich genug, man vergräbt sich im zeitlichen Immer-und-immer-so-weiter (so hockt man im zeitlichen Gefängnis). Ewigkeit dagegen ist präsent in Zeitlichkeit, so wie der lebendige Herr in der Eucharistie „präsent“ ist, der lebendige Herr und keine Einbildung. Mit der Einbildung geht einher die „Angst“, man muss aber genauer sagen: der „Geist der Angst“: man fürchtet dann diese Geister des Krieges, der Krankheit, der Inflation, fürchtet den Geist des Weltuntergangs – sieht nur mehr „diese“ Geister. Der Geist der Angst (der Geist der Drohung) kontaminiert und vergiftet das Existieren, engt es ein, es fehlt Ewigkeit. In dieser Atmosphäre der Angst, spürt man, fehlt immerzu (meint man) etwas, doch, paradox: es fehlt überhaupt nichts, alles ist schon „da“. Die Negativspirale der Angst lässt auch die Gier wach werden: jeder, der sich ängstet, giert, kann nicht genug bekommen, weil er leer an Ewigkeit ist. Der Angst-Mensch, kann man sagen, hat sich in der ledigen Zeitlichkeit verirrt und da wird es immer „eng“ sein, letztlich geht die zeitliche Rechnung eben nicht auf. Es gibt da einen tiefen Zusammenhang der Angst mit der Faulheit und Trägheit: der eingeschüchterte Geist ist zugleich „faul und träge“, denn er folgt blindlings dem Angebot der Androhung und diese Angebote der Drohungen gibt es ja massenhaft (medial). Faulheit (Trägheit) ist im Wesen die Ablehnung des Licht- und Leicht-seins der Seele in Gott. Man lässt sich dann gehen, erhebt die Seele nicht mehr, denn das wäre schon das, was man Gebet nennt: die Seele (die gesamte Existenz) zum Ewigen erheben. Faul ist eine Seele dann, wenn sie sagt: das war einmal, das geht mich eigentlich nichts an, ich habe andere (zeitliche) Sorgen. Mir scheint, dass gerade der sehr betriebsame Mensch mit vollem Terminkalender wesentlich sehr faul ist. Ewigkeit (Gott) geht mich nichts an: das ist die Losung der Trägheit. Wenn der Mensch aufhört damit zu fragen: Gott, was bedeutet das jetzt und hier, in dieser Situation, dein Wort, dein lógos, dieses Geschick, dieses Geschichte (die Schichtung), was willst du mir damit sagen?  - wenn diese Seins-Art nicht mehr ist, dann ist man faul und träge, schiebt die Bedeutsamkeit der Ewigkeit in Zeitlichkeit weg und sagt: was geht mich das schon an! Die faule Seele ist zugleich die „kranke“ Seele, sie sucht nicht mehr den Ewigen Schöpfer, will keine Beziehung zu ihm, die erkrankte Seele verweigert den Großen Zusammenhang, die Stiftung im Heiligen. Krank ist man, wenn es überall nur mehr Fragmente gibt, bloße Zufälle, wenn man meint, es hätte auch alles anders kommen können und in dieser Art seiend ist man banal (normal) geworden. Das lebendige Gespräch mit dem lebendigen Gott ist dann unterbrochen. Dieses lebendige Gespräch mit Gott antwortet dem Großen Zusammenhang, den man nie „wissen“ kann, der aber von Gott, unserem Herrn, gestiftet ist. Wenn einer „krank“ ist, sagt man: es fehlt dir etwas – das Fehlen ist genau dieses Gespräch mit dem Großen Gott, der Alles fügt.

Die faule Seele „urteilt“ auch jederzeit, denn das Urteilen ist das schnelle Zu-Ende-kommen-wollen, das schnelle Urteil hat es sehr eilig, ist im Wesen „Ungeduld“. Urteil ist vermeintliches: Jetzt-weiß-ich-es, jetzt habe ich es! Und darauf ruht man sich aus, man frägt nicht mehr weiter, hört auf zu fragen und ist selbstzufrieden!

 

Was „Über-setzen“ besagt, hat einmal Heidegger sehr tief bedacht: es meint: sich hinüber bringen lassen, sich ver-setzen lassen: also ein Zulassen, ein Geschehen lassen. Mit scheint, damit hat man das größte Problem: es einfach geschehen zu lassen, es zu zulassen, einfach nichts zu tun! Sich freuen können: weil alles schon im Heil und Gut angekommen ist, es erlöst ist. Wir verlieren immer wieder den Blick auf dieses vollendete Heil im Ewigen, werden davon weggezogen von all den irdischen Sorgen, Nöten und Ängsten. Oben heißt es: die „faule“ Seele urteilt, legt sich fest, verirrt sich in der Fixierung. Sich fest-legen im Irdischen ist aber eine Betäubung, man will „halten“, was doch vergänglich ist. In diesem ganzen Gehabe äußert sich eine Grund-Angst des irdischen Existierens: es geht vorbei, man wird es verlieren, es kommt ja der Tod. Wenn man auf diese Art den Tod verdrängt, dann werden die irdischen Dinge sehr, sehr wichtig, die man bereden, fest-legen und fixieren muss. Der Tod konfrontiert in sich mit Ewigkeit – aber das verdrängt man lieber, weil man so am Vergänglichen hängt. Hier ist der schmale Grat, hier muss man entscheiden: Wofür lebe ich, wofür sterbe ich?„Müssen“ tut man nicht, vielleicht ist es ein „Ruf“, dem man in Freiheit folgen will – der Ruf aus dem Ewigen, der die Seele aus der Verirrung heimholt! Dieser Ruf wird vernommen im Angerufen-sein: das ist ein tiefes Empfinden „gemeint“ zu sein. Im Meinen liegt das mir Eigentliche und auch das „Einen“, die Vereinigung, das Eins-sein, diese Vermählung (Hohes Lied). Der „Name“, die Nennung – im N-amen liegt schon das „Amen“ (so ist es, und so sei es in Ewigkeit). Namen haben daher eine „ewige“ Bedeutung, sind nichts Zufälliges.

 

Es heißt, dass der „Name“ lebt, im Namen ist das Leben verborgen. Und eigentlich „benennen“ wir ja alles Seiende mit „Namen“. Wenn einer „Thomas“ heißt, dann ist das kein Zufall: es sagt Zweiheit, „Zwilling“ aus, zwei Seelen in einer Brust, ein Hin- und Her, ein Kampf auch, am Ende der Kampf zwischen Vertrauen und Un-Vertrauen, zwischen Egoismus und Hingabe, zwischen Sinnlichkeit und Glaube. Der Name ist dann auch kein nebensächliches Attribut, sondern aussagend das „Wesen“, die Haupt-Sache, das, was mein Wesen beherrscht (Herrscher). Dies alles ist oft und vielfach gar nicht im Bewusstsein, aber doch wirklicher als unsere eingebildete Wirklichkeit. In der Litanei zum heiligsten Namen Jesu beten wir den „Namen Jesu“ an, wir rufen ihn an, den Herrn, ganz direkt rufen wir ihn an. Was bedeutet das und was heißt das eigentlich? Ist das nur ein Daherreden, ein So-dahin-sagen? Dann wäre es ein Plappern! Der Herr, Jesus, „ist“ der Erlöser. In diesem „ist“ ist das erlösende, heilende Seyn gegenwärtig, die Person Jesus Christus. Wir sagen: Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes – im Nennen rufen wir die Wirklichkeit an, die immerzu beherrschend ist. Der Herr „herrscht“ – das gehört zusammen und das Herrschen des Herrn bricht die Macht der Grenzen, des Todes also, die Liebe des Herrn geht so weit, dass er sich auch durchstreichen lässt, töten lässt – in dieser fernsten Entfernung hört aber das Herrschen dieser Liebe nicht auf – sie ist hier am mächtigsten, dem Entlaufenen dennoch und trotzdem ganz umsonst angeboten. Jesus Hominum Salvator: Jesus rettet, der Name Jesus ist sein Herrschertum der Rettung des Menschen, sein Wesen, er kann nicht anders als „retten“, „erlösen“. Im Anruf des Namens „Jesus“ werden Zeit und Raum durchbrochen. Dieser Anruf des Namens Jesu ist „wirklich“ in der Sehn-Sucht und es ist diese „Sucht“ der Suche, wer nicht „sucht“, der wird nicht finden, wen die Sehnsucht nicht bewegt, der kann nicht lieben. Es muss dieses Verlangen da sein, den Herrn finden zu wollen. Will ich Ewigkeit, will ich den Himmel, ewiges Leben, den lebendigen Gott – oder will ich das gar nicht, mache ich es mir gar nicht klar, worum es hier geht? Ist diese Sehnsucht nach Ewigem in mir? Wenn das der Fall ist, wenn ich das in mir finde, dann ist „alles da“ – Zeitliches im Ewigen. Dann gelten andere Maßstäbe: Ewiges dann im Zeitlichen schon. Ist diese Sehnsucht nach ewigem Leben da, ist sie wach – ist sie eine „wirkliche“ Angelegenheit – oder nicht? Der Erlöser löst aus der Enge, er löst die Banden der Beschränkungen. Erklären kann man das nicht, auch nicht argumentieren oder predigen: es ist eine „Erfahrung“. Wem sie geschenkt wird, der kann nur dankbar sein. Ewigkeit nur zu „denken“-  das ist in sich schon gewaltig, dass das möglich ist. Das eigentliche Denken (der Gedanc) ist wesentlich ein „Danken“. Nicht, dass man es im Denken durchschauen könnte, aber dass dieser „Geist“ aufkommt, das ist unerklärlich, etwas eben von Ewigkeit in Zeitlichkeit. Ewigkeit sagt dann: ich bin „da“, unverwüstlich, ich kann nicht vernichtet werden. Sicher sind diese Gebrechlichkeiten, Krankheiten und Schwächen usf. da, dennoch: unverwüstlich ist mein ewiges Da-sein. Auch der Tod ist da, dennoch: unverwüstlich ist mein ewiges Da-sein. Der Erlöser löst aus der Enge des Urteils, sagt: tu das nicht, lege dich nicht fest – es tut dir nicht gut, es engt dich ein und am Ende wirst du aggressiv sein, verlierst den Blick auf Ewigkeit, den Großen Zusammenhang. In Gottes großem Brückenbau (Rilke) ist immer Anfang, Beginn, ewiger Einstieg, nie ist ein Vorlauf nötig, also eine Bedingung, alles fügt sich hier zusammen im Fug Gottes, man kann sagen: es ereignet. Dem Eigner gehört doch alles und so ist es schon gut in dieser Güte. Genau diese Sehnsucht nach Ewigkeit, diese Besinnung darauf, wird vielfach gehindert: man macht sich diesen Großen Zusammenhang nicht mehr klar, bezieht keine Stellung dazu , nimmt nicht mehr „ewige“  Haltung an. Man wünscht sich nur mehr ein „langes“ Leben – aber was ist schon ein „langes“ Leben: 120 Jahre alt, vielleicht 130 – und dann? Ewigkeit: Sehnsucht nach Ewigkeit; heute wird man belächelt ob dieser Sehnsucht nach Ewigkeit, Sehnsucht nach dem Himmel. Man gilt dann als naiv oder als Frömmler, als Flüchter vor der harten Wirklichkeit. Das alles sind schon „Hinderungen“, sich die Ewigkeit vorzunehmen. Ich sehne mich nach dem Erlöser, dem Retter, dem Heiland, nach dem, der von Ewigkeit ist, ich will mich bei ihm bergen, hier wohnen und seyn. Diese ernste Sehnsucht nach dem Retter soll verschwiegen werden, es gehört sich nicht, man schämt sich vielleicht dafür, die anderen verdrehen ihre Augen: so ein Naiver! Man kennt diese Überheblichkeit mit Beginn der Frühen Neuzeit, weil man es immer besser wusste in einem Wissen ohne Metaphysik, ohne Religion. Sehnsucht nach Gott: man wird belächelt, so etwas gehört sich doch nicht, das ist etwas für vorgestern. Und Abraham, Mose, Jesaja, die Samariterin am Jakobsbrunnen, der Heilige Augustinus – wo sind sie jetzt? Nein, keine historischen Fragen, sie leben doch in Ewigkeit, von Ewigkeit her sind sie, jetzt sind sie, leben sie, sind nicht Tote.

 

Sehnsucht nach dem Heiland: es kommt die Überzeugung, dass man erst zu leben, wirklich zu „leben“ beginnt, wenn diese Sehnsucht erwacht, lebendig wird. Wenn die Sehnsucht lebendig wird, dann begegnet man dem lebendigen Gott: also dem Leben. Jesus sagt das öfters: Dein Glaube hat dich heil gemacht, und, wird der Herr, wenn er wieder kommt, „diesen“ Glauben finden? Nicht irgendwann ist die Wiederkunft des Herrn, sie ist „jetzt“, wenn ich diese Sehnsucht habe und dann auch die Große Wiederkunft am Ende der Zeiten. Wenn das eintritt, sage ich „Du“ zu ihm, er ist dann mein Retter und Heiland, von Ewigkeit in Ewigkeit, nicht vergänglich, zur Rechten des Vaters. Sich nehmen von Ewigkeit her, im Gleichnis Gottes sich nehmen, von hier her „seyn“: das ist etwas ganz anderes als der zu sein, der man meint zu sein und für den einen die anderen halten. Der bin ich schon auch in gewisser Weise, aber nicht bestimmend, nein, der von Ewigkeit her, der bin ich – also ein „Gemeinter“, „Gewollter“, einer, der ins wahre Seyn gerufen ist – und dieser Ruf ergeht doch alle Augenblicke, das könnte man spüren. Man weiß: wenn dein Glaube die Größe eines Senfkornes hätte – es meint: der Glaube ist erst Glaube, wenn er das „Unmögliche“ glaubt, das Mögliche glauben, das wäre Berechnung, Kalkül. Man kann sagen: der Glaube ist „echt“, wenn alle Nein sagen, wenn alle „unmöglich“ sagen, meinen: so etwas gibt es nicht!

 

Einmal, heißt es: der Ursprung des Mensch-seins sei der Glaube, der Glaube an das Unmögliche: der Glaube erst an den Dreifaltigen Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Die Heiligste Dreifaltigkeit nur zu nennen ist schon für den allgemeinen Sinn etwas „Unmögliches“. Der Glaube erst lässt „seyn“, stellt in das wahre Seyn. Hier dringt der horizontale Verstand nicht durch und kann es auch nicht. Mit anderen Worten: das Gebet ist auch etwas „Unmögliches“ im Sinne der horizontalen Berechnung, das Gebet überströmt und überflutet das Zeitliche, dringt durch den Tod (die Begrenzung) hindurch. Dann „sieht“ man in Ewigkeit, sieht dann auch die horizontale Blindheit, die nur bis zum Tod ging und dort Halt machte. Das Zeitliche macht das Sehen des Ewigen oft unmöglich und so wird es darauf ankommen, in bestimmter Weise das Zeitliche aufzugeben, zu verlassen. Dieses „Verlassen des Zeitlichen“ ereignet im Glauben. Wer betet, und sei es auch nur ein äußerliches Formel-Gebet, ohne Emotion, wie ein Geplapper, sehr armselig, der schreit nach Ewigkeit und ist ein Gerufener, einer, der in Endlichkeit „antwortet“. Daher ist das Gebet etwas sehr Gewaltiges, wer es vermag zu beten, der ist, kann man sagen, privilegiert. Nicht im Sinne einer Überheblichkeit, sondern im Sinne eines Heiligen Wunders. Und das „kindliche Gebet“ ist wohl das reinste und schönste, das erhabenste: das Gebet des „reinen Vertrauens“ (das ist das Kindliche). Beten ist daher Sprache im Ewigen, zuhause sein: man ist dann überzeugt davon, dass kein irdischer Arzt wirklich heilen kann, es ist allein Gott, der heilt. Die Heilung kommt immer aus dem Ewigen, niemals aus dem Zeitlichen. Wer zu einem Guru oder Arzt geht, der wird nicht von diesen Leuten geheilt, es ist Gott, der heilt, das Ganze, das Heile schenkt. Von heilung kann man nur sprechen, wenn die ganze Seele heimkehrt zum Vater. Alle Heilungen des Herrn in den Evangelien sind immer Heilungen zum Ganzen hin, die ganze Seele umfassend, ein Heil zum Ewigen hin (nicht eine Heilung für, sagen wir, 15 Jahre). Beten: im Wesen ein „Binden der Zeitlichkeit“, wer betet, der bindet die Zeit, herrscht über Zeit und Raum; nicht als ein absoluter (autonomer)  Herrscher, der Betende ist ein „demütiger Herrscher“, weil der Herr selbst zugegen (anwesend) ist, der Herr, der Erlöser, ER herrscht. Diese „Begegnung“ mit dem Herrn heilt, macht ganz. Und zwar ohne unser Zutun, nichts wird verlangt, keine Leistung, kein Ansehen, kein Werk unsererseits. „Liebe“ meint im Wesen: ich weiß nicht „wie“, es geschieht schon – hab´ nur Vertrauen, dass es da ist, das Heil. Wie? Ich weiß es nicht aber ich weiß (eigentliches Wissen): es ist da! Wer im Gebet ist, der löst sich von seiner Einseitigkeit und blickt in das Ewige. „Einseitig“ sein besagt: fixiert sein im Zeitlichen, im Horizontalen – anderes gibt es dann nicht mehr. Solche Einseitigkeit (nur im Horizontalen zu wohnen) ist eine Art Besessenheit. Erklärungen abgeben meint: ich kann es definieren, sagen, wo und welcher Grund dafür verantwortlich ist – „so“ zu sein ist schon Aberglaube, Götzendienst: ich glaube der Erklärung, nicht mehr dem Schöpfer. Fixiert sein heißt dann ein Festhalten-wollen dessen, was vergeht: alles Zeitliche vergeht, man will das Zeitliche halten, bewahren, nicht mehr los lassen. Wenn aber die Macht der Zeitlichkeit gebrochen ist, weil sie nicht mehr beherrschend ist, dann ist Ewigkeit, dann hört es auf mit Zeitlichkeit, sie ist ent-machtet. Im Tod ist dieses Geschehen mit dem Aufhören von Zeitlichkeit, nicht nur der Tod, wo wir uns einbilden, der käme irgendwann; sicher, dieser auch. Sterben ist aber immerzu Zustand des Menschen, das Aufgeben einer alten Fixierung, das ist auch ein Sterben, jedes Los-Lassen ist ein Sterben und hier könnte man schon sehen, was Auferstehung von den Toten besagt: Altes vergeht und doch bleibt Wesentliches bestehen, vergeht nicht im Vergänglichen.

 

Keine „Erklärungen“ also, denn jede Erklärung verliert sich im Endlichen, will es „hier“ wissen und zu Ende bringen, will das Betriebsgeheimnis lüften um es weiter zu sagen. Die Gefahr jeder horizontalen Erklärung liegt im horizontalen Finale desselben. Man bringt, könnte man sagen, mit jeder Erklärung das Geschehen zu Tode: man hält dann ein totes Finale in Händen, beruft sich auf es und wenn ein Anderer dieses nicht akzeptiert, dann wird man aggressiv. In der Erklärung wohnend, kann man sagen, verliert man den Himmel, wird eng; es engt in der Erklärung. Das deutsche Wort „Verklärung“ zeigt die nächste Nähe zur Erklärung, man sieht: das Heilige liegt in allernächster Nähe zum Profanen. Jede Erklärung weiß schon zum Voraus Bescheid, so meint sie es in ihrer Formel: so ist es, so, und nicht anders! Man hat keine Beziehung mehr zum Mysterium des Lebens, wenn die Erklärungen anfangen. Es lebt in uns so ein Drang zu Erklärungen (Fixierungen, Festlegungen) und je mehr das da ist, desto mehr spürt man: es wird immer starrer, unbeweglicher, lebt nicht mehr, pulsiert nicht mehr. In den Erklärungen kommt es zur „Lähmung“, man ist dann so überzeugt vom Eigenen, dass das In-Frage-Stellen dessen, was Leben ist und sein soll, überhaupt keine Option mehr ist. Ein anderes Wort für Erklärung ist „Meldung“: es herrscht Meldungsüberflutung, ein hysterisches Gedränge der Nachrichten. In diesem Dickicht der Nachrichten und Erklärungen lähmt sich die Seele starr, es sind horizontale Letztheiten, die angekauft und wieder verkauft werden. Man ist dann vollgestopft mit Erklärungen, alles äußerlich und es hängt dann auch mit dieser rasenden Beschleunigung zusammen, dass die Erklärungen, die heute Gültigkeit haben, morgen schon wieder alt und vergessen sind. Horizontale Letztheiten, schrieb ich, darunter kann man sich Seelen vorstellen, die Leben nur nehmen und kennen wollen als: jetzt, jetzt kommt dies, jetzt dies, es ist eine ungeheure Einschränkung da, denn die Erklärenden wollen immer zu Ende definieren, eindimensional „seyn“, sie wollen zu Ende kommen in der Zeit: das ist Endzeit (Apokalypse)! Das Existieren ist dann jederzeit fest-gefahren, fixiert, und was nicht in den engen Rahmen hineinpasst, das wird zurecht gestutzt, bis es reinpasst und dann ist es auch schon tot, man hat es zu Tode gekürzt. Es ist gerade der selbstzufriedene Mensch, der, äußerlich gesehen sehr selbstbewusst auftritt, es ist der selbstbewusste Optimist der heutigen Zeit, der für alles und jedes eine Erklärung hat und abgibt und eigentlich keine Anfragen mehr hat; er hat schon noch Fragen, aber die betreffen nur Horizontales. Dass dieser horizontale Optimismus tiefgreifend „scheitern“ könnte, ist aus der Froschperspektive her gesehen eine Unmöglichkeit; ein reines Wunder, eine Gnade von „oben“, ein Ein-Fall Gottes.

 

Dass einer auf dem Weg im kontinuierlich Horizontalen grundsätzlich scheitert, „umkehrt“, das ist ein reines Wunder Gottes. Umkehr meint hier: die horizontalen Maßstäbe (das Vorstellbare) werden vom Un-Vorstellbaren über-fallen. Dann geschieht das Erstaunliche, nicht eine Einbildung, Erklärung oder Vorstellung, es ist ein „wahres Geschehen“, ein Zulassen der Ewigkeit. Plötzlich bemerkt man bei sich: es ist eine ewige Kraft anwesend, die alles Horizontale relativiert und in die Schranken weist. Dann ist man nicht mehr gebunden an Zeit und Raum, plötzlich spürt man: da ist eine Freiheit von Ewigkeit her. In der Rückschau zeigt sich dann ganz klar ein „ewiger Weg“: das Horizontale zeigt sich als solches vom Ewigen her, das ist die Rückkehr, die Umkehr. Dann geht man mit „Erklärungen“ viel achtsamer um, lässt viel mehr zu, geschehen, hat viel mehr Vertrauen, dass das, was ist und ankommt, schon „gut in sich“ ist. Es liegt eine sehr große Versuchung darin, Erklärungen (ein zu Ende Definieren) abzugeben, es jetzt und hier wissen zu wollen, es zu „zwingen“. Die Versuchung liegt im Zwingen der Dinge, sie zu biegen und in Erklärungen unterzubringen. Darin zeigt sich diese existentielle Un-Geduld. Nein, warum Ungeduld, es ist doch vom Ewigen her und Gott weiß schon Bescheid, er ist doch schon mit allem im Ziel, der Sieger. Der „eschatologische Endkampf“ (Offb 20,7): es ist dieser „geistliche Kampf“ vom Dach her, man war ein Gelähmter, nun aber „ist“ der Sieger, der Messias und befreit (er war, er ist, und er kommt) – er ist der Herrscher über alle Zeit! Mit „Vielheit quälen“: mal dies, mal das, schnell dies, schnell das noch. Es gibt unzählige Erklärungen, Tagesmeldungen, Androhungen, Politik, Weltpolitik, Gesellschaft usf. – ein Übermaß, un-endlich, ohne Ende. Ekel-erregend: so viele Eilmeldungen zu gleich und schon wieder alt. Ekel-erregend auch das viele Herumgeschwätz um Vergängliches, die Sorge darum, noch einen Treffer zu machen. Wollte man das alles bitter-ernst nehmen, man wäre Gefangener, und zwar endlos: Atemnot, Stress, Angst, Beunruhigung, Sorgen, Hetze, Geschwindigkeit.

Dass Alles in Allem schon in der Einheit Gottes erfüllt da ist, das könnte dazu bringen, gänzlich „gelassen“ zu sein. Es heißt: wenn ihr „glaubt“, dann „ist“ es. Wer glaubt, ist „offen-ständig“ zur Wahrheit. Der ist nicht mehr „zu“, sondern empfangsbereit. Offen sein heißt eigentlich: porös werden, durchlässig werden, leichter und lichter sein. Wer die Einheit mit Gott zerbricht (im Jetzt), der wird immer Schuldige finden müssen: nur sich selbst gibt man keine Schuld bei diesem Zerbrechen. Schuldige sucht man dann, Feindbilder und zeigt die eigene Unzufriedenheit. Die Dinge aber liegen anders: Unzufriedenheit kommt zuerst aus mir selbst, ich habe die Beziehung zur Quelle allen Seins verloren, aufgegeben; suche dann etwas Anderes und in diesem Augenblick der Aufgabe entsteht schon Aggression. Das ewige Leben in mir interessiert mich nicht mehr, ist unwichtig, ich suche etwas anderes. Und schon beginnt die Spirale der Schuldzuweisung: meistens sind dann die Anderen oder die Umstände schuld! Man hat sich abgewandt vom Geist, der „heilig“ ist (der von Ewigkeit und Gutheit voll ist). Die dir je jetzt Zugeschickte, deine gesamte Existenz, sie ist geborgen in der Vorsehung Gottes. Der Geist, der „heil und ganz ist“, ist da, präsent: er gönnt alles Gute! Sehnsucht nach dem Geist des Heilen heißt: alles ist da, nichts vergeht, alles ist wertvoll, hat Sinn und Bedeutsamkeit. Heiliger Geist ist da, Ewigkeit ist da!

 

Der Geist, der heilige, er ist ohne Zeit, zeitlos west er an; er benötigt keine Zeit, er ist ein heiliger Zustand, eine ewige Anwesenheit, ein Einverstanden-sein mit allem, was ist. Es heißt in der Schrift, die Sünde wider den Heiligen Geist werde nicht vergeben. Es ist ein sehr „ernstes“ Wort und es meint: du musst in deinem Herzen „umkehren“, das Wort zu lieben beginnen, die lebendige Zusprache deines Gottes spüren, musst dich öffnen, musst das Ewige im Zeitlichen spüren, der Zusage „antworten“. Wer nur mehr Profanes sieht oder sehen will, der „lästert den Heiligen Geist“. Ein anderes Wort für Ewigkeit ist „Grenzenlosigkeit“: es gibt hier keine Grenzen und wenn man beachtet, dass das Glauben, das Hoffen und das Lieben „grenzenlos“ meinen, dann wird klar, wie eng es in der Zeitlichkeit zugeht. Zurück zum Anfang, zu dem, was mit „Erklärung“ gesagt ist. Das Erklären hat in sich die Versuchung zum Stillstand in der Zeitlichkeit, man will dann etwas Zeitliches oder meinetwegen Überzeitliches „fixieren“, zu Ende kommen damit. So passiert das vielfach auch in der Sprache. So seiend ist man Gefangener der Vergänglichkeit, die Zeitlichkeit „bindet“ einen fest, fixiert uns und dann kommen die Anschuldigungen: Personen, Umstände, Zeiten, Politik usf.

 

Die Ursache aber der Aggression (der Verurteilung) liegt in einem selbst: man hat Ewigkeit vergessen, macht sich Ewigkeit nicht mehr klar, bestenfalls glaubt man an Un-Endlichkeit (etwas sehr Schreckliches: ein Immer so weiter ohne Ende). Weil man mit Ewigkeit nichts anfangen kann, so versteht man auch nicht mehr den Geist des Heilen (des Ewigen). Wenn die Zeitlichkeit „losgelassen“ (un-gebunden) machtet, dann wird man am Ende von ihr zerrissen (eine wilde, losgelassene Bestie).

 

Es sei die Sucht nach dem Herrn, nach dem Ewigen, der jetzt „herrscht“, in unseren Herzen.

 

(Weiterführung)

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XLIV)

 

 Λήθη XX    Erlösung XXIII  (Pfingsten 2022)

 

Gebundene Zeit II   (Oktober 2022, zum Fest des Heiligen Antonius Maria Claret)

 

 

Wenn jemand zu erzählen beginnt, also spricht, so spricht er eigentlich nicht aus, was sich erfüllt hat, sondern jeder spricht seine Sehnsucht und auch seine Sorgen aus. Ich wollte schon Erfüllung, zugleich ist diese Schwachheit in mir, Schwäche. Schwäche, das darf und soll eine starke Gesellschaft nicht zeigen. Das Sagen und Sprechen „spricht“ sich aus: immer enthaltend die je jeweilige Situation. Das Erzählen meint Sehnsucht, ein ständiges Suchen und Eingeständnis: hier, im Horizontalen, ist es nicht erfüllt und dennoch ist zugleich die Fülle da. Schwer zu begreifen: nicht erfüllt und doch erfüllt! So ist wohl der Beginn der Sprache, das Erzählen beginnt damit: in diesem Nicht und Schon! Ohne „Sehnsucht“ gäbe es keine Sprache. Sicher, heutzutage ist die Sprache vernebelt, banal, oft sehr sentimental; es wütet die horizontale Sprache und doch findet man in ihr die Quelle: den lógos. Der lógos ist von Ewigkeit her, also je jetzt. Ein eigenartiges Jetzt! – beweisen kann man das nicht. Lógos meint: Ewiges Wort – Wort Gottes. Im Hebräischen ist das Wort vom „Seyn“ (howe) – es bedeutet hier: Herr – ein ewiges Präsent sein im Seyn. Der Herr ist „da“, es fehlt nichts, es ist heil. Der Augenschein freilich sieht das nicht, er sieht oft nur die eigene Befindlichkeit oder das, was ihm horizontal angeboten wird. Noch einmal: Sprache (Erzählen) wäre nicht, gäbe es die Sehnsucht nach dem Ewigen Gott nicht. Diese „Sehnsucht nach Gott“ bleibt vielen verborgen, wir alle tragen sie in uns, mancher gesteht sich das ein, viele nicht und sehr viele bemerken das gar nicht. Und oft ist das Erzählen sehr verkrüppelt, immer aber findet sich eine Ewige Spur in jeder Erzählung. Noch einmal das Wort „verbinden“: einen Verband nennt man auch einen Verbund, es gehört zusammen und der Verband ist auch einer, der die Wunde „stillt“, der die Wunde zum Heil bringt. Verbindung hat noch den weiteren Sinn bei sich, nämlich den der Vermittlung. Es ist EINER, der verbindet, verbindet die Wunden, die geschlagen werden und sind, verbindet aber auch den Anfang und das Ende, die Zeitlichkeit mit Ewigkeit.

 

Das Wort „Fülle“: etwas ist erfüllt, vollendet. Man tut sich schwer mit dem, was „Fülle“ meint und wenn der Herr sagt: die „Zeit ist erfüllt“, dann tut man sich besonders schwer. Etwas an-füllen bedeutet eigentlich: ein-schenken, darin das Schenken liegt. Die ganze Fülle ist geschenkt und im Zeitlichen auch anwesend. Wissen kann man das nicht oder berechnen: aber der Glaube „weiß“ das. Freilich zeigt die Welt ein ganz un-erlöstes (un-erfülltes) Gesicht, das ändert aber an der Wahrheit der Fülle der Erlösung gar nichts. Die Fülle ist „voll“, es fehlt nichts, es muss nichts hinzugefügt werden. Die Heilige Gottesmutter Maria, sie „ist in der ganzen Fülle der Gnade“, (voll aus Gnade), sie steht im ganzen Licht, die terra immaculata ist ausgefüllt mit Gnade (mit Heiligkeit). Das Wort Gnade kann auch übersetzt werden: angefüllt mit Einheit, mit Ganzheit, erfüllt sein mit Ewigkeit. Die Fülle ist von Ewigkeit her da, auch im Zeitlichen, Vergänglichen, Un-erlösten. Zu dieser Vollendung von Ewigkeit her kann sich die Seele jederzeit erheben, aus den Tiefen des Un-erlöst-seins aufsteigen wie reiner Weihrauch. Die Zustände im Horizontalen bleiben vielleicht dieselben, werden für den weltlichen Sinn sogar schlimmer, dennoch ist die „Vollendung“ da. Ich kann das annehmen oder ablehnen, das ist meine Wahl, meine Entscheidung. Diese Fülle oder Vollendung von Ewigkeit her ist „grenzen-los“, hier dringt daher keine Berechnung oder Kalkulation ein, das Ewige Land kann nur betreten der, der sich erhebt im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. Jede Diskussion darüber scheitert, muss zurückbleiben. Hier, an dieser absoluten Grenze, muss eine Entscheidung getroffen werden: ja, ich glaube das, ich bin voll überzeugt, ich bin „voll“ des Glaubens! Wenn dies geschieht, dann ist auch das Zeitliche wirklich voll der Gnade; das ist dann dieser kairós, dieser ewige erlöste Augenblick in Zeitlichkeit: je jetzt (kairós). Der „erlöste“ Mensch ist eigentlich der „treue“ Mensch: er ist dem Welt-Angriff vielfach ausgesetzt, beschönigt da auch nichts an dem Schlimmen und Bösen, das angreift, aber er bleibt treu, festhaltend an der schon seienden Erlösung. Einsamkeit, heißt es, sei das Fehlen von „Beziehung“; wer sich einsam fühlt, der hat Mangel an Beziehung, fast mundtot ist der, kann nicht sprechen und zeigen (zeugen). Der so Einsame ist behindert im Zeugnis und also kein: Zeuge! Der Herr, heißt es in Genesis, „schaut auf das Opfer Abels“ – er ist der „Hüter“, nicht der Macher, der „Hüter im Garten Gottes“, kann man sagen. Man kann aber auch sagen: Abel „hütet“ die Beziehung zu Gott, er sieht die Fülle der Vollendung da-seiend und verliert sich nicht im Horizontalen: Abel ist „Hirt“ des Seins in Gott. Abel er-kennt die Beziehung zu Gott und dieses Erkennen meint „Beziehung haben“, miteinander reden, nicht kompliziert oder in Formeln, nein, aber sehr intim: von Herz zu Herz, cor ad cor loquitur! Opferung heißt im Hebräischen „Näher kommen zu Gott“ (korban) – Abel opfert recht, er hat Beziehung und Gott nimmt sein Opfer an. Kain dagegen geht „leer“ aus, weil er „leer“ (beziehungslos) ist; das Sein von Kain hat keine Beziehung, es fehlt ihm die Wärme der Beziehung und es ist klar, dass Gott auf kein kaltes Herz blicken kann; anders: das kalte Herz des Menschen kann der Liebe Gottes nicht Stand halten. Das kalte Herz ist das abgewandte Herz, Kain „hütet“ die Beziehung nicht, er ist unfähig zur Intimität. Modern ausgedrückt: er ist immerzu ein „Beschäftigter“, immer sind andere Dinge zu erledigen und zu tun, Sorgen und Ängste sind da, die sind dann wichtiger.

 

Für Abel ist die „Zeit jederzeit erfüllt“, weil er mit Gott intim ist, Abel ist in der Fülle „voll von Beziehung“ (voll der Gnade). Der Kain wird ihn zwar erschlagen, das ändert aber nichts an seiner Beziehung zu Gott, an seiner Gott-Erfülltheit. Der Abel „tut“ eigentlich nichts, er „hütet“ aber, er ist einfach da und „so“ seiend ist er auch voll der Gnade. Der Tod, kann man schon sagen, kommt über ihn, sehr brutal, hat aber keine Macht über ihn. Jeder Moment hier auf Erden ist eine Möglichkeit, in Freiheit (nicht im Zwang der Angst) die Beziehung zum Ewigen zu stiften, zum Vater – jetzt und hier! Abel „spricht“ mit Gott, nicht im Machertum, sondern indem er Gott dankt im Hüten, das sagt: die Vollendung, die Fülle ist ja da, man kann nur staunen und dankbar sein! Das Hüten drückt sich in der Dankbarkeit aus. Kain, kann man sagen, ist im Wesen die Undankbarkeit. Jetzt, in diesem Augenblick, ist die „Zeit erfüllt“: dann, wenn Beziehung, Intimität ist; nicht irgendwann.

 

Gelobt sei der Herr in Ewigkeit!

 

Liebe ist dem Wesen der Freiheit gänzlich gleich, sie könnte nicht ohne Freiheit sein, frei zu entscheiden: ja oder nein! Die Freiheit der Liebe beinhaltet auch dieses „Nein“, sie riskiert geradezu dieses „Nein“, weil sie hofft, diese Liebe, dass dennoch ganz „umsonst“ Liebe antworten wird! Metanoia: Buße tun, Sinnes-Umkehr heißt es eigentlich, das gesamte Wohnen (Existieren) in der Welt wird gewandelt, das ist Buße tun. In der Umkehr ereignet die „Kehre“, der Blick ist ein anderer, viel weiterer und sehr, sehr bescheiden. Bescheiden, darin liegt: beschieden – es ist dir beschieden und im Schied liegt ja schon der Unter-schied (die Krise). Die Metanoia ruht nicht auf einem eigenen Kraftakt, einer Überanstrengung, im Gegenteil: metanoia ist ein Zulassen dessen, was einem „beschieden“ ist. „Zulassen“ ist ein Zur-Ruhe-kommen, Friede ist da – es heißt ja: requiescat in pace, im Frieden ruhen, das gilt nicht nur für die Verstorbenen, sondern besonders für die Welt des Lebens, was man so „Leben“ nennt. Die „Kehre“ setzt  einen Null-punkt voraus, einen Stillstand, sonst kann Kehre nicht sein. Dieser Null-punkt ist das völlige Zur-Ruhe-kommen, deshalb, weil alles schon „erfüllt“ ist. Der Jäger der Horizontale dagegen ist selbst der Gejagte, er muss immerzu „tun“ und sich beschäftigen, ein Programm haben, er kann nicht „ruhen“, das ist der Fluch des Jägers, hat er ein Tier (Geschäft) erlegt, jagt er dem nächsten nach. Am Ruhe-Tag (es ist der ewige Sonntag), sagt man, baut Gott den Tempel; dass es sich zu-baut, das ist der Sinn des Still-standes in der Kehre. Am Ruhe-Tag Gottes lässt man sich doch nicht mehr betrügen von den Lügen-Propheten, die den Welt-Untergang androhen. Und dann zittern die Seelen, weil ihnen plötzlich klar wird, wie sehr sie nur in der horizontalen Welt wohnen und nur diese behalten wollen. Wer Angst hat (besser: als Angst existiert), der fängt mit dem Berechnen an, der hat die Ruhe und Stille nicht, dem fehlt auch das Vertrauen in das Ewige, das durch das Zeitliche keinen Verlust erleidet. Man kann es heutzutage sehr oft beobachten: die Menschen fragen nicht mehr nach, sie wagen nicht mehr das Fragen: sie reden zwar ohne Unterlass Formeln nach, das, was sich medial verbreitet und das Unheimliche ist: sie haben keine Fragen mehr, wirkliche Fragen, sie ziehen keine wahre Bilanz mehr; sie scheitern zwar immerzu, aber sie wollen dieses Scheitern nicht wahr haben. So versteckt sich der moderne Mensch hinter dem, was „Man“ sagt. Heidegger hat das schon klar voraus gesehen. Man müsste hier offen entgegentreten und sagen: hör´ endlich auf mit diesem Herumgerede!

 

Buße tun bedeutet auch: ich habe jetzt wirklich Fragen: was bedeutet das, was sagt mir das jetzt? Und zwar nicht nur so horizontal hingefragt, sondern erschütternd gefragt! Es meint: du wirst bis ins Innerste deines Existierens fraglich – ein Erdbeben – Gottesbegegnung! Dann hört man auf, wie ein Besoffener zu lallen.

Noch einmal das Ein-bilden: was wir uns ein-bilden, das „ist“ auch (ein seyn). Einbildung ist die Art und Weise, wie der Mensch das Seyn besteht. Einbildung ist keine Nebensächlichkeit, sondern die Hauptsache des Existierens. Es bildet sich ein – es nistet sich ein – es nimmt Form an, fixiert sich im Bild. Das Bilder-Verbot im Alten Bund meint Tiefes darüber: mach´ dir kein „Bild“ meint dann eigentlich: frage immerzu, lege dich nicht fest, deinem Gott schenke absolutes Vertrauen, das soll dir genügen! Verirre dich nicht in Einbildungen, sonst verlierst du den Blick auf mich, deinen Gott, der ich bin, der da sein wird (berechnen oder vorstellen kannst du dir das nicht; habe aber dieses Grundvertrauen, das soll dir genügen). Es ist unsere gegenwärtige Zeit eine der sehr, sehr engen (ängstigenden) Gemüter. Eine Drohbotschaft nach der anderen, das wird dann nachgesagt, man kopiert diese Drohungen, legt sich damit fest. Man flüchtet förmlich in diese Festlegungen. Im Habitus dieser Art zu existieren bedeutet: ich habe keine wahren Fragen (Anfragen) mehr, ich habe schon Fragen, aber sie betreffen bloß das Horizontale, Berechenbare, das, was sich für mich jetzt in diesem Leben noch auszahlen könnte. Wenn dann die Stunde des Todes handfest antritt, dann ist man noch immer auf der Flucht, sucht den besseren Arzt, das bessere Krankenhaus. Aber irgendwann ist Schluss mit dieser Flucht und dem könnte man sich jetzt schon stellen: was ist dann, werde ich dann sentimental oder lethargisch? Ich habe bei einem Sterbenden das erlebt, dieses depressive: wann geht das Licht endlich aus?

 

Wir sollten wirklich diese Frage ent-scheiden, nicht übermorgen, sondern jetzt und hier: wenn der Ewige Gott auch mein Vater ist, dann lässt er mich nicht verloren gehen. Dann kann, drastisch formuliert, ein Meteorit einschlagen, das tut vielleicht für einem kurzen Augenblick weh, ändert aber nichts an der Ewigkeit Gottes und daran, dass er mein Vater ist von Ewigkeit her. Wir sind ja schon die „Gestorbenen“, leben damit  und auch hier könnte man sehen: wir Sterbenden „leben“ doch, es ist etwas Ewiges in uns, das nicht vergeht in aller Vergänglichkeit. Darauf soll sich der Blick richten, darauf setzen, darauf vertrauen. Das alleine ist entscheidend, dann kann keine horizontale Droh-Botschaft auffressen. Fragen: was bedeutet das jetzt, was willst du mir, Gott, jetzt und hier damit sagen? Es ist eine heilige Pflicht zu „fragen“. Nicht mehr ernsthaft zu fragen – heißt: ich sehe nur mehr mit zeitlichen Augen, ich habe den Sinn für das Ewige weggeworfen. Es ist eine – wie es heißt – Sünde wider den Heiligen Geist nur mehr mit zeitlichen Augen sehen zu wollen. Oben war vom „Sterben“ die Rede: das Sterben meint hier aber den ganz tiefen Sinn der Relativierung, es stirbt dabei der absolute Blick auf das Horizontale, Sterben bedeutet das Ende der Vorstellungen (der Erklärungen), das Still werden im Ewigen, es hört auf damit Leben „nur in der Zeit“ zu sehen und es als solches nur zu sehen. Es stirbt die beschränkte und behinderte Seins-weise des Nur-Horizontalen in dir, dann ist Ewigkeit da, die erhobene Seele (sursum corda). Leben: eigentlich kann man erst vom Ewigen her das Leben „Leben“ nennen, der Sieg des Lebens über den Tod ist vom Ewigen her, das ist dann die Relativierung des Zeitlichen zum Ewigen hin. Erst hier „ruht“ die Seele auf dem Tragbaren, sie kommt zur Ruhe und kehrt um, wendet den Blick. Das Kreuz Christi stellt uns das klar vor Augen, es ruft: ich bin dir hier voraus-gegangen, ich bin dein persönlicher Vor-Gänger und du folgst mir – habe dieses absolute feste Vertrauen, dass das schon „gut“ ist und sein wird! Mit der Relativierung der horizontalen Welt beginnt der Aufstieg der Seele zu Gott und man sieht, wie sehr beengt das Verständnis dessen war, was man „Leben“ nannte. Wer den Sinn für Gott verloren hat (der alte, blinde Kartäuser), der hat wirklich den Sinn für das Leben verloren, weiß dann gar nicht was er daher redet, wenn er nur mit horizontalem Sinn vom Leben spricht. Die „Zeit“ ist da, aber sie herrscht nicht mehr. Über den Verstorbenen, sagt man, hat die Zeit keine Herrschaft mehr. Er lebt jetzt auch ganz und gar im Ewigen, alles umfassend, auch die Zeit umfassend: mit Leib und Seele im Ewigen. Man lasse sich nicht mehr vom Zeitlichen beunruhigen, es ist da, aber es soll nicht beherrschen. Die Zeit herrscht dann nicht mehr, wenn sie in Bezug zum Ewigen Gott relativ gesetzt wird: Beziehung ist da. Dass die Zeit nicht mehr die Seele beherrscht heißt eigentlich: gestorben sein (das geschieht schon in der Taufe). Eine sehr moderne und schlimme Form der Depression ist die Ansage: nun, man lebt und irgendwann ist es eben aus und vorbei!

 

Tod und Auferstehung sind die ganz zentralen Mysterien im christlichen Glauben. In der Taufe auf den Herrn „ist“ das vollzogen, es ist keine x-beliebige Formel, die eben dazu gehört. Wenn man einen starren und erstarrten Gott erlebt, dann ist man es selbst, der da erstarrt ist. Schwer vorstellbar: Ewigkeit. Man soll sie auch nicht vor-stellen, sondern ergriffen sein, sich also von Ewigkeit greifen lassen. Ewigkeit ist immer anwesende Präsenz in Vergänglichkeit, Ewigkeit schluckt Zeitlichkeit. Man könnte das Vergängliche „als“ Vergängliches gar nicht bemerken, wäre nicht die Lichtung von Ewigkeit. Die „Zeit steht still“: wenn du Herr über die Zeit bist (erhoben über die Zeit). Ruhe und Stille, Friede: ist da, wo die Zeit entmachet ist. Besessenheit: einer kann es nicht ertragen, dass etwas von Gott, vom Ewigen kommt. Besessenheit: das Göttliche erträgt man nicht. Unsauber, unrein: tamee: zur Norm gehörend (norm-al). Gesund-sein: wenn man aus der Quelle des Ewigen schöpft. Dann weiß man es nicht, es kommt wie es kommt, immer neu und überraschend: so erst ist man ganz, gesund. Ein Besessener ist unfähig geworden, Fragen zu stellen, er ist an seine Fixierungen gebunden. Der unsaubere Geist ist der beschränkte (eingeengte) Geist: er kann nicht über den eigenen Tellerrand blicken. Der Besessene „nennt den Namen“ Jesus: den Namen nennen sagt: ich weiß, wer du bist! Ich kann dich fassen! Der Besessene ist also auf Fixierung aus, wie es seine Gewohnheit ist, aber das Göttliche lässt sich nicht fixieren oder berechnen, er will das Göttliche einfangen, „fassen“, damit es in seine kalkulierte sichere kleine Welt passt. Das Göttliche (die Liebe) aber kann man nicht fest-legen, fixieren, so zu tun ist die Art von Besessenheit, man ist richtig versessen auf eine gemeinte Vorstellung, glaubt: jetzt hat man es! Nazareth: die starre Form. Na-zar-eth: Zar: die starre Form, die Eindeutigkeit (keine Fragen mehr). Ein Besessener fixiert immer auf Eindeutigkeit, auf eine starre Form. In Nazareth gibt es keine Fragen mehr, hier schreit es immerzu: Eindeutigkeit. „Ich weiß schon…“ schreit die Besessenheit, ich habe keine Fragen mehr, denn ich weiß ja schon alles – Punkt! Jesus aus Nazareth: der Herr „rettet“ aus dieser Verirrung, er ist da im Fleisch der Eindeutigkeit, oder anders: auch in der fernsten Verlassenheit ist der Herr da!

 

Wirkliche Fragen stellen bedeutet eigentlich: Konfrontation mit der Wahrheit und das bringt immer eine Erschütterung mit sich. Besessen sein heißt dann: ich will lieber meine Ruhe haben, ich habe für diese erschütternden Fragen keine Zeit und will auch keine haben. Ich will lieber sitzen bleiben auf dem, was mir bekannt ist. Wenn Jesus heilt, heilt er für „Ewigkeit“ (und nicht für einen bestimmten Zeitabschnitt im Horizontalen). Wie verlässt mich ein „unsauberer Geist“? Der unsaubere Geist ist doch der Geist des horizontalen Absolutismus mit all seinen Spielarten. Ich muss mich fragen: was wird in 100 Jahren sein, wo bin ich dann, wo sind die anderen dann, was wird mit der Welt sein? Jetzt habe ich zwar Sorge wegen eines Dritten Weltkrieges, aber dann, was wird dann sein? Interessiert mich das nicht? Unsauberer Geist: Angst, Eifersucht, Neid, Aggression – diese Geister „fahren aus“, wenn sich die Seele der Ewigkeit öffnet. Dann wird das Leben leicht und licht, keine Depression mehr: Ewigkeit ist da, der Messias ist da. Wer also Sehnsucht hat, der frägt, und wer frägt, der ist be-freit. Das Fragen ist doch in gewisser Hinsicht ein „Freien“, ein Werben: also „in Sehnsucht“ sein, in der Sehnsucht nach Gott wohnen. Der unreine Geist fährt aus, wenn Ewigkeit in dir ist, die Eindimensionalität „schreit“ dann, hält es mit Ewigkeit nicht aus, muss weichen, fährt aus. Man ist dann innerlich sehr „bewegt“, hin und her gerissen, man weiß: ein innerer Kampf, die bösen Geister müssen weichen. Ist es so weit gekommen, dann lenkt Gott schon die Geschicke; lass´ es  nur geschehen, habe Vertrauen. Man schöpft dann aus der Quelle der Ewigkeit, dann ist der Verbund da, die Verbindung ist da und das ist zugleich auch der Verband der wunden Seele. Besessenheit spricht in ihrem Wesen von einer tiefen „Beziehungslosigkeit“: man kennt nur die eigenen Fixierungen, Einbildungen, Vorstellungen, Meinungen, das Angelesene, das medial Verbreitete. Der fraglos gewordene Mensch ist ein Besessener, er hat vielleicht schon noch horizontale Fragen, aber keine wirklich erschütternden Fragen mehr, Fragen, die wirklich ins Ewige reichen. Der frag-los gewordene Mensch will lieber seine Ruhe haben, er ist versessen (sitzt darauf) auf seine Vorstellungen und das Un-vorstellbare ist ihm lästig, stört seine faule Ruhe. Der Herr heilt aber von dieser Besessenheit, der Herr selbst öffnet die Seele: die Beschränktheit (die Behinderung) wird aufgehoben, das Enge (die Angst) weicht, fährt aus, hat seine Wirkmacht verloren. Die Begegnung (Beziehung) mit Jesus bewirkt, dass die bösen Geister weichen. Die Beziehung mit Jesus erlöst von der eindimensionalen Fixiertheit: so und nur so! Ewiges Leben ist da, sicher, auch ein Verlassen dieser Erde, aber ein Dasein in Ewigkeit: Auferstehung von den Toten. Der Herr lebt, die Emmaus-Jünger, sie erkennen ihn nicht.

Heilung meint ein „ganz“ werden, alles ist versammelt, nichts geht wirklich verloren. Deshalb: keine Angst vor dem, was man Sterben nennt: es versammelt sich alles im Ewigen, nichts geht verloren, alles lebt!

 

Erst dann kann man im Frieden sein und leben und auch die anderen leben lassen, sie „seyn“ lassen, ohne Aggression, denn der Ewige Vater sorgt schon für sie, ich muss ihnen meine Überzeugungen nicht aufzwingen. Einer der das Ganze kennt, das Ewige spürt, der kann nicht mehr aggressiv sein. Es gibt eine Krankheit der Seele: die, dass wir glauben, wir müssten überzeugen, erklären. Was heißt eigentlich etwas „erklären“? Es bedeutet Wahrnehmbares zeigen (erklären), also das scheinbar Eindeutige zeigen, es fixiert zeigen, es zu Ende erklären. Dann ist man schon ein Besessener, weil man die Ewigkeit dabei verliert. Erklärungen sind nichts anderes als Fest-stellungen, Fest-nahmen und jede Festnahme ist in sich Fixierung, Erstarrung, Totes, bedeutet „Gefangenschaft“. Wer festgenommen ist, der kommt ins Gefängnis! Alles Zeitliche kommt aus dem Ewigen. Mit dem Zeitlichen kann man keine Ewigkeit bauen. Mit dem Zeitlichen kann man Un-endlichkeit bauen, also horizontalen Absolutismus, aber keine Ewigkeit. Verloren gehen in Un-Endlichkeit ist schrecklich genug, man vergräbt sich im zeitlichen Immer-und-immer-so-weiter (so hockt man im zeitlichen Gefängnis). Ewigkeit dagegen ist präsent in Zeitlichkeit, so wie der lebendige Herr in der Eucharistie „präsent“ ist, der lebendige Herr und keine Einbildung. Mit der Einbildung geht einher die „Angst“, man muss aber genauer sagen: der „Geist der Angst“: man fürchtet dann diese Geister des Krieges, der Krankheit, der Inflation, fürchtet den Geist des Weltuntergangs – sieht nur mehr „diese“ Geister. Der Geist der Angst (der Geist der Drohung) kontaminiert und vergiftet das Existieren, engt es ein, es fehlt Ewigkeit. In dieser Atmosphäre der Angst, spürt man, fehlt immerzu (meint man) etwas, doch, paradox: es fehlt überhaupt nichts, alles ist schon „da“. Die Negativspirale der Angst lässt auch die Gier wach werden: jeder, der sich ängstet, giert, kann nicht genug bekommen, weil er leer an Ewigkeit ist. Der Angst-Mensch, kann man sagen, hat sich in der ledigen Zeitlichkeit verirrt und da wird es immer „eng“ sein, letztlich geht die zeitliche Rechnung eben nicht auf. Es gibt da einen tiefen Zusammenhang der Angst mit der Faulheit und Trägheit: der eingeschüchterte Geist ist zugleich „faul und träge“, denn er folgt blindlings dem Angebot der Androhung und diese Angebote der Drohungen gibt es ja massenhaft (medial). Faulheit (Trägheit) ist im Wesen die Ablehnung des Licht- und Leicht-seins der Seele in Gott. Man lässt sich dann gehen, erhebt die Seele nicht mehr, denn das wäre schon das, was man Gebet nennt: die Seele (die gesamte Existenz) zum Ewigen erheben. Faul ist eine Seele dann, wenn sie sagt: das war einmal, das geht mich eigentlich nichts an, ich habe andere (zeitliche) Sorgen. Mir scheint, dass gerade der sehr betriebsame Mensch mit vollem Terminkalender wesentlich sehr faul ist. Ewigkeit (Gott) geht mich nichts an: das ist die Losung der Trägheit. Wenn der Mensch aufhört damit zu fragen: Gott, was bedeutet das jetzt und hier, in dieser Situation, dein Wort, dein lógos, dieses Geschick, dieses Geschichte (die Schichtung), was willst du mir damit sagen?  - wenn diese Seins-Art nicht mehr ist, dann ist man faul und träge, schiebt die Bedeutsamkeit der Ewigkeit in Zeitlichkeit weg und sagt: was geht mich das schon an! Die faule Seele ist zugleich die „kranke“ Seele, sie sucht nicht mehr den Ewigen Schöpfer, will keine Beziehung zu ihm, die erkrankte Seele verweigert den Großen Zusammenhang, die Stiftung im Heiligen. Krank ist man, wenn es überall nur mehr Fragmente gibt, bloße Zufälle, wenn man meint, es hätte auch alles anders kommen können und in dieser Art seiend ist man banal (normal) geworden. Das lebendige Gespräch mit dem lebendigen Gott ist dann unterbrochen. Dieses lebendige Gespräch mit Gott antwortet dem Großen Zusammenhang, den man nie „wissen“ kann, der aber von Gott, unserem Herrn, gestiftet ist. Wenn einer „krank“ ist, sagt man: es fehlt dir etwas – das Fehlen ist genau dieses Gespräch mit dem Großen Gott, der Alles fügt.

Die faule Seele „urteilt“ auch jederzeit, denn das Urteilen ist das schnelle Zu-Ende-kommen-wollen, das schnelle Urteil hat es sehr eilig, ist im Wesen „Ungeduld“. Urteil ist vermeintliches: Jetzt-weiß-ich-es, jetzt habe ich es! Und darauf ruht man sich aus, man frägt nicht mehr weiter, hört auf zu fragen und ist selbstzufrieden!

 

Was „Über-setzen“ besagt, hat einmal Heidegger sehr tief bedacht: es meint: sich hinüber bringen lassen, sich ver-setzen lassen: also ein Zulassen, ein Geschehen lassen. Mit scheint, damit hat man das größte Problem: es einfach geschehen zu lassen, es zu zulassen, einfach nichts zu tun! Sich freuen können: weil alles schon im Heil und Gut angekommen ist, es erlöst ist. Wir verlieren immer wieder den Blick auf dieses vollendete Heil im Ewigen, werden davon weggezogen von all den irdischen Sorgen, Nöten und Ängsten. Oben heißt es: die „faule“ Seele urteilt, legt sich fest, verirrt sich in der Fixierung. Sich fest-legen im Irdischen ist aber eine Betäubung, man will „halten“, was doch vergänglich ist. In diesem ganzen Gehabe äußert sich eine Grund-Angst des irdischen Existierens: es geht vorbei, man wird es verlieren, es kommt ja der Tod. Wenn man auf diese Art den Tod verdrängt, dann werden die irdischen Dinge sehr, sehr wichtig, die man bereden, fest-legen und fixieren muss. Der Tod konfrontiert in sich mit Ewigkeit – aber das verdrängt man lieber, weil man so am Vergänglichen hängt. Hier ist der schmale Grat, hier muss man entscheiden: Wofür lebe ich, wofür sterbe ich?„Müssen“ tut man nicht, vielleicht ist es ein „Ruf“, dem man in Freiheit folgen will – der Ruf aus dem Ewigen, der die Seele aus der Verirrung heimholt! Dieser Ruf wird vernommen im Angerufen-sein: das ist ein tiefes Empfinden „gemeint“ zu sein. Im Meinen liegt das mir Eigentliche und auch das „Einen“, die Vereinigung, das Eins-sein, diese Vermählung (Hohes Lied). Der „Name“, die Nennung – im N-amen liegt schon das „Amen“ (so ist es, und so sei es in Ewigkeit). Namen haben daher eine „ewige“ Bedeutung, sind nichts Zufälliges.

 

Es heißt, dass der „Name“ lebt, im Namen ist das Leben verborgen. Und eigentlich „benennen“ wir ja alles Seiende mit „Namen“. Wenn einer „Thomas“ heißt, dann ist das kein Zufall: es sagt Zweiheit, „Zwilling“ aus, zwei Seelen in einer Brust, ein Hin- und Her, ein Kampf auch, am Ende der Kampf zwischen Vertrauen und Un-Vertrauen, zwischen Egoismus und Hingabe, zwischen Sinnlichkeit und Glaube. Der Name ist dann auch kein nebensächliches Attribut, sondern aussagend das „Wesen“, die Haupt-Sache, das, was mein Wesen beherrscht (Herrscher). Dies alles ist oft und vielfach gar nicht im Bewusstsein, aber doch wirklicher als unsere eingebildete Wirklichkeit. In der Litanei zum heiligsten Namen Jesu beten wir den „Namen Jesu“ an, wir rufen ihn an, den Herrn, ganz direkt rufen wir ihn an. Was bedeutet das und was heißt das eigentlich? Ist das nur ein Daherreden, ein So-dahin-sagen? Dann wäre es ein Plappern! Der Herr, Jesus, „ist“ der Erlöser. In diesem „ist“ ist das erlösende, heilende Seyn gegenwärtig, die Person Jesus Christus. Wir sagen: Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes – im Nennen rufen wir die Wirklichkeit an, die immerzu beherrschend ist. Der Herr „herrscht“ – das gehört zusammen und das Herrschen des Herrn bricht die Macht der Grenzen, des Todes also, die Liebe des Herrn geht so weit, dass er sich auch durchstreichen lässt, töten lässt – in dieser fernsten Entfernung hört aber das Herrschen dieser Liebe nicht auf – sie ist hier am mächtigsten, dem Entlaufenen dennoch und trotzdem ganz umsonst angeboten. Jesus Hominum Salvator: Jesus rettet, der Name Jesus ist sein Herrschertum der Rettung des Menschen, sein Wesen, er kann nicht anders als „retten“, „erlösen“. Im Anruf des Namens „Jesus“ werden Zeit und Raum durchbrochen. Dieser Anruf des Namens Jesu ist „wirklich“ in der Sehn-Sucht und es ist diese „Sucht“ der Suche, wer nicht „sucht“, der wird nicht finden, wen die Sehnsucht nicht bewegt, der kann nicht lieben. Es muss dieses Verlangen da sein, den Herrn finden zu wollen. Will ich Ewigkeit, will ich den Himmel, ewiges Leben, den lebendigen Gott – oder will ich das gar nicht, mache ich es mir gar nicht klar, worum es hier geht? Ist diese Sehnsucht nach Ewigem in mir? Wenn das der Fall ist, wenn ich das in mir finde, dann ist „alles da“ – Zeitliches im Ewigen. Dann gelten andere Maßstäbe: Ewiges dann im Zeitlichen schon. Ist diese Sehnsucht nach ewigem Leben da, ist sie wach – ist sie eine „wirkliche“ Angelegenheit – oder nicht? Der Erlöser löst aus der Enge, er löst die Banden der Beschränkungen. Erklären kann man das nicht, auch nicht argumentieren oder predigen: es ist eine „Erfahrung“. Wem sie geschenkt wird, der kann nur dankbar sein. Ewigkeit nur zu „denken“-  das ist in sich schon gewaltig, dass das möglich ist. Das eigentliche Denken (der Gedanc) ist wesentlich ein „Danken“. Nicht, dass man es im Denken durchschauen könnte, aber dass dieser „Geist“ aufkommt, das ist unerklärlich, etwas eben von Ewigkeit in Zeitlichkeit. Ewigkeit sagt dann: ich bin „da“, unverwüstlich, ich kann nicht vernichtet werden. Sicher sind diese Gebrechlichkeiten, Krankheiten und Schwächen usf. da, dennoch: unverwüstlich ist mein ewiges Da-sein. Auch der Tod ist da, dennoch: unverwüstlich ist mein ewiges Da-sein. Der Erlöser löst aus der Enge des Urteils, sagt: tu das nicht, lege dich nicht fest – es tut dir nicht gut, es engt dich ein und am Ende wirst du aggressiv sein, verlierst den Blick auf Ewigkeit, den Großen Zusammenhang. In Gottes großem Brückenbau (Rilke) ist immer Anfang, Beginn, ewiger Einstieg, nie ist ein Vorlauf nötig, also eine Bedingung, alles fügt sich hier zusammen im Fug Gottes, man kann sagen: es ereignet. Dem Eigner gehört doch alles und so ist es schon gut in dieser Güte. Genau diese Sehnsucht nach Ewigkeit, diese Besinnung darauf, wird vielfach gehindert: man macht sich diesen Großen Zusammenhang nicht mehr klar, bezieht keine Stellung dazu , nimmt nicht mehr „ewige“  Haltung an. Man wünscht sich nur mehr ein „langes“ Leben – aber was ist schon ein „langes“ Leben: 120 Jahre alt, vielleicht 130 – und dann? Ewigkeit: Sehnsucht nach Ewigkeit; heute wird man belächelt ob dieser Sehnsucht nach Ewigkeit, Sehnsucht nach dem Himmel. Man gilt dann als naiv oder als Frömmler, als Flüchter vor der harten Wirklichkeit. Das alles sind schon „Hinderungen“, sich die Ewigkeit vorzunehmen. Ich sehne mich nach dem Erlöser, dem Retter, dem Heiland, nach dem, der von Ewigkeit ist, ich will mich bei ihm bergen, hier wohnen und seyn. Diese ernste Sehnsucht nach dem Retter soll verschwiegen werden, es gehört sich nicht, man schämt sich vielleicht dafür, die anderen verdrehen ihre Augen: so ein Naiver! Man kennt diese Überheblichkeit mit Beginn der Frühen Neuzeit, weil man es immer besser wusste in einem Wissen ohne Metaphysik, ohne Religion. Sehnsucht nach Gott: man wird belächelt, so etwas gehört sich doch nicht, das ist etwas für vorgestern. Und Abraham, Mose, Jesaja, die Samariterin am Jakobsbrunnen, der Heilige Augustinus – wo sind sie jetzt? Nein, keine historischen Fragen, sie leben doch in Ewigkeit, von Ewigkeit her sind sie, jetzt sind sie, leben sie, sind nicht Tote.

 

Sehnsucht nach dem Heiland: es kommt die Überzeugung, dass man erst zu leben, wirklich zu „leben“ beginnt, wenn diese Sehnsucht erwacht, lebendig wird. Wenn die Sehnsucht lebendig wird, dann begegnet man dem lebendigen Gott: also dem Leben. Jesus sagt das öfters: Dein Glaube hat dich heil gemacht, und, wird der Herr, wenn er wieder kommt, „diesen“ Glauben finden? Nicht irgendwann ist die Wiederkunft des Herrn, sie ist „jetzt“, wenn ich diese Sehnsucht habe und dann auch die Große Wiederkunft am Ende der Zeiten. Wenn das eintritt, sage ich „Du“ zu ihm, er ist dann mein Retter und Heiland, von Ewigkeit in Ewigkeit, nicht vergänglich, zur Rechten des Vaters. Sich nehmen von Ewigkeit her, im Gleichnis Gottes sich nehmen, von hier her „seyn“: das ist etwas ganz anderes als der zu sein, der man meint zu sein und für den einen die anderen halten. Der bin ich schon auch in gewisser Weise, aber nicht bestimmend, nein, der von Ewigkeit her, der bin ich – also ein „Gemeinter“, „Gewollter“, einer, der ins wahre Seyn gerufen ist – und dieser Ruf ergeht doch alle Augenblicke, das könnte man spüren. Man weiß: wenn dein Glaube die Größe eines Senfkornes hätte – es meint: der Glaube ist erst Glaube, wenn er das „Unmögliche“ glaubt, das Mögliche glauben, das wäre Berechnung, Kalkül. Man kann sagen: der Glaube ist „echt“, wenn alle Nein sagen, wenn alle „unmöglich“ sagen, meinen: so etwas gibt es nicht!

 

Einmal, heißt es: der Ursprung des Mensch-seins sei der Glaube, der Glaube an das Unmögliche: der Glaube erst an den Dreifaltigen Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Die Heiligste Dreifaltigkeit nur zu nennen ist schon für den allgemeinen Sinn etwas „Unmögliches“. Der Glaube erst lässt „seyn“, stellt in das wahre Seyn. Hier dringt der horizontale Verstand nicht durch und kann es auch nicht. Mit anderen Worten: das Gebet ist auch etwas „Unmögliches“ im Sinne der horizontalen Berechnung, das Gebet überströmt und überflutet das Zeitliche, dringt durch den Tod (die Begrenzung) hindurch. Dann „sieht“ man in Ewigkeit, sieht dann auch die horizontale Blindheit, die nur bis zum Tod ging und dort Halt machte. Das Zeitliche macht das Sehen des Ewigen oft unmöglich und so wird es darauf ankommen, in bestimmter Weise das Zeitliche aufzugeben, zu verlassen. Dieses „Verlassen des Zeitlichen“ ereignet im Glauben. Wer betet, und sei es auch nur ein äußerliches Formel-Gebet, ohne Emotion, wie ein Geplapper, sehr armselig, der schreit nach Ewigkeit und ist ein Gerufener, einer, der in Endlichkeit „antwortet“. Daher ist das Gebet etwas sehr Gewaltiges, wer es vermag zu beten, der ist, kann man sagen, privilegiert. Nicht im Sinne einer Überheblichkeit, sondern im Sinne eines Heiligen Wunders. Und das „kindliche Gebet“ ist wohl das reinste und schönste, das erhabenste: das Gebet des „reinen Vertrauens“ (das ist das Kindliche). Beten ist daher Sprache im Ewigen, zuhause sein: man ist dann überzeugt davon, dass kein irdischer Arzt wirklich heilen kann, es ist allein Gott, der heilt. Die Heilung kommt immer aus dem Ewigen, niemals aus dem Zeitlichen. Wer zu einem Guru oder Arzt geht, der wird nicht von diesen Leuten geheilt, es ist Gott, der heilt, das Ganze, das Heile schenkt. Von heilung kann man nur sprechen, wenn die ganze Seele heimkehrt zum Vater. Alle Heilungen des Herrn in den Evangelien sind immer Heilungen zum Ganzen hin, die ganze Seele umfassend, ein Heil zum Ewigen hin (nicht eine Heilung für, sagen wir, 15 Jahre). Beten: im Wesen ein „Binden der Zeitlichkeit“, wer betet, der bindet die Zeit, herrscht über Zeit und Raum; nicht als ein absoluter (autonomer)  Herrscher, der Betende ist ein „demütiger Herrscher“, weil der Herr selbst zugegen (anwesend) ist, der Herr, der Erlöser, ER herrscht. Diese „Begegnung“ mit dem Herrn heilt, macht ganz. Und zwar ohne unser Zutun, nichts wird verlangt, keine Leistung, kein Ansehen, kein Werk unsererseits. „Liebe“ meint im Wesen: ich weiß nicht „wie“, es geschieht schon – hab´ nur Vertrauen, dass es da ist, das Heil. Wie? Ich weiß es nicht aber ich weiß (eigentliches Wissen): es ist da! Wer im Gebet ist, der löst sich von seiner Einseitigkeit und blickt in das Ewige. „Einseitig“ sein besagt: fixiert sein im Zeitlichen, im Horizontalen – anderes gibt es dann nicht mehr. Solche Einseitigkeit (nur im Horizontalen zu wohnen) ist eine Art Besessenheit. Erklärungen abgeben meint: ich kann es definieren, sagen, wo und welcher Grund dafür verantwortlich ist – „so“ zu sein ist schon Aberglaube, Götzendienst: ich glaube der Erklärung, nicht mehr dem Schöpfer. Fixiert sein heißt dann ein Festhalten-wollen dessen, was vergeht: alles Zeitliche vergeht, man will das Zeitliche halten, bewahren, nicht mehr los lassen. Wenn aber die Macht der Zeitlichkeit gebrochen ist, weil sie nicht mehr beherrschend ist, dann ist Ewigkeit, dann hört es auf mit Zeitlichkeit, sie ist ent-machtet. Im Tod ist dieses Geschehen mit dem Aufhören von Zeitlichkeit, nicht nur der Tod, wo wir uns einbilden, der käme irgendwann; sicher, dieser auch. Sterben ist aber immerzu Zustand des Menschen, das Aufgeben einer alten Fixierung, das ist auch ein Sterben, jedes Los-Lassen ist ein Sterben und hier könnte man schon sehen, was Auferstehung von den Toten besagt: Altes vergeht und doch bleibt Wesentliches bestehen, vergeht nicht im Vergänglichen.

 

Keine „Erklärungen“ also, denn jede Erklärung verliert sich im Endlichen, will es „hier“ wissen und zu Ende bringen, will das Betriebsgeheimnis lüften um es weiter zu sagen. Die Gefahr jeder horizontalen Erklärung liegt im horizontalen Finale desselben. Man bringt, könnte man sagen, mit jeder Erklärung das Geschehen zu Tode: man hält dann ein totes Finale in Händen, beruft sich auf es und wenn ein Anderer dieses nicht akzeptiert, dann wird man aggressiv. In der Erklärung wohnend, kann man sagen, verliert man den Himmel, wird eng; es engt in der Erklärung. Das deutsche Wort „Verklärung“ zeigt die nächste Nähe zur Erklärung, man sieht: das Heilige liegt in allernächster Nähe zum Profanen. Jede Erklärung weiß schon zum Voraus Bescheid, so meint sie es in ihrer Formel: so ist es, so, und nicht anders! Man hat keine Beziehung mehr zum Mysterium des Lebens, wenn die Erklärungen anfangen. Es lebt in uns so ein Drang zu Erklärungen (Fixierungen, Festlegungen) und je mehr das da ist, desto mehr spürt man: es wird immer starrer, unbeweglicher, lebt nicht mehr, pulsiert nicht mehr. In den Erklärungen kommt es zur „Lähmung“, man ist dann so überzeugt vom Eigenen, dass das In-Frage-Stellen dessen, was Leben ist und sein soll, überhaupt keine Option mehr ist. Ein anderes Wort für Erklärung ist „Meldung“: es herrscht Meldungsüberflutung, ein hysterisches Gedränge der Nachrichten. In diesem Dickicht der Nachrichten und Erklärungen lähmt sich die Seele starr, es sind horizontale Letztheiten, die angekauft und wieder verkauft werden. Man ist dann vollgestopft mit Erklärungen, alles äußerlich und es hängt dann auch mit dieser rasenden Beschleunigung zusammen, dass die Erklärungen, die heute Gültigkeit haben, morgen schon wieder alt und vergessen sind. Horizontale Letztheiten, schrieb ich, darunter kann man sich Seelen vorstellen, die Leben nur nehmen und kennen wollen als: jetzt, jetzt kommt dies, jetzt dies, es ist eine ungeheure Einschränkung da, denn die Erklärenden wollen immer zu Ende definieren, eindimensional „seyn“, sie wollen zu Ende kommen in der Zeit: das ist Endzeit (Apokalypse)! Das Existieren ist dann jederzeit fest-gefahren, fixiert, und was nicht in den engen Rahmen hineinpasst, das wird zurecht gestutzt, bis es reinpasst und dann ist es auch schon tot, man hat es zu Tode gekürzt. Es ist gerade der selbstzufriedene Mensch, der, äußerlich gesehen sehr selbstbewusst auftritt, es ist der selbstbewusste Optimist der heutigen Zeit, der für alles und jedes eine Erklärung hat und abgibt und eigentlich keine Anfragen mehr hat; er hat schon noch Fragen, aber die betreffen nur Horizontales. Dass dieser horizontale Optimismus tiefgreifend „scheitern“ könnte, ist aus der Froschperspektive her gesehen eine Unmöglichkeit; ein reines Wunder, eine Gnade von „oben“, ein Ein-Fall Gottes.

 

Dass einer auf dem Weg im kontinuierlich Horizontalen grundsätzlich scheitert, „umkehrt“, das ist ein reines Wunder Gottes. Umkehr meint hier: die horizontalen Maßstäbe (das Vorstellbare) werden vom Un-Vorstellbaren über-fallen. Dann geschieht das Erstaunliche, nicht eine Einbildung, Erklärung oder Vorstellung, es ist ein „wahres Geschehen“, ein Zulassen der Ewigkeit. Plötzlich bemerkt man bei sich: es ist eine ewige Kraft anwesend, die alles Horizontale relativiert und in die Schranken weist. Dann ist man nicht mehr gebunden an Zeit und Raum, plötzlich spürt man: da ist eine Freiheit von Ewigkeit her. In der Rückschau zeigt sich dann ganz klar ein „ewiger Weg“: das Horizontale zeigt sich als solches vom Ewigen her, das ist die Rückkehr, die Umkehr. Dann geht man mit „Erklärungen“ viel achtsamer um, lässt viel mehr zu, geschehen, hat viel mehr Vertrauen, dass das, was ist und ankommt, schon „gut in sich“ ist. Es liegt eine sehr große Versuchung darin, Erklärungen (ein zu Ende Definieren) abzugeben, es jetzt und hier wissen zu wollen, es zu „zwingen“. Die Versuchung liegt im Zwingen der Dinge, sie zu biegen und in Erklärungen unterzubringen. Darin zeigt sich diese existentielle Un-Geduld. Nein, warum Ungeduld, es ist doch vom Ewigen her und Gott weiß schon Bescheid, er ist doch schon mit allem im Ziel, der Sieger. Der „eschatologische Endkampf“ (Offb 20,7): es ist dieser „geistliche Kampf“ vom Dach her, man war ein Gelähmter, nun aber „ist“ der Sieger, der Messias und befreit (er war, er ist, und er kommt) – er ist der Herrscher über alle Zeit! Mit „Vielheit quälen“: mal dies, mal das, schnell dies, schnell das noch. Es gibt unzählige Erklärungen, Tagesmeldungen, Androhungen, Politik, Weltpolitik, Gesellschaft usf. – ein Übermaß, un-endlich, ohne Ende. Ekel-erregend: so viele Eilmeldungen zu gleich und schon wieder alt. Ekel-erregend auch das viele Herumgeschwätz um Vergängliches, die Sorge darum, noch einen Treffer zu machen. Wollte man das alles bitter-ernst nehmen, man wäre Gefangener, und zwar endlos: Atemnot, Stress, Angst, Beunruhigung, Sorgen, Hetze, Geschwindigkeit.

Dass Alles in Allem schon in der Einheit Gottes erfüllt da ist, das könnte dazu bringen, gänzlich „gelassen“ zu sein. Es heißt: wenn ihr „glaubt“, dann „ist“ es. Wer glaubt, ist „offen-ständig“ zur Wahrheit. Der ist nicht mehr „zu“, sondern empfangsbereit. Offen sein heißt eigentlich: porös werden, durchlässig werden, leichter und lichter sein. Wer die Einheit mit Gott zerbricht (im Jetzt), der wird immer Schuldige finden müssen: nur sich selbst gibt man keine Schuld bei diesem Zerbrechen. Schuldige sucht man dann, Feindbilder und zeigt die eigene Unzufriedenheit. Die Dinge aber liegen anders: Unzufriedenheit kommt zuerst aus mir selbst, ich habe die Beziehung zur Quelle allen Seins verloren, aufgegeben; suche dann etwas Anderes und in diesem Augenblick der Aufgabe entsteht schon Aggression. Das ewige Leben in mir interessiert mich nicht mehr, ist unwichtig, ich suche etwas anderes. Und schon beginnt die Spirale der Schuldzuweisung: meistens sind dann die Anderen oder die Umstände schuld! Man hat sich abgewandt vom Geist, der „heilig“ ist (der von Ewigkeit und Gutheit voll ist). Die dir je jetzt Zugeschickte, deine gesamte Existenz, sie ist geborgen in der Vorsehung Gottes. Der Geist, der „heil und ganz ist“, ist da, präsent: er gönnt alles Gute! Sehnsucht nach dem Geist des Heilen heißt: alles ist da, nichts vergeht, alles ist wertvoll, hat Sinn und Bedeutsamkeit. Heiliger Geist ist da, Ewigkeit ist da!

 

Der Geist, der heilige, er ist ohne Zeit, zeitlos west er an; er benötigt keine Zeit, er ist ein heiliger Zustand, eine ewige Anwesenheit, ein Einverstanden-sein mit allem, was ist. Es heißt in der Schrift, die Sünde wider den Heiligen Geist werde nicht vergeben. Es ist ein sehr „ernstes“ Wort und es meint: du musst in deinem Herzen „umkehren“, das Wort zu lieben beginnen, die lebendige Zusprache deines Gottes spüren, musst dich öffnen, musst das Ewige im Zeitlichen spüren, der Zusage „antworten“. Wer nur mehr Profanes sieht oder sehen will, der „lästert den Heiligen Geist“. Ein anderes Wort für Ewigkeit ist „Grenzenlosigkeit“: es gibt hier keine Grenzen und wenn man beachtet, dass das Glauben, das Hoffen und das Lieben „grenzenlos“ meinen, dann wird klar, wie eng es in der Zeitlichkeit zugeht. Zurück zum Anfang, zu dem, was mit „Erklärung“ gesagt ist. Das Erklären hat in sich die Versuchung zum Stillstand in der Zeitlichkeit, man will dann etwas Zeitliches oder meinetwegen Überzeitliches „fixieren“, zu Ende kommen damit. So passiert das vielfach auch in der Sprache. So seiend ist man Gefangener der Vergänglichkeit, die Zeitlichkeit „bindet“ einen fest, fixiert uns und dann kommen die Anschuldigungen: Personen, Umstände, Zeiten, Politik usf.

 

Die Ursache aber der Aggression (der Verurteilung) liegt in einem selbst: man hat Ewigkeit vergessen, macht sich Ewigkeit nicht mehr klar, bestenfalls glaubt man an Un-Endlichkeit (etwas sehr Schreckliches: ein Immer so weiter ohne Ende). Weil man mit Ewigkeit nichts anfangen kann, so versteht man auch nicht mehr den Geist des Heilen (des Ewigen). Wenn die Zeitlichkeit „losgelassen“ (un-gebunden) machtet, dann wird man am Ende von ihr zerrissen (eine wilde, losgelassene Bestie).

 

Es sei die Sucht nach dem Herrn, nach dem Ewigen, der jetzt „herrscht“, in unseren Herzen.

 

(Weiterführung)

 

 

 

 


 

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XLI)

 

 Λήθη XVII    Erlösung XX  (Pfingsten 2022)

 

Das Schweigen brechen

 

Es heißt einmal: „Im Sprechen zerbricht der Mensch jenes Schweigen, das am Grunde seines Wesens ruht, weil er es nicht mehr fassen (tragen) kann“. Dieses Schweigen nicht mehr tragen können, deshalb das Sprechen. Wer spricht, der ist also „über-fordert“, überlastet, der tritt aus aus der Erfüllung im Seyn. Das Sprechen flieht das Schweigen und wenn alles im Schweigen ruht, weshalb flieht dann der Mensch im Sprechen die Stille, in der alles, was im Seyn ankommt, schon „sehr gut“ ist?Unter Sprechen ist n icht nur der artikulierte Laut zu verstehen, es spricht schon in der Einbildung, der Vorstellung, im Raum der Gedanken, immerzu, kann man sagen, „spricht es“. Und Schweigen? Ist es überhaupt möglich zu schweigen wenn es immerzu spricht? Ist da nicht ein Riss, eine Zerbrochenheit am Grunde des Existierens? Und ist nicht jedes Existieren im Grunde seines Seyns verschwiegen, das meint : in Vollendung versiegelt, mit dem Siegel der Vollendung gezeichnet? Dann ist das Schweigen immerzu präsent, zuerst, am Grunde, im Grunde: ein „schweigender Nebel“ (Heidegger). Wie dann der Bruch, die Flucht? Was ist da nicht mehr zu tragen? Etwa die Vollendung, die Gutheit, das Gut-sein? Der Bruch liegt dann in einem Nicht-einverstanden-sein mit dem, was „ist“ (mit dem Seyn). Ich bin am Grunde meines Existierens mit der vollendeten Gutheit nicht einverstanden?Man muss das einmal so stehen lassen und lange betrachten. Lange betrachten, das ist ein Zu-lassen, ein-lassen, sich dem eröffnen. „Man muss“ – welches Man und welches Müssen?

 

Man hört es oft, sagt es sich selber vor, die Formel: „darum geht es also“ – das ist der Sinn, jetzt habe ich es. Es offenbart: ich tappe immerzu im Dunkel und meine dann: ja, jetzt habe ich den Fisch an der Angel, das „ist“ es. Und oft dann die Erfahrung: wieder die Suche, das Warum, das Wozu, wo ist der Sinn? Der gefangene Fisch war es doch wieder nicht! Einerseits die schon vollendete Gutheit und zugleich doch dieses Suchen (Hadern): warum, weshalb, wozu? Jesus im Sterben am Kreuz: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Es gibt viele Übersetzungen und meistens mit „Warum“ – eine der Übersetzungen sagt: „Wozu“ hast Du mich verlassen? Wozu: das Warum ist noch distanziert, wer warum? frägt, frägt aus geruhsamer, sicherer Distanz, der hat noch Ordnung und Sicherheit bei sich und so ist im wohl bei sich, er „spielt“ noch aus der Entfernung. Das „Wozu?“ spielt nicht mehr, sondern „leibt aus“. Gott-Verlassenheit: Jesus, die Wahrheit, ist Fleisch, Vollendung im Fleisch und Er wird nicht geschaut, die Seelen gehen blind an ihm vorbei, verlassen ist die Wahrheit und der Herr „erlebt“ es, es ist keine rationale Überlegung über Verlassenheit, nein, im Fleisch und im Blut gerinnt ihm Verlassenheit: Er „ist“ das Exil des Nicht-verstanden-werdens. Dieses Exil „seyn“ ist ganz was anderes als es nur reflektieren. Das ist reine „Verzweiflung“: ich gebe dir Alles, aber du bist blind, siehst es nicht und vielleicht willst du es auch nicht! Liebe wagt „diese“ Verzweiflung, geht dieses Risiko der Ablehnung ein, denn  Liebe schenkt sich in dieser Freiheit, auch vollkommen  abgelehnt, auch vernichtet zu werden. Vielleicht, dass sich dann im Ernst des Ausleibens, gerade auch in der Ablehnung, eine tiefe Zustimmung erhebt: „Wozu“ (dies) Vater? „Wozu“ spricht in Intimität, das „Warum?“ hat Gott gekündigt!

 

Es meint: Du siehst doch, Vater, wie alles schief läuft, so vieles verkehrt, ein Krieg, wie heute auch, eine Nacht und ohne Ende, ich verstehe es auch nicht mehr und ich weiß, es ist auch Deine Verzweiflung, Vater, ich weiß es, kann es ihnen nicht mitteilen und sie werden es ablehnen. Ich frage dich nicht: warum? – Vater, nein, wozu? Die Frage „Warum“ ist eigentlich eine sehr stolze Frage, sie führt den eingebildeten Abstand bei sich, hält sich in gesicherter Distanz zu dem auf, was „ist“. Es frägt der Herr am Kreuz im Ausleiben: Wozu dies? – er, der der Sohn ist, er frägt den Vater, er, der ganz mit dem Vater intim ist, zeitlebens intim – er frägt den Vater: Wozu dies? „Diese Verlassenheit“: es hilft nichts mehr. Hilflosigkeit und Ohnmacht: jeder erlebt das bei sich, aber es wird gut verdrängt. Die Frage: wozu? hat in sich schon die Kraft zur Annahme der Ohnmacht, die Frage: warum? – wehrt sich noch in der Ablehnung. Wozu? – so fragen große Kinderaugen, warum: so fragen die behaglichen Gemüter. Verlassenheit ist „real“, keine Vertröstung mehr, auch nicht auf ein Jenseits; die Umstände spucken mich an, gehen direkt an die Haut: wozu dies, Herr? „Wozu“ flieht nicht mehr das So-sein, es frägt in einem still: wozu, Vater? Alle Weltverbesserungsprogramme bleiben jetzt zurück in dieser zärtlichen, barmherzigen Frage: Wozu, Vater?

 

„Verlassen bin ich jetzt und hier, nicht morgen und gestern, Vater, alle Einbildung und Vorstellung ruht, die Umstände, das Umherum tobt, ich will es flüchten, weiß von diesem  Flüchten in mir, auch das: Wenn – dann, ruht, ebenso das Entweder-oder, jetzt bin ich auf Du und Du mit Dir, Vater. Und alle meine Einbildungen und Vorstellungen, sie sind doch nur Spott, Ausdruck, dass ich Deine Zusage nicht tragen kann, Lärm meiner Unfähigkeit, mach dir kein Bild, sagst Du, und doch mache ich mir die Einbildungen, baue sie, richte sie auf, ich Ein-Gebildeter und so begehre ich Ruhe, suche wohliges Enden in der Zeit, Sinnstiftung in der Zeitlichkeit, Behaglichkeit im Vergänglichen: Einbildung und Vorstellung – ich wusste schon, Vater, dass es in all meiner Einbildung schwer wird, erd-schwer und wenn die Dinge des Lebens oder die umherum-stehenden Umstände nicht mehr so attraktiv sind, dass es dann „leichter“ (lichter) ist – ja, das weiß ich, Wozu?, frage ich dich, Vater, und es meint: ich möchte, dass alles repariert ist, gut gemacht. Wünsche ich das wirklich oder rede ich bloß? Eingebildet sein, Herr, das ist diese Eingebildetheit, es nimmt Form an, sieht darauf und nimmt es für wahr. In meiner Eingebildetheit komme ich hier schon zu Tode und verliere darüber die Ewigkeit, will es „hier“ fassen, begehre es „hier“. Es hat jetzt 22,4 C in meiner Wohnung, es wird nicht geheizt und man überlegt schon, in öffentlichen Gebäuden die 19 C als Verpflichtung. Und wenn nicht dieses Thema, dann die Erderwärmung oder eben dann die Tageschronik; immer schiebt sich ein Thema ein, das plötzlich wo wichtig antanzt. Das liest man, hat Einbildungen dazu, redet es nach, fixiert es und dann kommen die eingebildeten Ängste und belagern. Dieser Riese: was könnte nicht alles passieren? Es sind Riesen, eine Übermacht. Wenn dieses Kommen hereinbricht, dann herrscht die Aufregung. Dies Kommen ist ein Angriff auf die Vollendung im Seyn. Wie es aber dennoch „ist“, so ist es vollkommen. Zugleich die Wirrnis, das Verbrechen, die Aufregung und doch: präsent die Vollendung, ist da, spricht in der Stille, lässt keine Erklärung gelten, lässt sie nicht zu.

 

Herr, du bist kein König der Zeitlichkeit.

Je mehr einer redet und erklärt, desto größer ist die Angst, die ihn antreibt. Er schändet die vollendete Ruhe, die in aller Wirrnis präsent ist, dein Dasein, Herr. Wir werden geprüft auf dieses Vertrauen hin, dass diese unsere Welt „sehr gut“ ist und wenn es dein Wort ist, dann „ist“ es so, einerlei wie die Umstände schreien. Du hast doch geschwiegen in dieser Heiligen Stille, als die Welt dich herausforderte zur Diskussion „über“ Wahrheit, weil du in der Wahrheit „bist“, in dieser Stille der Vollendung. Es fehlt uns dieses Vertrauen in die „sehr gute Stille“, daher reden wir und reden und erklären: es geht um…, darum geht es…, wenn dies – ja dann das… Du sagst, Herr: was kümmerst du dich um die Umstände hier, ich bin kein König der Zeitlichkeit. Ich bin nicht ein König des Machbaren. Deine Wunden sind offen, wie sollten es unsere nicht sein? Und die Erklärungen, oft sehr gescheit, sie wollen Deine Wunden und unsere schließen, damit endlich Ruhe einkehrt, der endlose Dämmerzustand . Du, Gott, hast doch deine Ruhe aufgegeben während du uns schaffst, jetzt auch, in diesem Moment, gibst du deine Ruhe auf, damit Anderes sein könne.  Vollendete Ruhe ist kein Schlupfwinkel unserer Behaglichkeit; Wohlgefühl ist eine andere Stille, es ist der Lärm des: ich will, ich leiste, ich konstruiere, ich habe es dann gemütlich und gut. Ist das alles, fragst Du, war das alles, diese, deine gemütliche Ruhe, deine gemütliche Befindlichkeit? Brauchst du mich, deinen Schöpfer, nur für deine gemütliche Befindlichkeit? Könnte es sein: Deine Göttliche Stille und Ruhe ist Ausgegebenheit, Hingegebenheit, Auslieferung? Dann hast Du nie getan, nie konstruiert oder geleistet, Herr, Erfolg oder Misserfolg sind nie Deine Maßstäbe, warst nie der Kaufmann, den du gekündigt hast. Es sitzt sehr tief in uns, Herr, dieses: ich muss doch tun und leisten, damit dann das oder das sein könnte, ich muss doch Kaufmann sein. 1 Könige 6,7: „…bereits ganz zugerichtet“. Vollendet also, es baut sich wie es sich baut, ohne Werkzeug, ohne Konstruktion, weder Tun noch Leisten. Dein Tempel, Herr, baut sich im Vertrauen auf Dich, nicht in meiner Aktion. Und immer wieder komme ich als Kaufmann zu dir. O Deus ego amo Te, nec amo Te ut salves me. Es baut sich schon, während ich Kaufmann sein will, es baut sich, es kommt das Maß des Himmels zugemessen, was sorgst du dich, Mensch, was rechnest du? Bilanziert nicht jede Rechnung am Ende: umsonst? Dass es von selbst schon vollendet ist und sich baut, ist es das, was wir nicht wahr-haben wollen?  Ich könnte es leisten, erbringen, am Ende erzwingen, ich will Konstrukteur sein. Meine leeren Hände bleiben aber leer, einerlei wie viel sie tragen oder erzeugen wollen. Wozu hast Du mich verlassen, Vater? – ich verstehe es nicht und kann es nicht durchdringen, und doch geschieht dieses Unrecht, Du, Herr, frägst nicht: warum? – warum hat keine Beziehung, steht isoliert und distanziert, sehr reflektiert, wohnt in der Überlegung. Wozu? dagegen ist Anfrage, gerade auch, weil alles verrückt erscheint, es hinten und vorne nicht stimmt. Wozu frägt näher hin, kommt näher, beginnend ein Gespräch mit der Ewigkeit.

Unfruchtbar bin ich, weil ich abgeschlossen bin, keine Beziehung, kein Gespräch, zufrieden bin, dass es mir gut geht, aber die Welt und was in ihr, es interessiert mich nicht. Unfruchtbar, nicht gebären können: das ist die Trägheit oder Faulheit oder Gewohnheit, das eingebildete Glück in der Gefangenschaft. Das Gespräch, mein Selbstgespräch: immer die Gefahr der Distanz, ein Abrücken und Wegrücken.

 

Sprechen zeigt auch Selbstmitleid, im Abrücken vor der Intimität bemitleidet man sich selbst und wird, mit einem Ruck, erschlagen, wie Kain in uns den Abel tötet. Unfruchtbar: kein Gespräch vermögen! Vermögen: es mögen, das Gespräch, jenes, das spricht, weil es an-spricht. Und dieses Gespräch, es ist lebendiges, hebt an im runden Wohlgefühl, im Gut-ergehen. Du gibst Dich auf, Herr, um schenken zu können, bringst Dich bis zur Erschöpfung am Kreuz dar, damit wir sein können. Wie antworte ich darauf? Das Schweigen brechen meint: nur die Gebrochenheit kann ich er-tragen, die Vollendung hier wollen, das wäre Flucht, einen absoluten Winkel hier suchen, wäre Versteck vor dem, was „ist“. Dann „sind“ die Scherben ein Gespräch mit Dir, Herr, und in den Scherben zeigt sich die Vollendung an so wie es sich zeigt und dieses Gespräch mit Dir, „ist“ doch Gespräch, keine Einbildung oder Vorstellung mehr. Lamm Gottes: das Gespräch, das nichts mehr ausdrücken, herausschreien kann: Zeichen, das kein Zeichen mehr ist: Lamm. Im Zeichen des Lammes, das kein Zeichen mehr ist, Nichts.  Lamm, Seyn, Nichts und: Da-zu-sein! Woher: wissen kann man das nicht und wohin, auch das weiß man nicht: hier ist das Dunkel, die Ewigkeit. Mein Glaube kann es annehmen, das Mysterium.  Lamm Gottes: Stille im Bruch, ein Sich-nicht-widersetzen, eine heilige Nachgiebigkeit, Empfinden einer tiefen Ohnmacht, die spricht: es ist schon gut so! Lamm Gottes, Du kennst die Zersplitterung und bist doch ganz und heilig.

 

Das Lamm siegt, weil es macht-los ist! Macht-los: weil im Fragment das Heil liegt, nicht irgendwo in einem eingebildeten Himmel oder Wohl-sein, im Bruchstück, das zukommt, das ist, darin liegt alles Gute. Das Lamm lässt „geschehen, wie es zukommt und geschieht“, schweigend, verborgen, vertrauend. Es wehrt sich nicht auf der Schlachtbank der Geschehnisse, hat keinerlei Widerstand, ist einverstanden. Es kann einverstanden sein, weil es nicht kalkuliert und kassiert. Blind vertraut das Lamm, es zuckt nicht vor dem tagtäglichen Unwetter, es wartet geduldig. Dann bist Du bescheiden, Lamm Gottes, geschieden von der Einbildung, dass du bescheiden bist, weil Du es nicht besser „weißt“, weil ja schon alles sehr gut ist wie es ist, gerade auch im Schlamm, im Schlimm(en). Und die Tage gehen und man redet dann, was man so sieht und hört und oft nur Schlimmes, sieht nur mehr den Schlamm, das Destruktive: aber Du, Lamm Gottes, zuckst nicht, bedeckst das Schlimme mit deinem Gleichmut. Du kennst das Schlimme, aber deckst es zu mit deiner je größeren Liebe. Du bist sehr arm, Lamm Gottes, so arm, dass nichts Eigenes an dir mehr ist, also keine Gegenwehr. Auch schmutzige Hände greifen Dich, Herr, gerade hier bist Du zugegen: in diesem Brot, in diesem Wein. Arm „sein“, weil alles, was anwest, schon ohne Überschlag (Überlegung) „sehr gut“ ist. Dieses ist sehr zuvorkommend, schon da.  Wir könnten gelassen empfangen, was schon „sehr gut“ da ist. Und das Schlimme? Auch das Schlimme, dieser Schlamm, verbirgt ein „sehr gutes Geheimnis“, wir könnten es nur gelassen empfangen, in der Stille des Gut-seins.  Ja, wer sich immerzu auf-regt, der muss doch auf-ragen, etwas gelten, sich beschweren mit Wichtigkeit, nie kann der im Frieden sein, der doch ist, den man nicht herstellen kann. Mut, sagst Du, Lamm Gottes: Mut, der Mut, das Gemüt zu dem, was immer „sehr gut“ geschickt ist, was zuvorkommt. Maria Magdalena: migdal, der Turm, der sehr hoch aufragt (sich sehr aufregt), Mirjam, die, die das Bittere tragen wird, weil es schon „sehr gut“ ist. Wenn sich das aufgeregte Aufragen (das Wichtig sein) legt, siehst Du plötzlich das Lamm. Es „legt“ sich heißt: es hört auf damit. 7 Dämonen: also ganz (gesamt) ergriffen von weltlicher Wichtigkeit, die immerzu zerrüttet. Aber die Maria in dir, Maria Magdalena, die kommt zuerst und sie wird diese Zerfahrenheit tragen und dann endet es damit, es „legt“ sich. Es legt sich die Aufregung nieder (hört auf), weil das Vertrauen aufsteigt, gerade das „blinde“. Zugleich mit der Aufregung legt sich das Zeiträumliche nieder, das Lamm hat kein Mitleid mehr mit dem Anspruch, mit dem Aufregen des Zeiträumlichen.

 

Mit-Leid: ich habe gesehen dein Leid, deine Form, dein Verloren-sein, in deiner Welt, deiner Einsamkeit, deiner Endlichkeit. Habe das gesehen, „achte“ dich, sehe dich in deinem Ringen. „Achten“ heißt: Ehrfurcht haben. Achten: am Ende und im Anfang ist es schon „sehr gut“. In der Ehrfurcht beginnt die Sprache „als“ Sprache: jetzt ist Ant-Wort, Gegen-Wort und also: Ver-antwortung. Das einfache Leben hat die größte Kraft, die stärkste Gewalt: das Lamm. Einfaches ist die Ein-Sicht, sie hält dem Gestoßen-werden Stand. Das Konkrete ist das, was stößt und lebt. Das Abstrakte dagegen ist das Tote: man hält sich in dem auf, was sein oder eintreffen könnte, oder man wohnt in dem, was war, auch eine Einbildung. So hält man sich in Abstrakta, im Tod auf; das Erstarrte ist doch das Tote. Das Tote „handelt“ nicht mehr, die Hand erstarrt; im Handeln, im Tun liegt das Lebendige. Und „wie“ handelt es: baut es sich oder baue ich? Lässt man es zu, dass es sich fügt oder zwinge ich den Fug? Was lässt mich handeln? Meine Überlegung, Einbildung, Vorstellung, ein Trieb oder die Führung der Gehörsamkeit und woher dies?  Der Glaube, dass sich der Kreis in einem selber schließen könnte, nach Vorstellung und Einbildung, schließt das Neue aus, das ankommen will, aber dem das Ankommen verweigert wird. Es baut sich schon, weil es „sehr gut“ ist. Der Augenschein sagt „nein“ dazu, es ist nicht sehr gut in der Welt, es ist Krieg, das sieht man doch. Und mitten im Krieg ist es doch „sehr gut“ – ist das Zynismus? Du bildest dir „Sehr gut“ ein, sagen die Umstände, du willst Ruhe haben in der Wirrnis. Nein, sagt der Glaube, spricht die Sehnsucht, meine Ruhe liegt in der Wirrnis, die über mich kommt, weil ich sie jetzt annehmen kann. Die Annahme sieht aber keine Wirrnis mehr, was früher, vor einem Augenblick, wie Wirrnis aussah, das ist jetzt keine mehr. Dann ist am Grunde die Wirrnis eine Einbildung, also eine Eitelkeit, ein Freiraum meiner Vorstellung, weil die Annahme dessen, was in Dichtigkeit ankommt, verweigert wird, darin das „Sehr gute“ anwest? Wirrnis: eine Eitelkeit meiner Beurteilung, meiner Einbildung: die Ruhe für sich haben wollen, das wäre Eitelkeit, die wahre Ruhe aber liegt gerade in der Auslieferung, im Hingegeben-sein: es ist Nacht in Gethsemane. In dieser ewigen Nacht gibt es keine Gegenwehr: steck´ also dein Schwert der Gegenwehr weg! Steck´ dein aufrührerisches Schwert der Auflehnung weg, denn, was dir geschieht ist von Ewigkeit her! Deine Aufregung ist im Grunde Aufruhr, Eitelkeit, Gegenwehr zu dem, was „sehr gut“ ist, aber in deinem Aufruhr siehst du nicht das „Sehr Gute“, weil dich der Augenschein verführt, weil deine Augen vom bloßen Augenschein „gezwungen“ sind.

 

Es heißt in der Ölberg-Andacht: „…denn ihre Augen waren übermüdet!“ Übervoll also von Augenschein, was sich so tagtäglich ansammelt und was man so sehr wichtig nimmt Hofmannsthal sagt einmal in seiner Ballade vom „veräußerten Leben“: und dennoch sagt der viel, der „Abend“ sagt. Der Augenschein ist immer da, er stößt und nimmt sich wichtig, sagt unablässig: ich bin Herr! – dann wird man müde, wenn man dem Augenschein gehorcht, ist Sklave dann und Lohnarbeiter: übervoll mit Müdigkeit. Im wichtig genommenen Augenschein kommt man immerfort zum eingebildeten Ende, eine eingebildete Ruhe, die man sich „macht“, damit man endlich Ruhe hat: das Sterben im Trugbild. Die eingebildete Ruhe macht man sich, die wahre Ruhe geschieht dir, ist schon da in aller äußeren Unruhe! Man macht es sich schwer mit der Annahme; das Machen ist daher eine Erschwernis, wer macht, nimmt nicht, der ist ein Macht-Haber und muss das Machen vorschieben. Es sollten die Geschäfte in dir geschlossen werden, das Machen hörte dann auf. Auf-hören ist dann ein Hinauf-hören, das Vernehmen der Stille, die bringt, was in sich „sehr gut“ ist. Auf-hören ist in sich ein Enden, es hört auf mit dem Immer-weiter-so und es beginnt der „Neue Tag“, der das Alte abgelegt hat. Solches Auf-hören opfert, kommt näher dem, der alles in allem „ist“. Enden, auf-hören hinauf-hören. Es ist dann ein Gebet und jedes wahre Gebet kennt keine Zeitlichkeit mehr, das Umherum ist zwar da und doch nicht da, man ist zwar in der Welt und doch nicht von der Welt. Dann kommt das lebendige Wasser aus dem Felsen? – der in sich ruht.  Im Zeichen des Lammes: auch der Laut ist dann gestorben, es herrscht die Stille, sagt sich zu und spricht. Jede Ein-bildung ist bedingt (das Dingen), das Lamm aber ist un-bedingt, jenseits der Bilder und Ein-Bildungen, jenseits der Vorstellungen, man kann es nicht zwingen und wenn man es zur Schlachtbank zerrt, so nimmt es an, was da geschieht; es zuckt nicht dagegen, ist wehr-los: das Lamm hält der heiligen Stille Stand!

 

Im Zeichen des Lammes: das ist das Dulden; Geduld ist wesentlich wahrer Dialog, ein Gespräch, das hin und her geht, denn: in der Geduld darf sich der Sprechende aus-sprechen, sich zur Sprache bringen. Die Geduld sagt der bloßen Erscheinung ab, sie kann das Wesen dulden, aushalten! Das Wesen ist der Geduld nicht zugänglich, daher kann sie es nur halten im Aushalten des Glaubens! Wo es nicht mehr zu-gänglich ist, da wird es dunkel und schweigsam, still! Es spricht sich dann eine Sprache, die spricht im Nicht-mehr-verstehen-können. Wenn Überlegung, Einbildung und Vorstellung zu Tode kommen, dann wird das „Tun“ entscheidend. Engel können nicht „tun“, sie können nicht handeln in der Zeit, die Größe zur Tat in der Zeit hat nur der Mensch.  Deshalb ist das „Tun“ entscheidend, nicht das Einbilden (Überlegung). Die Kraft zur Tat hat unmittelbare Auswirkung, ist wie eine Unterschrift, die besiegelt. Es ist sehr, sehr entscheidend, wie wir im Dunkel „tun“: dennoch, trotzdem, umsonst – gerade weil es nicht „wissbar“ ist, das Tun umsonst ist inspiriert allein vom Glauben, vom Vertrauen. Der Engel ist zu dieser Würde des Glaubens und des Vertrauens nicht ausgestattet, nur der Mensch kann sich hier ent-scheiden, es ist der Schied der hohen Würde. Man kann sagen: der Engel ist wesentlich „fest-gelegt“, der gute: gut, der böse:böse. Die Tat-Kraft fehlt dem Engel und daher neiden die bösen Engel dem Menschen die Über-Macht des Spiel-Raumes des „Tuns umsonst“. Der Mensch ist als Mensch geradezu der Nicht-Festgelegte, er kann „tun“, seine Hand ist ermächtigt zum Segnen zugleich aber auch zum Töten. Sünde: Festlegung wäre Sünde, immerzu zu Ende kommen hier in einer Einbildung (Festlegung) und meinen: jetzt „weiß“ ich es! Nein, was wissen wir schon? Im Anfang und im Ende: hier besteht nur die Kraft des Vertrauens, keine Festlegung hat hier Zutritt, also keine Einbildung hat hier Zutritt, weil die Wahrheit hier „gedichtet“ ist, ganz nah. Es ist doch „Nacht“ in Gethsemane und Du, Herr, betest:  vertraust und glaubst. „Wissen“ hat hier keinen Zutritt, der Herr „tut“ im Vertrauen, er tut das Glauben! Kein Abstand der Einbildung hält hier fern. „Wachet und betet“: spricht der Herr, halte dich also nicht in deiner Einbildung auf, sei nicht eingeschläfert darin. Wachen und beten sagt: dicht sein, ein Gespräch mit dem Herrn unterhalten, sich nicht entfernen in eigene Einbildung und Vorstellung, das eben ist der Schlaf der Entfernung, die Dämmerung, die Einschläferung, der Tod. Dann findet dieses Gespräch immerzu statt? Ja, immerzu! Erst im Konkurs der horizontalen Existenz beginnt das Gespräch des Lebens, wird der Kaufmann gebunden, ihm wird die geschriene Gleichung verweigert. Diese Gleichung wird geschrien im Schrei nach Wichtigkeit: ich bin wichtig, schreit es immerzu im Horizontalen!  Festlegung ist immerzu ein Sterben, so auch das Urteilen, auch das Urteilen ist in sich ein Sterben, Zeugnis der Abgestorbenheit, es ist dann zu Ende gekommen im Urteil. Es lebt sich, scheint es, sehr schwer in der Freiheit vom Urteil, es möchte sagen: ich lege mich nicht fest, denn ich „weiß“ es nicht – ich kann nur mehr glauben, vertrauen und hoffen.  Im Himmel, kann man sagen, „gibt“ es kein Gespräch, in der Ewigkeit gibt es keinen Dia-log, denn es ist alles von Wahrheit erfüllt, kein Abstand. Daher ist das Handeln hier – und das Gespräch ist Handeln hier – von so großer Bedeutung. So beginnt das Gespräch im Gebet, das Opfer des Lammes, bevor das Leben im Tag gegessen wird und abends wird das Lamm ebenso im Gebet geopfert; das Gebet ist das Gespräch „hier“, im Himmel wird nicht gebetet, hier „ist“ ewige Anbetung.

 

Daher, könnte man sagen, ist das „Tun und Handeln“ so wesentlich, die Verwirklichung des ganzen Heils liegt darin. Man sagt, die Seelen im Purgatorium, sie können nicht mehr „handeln“, sie können nicht mehr „tun umsonst“ (für Nichts, frei von Eigenabsicht). Diese Gelegenheit gibt es nur im Zeitlichen, jetzt und hier. Daher ist der Augenblick im Zeitlichen so entscheidend: was ich jetzt und hier „tue“hat, kann man sagen, ewige Konsequenzen, ist keine Generalprobe, sondern immer Uraufführung. Dieser Augenblick (Gelegenheit) kommt so nicht wieder. Man könnte doch das „Alles in Allem“ nicht fassen und auch nicht tragen. Und so kommt das Geschick in Abständen, man kann sagen: die Vollkommenheit kommt in Portionen, es wäre sonst nicht zu ertragen, denn im Himmel wird nichts getragen, das ist nur hier, im Zeitlichen, möglich. Beim Lamm Gottes, hieß es, ist kein „Essen“ mehr. Essen nennen wir in anderer Weise aber auch „Gericht“. Im Gericht liegt wieder in anderer Weise das „Richten“, wieder gut machen oder reparieren; was kaputt ging, wird wieder hergestellt. Es ist fast, möchte ich sagen, eine heilige Pflicht, das zugeschickte Gericht immerzu zu segnen, es anzunehmen als jene Schickung, die der Ewige Gott in seiner Vorsehung schon vollendet hat. Das bloß horizontale Urteil darüber ist immer vermessen, weil es das Ganze nicht sehen kann, sondern das Fragment beurteilt. Das End-Gericht ist die „letzte Mahlzeit“, hier wird alles repariert; keine Angst also vor dieser großen Reparatur! Wenn dann kein „Essen“ mehr ist, beim Lamm Gottes, dann „sind“ wir die Aufgenommenen, wir nehmen nichts mehr auf, essen nicht mehr, sondern „sind“. Wunderbar sind Gottes Wege, unerforschlich, seine Macht erstreckt sich über alles, was „ist“ und seine Wege darf man nicht be-urteilen, denn, wie es weiter oben heißt: jedes Urteil hier ist ein Ruhe finden wollen im Erstarren, und der Tod, das ist doch Erstarrung, Festlegung, Bewegungslosigkeit, Fixierung.

 

„Das Schweigen brechen“ – immerzu brechen wir dieses Schweigen der Vollendung, weil wir selbst die Gebrochenen sind, brechen den Bund mit Dir, Herr, aber Du selbst sagst ja zum Fragment, bist selbst da im Fragment der Gebrochenheit: Heilige Eucharistie.

 

 

(Weiterführung, September 2022)

 

 

 


 

 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XLII)

 

Λήθη XVIII    Erlösung XXI  (Pfingsten 2022)

 

Hinderung, den Weg zu „gehen“  (Oktober 2022)

 

 

Beziehungs-los sein besagt: tot sein! Es heißt: wer keine Beziehung zum Himmel hat, der hat auch keine zum Menschen und keine zur Schöpfung. So einer ist „tot“. Dass ein totes Leben einmal abschnappt, unterschreibt nur das Schon-tot-sein. Erst mit dem Glauben fängt die Beziehung an und wir sind immerzu die „Glaubenden“, die  schon ganz bewusstlos „glauben“. Wenn einer betont, er sei nicht gläubig, so stimmt das mit Sicherheit nicht, er ist sich aber seines Glaubens nicht bewusst. Dass wir den Lebens-Weg „gehen“, das setzt schon den Glauben voraus. Denn immer kommt etwas an, was wir nicht geplant haben oder wissen können, wir empfangen jeden ankommenden Augenblick (einerlei ob wir es wollen oder nicht), wir glauben die Augenblicke des Lebens auf, sammeln sie ein, wir, die bewusstlos Glaubenden. Wir könnten ohne diesen bewusstlosen Glauben gar nicht existieren und es ist schon sehr komisch, dass dann Leute behaupten: ich glaube nicht! Nein, der Mensch in sich ist der „Glaubende“ und vielleicht ist der, der sich gegen den expliziten Glauben stolz auflehnt, im Innersten ein sehr, sehr Gläubiger. Der Tod ist keine Frage des Einmal-Abschnappens, sondern die tödliche Möglichkeit, „beziehungs-los“ (also tot)  zu leben. Wer die Dichtheit des Geschehens verlässt, läuft Gefahr, beziehungs-los zu werden. Beziehung ist also nur im je geschickten Augenblick wirklich. Wer diesen lebendigen Raum verlässt, etwa zugunsten der Einbildung, Vorstellung oder Erklärung, der ist schon Opfer der Distanzphänomene. Es ist einer, wie es so heißt, krank an Körper oder Seele. Man kann dem sogenannten Kranken stundenlang mit Erklärungen kommen, warum er krank ist: die „Erklärungen“ machen den Kranken nur noch kränker. Das Viel-zu-Viel an Erklärungen macht uns krank, wir halten uns dann in Einbildungen auf, die wir für Wirklichkeit halten. Im Grunde unseres Seins wissen wir es doch: es gibt nichts zu „erklären“, denn jede Erklärung sucht zumeist eine horizontale Sinnstiftung und darin liegt schon das Verderben. Es hat einer, sagen wir, eine psychische Erkrankung mit Diagnose. Ein Arzt sagt dann: ja, es liegt diese oder jene Krankheit vor, ich erkläre ihnen das jetzt „amtlich“! Jetzt hat man dann diese Erklärung einer Erkrankung und was hat man dann damit? Eine Fixierung, eine Festlegung! Es ändert sich nichts mit dem, was ist, wenn man eine „Erklärung“ hat. Man bildet sich zwar ein, dass das gut und wichtig ist, eine Ursache (Erklärung) zu finden und findet vielerlei Argumente, warum das von Vorteil sein soll, doch das stimmt nicht: jede Erklärung ist eigentlich überflüssig, sie ist ein Zeichen der Eitelkeit. Ein sehr ängstliches Verhalten in uns: man geht zum Arzt und sagt: bitte, finde die Ursache für meine Störung und dann kommen Erklärungen, aber sie helfen nicht, verschlimmern alles und am Ende schnappt man dennoch ab!

Wenn die Erklärungen beginnen hört das Zwiegespräch mit Gott auf, man wird faul und träge, lässt sich gehen und mitziehen mit diesen Erklärungen, man wird beziehungs-los. Wenn der Dialog mit Gott aufhört, wird man beziehungs-los: das ist die Untreue. Man schwelgt dann in Erinnerungen, wird sentimental oder fürchtet (flüchtet) in die Zukunft, in das, was kommen könnte oder man hält sich in Abstrakta auf: alles totes Land! So zu leben bedeutet: sich immerzu aufregen müssen.

 

Wer sich auf-regt, der ist ein Auf-ragender, ein „Turm“, ein sehr stolzer und eingebildeter Turm: migdal, Magdalena, Turm, Babel. „Erklärungen“ sind wesentlich Aufregungen, wer immerzu erklärt, regt sich immerzu auf, hat dann auch Bluthochdruck oder andere Befindlichkeiten, die er bereden muss: das Jammern! Man hält das für ganz normal so zu tun, aber es ist wahrhaft krank, so zu sein! Vielleicht ruht jede Krankheit (oder was man so nennt) in dieser Beziehungslosigkeit, im Abbruch des Dialogs mit Gott. Der Abbruch des lebendigen Dialoges mit Gott ist  zugleich die Geburtsstunde der horizontalen Erklärungen, Vorstellungen und Einbildungen, die als einzige Realität ausgegeben werden. Immerzu aufgeregt (aufgeragt) sein ist eine schlimme Erkrankung der Seele und wenn es so weit geht, sich nur mehr über horizontale Dinge aufregen zu müssen, steht man mitten im Abgrund, in einer Gefangenschaft, die als solche nicht bemerkt wird. Aufregung geht in eins mit Un-Geduld und mit der Un-Geduld kommt das Tempo, die Raserei. Dann beginnt das unstete gejagte Leben, das sich im Urlaub erholen muss, man hat sich das ja hart erarbeitet. Und auch die Angst hat hier ihre Quelle: wer sich aufregt, ängstigt sich zugleich, zeigt die Angst in der Aufregung. Der verängstigte aufgeregte Mensch unterhält keinen Dialog mit Gott, der ihm ohne Unterlass zusagt: was regst du dich auf, du bist doch in meiner Hand, in meinem Bild und Gleichnis! Von dieser Hoheit im Bildnis Gottes (Königswürde) steigt man herunter, das ist wirklich eine Erniedrigung, eine Schändung eigentlich der Königswürde im Menschen. In den Niederungen des Horizontalen baut man sich dann Götter, die einen dann gefangen halten: es sind Götzen, heute heißen sie langes Leben, Gesundheit, Pension, Urlaub, Wohlstand… Eigenartig: der so erniedrigte Mensch sucht zugleich Götzen, denen er sich bedingungslos ausliefern möchte, es ist da ein Wille zur Gefangenschaft, die subjektiv als Freiheit erlebt wird. Es ist dann die Gefahr der Magie: man glaubt an das, was einem so gesagt wird, glaubt an die horizontalen Erklärungen. Kind Gottes „seyn“: das ist die große Zusage, Königswürde, man steht „über“ den Sternen, heißt es, kann Berge versetzen, aber es hat uns das niemals wer offenbart. Das Prager Jesulein – bei diesem Namen möchte man sentimental werden, aber es ist sehr ernst: Kindschaft in Gott, es zeigt uns, wer wir „eigentlich sind“ bis ins Bildhafte hinein. Anders: alles ist mir Untertan (unterworfen) mit Gott und in Gott. Es heißt bei Hiob, dass die Gottes-Söhne zusammenkommen, nicht heißt es: die Kinder Gottes. Engel sind keine Kinder-Gottes, sie haben auch keinen Weg zu gehen, können nicht handeln, sondern stehen ganz im Licht, sind ohne Zeit, zeit-los. Die Zeit los sein besagt: ich herrsche über die Zeit, nicht die Zeit über mich. Es ist das Kind in uns, das über die Zeit herrscht wie ein König über sein Land. Das Lachen als Ausdruck der reinen Freude liegt beim Kind-sein, es ist kein zynisches, falsches Lachen, also kein lustiges Lachen, das ist eher ein Spucken, ein Spott.

 

Die Freude des Königs-Kindes ist der reine Ausdruck des Aufhörens: höre auf, höre auch auf damit, dir Sorgen zu machen; es ist in deiner Hand, hinauf-zu-hören! Mit jeder Sorge, die in dir ist, beleidigst du mich, deinen Gott! Höre jetzt auch auf mit den Einbildungen, Vorstellungen und Erklärungen. Auf-hören: es sagt sich jetzt zu, gerade in diesem Augenblick, denn ich, dein Gott, ich spreche immerzu mit dir! Wenn du jetzt deine Hände zum Gebet faltest, dann tue es nicht technisch, aus Überlegung, sondern falte sie im Übermaß deiner Hingabe (kindlich). Immer spreche ich mit dir, hörst du es, verstehst du es? Und mein Gespräch mit dir endet nicht, es ist ja ewig und immer neu. Sei also heiter und gelassen, dein heiteres und gelassenes Seyn in meinem Angesicht ist mir das liebste Gebet. Und zwinge nichts, denn es tut sich doch schon, stehe fest im Vertrauen. Bedecke das Böse, das auch da ist, mit dem Mantel des Vertrauens, dass auch das Böse „gut“ ist, denn du weißt (Wissen) es nicht und weißt sehr, sehr wenig. Und halte immer Abstand zu den Erklärungen, man täuscht sich darin, verwickelt sich, wird dadurch krank. Und sag denen, die meinen, das Leben sei ein „Sein zum Tode“: Nein, stimmt nicht, das Leben ist ein Seyn zur Freude! Lass dich davon nicht täuschen, denn du bist in meinem Bild. Nicht du sollst sprechen, nicht du sollst denken: es denkt und spricht sich doch schon in dir ohne dein Zutun, denn du bist in meinem Bild und Gleichnis. Die Erklärungen sind Festlegungen, ein zu Ende kommen wollen im Zeitlichen. Du selbst bist es, der du die Umherumstände deines Lebens bestimmst, an dir liegt es: so wie du bist, so ist es. Bis du in mir, dann bin ich in dir, bist du nicht in mir, dann musst du aufgeregt sein, in der Fremde, ein gehetztes Tier, hast keine Beziehung, bist tot. Darum sage ich dir: was dir widerfährt, widerfährt dir aus mir, deinem Gott!  Habe also keine Vorstellung von den Umständen, sondern empfange sie immerzu als umsonstige Gabe, die du dir nicht verdient hast, sie ist dir immerzu geschenkt.

 

Hast du diese Beziehung zu mir, dann hast du keine Vorstellungen, Einbildungen oder Berechnungen mehr, sondern alles „geschieht dir aus mir“. Dann lebst du, dann bin ich dein Herr und dein Gott (Heiliger Thomas). Achte immer auf diese Verbindung mit mir, denn vieles aus der Welt wird dich bedrängen, immerzu schreien: ich bin wichtiger! Hast du zu mir, deinem Gott, keine Beziehung, dann hängst du in der Luft, bist ein Aufgehängter, hast überhaupt keine Beziehungen mehr, weder zu dir noch zur Welt. Dieses Aufgehängt-sein (die Verbindung zu mir los sein) ist ein wahrer Fluch.

 

Man kann doch keinen Menschen zu etwas bringen was er nicht ist! Er kann immer nur das sein, was er ist. Und dein Schutzengel, wieso redest du nicht mit ihm, darum, weil du keine Beziehung hast. Deine Krankheit, es ist deine Beziehungslosigkeit, dein Exil des Rückzuges von mir. Ein anderes Wort für Beziehungslosigkeit ist Kälte, kalt sein. Sünde ist dieses Kalt-sein. Die Hölle ist eine Eis-Wüste und diese Kälte heißt: es ist egal geworden. Je größer der Abstand, desto tiefer die Temperatur. Wärme heißt: ich nehme Anteil, es ist mir wichtig, es entflammt sich in mir. Leben in der Kälte: immer auf Abstand sein, sich absichern, Grenzen ziehen, sich versichern (auch die sogenannte Lebens-Versicherung), Spiel, so zum Zeitvertreib, Leben in der Kälte heißt auch: besinnungslos reden, nicht mehr Schweigen können, still sein können. In der Stille erst offenbart sich das Wort, sagt sich zu, nicht in meiner Einbildung oder Vorstellung oder in einer Erklärung. Vielleicht ist „Beliebigkeit“ heute eine große Sünde: jeder wie er will und denkt, alles ist gleichgemacht, eingeebnet, gut – es gibt keine Unterschiede mehr, alles hat Recht und das geht bis ins Verfassungsgesetz. Es fehlt heute der Mut zum Unterschied, der Mut eben zur Wahrheit. In dieser „Beliebigkeit“ zeigt sich das Phänomen, dass wir nicht mehr „wahr“ sprechen können, sondern nur mehr „richtig“ im Sinne einer „beliebigen Richtung“ (immer ausgerichtet nach eigenem Gut-Dünken). Das ist das Existieren in der Sprach-Verwirrung (Babylon). Babylon ist ein Eiskühlfach der Worthülsen und mitten in der Eiswüste doch: plötzlich ein Augenaufschlag, ein heiterer Blick, eine von Herzen kommende Geste (ohne Überlegung) – wie ist es nur möglich? Kälte ist Abstand, je mehr Kälte, desto mehr Beziehungslosigkeit, desto größer das: einerlei, egal, Gleichgültigkeit: es geht mich nichts an, tut, wie ihr wollt! Kälte ist: das meint auch das Nicht-bei-sich-bleiben-können, immerzu exiliert zu sein. Ausgelagert sein sagt: ich lebe in der Auslagerung, darin liegt schon die „Auslage“ und heute ist der gläserne Mensch Realität: es zählt die Auslagerung, also die Auslage, die Zur-Schau-Stellung! Man kann auch Spektakel dazu sagen, ein pompöses Ereignis, ein Feuerwerk der Emotionen für den erdschweren (eingebildeten) Augenblick.   Sünde ist Kälte, Ausdruck: ich bin beziehungslos! Beziehungslosigkeit drückt sich in der Ablehnung aus, gerade gegen die „Umstände“, in denen wir existieren (das Umherum). Ich habe schon von dem wichtigen Unterschied zwischen der Frage Was? und Wer? gesprochen. Was hat keine Beziehung, „wer“ ist Beziehung.

 

Daher frage ich jetzt: „Wer“ sind die Umstände? Es hängt alles davon ab, die Umstände empfangen zu können, denn dann ist man in der Beziehung. Und meistens wehrt man sich gegen die Umstände und diese Abwehr sagt: was geht mich das eigentlich an, ich will meine Ruhe haben! So hat jede Existenz „Umstände“, immer irgendeine Situation, die ganz genau von Gott zugemessen ist, Umstände, die kommen, die einfallen. Man braucht sich um die Umstände überhaupt keine Sorgen machen, denn sie kommen sehr verlässlich und treu. Jeder Umstand ist gewissermaßen eine Zuschickung, eine Gabe von Ewigkeit her. Der Treue-Bruch unsererseits beginnt in dem Moment, wo wir die Gabe der Gebung als Zufall empfinden, als bloße Beliebigkeit, die anders sein könnte, die wir anders wollen oder anders begehren, die wir am liebsten selber „machen“ wollen. Wir begehren (Gier) das Machen der Umstände! – und in diesem Augenblick verlieren wir die „Beziehung“ zum Umstand. Konkret: heute werde ich (wenn es mir beschieden ist und ich nicht abberufen werde) diesen und jenen Menschen begegnen, dies und das lesen, jenes und dieses erleben. Es ist keine Zufälligkeit an diesem Ort und zu dieser Zeit „dieses“ zu erfahren auf der erdschweren Fahrt des Lebens. Erdschwer meint: stoßend, berückend, angehend! Was sagt mir das jetzt, was meint das jetzt, was erzählt mir gerade jetzt dieser anrückende Augenblick, er ist doch von Ewigkeit her zugelassen und zugeschickt, also gerade keine Beliebigkeit! Hat diese Zuschickung wirklich eine Bedeutung, eine „ewige Wichtigkeit“ (nicht eine bloß zeitliche)? Einer der ganz Stillen schreibt einmal: wir haben (und er meint das für unsere Zeit) das Organ für diese Wahrnehmung verloren. Er meint: das Wunder der „wirkenden Hand“ Gottes, das Wunder der Zulassung! Dieser Verlust äußert sich in der inneren und äußeren Aufregung, in der Sorge um… „Sorge“ dachte einmal Heidegger in „Sein und Zeit“: dem Dasein geht es um…, es zeichnet sich aus durch das „Sorgen“; er meinte aber das Existential der Sorge, also keine Aufregung, sondern im Grunde das gelassene Geschehen-lassen der Dinge, die geschehen weil sie so geschehen. Dahin gehört auch die „Sorge für…“, die Fürsorge, das Sich-kümmern-um…, aber immer ohne Aufgeregtheit. Die Aufgeregtheit dagegen ist immer um sich selbst bekümmert, dreht sich immer um die eigene Befindlichkeit. Aufgeregtheit hetzt der eingebildeten Ruhe nach, verlangt nach der Augenblicks-Pension für einen Moment und dann weiter so und immer fort.

 

Wir haben dieses Organ verloren, schreibt dieser Stille. Das gilt besonders für das uns zugeschickte „Wort“, den lógos. Zum Sinn des Wortes fehlt der Zugang, man hat keine Beziehung mehr zum Wort, es wird nach der harten Außenschale genommen und gleich wieder weggeworfen. Wenn man sagt: Wegwerfgesellschaft, so trifft das in erster Linie auf das „Wort“ zu. Beziehung zum Wort sagt: es spricht das Wort sich mir zu, in einer ganz besonderen Eigenart und Färbung, gerade je jetzt und in „dieser“ Stimmung. Achtet man die „Stimmung des Wortes“? Stimm-ung sagt ja schon: Stimme! Wer spricht sich hier zu, woher die Stimmung? Was sagt die Stimmung näherhin? Nimmt man das ernst, geht man dem nach; denn: es kommt so nicht wieder, in dieser Art und in dieser Färbung; daher ist dieser Augenblick, kann man sagen, der sich je jetzt im Wort zuspricht, unwiederbringlich. Achte ich auf die Zusagung im Wort? Und „Wort“ (lógos) meint jetzt das Alles der Begegnung, denn ohne Wort (lógos) wäre nicht, was ist. Hier ist der tiefe Sinn im Johannes-Prolog zu sehen: im „Anfang ist das Wort“, im Beginn und Beginn meint: zeitlos. Im Anfang ist „ohne Zeit“, von Ewigkeit her. So ist jede Konfrontation mit den Ereignissen in der Zeitlichkeit Begegnung mit der Ewigkeit im „Wort“. Es ist eine sehr beruhigende Sicherheit und Zusage darin, eine ewige Verlässlichkeit. So könnte man ganz beruhigt darauf vertrauen, was und wie es einen trifft, denn im Treffen der Ereignisse trifft es immer genau „zu“. Es heißt: Fürchtet euch nicht! – 365 Tage zählt das Jahr und die wichtigste Mitteilung Gottes an uns heißt: Fürchte dich nicht! (denn das dir Zukommende ist von Ewigkeit her dir ganz genau zugemessen, du kannst es nicht steuern, beeinflussen oder sonstwie schaffen – es ist meine geschenkte Gabe an dich persönlich). Es fällt uns von Gott her zu, das ist der Große Zu-Fall und daher haben die Zufälle, die wir uns einbilden, eigentlich keine Dignität. Man spricht jetzt vom „Dritten Weltkrieg“, nicht, dass er kommen würde, sondern dass wir uns schon im Wirken dieses Krieges befinden. Papst Franziskus spricht vom Geschehen des Dritten Weltkrieges. Machen wir uns keine Illusionen, wir stehen in diesem Weltkrieg. Dieser Weltkrieg ist längst ausgebrochen und nur Ausläufer (oder Aus-Wirkung) eines Krieges, der Jahrzehnte schon geführt wird. Man spricht vom Frieden der letzten Jahrzehnte, aber das stimmt nicht: der eigentliche Krieg ist der „geistige Krieg“, der guten Mächte in uns gegen die bösen. So kann man sicher sagen, dass wir die letzten Jahrzehnte in einem Dämmerzustand geschlafen haben, gelebt haben für unser „kleines horizontales Glück“: berechnet, kalkuliert, versichert, rasant in einer Raserei, die Gott-vergessen die geschenkten Augenblicke auffrisst. Im Kriegszustand zeigen sich die Phänomene „dichter“, in dem, was wir hier Friedens-Zeit der letzten Jahrzehnte seit dem 2. Weltkrieg so nennen, zu dem müsste man sagen: Dämmerungsschlaf, eingelullt in großangelegte Lügen. Diese letzten Jahrzehnte sind geprägt von Grundsatz-Erklärungen und jede Erklärung zeigt in sich den Aufstand, das Selber-wollen, das Nicht-einverstanden-sein mit dem, was zugeschickt ist. Für das, was man sich nicht erklären kann in einer Erklärung, für das gibt es das Wort „Zufall“, X-Beliebigkeit, besonders dann, wenn ein subjektiv Abträgliches ankommt. Für den Großen Zufall (Gottes Geschick) hat man das Organ verloren, während man allerlei Organe transplantieren kann, hat man jenes Göttliche Organ verkümmern lassen. Der Große Zufall durchkreuzt die Horizontale und führt zur erstaunlichen Frage: Wie ist das nur möglich – groß ist dein Wirken, Herr, erstaunlich und unerforschlich! Man kann das nicht so hersagen, man muss es tief empfinden, diese „Beziehung“ leben – darum wird es einzig ankommen.

 

Gestern z.B. fuhr ich aus der Hauseinfahrt hinaus auf die Hauptstraße, ich wollte schon einbiegen, blieb aber noch stehen. Plötzlich rast ein Kind auf einem E-Scooter ohne Helm und der Vater hinten stehend mit enormer Geschwindigkeit frontal auf mein Auto zu, auf Kollisionskurs, wenige Zentimeter vor der Motorhaube kriegten die die Kurve und fuhren weiter. Es war sicher der Schutzengel, der uns bewahrt hat vor sehr schlimmen Folgen. Nun sagt man dann: gut, das legst du dir so zu Recht, deine Einbildung! Und hier muss klar sagen: nein, keine Einbildung. „So genau“ musste es sein, unerklärlich und eben kein Zufall! Wir verdanken uns einer sehr verlässlichen, treuen und barmherzigen Lenkung, die uns immerzu geschieht, die wir sehen könnten und dann wäre es auch vorbei mit der Aufregung: denn vor dem, was Gott uns schickt, vor dem muss man sich doch nicht aufregen. Ich denke eben an das Bild, da der Herr im Heck des Bootes schläft, seelenruhig, und die Jünger unheimlich aufgeregt sind. Sei beruhigt, denn nichts ist Zufall, jeder Augenblick trägt ein Mysterium bei sich, einen tiefen Hinweis auf die lenkende Hand Gottes. Das alleine genügt, dies sollte man immer beachten und so wäre im Anfang ein Beginn, ein Dia-log mit Gott: Herr, was soll das bedeuten? Genau hier, bei dieser Anfrage, scheiden sich die Geister. Der gescheite aufgeklärte Mensch zuckt mit den Schultern, will das für Träumerei ausgeben. Dass Gott lenkend jederzeit anwesend ist, das will man nicht annehmen, das hält man nicht aus. So hält man es mit dem Ewigen Vater nicht aus und läuft davon und so ist man Akteur der Eigenmächtigkeit. Dabei geschieht das Beste, kann man sagen, ganz von selbst; die Erlösung liegt schon darin, im vom Ewigen her Ankommenden, dafür man nichts kann und tun muss. Es scheint das Schwierigste zu sein, das einfach in der Freude zu empfangen. Die eigene Berechnung sein lassen können, weil es schon „wahr ist“, das ist Erlösung. Oder: dass es keine Zufälle gibt, weil der Große Zufall je gibt, das ist der Ausbruch, die Erlösung aus dem Gefängnis. Über nichts muss man sich aufregen und schon gar nicht über Weltliches. Gut, man wird benützt, wird als Mittel genutzt, wird Mittel der Anderen zu ihrer Willkür. So ist die Welt eben, darüber muss man sich aber nicht aufregen, es gibt Wichtigeres. Oft aber bleibt man dabei hängen, sagt sich: so etwas Ungerechtes habe ich wirklich nicht verdient! Im Grunde ist das ein Verhalten eines Kleinkindes, das zur Mama läuft und sich beklagt. „Man“ beschwert sich: darin liegt schon das Schwer werden durch Aufregung – ich will diese Widerfahrnisse nicht haben, weg damit (das habe ich mir nicht verdient).

 

Wie oft beschwert man sich in dieser Weise und meint Recht zu haben? „So“ zu sein, in der Aufregung (Ablehnung) bedeutet: mit Gott keine Beziehung haben und diese Beziehung ist das einfach Zukommende, jenes, das geschieht und ist. Das Sich-beschweren ist die Bewegung an das, was vorbei geht, die Fixierung an den Schein, an die Einbildung oder Vorstellung. Man beschwert sich auch oft mit Erklärungen, nimmt sie für wahr und doch ist man darin Gefangener, Eingeschüchterter. Wörter können, so heißt es, „Körper“ bekommen: indem man sie ausspricht, nehmen sie Körper an. So groß ist die Liebe Gottes zur Welt, dass Gott dem Menschen auch das Böse anvertraut, um damit fertig zu werden. Damit fertig werden? Man tut, „als ob“ das Vergängliche das Absolute sei.

Keine Beziehung zu Gott, es soll verhindert werden. Diese Beziehung ist nur in ganzer Freiheit möglich und wirklich, keine Berechnung also, keine Programmierung. Denn jede Berechnung führt mit sich: das Müssen und wenn man etwas „muss“, ist man nicht mehr frei, dann herrschen Mechanik und am Ende Langeweile. Getrieben ist man dann in der Programmierung: man „muss“ dies und jenes tun! Jenseits der Programmierung steht die Freiheit als Liebe: die Liebe lässt frei, lässt los, gibt frei – auf die Gefahr hin, dass sich der Befreite verirrt und sich verkrümmt, nicht antwortet, Gott vergisst und sich selbst dabei vergisst. Diese „Möglichkeit“ zum Bösen ist in sich die Garantie zur Freiheit der Liebe, ja zur Vollkommenheit der Liebe, die in sich „Wille“ ist. Liebe ist nicht irgendein Gefühl, sie ist „Wille zur Intimität“, ein Wollen, das die eigenen Grenzen und die der Anderen überschreitet. Vollkommene Freiheit schließt die Freiheit zur Sünde (zum Bösen) ein: ich kann „Nein“ sagen (das ist ein Wille des Nein Sagens). Darin liegt die große Ver-Antwortung des Menschen, seine hohe Würde und zugleich Zerbrechlichkeit. Wäre diese Freiheit zum Bösen nicht, der Mensch wäre programmiert, am Ende eine Maschine, die bloß funktioniert. Das ist die geschenkte Freiheit und sie fordert die ganze Antwort des Menschen im Willen zur Intimität mit Gott. Gott, kann man sagen, lässt „ganz“ die Schöpfung los und ist es liegt ein sehr hohes Risiko darin. Die uns geschenkte Freiheit ist auch immer „Freiheit zum Bösen“, impliziert das Böse und das ist: ich wende mich von dir weg, Vater des Himmels, ich will keine Beziehung zu dir! Freiheit in der Schöpfung heißt dann eigentlich: ich weiß nicht wie es ausgehen wird, es ist ein äußerstes Wagnis, ich könnte missbraucht werden, ich berechne meine Schöpfung nicht, sie ist im Menschen frei-gelassen; möglich, dass einer der Menschen antwortet, rück-antwortet auf mein Wort! Aber nur „so“, in dieser Freiheit, äußert sich die Liebe; alles andere wäre Berechnung, Maschinerie. Die Liebe zahlt diesen äußersten Preis: und das ist das Kreuz auf Golgotha, auch unser Kreuz. Das Böse wird uns Menschen „anvertraut“, damit wir damit fertig werden in der Freiheit der Liebe. Das klingt eigenartig: Böses wird anvertraut – Gott denkt so groß von uns, dass er sogar das Böse uns anvertraut. Die Welt hat „jetzt“ – und sie hatte es immer – einen bösen König. Erst die Freiheit, kann man sagen, „garantiert“ die Liebe, ist Garant einer ewigen Reinheit.

 

Hier ist der Ort das zu verstehen, was man meint: terra immaculata. Die Heilige Jungfrau Maria ist Garant der Liebe, denn in ihrem „Ja“ besiegt sie auf immer die Freiheit zum Bösen. Die heilige Jungfrau Maria ist die Nicht-Programmierte Erde, die aus Freiheit rück-antwortet, daher die Unbefleckte. Man versteht auch: die Natur, die Tiere, das, was umseitig anwest, es ist nicht ermächtigt zum Bösen, es ist wie programmiert, kann nicht anders als es ist. Auch die Engel tun wie programmiert, die guten gut, die bösen böse. Sie können nicht mehr in Freiheit handeln. Das ist die hohe Würde den Menschen: in Freiheit (umsonst) handeln können! Diese Freiheit ermöglicht auch eine „Hingabe umsonst“: davon sollte man sprechen. Sie, diese Hingabe umsonst, ist der äußerste Rückschlag, die tiefste Antwort auf das Wort Gottes und es bedeutet die willentliche Annahme des Kreuzes, eine Liebes-Antwort; nicht ein gesuchtes, sondern das je jetzt geschickte. Ein anderes Wort, nicht so missbraucht wie das Wort der Liebe, ist „Treue“. Liebe ist Treue, auch wenn alles dagegen steht, es ganz heillos aussieht und kommt: die Treue vermag hier alles. Und liegt nicht im deutschen Wort T-reue die „Reue“? Es „reut“ mich heißt dann nicht: ach, ich beklage jetzt meine Schwachheit, nein, wenn es mich wirklich „reut“, dann finde ich mich ein in der Treue, ich halte fest an Gott und seinem Wort, egal was auch immer geschehen mag: das ist die wahre Reue. Man kann hier eine Ahnung von dem bekommen, was der Heilige Johannes vom Kreuz mit „Dunkler Nacht“ meint: eine Gottverlassenheit und in dieser fernsten Ferne doch die „Treue“. Es marschieren die Heerscharen des Bösen, der Himmel rührt sich nicht, fernste Ferne: dennoch die „Treue“. Die Henker arbeiten ungestört weiter, der Himmel rührt sich nicht, greift nicht ein: dennoch die „Treue“. Man selbst wird angegriffen, die Haut wird einem abgezogen, die Kehle durchbissen: dennoch die „Treue“. Es siegen Glaube, Hoffnung und Liebe – diese drei können nicht „berechnet“ werden, der Böse kann mit diesen Dreien nicht umgehen, er hat da keinen kalkulierenden Zugriff – daher die unermessliche Wut. 1 Korinther 13 siegt! Sie werden dich peitschen und foltern und am Ende zu Tode bringen und deine Antwort wird sein: ich bete für dich!

 

Der linke Schächer brüllt: zeig´ es mir jetzt und hier, für meine Sinne – sonst bist du nichts für mich! Der Himmel aber schweigt, steht still und so besiegt die Liebe den Aufruhr, in der Stille dieser Schweigsamkeit. Der linke Schächer kommt nicht frei aus seiner Absolutheit der Vergänglichkeit: er lebte doch immer so: „als ob“ das Vergängliche das Absolute wäre (horizontaler Absolutismus). Nicht damals nur, nein, in mir ist das jetzt. Dieses aufrührerische Brüllen trägt aber der Herr mit aus, er erträgt es, hält es aus und das Aushalten ist das tiefe Schweigen. „So“ besiegt die ewige Liebe das Böse. Der dunkle Fürst dieser Welt kann toben wie er will: du Vater, bist ewiger Vater dieser vergänglichen Welt und der himmlischen: das ist Treue, also „Reue“. Dieser Kampf ist ganz „real“ und der Hinderer will uns benebeln, will uns die Klarheit zu dieser Entschiedenheit nehmen indem er uns ablenkt. Das Böse macht beschränkt, nebelt ein, macht banal, engt ein. Die Tat der Liebe zeigt sich am stärksten, wenn alles gegen die Liebe spricht und der Himmel schweigt dazu. „Treue“ ist diese Liebe im Äußersten: der Wille zur Treue! Im Hebräischen, sagt man, ist das Wort Treue gleich dem Wort „Glaube“. In dieser Treue beginnt das wahre „Wissen“, eine Verlässlichkeit, die keine Wissenschaft oder Philosophie erreichen könnte. Mit dem wahren Wissen im Glauben zeitigt sich: Er-Innerung, das ist das Inne-werden, ein Innerlich sein; man kann auch „vertraut sein“ dazu sagen. Er-Innerung steht dem äußerlichen Erklären entgegen; wer er-innert, ins Innere geht, der „erklärt“ nicht mehr, der versteht und bleibt im Inneren.

 

Während der Er-Innerung baut es sich schon, Schicht für Schicht schmiegt sich an; „Es“ baut – nicht ich baue; es ist der „Sohn“ (ben), der Messias, der Retter, der baut: bone – bauen. Wenn es sich baut, dann darf der Sohn bauen, errichten, der Heiland ist anwesend, präsent. Jetzt „ist“ Beziehung, jetzt lebt Beziehung. Davor und dahinter waren Erklärungen, davor und dahinter waren gescheite Philosophie oder Theologie oder Alltagschronik.

Es hängt von uns ab: ob wir uns diesem "Messianischem Bauen" in uns überlassen wollen; Schicht für Schicht bildet sich dann Ge-schichte; im Lebendigen gibt es nicht „die“ Geschichte (das Historische), sondern „das“ Geschichte: Schicht für Schicht baut es sich in einem, erzählt Bedeutsames, erzählt von Beziehung. Haben wir den Mut dazu, die Offenheit und auch das Ansprechen für diese Offenheit; gerade auf die Gefahr hin, dass die Welt es nicht erkennen will und die Lächerlichkeit als Abgrund droht.

 

Es sind die Engel Gottes (die Boten), die das Ewige Wort in das Geschehen in Zeit und Raum, in das Hier, über-liefern. Heils-Geschichte kann nie etwas Historisches sein, Heils-Geschichte ist „Schichtung“ der Wahrheit, also in der Beziehung seyn. Dann äußert sich das Ge-Schichte (die wahre Schichtung) auch im Historischen, drückt sich aus, zeigt sich. Das Ge-Schichte ist der Fall, der immerzu trifft: es ist der Große Zu-Fall. Groß ist dieser Fall, weil er Gottes Handschrift ist. Es ist immerzu „Los-Tag“; was einem zu-trifft ist nie nur bloßer, eingebildeter Zufall, sondern fällt direkt aus der Hand Gottes einem zu. Es gibt in Wahrheit keine sogenannten „Zufälle“; an anderer Stelle schrieb ich einmal vom Aufgeregt-sein in dieser Welt. Aufregen kommt von „Auf-ragen“, migdal (der Turm), wer sich aufregt, der baut seinen eigenen Turm. Maria Magdal-ena (migdal) baute vollkommen am eigenen Turm, bis der Herr selbst sie davon befreit hat. Und weil es in Wahrheit keine x-beliebigen Zufälle gibt, deshalb gibt es auch in Wahrheit keine „als-ob“ Welt, sie ist eine Lüge, ein Trug. Wahr ist immer die Ur-Aufführung, das, was jeweilen je jetzt zu-trifft. Um die Uraufführung muss man sich nicht kümmern, sie kommt wie sie kommt, rein, verlässlich, geschickt (wunderbar). Maria aus Magdala war in ihrem Wesen also eine sehr „Aufgeregte“ (Aufragende), sie hat sich sicher sehr zur Schau gestellt, also in die Auslage – ja, das kennen wir von uns selbst, dieses in-die-Auslage-stellen; Hegel würde Veräußerung dazu sagen. Und wenn man z.B. ein Grundstück veräußert, dann verkauft man es. Dieser Kaufmann sitzt tief in unserem Wesen.

 

Morgen, am 29. September, feiern wird das Fest der Heiligen Erzengel. Was heißt „feiern“ und wer sind diese Erzengel, was sagt uns das? An dieser Stelle: Stimmungen in uns – was sagen sie uns zu? Es sind Engel, die uns in der Stimmung zu-rufen. Haben wir ein Ohr dafür? Hell-hörig sein wäre so ein Ohr. Hell ist das Lichte, das Leichte, das glatte Gegenteil vom Schweren, Herabziehenden, Niederdrückenden, Depressiven. Leicht, licht und hell ist das Heile: eine wahre Freude. Grimmig, schwermütig, ernst, verdunkelt und berechnend ist das Böse. Hellhörig leben heißt dann: auf das Leichte und Lichte in den Stimmungen aufmerken. Es gibt den Tod bringenden Engel, er ist wesentlich tod-ernst. Immer also, wenn es sehr, sehr ernst zugeht, dann darf man gewiss sein, dass dieser Engel am Werk ist. Wer die Welt-Dinge tod-ernst nimmt, der ist in der Gefangenschaft des Todes-Engels. Der Todes-Engel bringt das Schwerlastige, Erdgebundene, Depressive, Niederdrückende, Aufregende. Des Todes-Engels wichtigste Botschaft an uns lautet: nimm´ mich jetzt sehr wichtig, ja todernst! Erlösung dagegen ist das „Leichteste“, man braucht sie nur annehmen, aufnehmen (Eucharistie) – man muss gar nichts leisten dabei! So ist der Weg, der sich einfindet, weil man ihn nicht tut (macht): Wagnis! Weg – Wag-(nis); das Wagnis wagt den Verlust, will selbst nichts mehr erreichen, weil es ja alles immerzu empfängt. Das Wagnis ist ermächtigt zur Verantwortung. Verantwortung spricht in der Stille der Ansprechung, gibt Antwort der Stille, die einem ereignet; löst die Zunge auf freiender Fahrt (hat also keine Fußnoten mehr). Vielleicht ist man doch Analphabet im Heiligen Wort, kann weder lesen, noch sprechen, weil man immerzu rechnet!

 

Im Rechnen des Alltags sind wir viel zu schnell unterwegs, immerzu im Übermorgen; daher unsere Unfähigkeit zum Bleiben im Wort. Es ist wahr: die Sprache spricht erst in und aus der Stille; alles andere ist Analphabetentum, Götzendienst, Hochmut. Kein Gegenstand einer Diskussion: das versteht man heute schwer – etwas „ist“ weil es „ist“, darüber zu diskutieren ist schon Langeweile, Flucht aus dem Gedichte, das ist: das je Zugschickte. Vielleicht spürt man jetzt den „wahren Ernst“, der immer sehr barmherzig kommt, also nie schwermütig oder aggressiv. Nein, der wahre Ernst ist duldsam, gelassen, von einer großen Stille umfangen. Dulden heißt: Geduld; ungeduldig sein sagt dann: ich kann nicht und ich will nicht warten! Darin liegt immer etwas sehr Aggressives, in dieser Un-Geduld. Man will es dann erzwingen, darin der Zwang, das Enge, die Engung. Der Ungeduldige ist wesentlich (in seinem Wesen) ein sehr Zorniger, Aggressiver. Heute lügt man sich darob an und sagt dazu: ehrgeizig. Also: habe ich ein Gespräch mit dem lógos? Nur im Dulden, im Ausharren ist dieses Gespräch, weil es sich zu-spricht, das Gespräch ist von Ewigkeit her schon gesprochen. Tun oder machen kann man da nichts.

Der Anfang im Gespräch liegt also in der Stille der Geduld. In der Geduld liegt das „Dulden der Zeit“, das, was je jeweilen geschieht. Diese Geduld „klärt“ das je Jeweilen. Im Je-jeweilen liegt die „Weile“, in der es keine Eile oder Beschleunigung gibt. Ist nicht die Quelle aller Aggression darin gelegen, dass man nicht mehr „warten“ kann, es immerzu eilig hat? Dass der Kain in uns den Abel tötet sagt doch: ich will nicht dulden, ausharren, ruhig sein, ich will lieber fuhrwerken. Indem ich warte, hüte ich, bin ich Hüter des Wahren. Der Hüter erteilt in seinem Hüten jedem Aktionismus eine klare (geklärte) Absage. Im ausharrenden Hüten der Zeit, die mir zugeschickt ist, bin ich auf der Hut: die Hut, das Hüten. Auf der Hut sein heißt dann: Hüter sein, heißt: ich kann beruhigt gelassen sein, muss mich nicht mehr aufregen, weil ja alles in Gottes Hand eingeschrieben ist.

 

In der Geduld liegt jener Friede, den die Welt nicht geben kann. Die wahre Sprache spricht sich je jetzt zu, sinkt in die Tiefe, weil das Wort, das zugeschickte, sprechen darf im Dulden. Man versteht dann auch das Wort: eifersüchtiger Gott – weil ER alles gibt; die Geduld antwortet auf das Alles der Liebe Gottes, nicht die Eile. So kann man heute sagen: man gönnt der Welt das Dulden in der Geduld nicht. Es ist ein Kriegszustand: hier die Raserei, dort das Dulden im Warten der Geduld. Das Dulden lässt das Erscheinende (das Augenfällige) in gewisser Weise zurück, lässt es nicht groß werden, zur Geltung kommen. Erst im Dulden (Ausharren) beginnt das Lesen und zugleich die Ausfaltung in der Schrift, das Schreiben. Jetzt erst eröffnet sich das Wort, lautet. Das Lesen ist dann, wie es im Griechischen légein bedeutet: ein Sammeln als Einsammeln. Es heißt dann: jetzt „geht“ man den Weg, weil man die Zeichen verstehen kann, ihre zugeschickte Bedeutung, es ist jetzt so weit, dass man mit dem lógos „intim“ ist. Dann könnte es geschehen, dass man Vertrauen haben könnte in das Zugeschickte, dass darin ein Wunder verborgen liegt, eine Zusicherung, die sich aber dem eiligen und immer schon überholenden Blick entzieht. Und eilig hat es das Rechnen doch immer, rechnend stürzt man, fällt, schlägt auf und meint Sicherheit. Die Flucht ist immer dieses Aufschlagen in gemeinte Sicherheit, ein Ankrallen an dem, was sich im nächsten Augenblick wieder entzieht. Wir Analphabeten, wir „vermeinen“ Lesen und Schreiben, vermögen es aber nicht; weil wir es immer so eilig haben. „Hat gut zugehört“: hin-gehört; das Dulden „hört“, merkt auf, ist aufmerksam. Die Eile hat keine Aufmerksamkeit bei sich. Die Eile eilt in Rom, in der Römerin eiligt es sich: sie ist Konkretion von Edom. Die Erscheinung will ihren großen Auftritt in der Veräußerung; doch die Würmer der Zeit fressen sie restlos auf, es bleibt nichts übrig davon, von dieser Einbildung und Wichtigkeit.

 

Es ist interessant: das Wort „h-eilig“ enthält das Wort „eilig“, es bedeutet: die Sünde liegt in nächster Nähe zur Heiligkeit, Sünde „sieht aus“ wie Wahrheit, ist sie aber nicht, die Sünde sieht der Wahrheit zum Verwechseln ähnlich. Und diese Eile hat es immer sehr eilig damit, aufzuschlagen im Vergänglichen, im Zeitlichen will „Man“ ewige Spuren hinterlassen, wenigstens ein paar Punktlandungen erreichen. Das Handfeste im Zeitlichen will man krallen; aber das ist ein Betrug, man betrügt sich und verwechselt Zeitlichkeit mit Ewigkeit. Man kann sagen: im Himmel „ist“ keine Eile, sie gibt es einfach nicht. Eile im Irdischen hat den Blick zum Himmel verloren. Man lebt dann von A-Z nur mehr vom Horizontalen und im Horizontalen. Dann werden horizontale Dinge (Vergängliches) mit Absolutheit ausgestattet und dann werden die Dämonen mächtig. Ein Dämon ist immer erd-schwer, erd-gebunden: alles, was uns ins Vergängliche bindet, das ist dämonisch, vom Dämon. Diese Gebundenheit an die vergängliche Welt muss entschieden zurückgewiesen werden, ihr Absolutheitsanspruch muss relativiert werden: das wahre Leben ist bei Gott, nicht hier. Nicht die vergängliche Welt soll verachtet werden, sondern dieser lügnerische Trug der Verabsolutierung des Vergänglichen, so, als wäre dies „Alles“.

 

Der Herr ist es, der von diesem erdschweren Fluch erlöst; es ist der Blick hinauf zum Kreuz, keine Spekulation, keine Erklärung darüber, keine Philosophie darüber: der einfache, herzentbrannte Blick zum Kreuz, der kindliche Blick (Prager Jesulein).

 

 

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXXI)

 Λήθη XII    Erlösung XV   (Pfingsten 2022)

 

Vollendung: vom Enden in der Vollendung

 

 

Der Gott mit uns: wir sind nicht die Verlassenen in dieser Endzeit: der Herr ist mit uns – so heißt es doch, wenn der Priester die Worte spricht: der Herr sei mit euch! Besser müsste es heißen: der Herr „ist“ jetzt gerade und allezeit mit uns, denn seine Schöpfung verlässt er nicht. Und der Sohn trägt alles Leid der Welt, ist doch Maria, die Mutter Gottes jene, die das Bittere der Zeit tragen wird (so die Bedeutung von Miriam). Der Sohn nahm und nimmt das Bittere auf sich und hat es schon erlöst. Nicht nur die Schöpfung leidet, der Erste, der leidet und mit-leidet ist der Herr selbst. Der Weg des Menschen in die äußerste Verirrung ist die Gottesnacht: die Verlassenheit von Gott. Der Mensch lebt dann sein Leben ohne Gott, seelenlos, kann man sagen. Gott selbst aber wird in dieses letzte Dunkel eintreten und es schon erlöst haben – diese äußerste Verlassenheit am Kreuz. Man sollte sich also nicht „verlassen“ vorkommen in der dunklen Weltnacht, denn der Herr selbst ist da. Treue und Vertrauen im ständigen Blick auf den Herrn am Kreuz geben die Kraft zum Bestehen der Zeit. Und: Er trägt auch mein ganzes Leid – ich sage: nimm´ es Du, meine Last  und der Herr nimmt es sofort, unverzüglich, er trägt es durch die Zeit: er zögert keinen Augenblick mein Leid mit-zu-tragen. Ungebundener (verlorener) Dienst an den vorübergehenden Dingen der Welt: das ist Ägypten. Die Seele wird vom Körper unter-drückt, von den Entwicklungskräften gepeinigt. Wenn die Seele von dieser Unterjochung „befreit“ wird, dann ist sie „erlöst“. Was heißt hier Befreiung, was Erlösung?

 

Es ist im Wesen die Frage nach dem Fixiert-sein, was man auch als Besessenheit kennt: man ist dann so fixiert, dass es nur einen und nur diesen Weg gibt, der Besessene ist wirklich der eindimensionale Mensch, der sich in der Veräußerung fixiert hat. Für ihn kann es nichts anderes mehr geben als das, was der Tag bringt und nimmt und zwar in der Hinsicht, dass zuvor die fixierte Eingebildetheit den Ton angibt. Eine existentielle Irritation oder Infragestellung ist dem Fixierten nicht mehr möglich. Dass ein Mysterium sein könnte, das sich aller Vergegenständlichung entzieht, steht nicht zur Debatte. Die „unsterbliche Seele“ ist dann ein Unding, etwas aus alter Zeit, etwas für Frömmler. Heilung und Erlösung wäre dann das Verlassen-können der eigenen Eindimensionalität und zwar jetzt in dem ganz konkreten Sinn, dass der Heil-and erlöst und befreit, und zwar durch seine „Präsenz“. Luther übersetzt Lukas 8,3 sinngemäßer: etliche „Frauen waren mit ihm“. Maria Magdalena, heute ist ihr großer Feiertag, sie ist es, der sich der Auferstandene als erste offenbaren wird. Und hier ist es wichtig: sie ist in „der Lage“, dass sich der Herr offenbaren kann, sie hat diese Bereitschaft des Empfangens und sie tut nichts aus sich selbst, sondern „es geschieht ihr“. Die Stelle bei Lukas ist sehr knapp, es wird nur geschildert, dass sie, die Frauen, mit „ihm waren“ – also bei ihm, in seiner Nähe, sie waren mit ihm „intim“. Sie taten nichts von sich aus, seine „Anwesenheit“ reicht, das genügt, dass alle Besessenheit vernichtet wird. Das kann und will der moderne Eindimensionale nicht wahr-haben, er kann es nicht, weil er so fixiert ist. Es ist wie mit dem Wort, mit dem lógos: man vernimmt nur die Außenschale des Wortes wie einen flüchtigen Hall und hat schon eine fixierte Vorstellung dazu: mehr gibt es nicht und so glaubt man an die eigene Vorstellung, das Bild, das man entwirft und das wird auf Gedeih und Verderb verteidigt.

 

Maria Magdalena ist, das sagt ihr Name schon, ausnahmslos fixiert und im Grunde sehr, sehr hoch-mütig. Sie erlebt die Befreiung von ihrer Besessenheit, ihr wird das Auge der Seele geöffnet, der Himmel zeigt sich ihr und sie ist fassungslos: sie erkennt die wahre Wirklichkeit der Größe Gottes. Die Präsenz des lebendigen Herrn hat sie befreit und was damals geschah, das geschieht noch immer, z.B. in der Eucharistischen Anbetung, da ist der Herr „ganz präsent“ und er heilt alles und es sieht ganz nach nichts aus, fühlt sich auch so an und dennoch ist alles „anders“. Daher sieht sie ihn im wahren Licht des Glaubens am Auferstehungstag als erste, weil sich die Maßstäbe des Lebens vollkommen gewandelt haben: sie ist zum lebendigen Glauben durchgebrochen und das ist die Heilung von der Lähmung aller Besessenheit. Der Auferstandene wird auch die Jünger zunächst „ermahnen“ ob ihrer Ungläubigkeit und Hartherzigkeit. Das ist ihm das Wichtigste, diese Ermahnung zum lebendigen Glauben. Maria Magdalena ist die lebendige Zeugin des lebendigen Glaubens, sie hat alles Verlorene in sich erlebt, alles „ist“ alles. Ihr Wesen war so hochmütig (migdal – Turm), dass sie völlig verloren schien. Und dann geschieht das Wunder: sie erlebt den lebendigen Herrn, sie wird völlig irritiert und nun ist sie als Maria auch bereit, das „Bittere der Zeit mit ihrem Herrn“ zu tragen (Miriam). Das ist die „Erlösung“, von nun an wir der Herr ihr Licht sein, wie bitter es auch kommen mag und wie viele Rückschläge auch noch kommen mögen. Denn am Ende wird sie unter dem Kreuz stehen und sicher vieles mitgemacht haben, aber das leuchtende Licht in aller Finsternis, ihrer eigenen und jener der Zeit, das hat sie nie mehr verloren.

Wird die Seele nicht befreit (sich befreien lassen), so wird der Mensch den Tod erleiden: überall wird dann Angriff sein, es wird Angst herrschen müssen, weil das Körperliche als Wesentliches angesehen wird. Wir sind aber in der Taufe auf den Tod Jesu Christi getauft, auf dass wir leben, in dieser Taufe auf den Tod ist der Tod verschlungen, auch wenn der Körper einmal vergehen muss. Für den Christen „gibt“ es das nicht, was man so unter Tod versteht.

 

Wenn die Entwicklungskraft im Menschen (das Äußere, Materielle, Körperliche)  ab-geschwächt wird zugunsten der Seele, dann ist der Tod besiegt und das geschieht in der Taufe auf den Tod unseres Herrn. Der Entwicklungskraft ungehemmt ausgeliefert sein besagt demnach: der Tod greift an, er greift nach dem Leben und ist so Angriff auf das Leben, weil man sein gesamtes Existieren in die Veräußerung verlegt hat. Der seelenlose veräußerte Mensch muss ständig um dieses Leben der Veräußerung bangen. Der Tod ist für einen Menschen der Veräußerung „zerstörend“, für den Seelen-Menschen aber im Blick auf den Herrn „Erlösung“ von der Veräußerung. Der „veräußerte Mensch“ ist jederzeit auch un-geduldig: sein Leben ist ihm langweilig, er verlangt nach Rausch und Abwechslung. Der Baum des Lebens kommt doch zuerst, er ist der Seelen-Baum, der zuerst genannt wird: kümmert euch also zuerst um das Himmelreich – alles andere wird euch tausendfach dazu geschenkt (in Überfülle).Wer die Welt der Gegensätze (Leben oder Tod) nicht hinter sich lässt, der bleibt Gefangener der Gegensätze, bleibt Bürger der Veräußerung. Man muss mit aller Klarheit des Verstandes aus der Welt des horizontalen Absolutismus „heraus-treten“ und zwar im vollen Bewusstsein im Blick auf unseren Herrn Jesus Christus und das geht nur „in“ der Kirche und mit der Kirche. Verlassen muss man diese Welt (aus ihr austreten), jetzt schon und dereinst im Sterben, das für den Verlassenden die Rückkehr zum Vater bedeutet. Hat die Seele ihr wahre Heimat bei Gott wieder-gefunden, dann erst ist der Mensch in der Lage, der Entwicklungswelt wahrhaft zu begegnen, ohne von ihr vereinnahmt zu werden.

 

Und hier beginnt nun der Weg der Voll-endung. Mit dem Verlassen hört ein bisheriger Lebensweg auf, was bisher sehr wichtig war, ist es nicht mehr: die Entwicklungskräfte wurden abgeschwächt, sie sind nicht mehr das Maß aller Dinge, im Gegenteil. Dem Tier in uns wird der Zaum angelegt. Man lebt dann zwar in dieser Welt, aber nicht gänzlich in ihr und von ihr: man lebt auf den lebendigen Christus hin, er ist der Mittelpunkt des Seyns: der Heilige. Das Tier in uns muss also „gebunden“ werden, es wird ausgebremst, zurückgedrängt, geführt und geleitet. Das Wort Voll-enden fordert das Enden heraus, das Aufhören wollen und zwar in erster Linie mit den Eigen-Plänen und Entwürfen. Man muss diese Pläne auf-opfern, los-lassen und zwar geht das nur im Vertrauen auf die Vorsehung des barmherzigen Gottes, der schon „besser“ weiß, was für mich das Beste ist. Das Enden reicht aber noch tiefer und eröffnet damit die Dimension der Intimität mit Gott. Hier gibt es dann keine als-ob-Rede mehr, es gibt jetzt keine theoretische Überlegung im Wesentlichen, also Spekulationen usf., die Rede „über“ wird ebenso geopfert zugunsten der „lebendigen Ansprache“. Der Opfernde „traut“ sich nun, mit Gott wirklich zu sprechen: er traut sich ihm an und traut sich ihm zu. Im Deutschen liegt darin das Wort Zu-Mutung: ich mute Gott im vertraulichen Gespräch mir zu. Wer sich „traut“, der geht doch ein Ehe-Bündnis ein. Das Vollenden im Trauen meint „alles als alles“, restlos. Man kann nicht 5% des Tages mit Gott sprechen und der Rest ist dann wieder „mein eigenes Programm“. Solches Enden im Vollenden ist schon ein Sterben, das Verlassen der alten Welt (Paulus) ist ein Tod. Der Übertritt der Seele in das Vertrauen in die Göttliche Vorsehung bedeutet das Sterben des „alten Menschen“ in mir. Wer also die Seelen-Hand an dieses Plug legt, der darf nicht mehr zurückschauen, dem darf kein Zweifel mehr hochkommen. Es ist ein ganz entscheidender Einschnitt in ein bisheriges Leben, denn das „neue Leben in Gott“ heißt auf: seinen Tod getauft sein: der alte Mensch in mir „stirbt“, es gelten von nun an andere, ewige, Maßstäbe. Das Enden in der Vollendung ist das Wesen der Eucharistie. Es ist auch bildlich zu begreifen: der Endliche nimmt den Ewigen (die Vollendung) in sich auf. Der Ewige verbindet sich mit dem Endlichen, steigt herab und besiegelt das Endliche mit Ewigkeit: das ist Eucharistie, der „Dank“, dem zu gehören, dem man ge-eignet ist (dem man wesentlich gehört) – und das ist Gott. Gott ist der „Eigner aller Schöpfung“, ihm gehört sie, sie ist sein Werk, sein Eigentum.

 

Von sich aus kann der Mensch dieses Sterben nicht leisten, denn das „alte Leben“ ist in sich wesentlich „altes Leben“ (seine Kraft bezog es aus horizontalen Mitteln, andere kennt es gar nicht). Die Göttliche Irritation bedeutet ja grade, dass das alte Leben stirbt, entkräftet wird und das ist das, was man den „Einbruch der Gnade“ nennen kann. Man kann ja auch nicht die Gesetzmäßigkeit der Naturkräfte außer Kraft setzen, das geht nicht. Und so kann das alte Leben aus sich heraus die Gesetzmäßigkeit des alten Lebens nicht außer Kraft setzen. Gott „greift ein“ und wendet, es ist diese über-natürliche In-Formation, es formiert sich also im  Inneren (im eigenen Haus, in der Seele). Es ist hier die Frage, was „Tod“ eigentlich meint, was  Leiden und Krankheiten – wie empfindet das der Mensch, warum gerät er meistens in Panik, wenn diese Zustände heranrücken, das, was wir „so“ nennen? Ist vielleicht der Tod „als“ Tod gar nicht jener, den wir uns vor-stellen (als Untergang, Schrecken, Verlust, Ende, Finsternis) und haben Leiden und Krankheiten gar eine ganz andere Qualität? Hier zeigt sich wieder das Wort „Ende“ mit dem Tod, das Leben, sagt man so, „endet“ jetzt. Aber stimmt das oder sagt man es bewusstlos? Wenn im horizontalen Menschen Angst und Panik auftauchen im Angesicht des Todes, weil jetzt alles zu Ende ist, so ist das ein wahrer Ausdruck der „Jugend ohne Gott“ in uns und zugleich ist dieser Ausdruck „un-wahr“, allein schon deshalb, weil die Seele un-sterblich ist. Das sieht der Horizontale aber nicht, weil er so festgelebt war und sein Leben erlernt hat in der Sklaverei. Mit dem Enden in der Vollendung wird es „dicht“, das Leben bekommt jetzt eine andere Qualität und Dichte: es „dichtet“ – könnte man sagen. Für den „nur“ Horizontalen wird es freilich „eng“ (ang – Angst) im Ge-Dicht des Endens. Unter Drangsal versteht man im Deutschen: Bedrängnis, Nötigung – meistens aber „abträglich“, Drangsal, meint man, sei eben nur „Not“. Thlipseos  tes megales (θλίψεως τῆς μεγάλης) – heißt es in der Offenbarung 7,14: die Bedrängnis, die Trübsal, die Berückung: weiblich ist diese Form im Griechischen, die Veräußerung ist eben „berückend“, drängt, stößt, engt – im Angesicht des Todes „schreit der Körper“ – gewaltvoll, prächtig und mächtig (μεγάλης), auch ein weibliches Adjektiv. Drangsal hängt mit „Druck“ zusammen: man fühlt die Be-drückung im Druck des Existierens, in der Enge der Angst „drückt“ es einen nieder, man ist wie er-drückt.

 

Das Sterben in der Enge der Angst ist von gewaltigem Ausmaß. Im Enden „spitzt“ es sich also zu, wird verdichtet und dieses Dickicht soll jetzt heißen: Ge-Dicht. Man spürt, es geht jetzt zum Wesentlichen, mit der Spielerei hat es nun ein Ende. Dass das Ge-Dicht schon „erlöstes Gedicht“ ist, davon will der Horizontale nichts wissen,  könnte es aber wissen. Das „erlöste Gedicht“ führt nicht mehr ein Tun-müssen mit sich, sondern die Überzeugung, dass es „gut“ ist in allen Dingen, dass man „gerne“ auf Gott hört und es nicht muss, weil es Gebote gäbe. Gebote, kann man sagen, bestehen für den horizontalen Menschen, der Gott-Verliebte hält sich nicht mehr an Gebote, sondern liebt seinen Gott: das ist das Liebes-Gebot und es ist im Wesen das tiefste und wahrste. Der Liebende hört gerne die Stimme des Herrn, es ist ihm keine lästige Pflichterfüllung und man kann hier sagen: nur der Liebende kann „hören“, der Pflichterfüller bleibt im Grunde „außen vor“ (also in seiner Veräußerung gefangen) – oder: in der Äußerlichkeit bleibt er hängen. Das „erlöste Gedicht“ verliert sich im Dickicht der Wahrheit Gottes: und das ist dann der Ausdruck des Vertrauens (der Langmut). In diesem „Ge-Dicht“ hat es keine Eile mehr, weil der ganze Sinn schon erfüllt und bereitet ist – was gäbe es da auch noch zu tun? Daher wird die Göttliche Wahrheit nicht erfüllt durch meine (unvollendeten) Taten oder Pflichten, sondern es gilt ein gänzlich Passives: das Hören der Stimme Gottes; der Weg ist bereitet und vollendet und es ergeht der „Ruf“ und es ist die Frage, ob ich Hörender sein kann? Nichts, scheint mir, tut in der heutigen Zeit mehr Not, als die Vollendung wahrzunehmen und anzunehmen und das verlangt in erster Linie ein Zurücktreten vor der Heiligen Vollendung. In Exodus 2,5 ist die Rede vom „Heiligen Boden“ – darauf wir alle schon stehen. Heiliger Boden ist „geweihter Boden“. Mose wird von Gott aufgefordert nicht „näher zu kommen“, es meint: er solle ablegen, was er sich so ausgedacht hat über Gott und Welt, denn die „Erde“ auf der er steht und waltet und die er selbst auch ist, die „ist (wesentlich) geheiligt“. Es kommt also darauf an, die Schöpfung als „Schöpfungs-Gabe“ anzunehmen und das ist in erster Linie ein „Nehmen“, also ein Empfangen. Es geht da nicht in erster Linie um Pflichterfüllung, sondern um „tiefe Freude“. Gott spricht zum Menschen an dieser Stelle: hör´ auf mit deinen Vorstellungen und Plänen und werde dir bewusst, dass die „Vollendung waltet“ dir zur Freude und freue dich an dieser „umsonstigen Schenkung“.

 

Vollendung lässt sich eben menschlich nicht „machen“, der Vollendung kann man sich nur stellen und sich ihr bedingungslos ausliefern. Hier findet jeder Prozess ein Ende. Vollendung spricht: komm´ mir mit deinem Machwerk deiner Hände nicht näher, es ist „umsonst“, denn: vollendet ist mein Schöpfungs-Werk, siehe, dir schenke ich es, dir und mir zur Freude – denke jederzeit daran, sei jederzeit ein Zeuge dieser Vollendung! Hier ist die Weg-Marke, an der der Mensch „frei“ ist zu wählen: den eigenen Weg oder den Weg mit Gott. In dieser „Haltung“ ist der Mensch frei, in der Haltung Gott gegenüber sind wir frei gestellt. Vollendung also „ist“ – warum aber gibt es dann noch die „Wege“? Sich der „offenbarten Schöpfung“ ausliefern bedeutet: in der Vollendung stehen! Eine Rückkehr in ein Leben „ohne Gott“ ist von nun an nicht mehr möglich. Auch wenn es so aussieht, dass man dem horizontalen Absolutismus verfällt, so ist das nur ein Schein: denn im Grunde ist die Entscheidung gefallen. Oben ist gesagt, dass die Vollendung das Enden mit sich bringt: so auch das „Ende der Zeit“. Man spricht heute von „End-Zeit“ und vieles sieht danach aus, dass wir mitten in dieser End-Zeit sind. Was bisher „bedeckt“ war, wird offenbar, also aufgedeckt: das ist der Sinn der „Apokalypse“. In der End-Zeit wird die Zeit verkürzt, heißt es, das Unendliche (das Ohne-Ende des horizontalen Absolutismus) wird dem Ewigen ausgeliefert und es wird ge-richtet, also repariert. Wenn es also dem Ende zugeht, werden die Tage, sagt man, kürzer, man erlebt die Zeit ge-kürzt. Die Ereignisse überstürzen sich, es wird alles rasend schnell.

 

Es geht hier auch jenem Ende zu, das man Sterben nennt. Heute sagt man leider – und man kann sich in der Verlorenheit nicht besser ausdrücken: der ist an dieser oder jener Krankheit gestorben, also man „glaubt“ an eine Ursache, die man herbei-zitiert. Für den horizontalen Moment hat man eine knappe Erklärung, eine Todes-Ursache – aber eigentlich gesehen befriedigt das gar nicht, denn: der Tote ist ob der vermeintlichen Ursache dennoch gestorben, die Ursache könnte auch ausgetauscht werden. Warum einer „überhaupt“ die Welt verlassen muss, diese Frage wird gar nicht gestellt, das Prinzip des Sterbens wird nicht hinterfragt. Man gibt sich dann mit Erklärungen zufrieden oder ab, denn zufrieden ist man damit nicht. Man „rundet“ das eigene Weltbild ab oder auf, je nachdem: Hauptsache bleibt die existentielle „Rundung“ (der ontologische Zirkel bleibt geschlossen). Die existentielle Ab-rundung kommt einer horizontalen Einebnung gleich. Der geschlossene Zirkel kann dann nicht mehr „durch-brochen“ werden. In Gesprächen kann man das oft erleben: es wird nur herumgeredet um des Redens Willen, damit die Zeit vergeht. Es geht heute also nicht mehr um eine wesentliche Irritation im Runden, sondern das Runde wird als das Angestrebte angesehen, man ist damit beschäftigt, das Runde „ab-zusichern“. Überall geht es daher um „Sicherheiten im Horizontalen“. Der geschlossene Kreis ist so jederzeit der Kreis der eigenen Befriedigung; alles, was jenseits davon sein könnte, das interessiert den horizontalen Absolutismus nicht. Der Absolutist beschäftigt sich nur mit Dingen innerhalb des Kreises, ein Durchbruch wird gar nicht angestrebt, wird sogar als Gefährdung gefürchtet. Der Zirkel hat in sich nur die Kraft zum Geschlossenen, etwas anderes kennt er nicht und an-erkennt er nicht. Für den Zirkel-Menschen sind dann Gott, die Engel, die Gottes-Mutter Irrealitäten, an die man bestenfalls glauben mag. Himmel und Hölle sind Begriffe aus einer alten, vergessenen Welt, damit kann man einfach nichts anfangen. Es heißt: es gebe wahrhaft nur die Möglichkeit des Widerstandes oder die Enthaltung an die Raserei der Entwicklung (die Kräfte der Entwicklung). Ein Zeichen der Enthaltsamkeit wäre z.B. die tiefe Unaufgeregtheit, mit einem anderen Wort: die Geduld in allen Dingen! Vielleicht wird man auch bescheidener, benötigt weniger, auch im materiellen Sinn. Das wäre schon ein Verzicht auf die Maßstäbe der Entwicklungswelt.Sobald der Mensch auf seinem Lebensweg zu Gott zurückkehrt, wird Gott den Gang der Natur umkehren. Diese Aufstieg zu Gott geschieht als Mysterium, in aller Stille, als ein-einziger Weg. Der Weg des Menschen führt aus der Verlorenheit des Un-endlichen zurück in die Heilige Kirche: κυριακή ὀικία – das Haus des Herrn. Damit wird die horizontale Welt durchquert (durch-kreuzt), in ihr liegt nicht das Endziel. Es ist dann die Frage entschieden, was noch Anreiz sein darf und kann: ist es die horizontale Welt mit ihren Spielen oder ist Gott das Maß aller Dinge? Gott ist die Wahrheit und wenn man die Wahrheit anerkannt hat als Grund und Boden des Existierens, dann beginnt der beständige Kampf, das alte Leben fordert. Aber warum, was ist der Grund? Die Wahrheit in Gott anerkannt haben bedeutet im Grunde, dass die Welt mit ihren Ansprüchen und Annehmlichkeiten ihre Schwerkraft verliert. Dazu gehört das berechenbare Planen oder wie man sagen könnte: die kalkulierende Kaufmanns-Existenz. Wer mit Gott geht, weil er etwas Bestimmtes „erwartet“ (auch die Erlösung), der kalkuliert, weil es sich lohnen und auszahlen könnte. Das Motiv wäre dann der „sichtbare Erfolg“, der Gewinn, den ich mir erträume. Als der Herr am Kreuz für uns stirbt, war das für den Kaufmann eine bittere Enttäuschung. So hatte man sich den Sohn Gottes nicht vorgestellt (ein-gebildet).

 

„Belohnung“ erhalten wollen, darin liegt das Wort „Lohn“: so sind wir alle im Grunde Lohn-Arbeiter, wir tun etwas wofür wir etwas bekommen und so „lohnt“ es sich auch, das zu tun. Wir tun „etwas für etwas“ – heute sagt man dazu: faires Geschäft oder potenziert: win – win – Situation (du steigst doppelt gut aus und jeder bekommt dabei seinen entsprechenden Lohn). Die Geschäftemacherei ist auch in Bezug auf Gott so motiviert: ich bete Bittgebete, „um etwas zu erhalten“ (Gesundheit, Frömmigkeit, Heilung, ) und dafür tute ich etwas, mache ein frommes Investment, ein Geschäft mit Gott. Das geht dann einige Zeit ganz gut und wenn dann das Erhoffte wirklich nach meiner Vorstellung eintrifft, hast sich das Investment ausgezahlt. Was aber, wenn das Erwünschte nicht kommt und es sogar ganz anders, vielleicht noch schlimmer kommt? Es ist hier die Frage, welche Rolle das „Eigen-Interesse“ in Bezug auf Gott überhaupt spielen darf. Denn: der wirkliche Weg zu Gott kann nur aus „Liebe“ „umsonst“ gegangen werden, ohne dass man an eventuellen Lohn für sich denkt. Alle anderen Motive werden zusammenbrechen, nur die Liebe umsonst hält Stand. Ein Kennzeichen, dass der Weg der „Liebe umsonst“ gegangen wird, ist die echte „Freude“: sie kennt kein Murren, Zweifeln, Hadern. Der Weg der Liebe umsonst kennt dann auch keine Pflichten, die einem lästig werden, sondern die Pflicht ist Liebes-Pflicht, nicht ein Müssen, sondern ein Dürfen. Aber immer wieder „fällt“ man, ist den Kräften unterlegen und immer wieder ist es möglich, mit neuer Kraft weiter zu gehen (durch das Heilige Sakrament der Beichte). Das „Fallen“ hat einen tiefen Sinn, wenn es zur Umkehr befeuert, wenn es Anlass zur Einsicht wird: das ist der Sinn der echten „Reue“. Wenn, wie es in Lukas 12,7 heißt, „alle Haare“ gezählt sind, dann ist es keine Frage: jedes Geschöpf steht un-bedingt in Gottes Ordnung, daran kann keine Aktivität etwas ändern und man bildet es sich bloß ein, dass ich das mir bestimmte Los bestimmen könnte.

 

„Alle Haare sind gezählt“: hier zeigt sich die Vollendung an, die „währt“ und ich kann sie sofort aufnehmen oder ich muss sie selbstmächtig verwalten, verändern, verbessern. Der eine lebt sein Leben eben auf Vorrat (in der Angst, es könnte sich irgendwie nicht ausgehen). Vollendung bedeutet aber, dass es sich schon immer ausgegangen ist und es ist ein Trug, dass man sich sorgen müsste um seine Existenz – sie ist in „Gottes Hand“. Lebe ich also in allen Dingen in der Vorsehung Gottes bewusst, schmeckt mir diese Göttliche Speise oder ist sie mir bitter? Das ist das Zeichen, wer von „diesem Brot“ isst, der ist davon ge-kennzeichnet. Es ist dies auch jetzt der Ort der Fragen: woher die Angst, woher die Sorge? Man muss doch um die Göttliche Vollendung der Schöpfung keine Sorge oder Angst haben, das wäre ja unsinnig.

 

Sünde: der Mensch, scheint es, kann von den „eigenen Maßstäben seiner Welt“ nicht loskommen. Die Göttlichen Maßstäbe: Glaube-Hoffnung-Liebe – sie sind diametral zu jedem irdischen Maß. Vertrauen ist auch kein irdisches Maß mehr, sondern das Wagnis der Vollendung. Das Tun-umsonst ist auch kein irdisches Maß mehr, sondern Göttliches Tun. Auf die Göttlichen Maßstäbe muss man sich „gründen“, nicht auf die irdischen. „Geduld“ ist so ein Göttliches Maß, denn die Geduld ist intim mit der Göttlichen Vorsehung und Vollendung, sie sieht den Göttlichen Bauplan und kann empfangen. So „verzichtet“ man von nun an auf die veräußerten Wahrnehmungen und zugleich auch auf die eigenen Vorstellungen: im Angesicht der Vollendung werden sie bedeutungslos, weil sie „hinderlich“ sind und der Satan ist ja der „Hinderer“.

 

Der Fall der Kundschafter:

 

Vertrauen, Glaube, Hoffnung, Treue, Liebe, Geduld, Demut: das sind die Eigenschaften der Ewigkeit. Hier muss man seine Existenz gründen. Es sind die ewigen Normen der Angemessenheit im Angesicht Gottes zu existieren. Das Schließen der ontologischen Differenz zeigt sich in der Wirkmächtigkeit des horizontalen Absolutismus, in dem der reale Blick für den Himmel völlig verdunkelt, vernebelt ist. Horizontale Dinge rücken an erste Stelle, sind dann immer wichtiger und werden auch gesucht, werden gefunden, erweitert, potenziert. Ein sehr moderner Ausdruck dieser Fehl-Haltung liegt in dem Streben nach Genuss und Befriedigung „sofort“. Da gibt es für jedes Weh-wehchen ein Heilkraut, eine Methode, Gurus, die bestimmt helfen und Glückseligkeit versprechen, falsche Propheten, die Jesus Bilder verbreiten, gechannelt usf., alles kostet sehr viel: Hauptsache ist, dass man das „subjektive Gefühl von Glückseligkeit“ (hier unten) erfährt – und wenn es nur eingebildet ist, das macht nichts. Die „Wohlfühlwelt“ rückt an 1. Stelle, ihr wird alles untergeordnet und zwar bedingungslos. Im Grunde drückt sich mit dieser Haltung ein verzweifelter Rausch aus: man stürzt kopfüber in das Wohlgefühl, koste es was es wolle. Menschen sind bereit, dafür sehr viel Geld auszugeben, sie himmeln dann die Gurus an und finanzieren sie auch. Die Wohlfühlwelt will vom Sterben nichts hören, das ist im Weg, das kommt irgendwann einmal. Und dass man auf dem Holzweg ist, das kann und will man nicht zugeben. Der Tod macht den esoterischen Spielchen aber ein Ende: spätestens hier bemerkt man doch die Große Lüge, der man verfallen war. Aber selbst für diese Realität des Todes hat man schon vorgebaut: Chip-Implantate versprechen dann un-endliches Wohlgefühl oder man bildet sich ein, unsterblich zu sein und ist dann ein leuchtender Himmelskörper mit neuem Namen. Wenn der Mensch beginnt das Mysterium Gottes und seiner Schöpfung nur mehr mit seinem eigenen irdischen Maß zu messen, wenn er also die ontologische Differenz geschlossen hält, sie als geschlossene sucht und potenziert, sagt man, hört das Wohnen Gottes in der Welt auf. Gott ist dann nur mehr eine beliebige Option, jeder wie er will oder gar keine mehr. Gott ist dann ein eingebildetes Werk meiner Hände, zum Gebrauch, ein Mittel oder wie heute weit verbreitet: gar nicht mehr am Radar meiner Existenz.

 

Unheimlich ist diese Gottes-Nacht, so normal geworden, dass vielleicht nur mehr der Ernst des Sterbens noch „Wahrheit“ in sich trägt (und das wird auch schon abgeschafft). Der Tod könnte noch eine wirklich existentielle Irritierung veranlassen, die einem Scheitern im eigenen Raum eröffnet. Eine Irritierung, die das Sterben mit-ein-bezieht, das wäre der Sinn. Wenn der Mensch mit der glückseligen Abrundung seiner wohligen Welt rundum zufrieden ist, wird ein äußerst kritischer Moment erreicht: der Tod entsteht sofort, augenblicklich, wenn man sich für die Welt der Entwicklung entscheidet und den lebendigen Gott aus dem Auge verliert. Längst bevor der Körper ver-endet, ist man dann schon der Tote. Bevor die Seele „hier leben kann“, muss sie Gott loben, den lebendigen Gott „erkannt“ haben – seine Gewalt und seine Herrlichkeit. Der Herr „führt“ durch alle Augenblicke, er ist treu im Guten wie im Bösen. Gelobt sei der Herr! „Segnen“ bedeutet: ganz machen, heil machen, Einheit stiften! Was bleibt nun am Ende aller Sicht in das Eine Einzige, in die Ein-Sicht? Den Weg im Vertrauen auf den lebendigen, Dreifaltigen Gott gehen! Es ist ein Weg der Intimität, der Zwiesprache und der Ansprache, ein Weg der Achtung und des Erstaunens vor der unerforschlichen Größe des Herrn. Und dieses Vertrauen geht so weit, dass, wie man heute gut beobachten kann, alles nach „Weltuntergang“ aussieht, alles nach Katastrophe: dann erhebt sich dennoch und trotzdem die vertrauende Stimme der Seele und betet: Gelobt seist Du, Großer Gott! Denn der tiefe Glaube steht fest, einerlei was die Weltunterganspropheten verkünden, einerlei, was die Massenmedien verbreiten. Erstaunlich bleibt, dass der Mensch die Wahrheit Gottes in sich trägt und er meint, sie sei nicht in ihm, er wüsste nichts davon. Aber das stimmt nicht, Gottes Wahrheit und Realität wohnen uns inne. Dieser Wahrheit kann nur im bedingungslosen Vertrauen auf die Gutheit Gottes entsprochen werden, niemals wird man sie anbeweisen können und für Viele ist die wesentliche Gutheit Gottes ein Skandal. Trotzdem und trotz aller Argumente, die der Mensch gegen Gott aufbringen mag: der Weg mit dem lebendigen Gott ist der einzig wahre und wer dem lebendigen Gott noch nicht ausdrücklich begegnet ist, der sollte ihn darum „bitten“: Herr, zeige dich mir, zeige dich mir, damit ich ein wenig bergreife, wer DU eigentlich bist! Unverzüglich antwortet der Herr, denn er ist mir „näher“ als ich mir selbst.

 

Vollendung: es endet also eine alte Zeit und das Enden endet immer in der Voll-endung, in der ganzen Fülle. So spricht man auch von einem End-kampf, und das ist ein Kampf, der jederzeit stattfindet (ob er bewusst gekämpft wird oder nicht), das spielt im Wesen keine Rolle und am Ende doch eine große. Es ist dieser End-Kampf, sich im eigenen horizontalen Leben sesshaft einzurichten, an dieser vergänglichen Welt zu kleben, sie zu besitzen, koste es was es wolle – und dieses Sesshaft-sein-wollen ist eine Art Besessenheit, etwas sehr Hals-starriges. In dieser Besessenheit verzichtet man auf die kommende ewige Welt, die im Kommen ist: die schon waltet und ist und zugleich kommt. Der horizontale Mensch verliert den Blick auf die Ewigkeit, er verliert das ewige Maß in seiner Besessenheit. Es geht in diesem Krieg darum, die Ewigkeit in Gott in Besitz zu nehmen, und zwar bewusst, das Heilige Land wirklich zu betreten (es auch wirklich zu wollen). Aber, das wird entweder verweigert, ist vielfach gar keine Option mehr oder man fühlt sich unwürdig. Es wird Manches über den „Zorn Gottes“ gesprochen. Der Zorn Gottes entbrennt immer dann, wenn die Seele die schon bereitete Vollendung nicht „betreten will“, wenn sie also in den eigenen engen Vorstellungen sesshaft bleiben will: und das wird dann sehr schmerzhaft für die Seele mit alle Konsequenzen, die das mit sich bringen wird. Der Zorn Gottes bestraft nicht, sondern ist realer Ausdruck einer Haltung, die sich mit dem Sesshaft bleiben wollen im horizontalen Absolutismus deckt. Der Zorn Gottes entbrennt, wenn Menschen vom Sterben reden und nichts von der Auferstehung der Toten hören wollen, für die der Tod bloß Tod und Ende ist – weiter nichts. Das Sesshaft bleiben wollen in der Endlichkeit kommt der Verweigerung der Ewigkeit gleich, es kommt dann dahin, dass die Ewigkeit mit vergänglichem Maß und Wort be-messen und abgemessen wird und nicht befruchtet das Ewige Wort das Vergängliche. Das Gelobte Land wird verweigert, weil man es sich hier schön eingerichtet hat und daran hängt man. Was man so hat, das will man auch nicht mehr her-geben. Gabe und Ver-Gebung werden berechnet und dann entbrennt der Zorn Gottes, nicht etwa weil er im menschlichen Maß zornig wäre, sondern weil der Mensch das Ewige Land abschätzt, sich vermisst und dann verweigert. Die Schöpfung ist das „Heilige Land“ und wir leben in ihm und aus ihm und bemerken das zeitlebens nicht und so leben wir eigentlich nicht wirklich, das Heilige Land, in dem wir zwar leben aber es dennoch nicht betreten, muss ausdrücklich „erobert“ werden, es muss in Besitz genommen werden. Man muss voll zulangen und zwar maßlos. Man muss die ewigen Maßstäbe in Besitz nehmen um die Veräußerung wahr bemessen zu können, das ist dann der Fall, wenn der ewige Maßstab also zum Handeln, zur Ausführung gelangt.

 

„Gelobtes Land“: man kann auch ablehnen, sich verweigern, sagen: nein, die Ewigkeit will ich  nicht, ich habe lieber diese vergängliche Endlichkeit, ich will in Ägypten bleiben! Das ist in Wahrheit eine Katastrophe. Es besagt: die Vollendung in Gott „gesehen“ haben und dennoch Nein sagen und zwar ein Nein aufgrund von „Bildern“, die ich mir mache – also ein ein-gebildetes Nein. Das Machen von Bildern ist keine Kleinigkeit und hat enorme Konsequenzen für Heil oder Unheil der Seele. Aufgrund der eingebildeten Bilder von Ewigkeit und Gott zieht man es dann vor, lieber die vergängliche Welt zu verabsolutieren. Man nimmt Anstoß am nicht-berechenbaren Gott, der sich nicht zeigt wie ich es will. Im 4. Buch Mose, Kapitel 13,25, kommt es zum Bericht der „Kundschafter“, die das Gelobte Land erkunden und alle, bis auf zwei, lehnen es ab, den „Heiligen Boden“ wirklich zu betreten. Kaleb und Hoschea (der Sohn Nuns), sie enthalten sich, zerreißen ihre Kleider und bekennen, dass dieses Gelobte Land „überaus schön sei“. Mose aber nennt Hoschea „Josua“, er ist der Sohn Nuns, Jeschua oder Jehoschua.

 

Man sagt, wenn man das „Gelobte Land“ nicht betreten will, dann werde in diesem ewigen Augenblick der Tempel Gottes zerstört. Wer diese horizontale Welt nicht loslassen will, weil er ihr verfallen ist oder weil er ein rein irdisches Bild von Gott und Ewigkeit hat, der will das „Heilige Land“ nicht betreten. Und das „Heilige Land“ liegt nicht außerhalb und irgendwo, es wartet im Herzens-Grund, also in der Seele ist es ganz da und wahre Wirklichkeit. Jehuschua heißt übersetzt: Sein rettet, und zwar Jesus, eine Person – nicht ein Prinzip oder etwas Ausgedachtes. Eine Person, Jesus, ist da in allem Sein, eine ewige Person, einer ist immer da, zu retten und nachhause zu bringen, das Verlorene zurückzuführen. Er geht voran, führt und leitet, ER ist es, der ins Gelobte Land bringt, Jesus ist ganz der Heiland, der ganz (heil) macht, was zerbrochen war: Jesus ist also der wahre Vor-Gänger, einer, der vorangeht  und anführt, er ist aber auch jener Vorgänger, der schon gekommen ist, der die Vollendung verkündet und gebracht hat.

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

[Der Zyklus "Heilige Maria - Mutter Gottes" spricht die Sprache der Differenz, diese Sprache ist im Letzten völlig unangemessen, weil sie der Vollendung nicht entspricht. Sprache der Vollendung, davon bekommt man ein Ahnung z.B. im Magnificat. Sprache der Vollendung ist der Aufbruch des lógos selbst und zwar in dem Sinne, dass das Wort als Ansprache spricht. Im Wesen der vollendeten Ansprache liegt keine Anklage mehr, sondern die Sprache entspricht der Vollendung im "Lob-Gesang". Wenn das "Heilige Land" in Besitz genommen wird, erhebt sich der "Lob-Gesang", die Seele ist nach langer Wanderschaft zurückgekehrt]

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXXII)

 Λήθη XIII    Erlösung XVI   (Pfingsten 2022)

 

 

Der Messias

 

 

Es wird erzählt, dass, wenn man nur in der Zeit leben will, dann sei man eigentlich schon tot, man lebt zwar noch Jahre, aber bloß animalisch, wer also die Zeitlichkeit vergöttert, der ist vom Tod gezeichnet, der Tod zeichnet das Existieren dann animalisch. Für Zeit und Zeitlichkeit kann auch Vergänglichkeit stehen. Man müsste sich von der Fixiertheit an die Vergänglichkeit „lösen“ können, sich von der Zeit lösen. Das geschieht definitiv im Sterben. Mit dem Sterben soll es aber noch lange nicht so weit sein. Wie lange nicht? Keiner kann das genau sagen, aber man fühlt: noch lange nicht! Wenn man ernst nimmt, dass es einen Tod mitten im Leben (was wir so Leben nennen) gibt, und dass man sogar „tot“ leben kann im Sinne eines Dahinvegetierens und zwar mit dem subjektiven Gefühl des Erfolgs, des Glücks, des Wohlstandes, des Gefühls der Lebendigkeit, dann wäre der einmal kommende Tod nur mehr ein Abschnappen, ein letzter Akt eines bereits verstorbenen Lebens. Man wird sagen: das sei ein Widerspruch: tot sein und zugleich leben. Hier ist zu fragen, was eigentlich „Leben“ heißt und was wir so leichthin Leben nennen. Leben, wird man sagen, ist doch in der Zeit und an Zeit gebunden, wenn es nicht mehr in der Zeit ist, ist es weg, das Leben. So denkt es schon in der Froschperspektive, also in der Gefangenschaft der Zeitlichkeit. Man findet das ganz normal, so zu reden, als wäre es das Natürlichste. Man hört auch vom „Ewigen Leben“ und meint, das komme nach diesem Leben oder auch nicht, je nachdem, das Ewige Leben kommt einmal „nach der Zeit“, meint man. Weiter kann man dazu nichts sagen – wer könnte schon berichten, was oder wie das seyn soll: Ewiges Leben. Und so wendet man sich dem sogenannten „wirklichen Leben“ im Zeitfluss zu.

 

Was aber, wenn das, was wir Leben in der Zeit nennen gar nicht „Leben“ ist? Leben könnte man auch übersetzen mit „Erscheinungsform“ und diese Formen ändern sich jeden Augenblick in der Zeit, haben keinen Bestand. Der Körper verändert sich alle Augenblicke, immer anders, nichts hat Bestand. Ist mein Urteil an die Erscheinungsform fixiert, dann bin ich gebunden an die Momentaufnahme, die im nächsten Moment schon wieder anders ist. Unsere Urteile laufen meistens in diese Fixiertheit und das Urteil ist aber etwas  - kann man fast sagen – Unverrückbares. Man müsste sich dann von dieser Fixiertheit lösen können, es aufgeben mit den Urteilen und sehen, dass die Bilder der Einbildungen nichts Absolutes haben, sondern Ausdruck des Mysteriums sind. Diese Lösung ist zugleich die Los-lösung von der Ankettung an die Zeitlichkeit, von der es oben hieß, dass sie „tödlich“ sei. Diese Los-lösung wäre dann Leben schenkend und das ist der Sinn der „Erlösung“. Erlösung: hoffentlich denkt man dann auch an den „Erlöser“, an unseren Herrn Jesus Christus, den Messias. Und hoffentlich nicht an einen historisch eingebildeten, angelernten usf.  Thomas von Aquin sagt einmal: ein kleiner Fehler im Anfang führt letztlich zu einer Katastrophe (in: De ente et essentia). Daher gleich zu Beginn die zum Glück nicht beweisbare Behauptung: Wir leben eigentlich nur durch den Erlöser. Wir atmen nur deshalb, gehen und stehen im Leben nur deshalb, weil jetzt der Erlöser anwest, da ist, wir könnten keinen Augenblick sein, wäre der Erlöser nicht da, wir würden sonst augenblicklich explodieren. Diese Wahrheit sei in allen folgenden Überlegungen voraus-gesetzt, ohne diese wahre Voraus-setzung des lebendigen Erlösers könnte nichts sein was ist.

 

Man hat das weithin vergessen oder tut sich schwer damit, denn es ist keine „theoretische oder theologische“ Behauptung, das ist sie vielleicht auch, aber viel tiefer ist es eine ins Leben erweckende Ansprache. Das bedeutet im Gegenzug: wer den Erlöser nicht mehr sehen kann, der ist „tot“. Erlöst sein würde dann besagen: ins Leben gerufen worden sein! Oder anders gesagt: von den Toten auferweckt worden sein! Wir setzen den Erlöser (Christus) also als absolute Wahrheit voraus, diese Voraussetzung darf niemals anbewiesen werden, falls man das dennoch unternehmen wollte, wäre das ewige Ge-Dicht verlassen. Ge-Dicht meint hier „Intimität“, Nähe zur Wahrheit, Nähe zu Christus. Und freilich: auf diese Behauptung muss man sich erst einmal bedingungslos ein-lassen, es ist ein Wagnis und wenn man ernst nimmt, was da behauptet wird, nämlich dass ich keinen Augenblick sein könnte ohne den Erlöser, dann stellt sich die Frage: was war denn bisher mit meinem Leben oder was ich so unter Leben verstanden habe? War das eigentlich gar kein Leben? Wenn aber der lebendige Erlöser da ist, dann ist auch die Erlösung schon da, vom Machen der Erlösung kann keine Rede mehr sein. Man „sagt zu leicht“, weil die Irritation fehlt und der Mut zum anwesenden Mysterium fehlt, der Mut fehlt zur Gegenrede. Es fehlt dann der Mut zur Aufgabe, das Aufgeben kennt man nur als Abträgliches und Europa, unsere Welt, sie kennt die Aufgabe überhaupt nicht, nämlich als Vollzug. Wer sich auf-gibt, der gibt sich verloren, der liefert sich Gott aus, gibt sich Gott gegenüber auf. Aufgabe ist ein tiefes Wort und es fordert mehr noch die Hingabe im Tun (davon unten mehr). Das Sich-lösen-von-der-Welt ist insgleichen ein Ins-Über-Zeitliche-hineingehen und von „dort her“ hier leben.

 

Noch ein Wort zum Überzeugen-wollen: wer einen anderen überzeugen will, der will ihn eigentlich nicht gewähren lassen und hat auch kein Vertrauen, dass Gott es schon recht machen wird zur rechten Zeit! Überzeugen-wollen ist eigentlich ein Terror-Akt und löst niemals ein, was er verspricht. Auch wenn man subjektiv das Gefühl hat, meine Argumente hätten den Anderen jetzt wirklich überzeugt, der Andere stimmt völlig zu, so war das niemals die Kraft meines Argumentes, das ihn überzeugen konnte, sondern eine Wandlung aus Vertrauen. Man kann sich also im Grunde (und sollte es auch) nur um sein eigenes vertrauendes Überzeugt-sein kümmern, es meint: ein hoffendes Ausharren in verlässlichem Vertrauen. Diese Haltung könnte in einem wachsen, dann spielt es keine Rolle mehr ob ich Recht bekomme oder nicht, ob der Andere gescheiter redet oder nicht oder ob man mich für einen naiven Dummkopf hält. Rechthaberei ist immer ein Anzeichen der Schwäche und wie oft spielt doch das Recht-haben-wollen so eine große Rolle im Alltag. Jede kleinste Verdächtigung ist ja schon im Prinzip ein Recht-haben-wollen im Sinne von: ich kenne die Wahrheit! Der „so“ Geschwächte hat den Ort des Vertrauens in Gott längst verlassen, so muss er sich selbst beweisen, dass er Recht hat.

Es genügt daher völlig, „selbst vollkommen überzeugt zu sein“ – das reicht und es dient der Sache am meisten. Vom „Messias“ soll die Rede sein, vom Erlöser und dazu gehört auch die erlöste Schöpfung. Man spricht heute nur mehr von den sichtbaren Naturkatastrophen, von Erderwärmung, Feuer, Dürre, Hungerkatastrophen. Endlos ist die Kette der Bedrohungen. Warum spricht hier keiner von den seelischen Katastrophen, die äußeren Bilder verweisen doch ziemlich genau auf den „inneren Zustand“ des Menschen. Der Mensch, der vielleicht am meisten unter „Hungersnot“ leidet, das ist der sogenannte moderne zivilisierte Mensch, wir, die wir im Wohlstand leben und das Glück gepachtet haben. Das ist nicht zynisch gemeint, denn es gibt vielleicht einen „Hunger“, der tödlicher sein kann als der leibliche: es ist der Hunger der Seele, die schreit und keiner will es hören, die am Verhungern ist, und keiner will es sehen, die krepiert und keiner will es bemerkt haben. Die Welt „verdurstet“, sieht man jetzt zusehends und es zeigt: auch die Seelen dürsten schon viel zu lange. Es heißt, wenn sich die Seele von Gott abwendet, verdurstet die Welt, der Himmel sei dann wie aus „Kupfer“, alles vertrocknet: innerlich und dann auch äußerlich. Der Himmel ist dann verschlossen, bringt kein Leben mehr, weil der Mensch verschlossen ist. Wenn der Himmel zu ist, kupfern, dann regiert der horizontale Absolutismus, die Schlangenkraft der Entwicklung entspricht dem „Kupfer“, da ist kein eigentliches Leben mehr da.

 

Ein neues Leben erscheint hier und mit dem Erscheinen hat es „seinen vollen Sinn“, auch wenn es  - so sagen wir – in einer Katastrophe untergehen sollte. Für uns sieht es nach Katastrophe aus, aber wir haben nicht zu urteilen oder zu berechnen oder zu kalkulieren: wir haben das Vertrauen und wir handeln im Glauben.

Was heißt Vertrauen? Vertrauen heißt, dass jede Erscheinung hier auf Erden im Zeichen der Erlösung stattfindet, jede kleinste Kleinigkeit steht im Zeichen der Erlösung, in ihr kommt mir der Erlöser entgegen. Die Haltung, die dem Vertrauen widerspricht, ist die „als-ob-Existenz“, man tut so als ob…, es ist das eigentlich kein wirkliches Leben, sondern ein lebenslanges „Spielchen“, in so einer Existenz gibt es nur Generalproben, Ausprobieren, aber immer mit der Option, dass man immer wieder die Rollen austauschen kann. In einem anderen Zyklus war davon die Rede, dass das wahre Leben immer Uraufführung sei, hier gibt es keine Spielchen und so hat jeder Augenblick diesen Ernst der Uraufführung. „Als ob“ kann man mit Pseudo-Existenz übersetzen, der Pseudo-Mensch „spielt“ immerzu und meistens so, wie es die Gesellschaft verlangt – er spielt da einfach mit mit den Strömungen und Meinungen, heute so, morgen so. Und so redet man auch über Gott, aber man glaubt ihm nicht, je mehr der Mensch „über…“ spricht, desto weniger ist er im lebendigen Glauben. Ein gesunder Mensch spricht doch nicht „über“ seine Gesundheit, er fühlt es schon und weiß es auch, dass er gesund ist, er muss es nicht „besprechen“. Nur der Kranke spricht über seine Krankheiten und jammert die Anderen damit voll, weil er „krank“ ist. Und so wie die „Gesundheit“ einfach da ist, unerfindlich, man muss sie nicht thematisieren, so ist es auch mit dem Dasein: alles ist schon da in Gabe und Vergebung, davon kann man absolut überzeugt sein, dass jeder das ihm Zugemessene erhält, nicht mehr, nicht weniger und alles ausreichend.  Erlösung bedeutet nicht: ich bekomme ein schönes gesundes Leben in Wohlstand, mein Elend ist mir genommen worden. Jetzt kann ich eigentlich leben.  Rettung – Hilfe: wann ist Hilfe Hilfe, Rettung Rettung? Dann erst, wenn alles „verloren“ scheint. Wenn das Sterben definitiv wird, dann ist wirklich alles aus – dann aber kommt die ewige Überraschung: das Leben im Tod ist wirklich „jungfräulich“.

Das Wichtigste ist die „Liebe“, die Intimität. Die Bitte um Liebe, das ist das Wichtigste. Das Gesetz kennt in sich keine Liebe, dem Gesetz ist die Liebe verschlossen, es hat keinen Zutritt – die Liebe ist frei vom Gesetz. Neid ist dann, wenn die Liebe fehlt, dann kommen Neid und Gier. Sackgasse des Zeitlichen: man ist panisch verirrt in diese Sackgasse, fixiert auf das Vergängliche, Erscheinende, es fehlen dann Geduld, Langmut, Ruhe, Frieden. Das „Hören auf die Stimme des Erlösers“ ist in dieser Sackgasse unterbunden und wird auch bewusst verweigert. In der Sackgasse wird auch das irdisch Wertlose, das als wertlos und nichtig Bezeichnete, vergessen, nicht beachtet, man gibt es verloren: man kann es nicht mehr acht-en, es weltet dann nicht mehr eigentlich. Acht-ung hat doch mit dem Blick in das Wesen zu tun (der achte Tag ist doch der Himmel), woher alles kommt und wohin alles geht und zwar mit dem Bewusstsein, es, dieses Wesen, „hier“ nicht fassen oder intellektuell einfangen oder berechnen zu können, oder mit ihm zu wirtschaften.

 

Liebe: was ist Liebe? Und wenn man es wüsste, was dann? Liebe ist Hin-Gabe: Sich-hingeben bedeutet Opfer, etwas Aufgeben. Im Auf-Geben liegt das Geben und nur wenn es einen „Nehmer“ der Gabe des Gebens gibt, hat die Gabe einen Sinn. Wen sie nicht genommen wird, ist sie wertlos, sinnlos. Miseri-cor-dare: dem Armen, dem Miesen, dem Versagenden das „Herz schenken“. Der Mensch „versagt“ (sich) und so erst kann Liebe „sein“ – sonst wäre alles mechanischer Roboter-Ablauf. Mechanischer Ablauf ist „kalt“, Rechnung und Berechnung gehen auf. Der berechnete mechanische Ablauf kann nicht be-friedigen, die berechnete Liebe ist „kalt“, es die gekaufte Liebe. Nach bloßer Berechnung kann die Welt nicht bestehen.  Dummheit, Versagen, Blödheit „sind“ – die Sünde ist als „Potenz“ mit da. Nur wenn „diese Freiheit“ da ist, ist der Weg der Erlösung da – sonst wäre alles mechanisch, Roboter-haft, lieblos. Die unglaubliche Liebesgeschichte ist im Wesen ermöglicht und offen, das Wagnis der Freiheit, aus Liebe umsonst zu antworten: alles andere wäre sinnlos, kalt, ohne Leben. Es heißt: Glaube und Liebe seien identisch. Wer nicht glauben kann, der kann nicht lieben und wer nicht lieben kann, der kann nicht glauben. Glaube, Liebe und Hoffnung, die Drei sind im Wesen eins (mysterium trinitatis).  Der Liebende erst sieht Dinge, die der Berechner nicht sehen kann, weil er be-hindert ist. Man existiert als Behinderter im Bannkreis des horizontalen Absolutismus, wenn man berechnet oder in Sorge ist, so ängstigt man sich und ist im Zweifel wohnhaft geworden.  Wer ist ein Zweifler, woher kommt der Zweifel und was besagt am Ende Ver-zweiflung? Der Zwei-fel hängt mit der Einheit zusammen. Der Priester betet im Friedens-Gebet um „Einheit und Frieden“, daher hängt auch die Einheit in Gott mit dem Frieden zusammen. Ein-heit ist Eins-sein und man kann sagen, dass der Zwei-fler hier Unruhe (Un-Frieden) hereinbringt, er be-zwei-felt das Eins-sein: das ist im Wesen der Zweifler. Der Zweifler bleibt in der Zwei stecken, für ihn gilt: entweder dies oder das, beides zugleich ist nicht möglich (das wäre Eins-sein). Liebe könnte die Zweiheit der Gegensätze ver-einen, kausales Denken schafft das nicht. Für den Zweifler ist es z.B. unmöglich, dass der Mensch im Wesen gänzlich „frei“ ist und zugleich vollständig in Gottes Vorsehung steht. Das kann der Zwei-fler nicht anerkennen. Und so ist der Zweifler ein Recht-haben-wollender, er will es dann beweisen und dann kommt die Rechthaberei.

 

Der Mensch in Gottes Gleichnis, sein Abbild und zugleich in der Freiheit, „nein“ zu sagen. Der Zweifler wird das argumentieren können, am Ende wird er sagen: lieber Gott, das geht sich mit den Menschen nicht aus, sie werden Abtrünnige sein, sie sind schwach. Mit der Schöpfung zeigt sich das Materielle, das Stoffliche (mater-ia), die Mutter, kann man sagen. Ma-(te)-ria, darin liegt auch „Maria“ und spricht man nicht von der „terra immaculata“ : sie ist die ganz „unbefleckte, reine Schöpfung“. Maria kommt von Mirjam (Mar-jam), „Meer der Bitterkeit“. Es heißt, auf ihre Fürsprache hin kommt die Schöpfung entgegen aller „Zwei-fel“ zustande. Von diesem Schöpfungsaugenblick an regiert der Schöpfer vom Thron der Barmherzigkeit aus (misericordia), er schenkt also dem gedrückten Geschöpf sein Herz. Maria, die terra immaculata, sie ist die erlöste Schöpfung und sie trägt das Meer der Bitterkeit. Maria, kann man sagen, ist mit ihrem „Fiat“ der ewige Impuls der Barmherzigkeit. Maria als erlöste Schöpfung wird sagen: ich trage den Menschen, ich bringe ihn zur Welt (Miterlöserin, ich trage „ihn aus“, Mitgebärerin), ich bin mit ihm und ich werde ihn zurückbringen zu seinem Ursprung, dem Schöpfer. Maria als Mysterium ist also in der Schöpfung „verborgen“ an-wesend, sonst wäre die Schöpfung nie zustande gekommen. Im Wesen, kann man sagen, „ist“ die Schöpfung schon eine „erlöste“, daran wird kein „Zwei-fler“ mehr etwas ändern können und die ersten Zweifler im Sinne der Rangordnung sind die gefallenen Engel. Daher kommt auch der abgrundtiefe Hass des Satans und seines Gefolges auf die „reine, erlöste Mutter aller Schöpfung“.

 

Man kann die Tiefe des hier sehr schwach Ausgedrückten kaum fassen: jede Erscheinung hier, alle Materie, ist schon kontaminiert mit Erlösung und Eins-sein. Wenn das gilt, dann muss das Eins-sein nicht hergestellt werden, es ist auch nicht mach-bar, sondern „präsent“ im Sinne der allumfassenden Präsenz. Es würde besagen: alles, was in der Schöpfung erscheint und geschieht, kommt durch die Himmlische Mutter Zustande und geht durch die Himmlische Mutter zurück zum Vater der Schöpfung. Vielleicht zögerte der Himmlische Vater einen Moment (und dieses Zögern wäre ein Dauern, also Zeitlichkeit), weil er doch weiß, wie schwach der Mensch sein wird. Die Himmlische Mutter ist zugleich die Himmlische Liebe (das Himmlische Eins-sein, hier gibt es das Zwei-feln nicht). Liebe = Eins-sein. Und Himmlische Liebe, die alles ver-eint, sie ruft immer den Hass (Neid, Missgunst) hervor, denn die Logik des Zweiflers wird durch die Liebe zu Nichte gemacht (ver-nichtet). Man kann sich das an einem Beispiel klar machen: da wird, sagen wir, ein Kinder-Schänder irgendwo zum Tode verurteilt. Seine Straftaten waren wirklich grausam und böse, vielleicht ist er auch psychisch krank, wer weiß. Jener, so wird man denken, hat mindestens Freiheitsstrafe verdient, lebenslang. Logik hin und her, Argumente hin und her: der hat Strafe verdient. Käme ein Gericht nun zu dem Urteil: du bist frei, hast keine Strafe verdient – so würde man das nicht verstehen können. Man würde es dem Delinquenten einfach nicht „gönnen“, dass er be-freit ist. Hass, Neid und Missgunst sind dann die Folgen. Der Neider kann die allumfassende Liebe nicht gönnen, weil er immer anscheinend gute Argumente anführt, die aber von der Göttlichen Liebe geschluckt werden. Die Göttliche Liebe schluckt auch die abtrünnigen Menschenkinder. Und der Neider von Anbeginn ist doch der Lügner von Anbeginn: der Satan. Die Finsternis kann das Licht der Liebe nicht fassen, oder: der Zwei-fler ver-zweifelt am Ein-sein der Liebe.

Die Mutter im Himmel sagt ihr „Fiat“ und damit kommt der Ewige Durchbruch, die Schöpfung zu Stande: denn sie gebiert den Erst-Geborenen. Die Unfruchtbare jauchzt, weil sie es ist, die die Frucht trägt und aus-trägt und die Fruchtbare werden wird. Und das gilt jenseits der Zeitlichkeit für jede Zeit. Sie trägt den Menschen bei der Geburt und beim Tod (sie steht unter dem Kreuz). Ihre Gebärmutter ist mit ihrer Fürsprache zum Gebären bereit, weil sie alles Bittere tragen wird. Hier liegt die Quelle aller Barmherzigkeit und dadurch regiert die Barmherzigkeit, kommt Schöpfung zu Stande, weil die Mutter ihr Erbarmen kundtut.

 

MA-(te)-RIA ist erlöste Schöpfung, je jeweilen präsent und sie trägt schon als Materie das Schwere (die Bitternis) der Verdichtung. So kann man sagen: Die Materie trägt „in sich“ das Mysterium der Mutter im Himmel. Und sie gebiert den Erstgeborenen und die Zweifler zürnen, weil ihre Liebe den Schöpfer überzeugt hat. Die Logik der Verzweiflung wurde weggewischt. Was bedeutet das? Es sagt, dass für das Eins-sein nichts unmöglich ist. Entgegen der Logik und Berechnung, dass es mit dem Menschen schief gehen wird (und das zeigt sich ja vielfach im Weltverlauf) erschafft der Schöpfer diese Schöpfung dennoch, trotzdem, umsonst, für Nichts: so „tut“ die Liebe und nur so ist sie „schöpferische Liebe“. So „verrückt“ ist diese Liebe! Es sagt aber jetzt noch mehr: die Materie, die Erde, die Schöpfung, alles Geschöpf – all das hat „in sich schon ewigen Sinn“, denn dies alles wird von ihr „getragen und ausgetragen“ – geboren. Gottes „Herz“ kann man sagen, steckt mitten in dieser Schöpfung und der Sinn liegt dann darin, dass diese Schöpfung „getragen ist“ – nichts geht also verloren, sondern alles ist schon eingesammelt.

 

Der Zweifler im Himmel wirkt sich auch in der Schöpfung aus und es sind dann auch unsere Zweifel, die die Ver-zweiflung verhärten. Der Verzweifelte hat den inneren Blick für das Eins-sein verloren. Die Mutter im Himmel begleitet uns aber und wir erfahren das auch, indem wir „sind“ (Geschöpf), Materie, indem wir zum Erscheinen in diese Welt der Schwere gebracht sind. Und der Vater im Himmel hat zugesagt, nimmt es an, sodass das verloren Scheinende (Argumente der Zweifler) trotzdem, dennoch, umsonst das Eins-sein (die Rückkehr) erleben können – also die „umsonstige Liebe“ als Intimität mit Gott.  Zeitlichkeit im Irdischen wäre dann Ausdruck der Barmherzigkeit der Himmlischen Mutter, ist jene uns gewährte Dauer (des irdischen Aufenthaltes), diese Zeitlichkeit als „Zögerung“, könnte man sagen, jene Zögerung des ewigen Augenblickes im Himmel, aufdass die wir schon umsonst Getragenen umsonst zurückfinden ins Vaterhaus.  Zeitlichkeit gäbe es nicht, waltete nicht die Himmlische Barmherzigkeit. Das Wort Frieden heißt doch zugleich auch Freiheit. Wenn der Priester um Einheit und Frieden betet, so auch zugleich um Freiheit. Friede: darin liegt Frei-sein, wer im Frieden ist, der ist be-freit vom Zweifel.

 

Im letzten Zyklus war vom „Enden in der Vollendung“ die Rede. Das Schöpfungswerk ist also mit der Barmherzigkeit „vollendet“ und so kann auch der 7. Schöpfungstag Tag gesegnet „sein“ (Segnung ist Vollendung, ganz machen, eins machen). Diese Feststellung enthält die Aufforderung zur Annahme der Vollendung, dieser Tag der Ewigen Dauer der Vollendung ist also zu „heiligen“.

Es bedeutet: Vollendung „tut sich schon“, man sollte also „ruhen“ und zwar in dem Sinne, dass man der Schöpfung mit Ehrfurcht begegnet, also mit Staunen vor jedem Geschöpf: und jedes ist jedes. Dann erfolgt der Dank, die Hinnahme dieser Welt als „beste Ordnung“ Gottes. Das ist der „Sinn“ des Glaubens. Dann „glaubt“ der Mensch Gott.

 

„Es ist alles in bester Ordnung“: so spricht es am 7. Schöpfungstag, der ja auch unser „Alltag“ sein sollte. Und das Gespräch im Himmel findet doch immerzu statt, hier ist doch „Himmlische Liturgie“. Wenn es heißt: erhebet die Herzen – dann besagt es: ruhen in der Göttlichen Vollendung! Man steigt aus der Verdichtung der Materie hinauf in den Ewigen Himmel. Sich-erheben hat einen tiefen Sinn: Aufstieg zu Gott (F. Sheen) - wie der Weihrauch aufsteigt und unsichtbar in der Herrlichkeit Gottes verschwindet; nur der Wohlgeruch bleibt zurück, die innere Empfindung, dass "Entsprechung" ist. Der Aufstieg löst sich von der Schwere, die da aber nicht mehr be-stimmend ist. Im Be-stimmen liegen Stimme und Stimmung. Aus unerfindlichen Gründen sprechen in uns doch jederzeit „Stimmen“, manche Stimmen ziehen ins Schwere und Schwierige, sogar bis in die Verzweiflung. Manche Stimmen lösen vom Schweren, be-freien zur Freiheit, er-lösen vom Druck. Wenn das Schwere im Existieren zu-nimmt, dann wird auch der Stolz groß.

 

So kann man sagen und es wäre eine gute Untersuchung: Depressive Menschen sind wesentlich „sehr stolze“ Menschen, sie kreiseln permanent um ihre Schwierigkeiten, eben weil es so „schwer geworden“ ist. Man kann ohne weiteres behaupten: Depressive Menschen sind auch immer ausgeprägte Egoisten. Sie vergiften mit ihrer Schwermütigkeit und Jammerei, ziehen herunter, sind ansteckend. Der Depressive gefällt sich selbst im Sud der eigenen Jammerei. „Bescheidenheit“ (als Gegenteil von Stolz): das kennen Depressive kaum oder gar nicht. Man begegnet Depressiven oft mit Verständnis, besonderer Vorsicht – aber im Grunde sind depressive Menschen ausnahmslose und oft sehr rücksichtslos Egoisten, Aggressive, die in ihrem Selbstmitleid unermesslich untergehen.  Echte Bescheidenheit hingegen nimmt die „Schwere“ des Existierens nicht mehr so ernst (das ist dann auch die Quelle des „Göttlichen Humors“).

 

Denn wenn man Gott die „Ehre gibt“ heißt das: ihn in allem Geschehen hier an-erkennen. Man erkennt dann den Großen Göttlichen Zusammenhang aller Dinge, nicht, dass man alles jetzt wüsste, aber doch in der Gewissheit: ich muss nicht alles wissen und Gott sei Dank gibt es Dich, Großer Gott, der Du doch alles weißt – das genügt mir! Dass Gott in allem Geschehen „präsent“ ist, das ist doch eine ungeheure Zusage, Verlässlichkeit und Sicherheit. Im Erheben der Herzen wird die Welt nicht gering geschätzt, sondern erstmals „als“ Schöpfungswerk anerkannt und damit erkannt. Es ist dann eben keine Kleinigkeit mehr, dass ich Ameisen in der Küche so mir nichts dir nichts erschlage, es ist keine Kleinigkeit mehr, dass ich Getränke in Aludosen kaufe oder ob ich noch immer 3 Autos unbedingt benötige.

 

Stimmung ist daher nicht nur Stimmung, das Gestimmt-sein (könnte man nach Heidegger sagen) könnte auch ein Existenzial sein. Und je nachdem, welche Stimme in mir maßgeblich spricht, je nachdem werde ich gestimmt sein, schwer oder leicht, belastet oder be-freit.

Es ist nicht so, dass ich den Stimmen hilflos ausgeliefert wäre, sondern ich habe die Freiheit, Stimmen zu verweigern oder sie zuzulassen. Es ist wie mit der Musik: ich kann schlechte oder gute Musik hören, das liegt in meiner Freiheit.

 

Die Grund-Befindlichkeit eines Menschen hängt im Wesen davon ab, ob er die Verbindung zum Schöpfer verloren hat oder nicht. Daran hängt alles. „Der Geist ist es, der lebendig macht – das Fleisch nützt nichts“ (Joh. 6,63).

 

Nun noch ein Wort zum Begriff „Liebe“: mir scheint, dass kein Begriff so inflationär ist wie dieser. „Liebe“ – sofort hat man so seine gängigen Vorstellungen: lieb, nett, Lust, Sex, Harmonie, Wohlwollen, rosarote Brille, Verlobung, Hochzeit, Kinder usf. Auch erhabene Vorstellungen wie 1 Korinther 13 kommen dann.

 

Das Wort Liebe hängt in tiefem Sinne mit dem Wort „Hin-Gabe“ zusammen und zwar in letzter Konsequenz mit einer „aboluten Hingabe“: ein sich ganz auf-geben. Hin-Gabe ist Weg-Gabe und unter Gabe kann Geschenk verstanden werden und dann wäre die Weggabe Verschenkung und für den Empfänger, für uns alle, bedeutete es, das Geschenk „anzunehmen und aufzunehmen“. Die Gabe aber, die zuerst und im Anfang ver-geben wurde und vergeben wird, das ist die Schöpfung des Schöpfers. Der Schöpfer selbst gibt sich hin in seiner Schöpfung, damit diese „sei“.

 

Im Begriff der Ver-Gebung liegt die Gabe (das umsonst Geben) und man denkt bei Vergebung sonst immer an Verzeihung, aber vielleicht liegt der tiefste Sinn der Ver-Gebung in der Ver-Schenkung, im Geschenk, die Schöpfung wird weg-geschenkt, weg-gegeben, losgelöst vom Schöpfer und zwar auf der Grundlage der „Barmherzigkeit“ (siehe oben).  

 

Ver-gebung hat dann mehrfachen Sinn: Empfang des Geschenkes, das Mitgehen des Erlösers in seiner Schöpfung, das Tragen der Schöpfung durch die Himmlische Mutter und im letzten auch den Sinn, dass Vergebung als Verzeihung Wirklichkeit ist (das Sakrament der Vergebung).

 

Das alles umfasst den „Sinn der Liebe“.

 

Im nächsten Zyklus soll dieser Sinn der „Ver-Gebung“ betrachtet werden. Das Geben der Schöpfung sucht den Empfänger, den, der „voll“ empfangen will. Volles Empfangen drückt sich in letzter Konsequenz im Dank aus. Nur der Empfangende kann wirklich dankbar sein, weil er sein Seyn empfängt aus „Gottes Großem Brückenbau“ (Rilke).

 

Die Seele soll nicht so sehr auf das Irdische und Fehlerhafte blicken, das gibt es zur Genüge, sie soll ihren Blick auf den „Messias“ richten, auf den Herrn, auf die „Vollendung“: sie soll zu Ende kommen in der "Vollendung".

 

Wer seinen Blick auf  "Gabe und Ver-Gebung" gerichtet hält, der ist schon gerichtet, "repariert" - in Gottes große Ordnung gebracht.

 

 

(Weiterführung)

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXXII)

 Λήθη XIII    Erlösung XVI   (Pfingsten 2022)

 

 

Sprache als Ge-Dicht, oder: auf der Überholspur

 

 

Sprache spricht jetzt im Ge-Dicht. Das Ge-Dicht wehrt die Einwohnung in die Einbildung ab, diese wird verweigert. Einbildung kommt der Dauer (Zeit) auf der Überhol-Spur gleich, hält sich nur hier auf, ist also nicht in der Lage zu vernehmen. Ein-Bildung spricht in sich: nur dieser Weg und nur so, in dieser einen Art und Weise. Ein-Bildung ist daher in sich begrenzt, das Grenzenlose ist ihr nicht zugänglich.  Im Ge-Dicht dagegen ist das Ich (Einbildung) verweigert, es kommt nicht mehr zum Zug, spielt keine Rolle mehr als tragende Kraft. Es ist da, aber es wird in seinem Auftritt „beschnitten“. Im Ge-Dicht kommt erstmals die „Sprache zur Sprache“. Was spricht die Sprache im Ge-Dicht? Im Ge-Dicht kommt der Augenblick zur Geltung oder zur Sprache, das ist das je jeweilen Zugetragene, Sich-ereignende. Dem Ereignenden entspricht das Hören, das Lassen, das Zu-Lassen. Im Ge-Dicht hört man also auf die Stimme der Ereignung. Was spricht diese Stimme? Das, was je jeweilen geschieht. Was geschieht? Der Augenblick geschieht! Wie geschieht dieser Augenblick? Der Augenblick geschieht im Du, ist also „personal“, geschieht als „Dialog“, als ein „Durchsprechen (Dia-log) des gerade Geschehenden“. Dieses Durch-sprechen ist in erster Linie ein „Handeln“ aus der Stille, aus dem Schweigen. Glückt diese Entsprechung, wandelt sich das Ge-Dicht zum „Gedicht“. Die Dichtung im Gedicht gleicht der Nähe und lässt keinen Raum mehr für die als-ob-Reproduktion (Einbildung). Wenn man also nicht mehr ganz dicht ist, ist man auf der Überholspur unterwegs, in der Hetze des Alltags, da gibt es noch viele (meistens irdische) Ziele und Aufgaben zu erledigen (und viel Jammerei). Er-Eignung kann nur sein, wenn man dem Eigner entspricht, dem, dem alles gehört, weil er der Eigentümer „ist“. Sprache spricht zumeist aus der Einbildung und kann so nicht ent-sprechen. Oben ist gesagt: im Ge-Dicht des Augenblicks ist dem Du das Hören geschenkt. Der Augenblick ist daher immer Du-Ge-dichtet, zugepflastert mit ewiger Ansprache. So ein Augenblick weltet in Betroffenheit. Er, dieser Augenblick, ist mit Zeit nicht mehr zu fassen, die Zeitlichkeit hat da keinen Zugriff mehr und somit fällt auch die Messbarkeit dahin (die Planung wird obsolet).

 

Auf der Überholspur dagegen spricht die Sprache nicht, es gibt zwar viel Redeschwall, Worthülsen, aber weil das Hören auf der Überholspur nicht möglich ist, deshalb gibt es hier kein Sprechen und keine Sprache. Sprechen und Sprache: aus einem Mysterium geschehend; man greift zu, glaubt an Eigenmächtiges und glaubt so an Kontrolle, Kontrolliertes. Aber das stimmt nicht! Die Sprache entzieht sich dem Zugriff. Finden: etwas erreichen, diesem begegnen. Finden ist: sich (be)-finden und spricht vom „Fund“. Kommt die Begegnung, kommt das Sich-finden? Erstarrung = Finsternis: wenn Finsternis herrscht, herrscht Dunkelheit, tenebrae. Starre = Lähmung, unbeweglich sein, fixiert sein: geistige Lähmung. Getriebenheit: auch eine Fixierung, auch eine Erstarrung in „fixen Bildern und Einbildungen“. Getriebenheit kann auf das Erscheinende nicht „acht-en“ (acht-er Tag) – die Vollendung in der Begegnung. Man ist weiter blind fixiert; aber das Erscheinende, es sind in erster Linie die Gedanken, die auf und abtreten, achte ich sie, was kommt da an, jetzt gerade? Habe ich Sensorium dafür oder rase ich weiter in meiner Fixierung, auf der Überholspur – im: das habe ich immer schon gewusst? Der Fixierte kann die „Zeichen“ (der Zeit) nicht lesen, sie sagen ihm nichts weil er sie gar nicht „als“ Zeichen wahr-nehmen kann. So lässt sich der Fixierte im Grunde nichts sagen, er lässt sich nicht ein auf Betroffenheit, kann man sagen. Dazu gehörte die Aufmerksamkeit auf das Wort und das bedeutet: hin-horchen können auf das, was sich eben zeigt, mir zu-kommt, auf die je-jeweilige Situation. Betroffenheit eröffnet den wahren Dia-log, weil der Augenblick immer „neu“ ist in seiner Selbigkeit.

 

Wie ist die je jeweilige Situation? Sie zeigt sich und sie entzieht sich dem Zugriff und auch aller Planbarkeit. Wer eine Rede hält und nicht auf die je jeweilige Situation achten kann, der hält einen Monolog. In einer „wahren“ Rede spricht vielmehr der Andere, er kommt zum Wort, und so ist der wahrhaft Sprechende immer der „Hörende“, der, der den je jeweiligen Augenblick empfangen kann. Alles andere wäre Programm! Dann wechsle ich vom Modus Zuschauender in jenen: Angesprochener, Gemeinter!Fixiert zu sein ist Ausdruck der Angst vor der Gnade, Angst auch vor der Vorsehung Gottes. Vorsehung Gottes bedeutet „Geduld“: die Un-Geduld ist Ausdruck des Verräters. Der Verräter hat keine Zeit, weil er noch Pläne hat, Einbildungen, Projekte. In Genesis 3 offenbart sich das Drama des Falles im Sich-verstecken, man flieht die Ansprache, erträgt sie nicht, das Ge-Dicht, dem man „dennoch“ gehört, wird unterdrückt (verweigert). Unstet und rastlos (Überholspur) sind wir Kainiten, immer unterwegs, Jäger um des Jagens Willen. Man kann sagen: wer keine Zeit mehr hat, weil er so viel zu tun hat, der ist Gefangener der Zeitlichkeit, die letztlich „nichts“ ist, Staub – der ist geradezu besessen von Zeit, er hat sie geradezu in Überfülle, der, der sagt, er habe keine Zeit. Der Zeitlichkeit ausgeliefert sein besagt gerade: Zeit „haben“, sie besitzen, im Zeit-Gefängnis hocken. Der ontologische Zirkel ist geschlossen und auch die himmlischen Fragen, die aus ihm heraus phrasenhaft gestellt werden, ja sogar die eingebildete fromme Betroffenheit, sie allesamt bleiben „blutleer“, haben kein Leben in sich wie die 90 Jahre alten blutleeren Lippen des Großinquisitors. Blutleere Lippen sind dann der Ansprache nicht mächtig, nur Eingebildetes kommt von ihnen, sehr Unpersönliches, Fremdartiges. Die Sprache im geschlossenen ontologischen Zirkel ist die wahre „Fremd-Sprache“. Kein Wunder, dass im Geplapper der Welt, im Übermaß der Worthülsen man wie erschlagen hervorgeht, „fremd“ ist es einem da zumute; man spürt das schon, aber zugeben wird das kaum einer. Man sagt, man lerne Fremdsprachen, tut sich schwer damit, doch verhält es sich anders: wir sind Meister der Fremdsprache, weil wir nicht mehr auf den heiligen Augenblick des Alltags hören können und das ist der „kleine Augenblick“, die Nebensache, das Unauffällige – je jetzt. In der Fremdsprache sich aufhaltend bildet man sich den erhabenen Augenblick bloß ein, man ist immer „aus auf…“ noch zu…, die Angekommenheit im Augenblick wird so über-holt, gar nicht wahr-genommen. Dem Ge-Dicht (Dickicht der Ansprache Gottes) eröffnet sich die Erstaunlichkeit je jetzt, die Bewandtnis des Geschehens. Das Ge-Dicht hat keine Zeit für Ein-Bildung, könnte man so sagen.   

 

Das Ge-Dicht kennt keine Uniformität mehr, sondern nur das Einmalige, Unhintergehbare und Prinzipielle: das Unersetzliche. Wenn man heute sagt, jeder oder jede sei zu ersetzen, so ist das reiner Ungeist, der so spricht. Nichts und niemand ist zu ersetzen, jeder und jede ist „einmalig“, nur einmal da seiend, nicht in dieser Prägung ersetzbar. Einmaligkeit besagt aber: es gibt keine sogenannten „Zufälle“, sondern nur den einen großen „Zu-Fall in Gott“. Das Ge-dicht nähert sich  - besser gesagt: liefert sich der Einmaligkeit aus, setzt sich dem Andrang der Ansprache aus. Das Einmalige kommt in dieser Art und Weise nie mehr, es ist „einzig-artig“, von der Art des Einmaligen. Man kann folgern: jeder Augenblick hat „diese“ Qualität der Einmaligkeit. Im Ge-Dicht „braucht“ es und das Brauchen meint jetzt: das Über-liefern, das Aus-liefern, das tradere und mitgemeint ist das „Ver-brauchen“. Wer mich „braucht“, der ver-braucht mich meistens, oft auch werde ich benützt, das ist nicht schön, aber gehört auch zum Verbrauchen. Wer sich aktiv für seine Nächsten „verbrauchen“ lässt, der ist kein Masochist, sondern „Hörer des Wortes“. Und das Wort ist doch immer: Gottes Wort! Gottes Wort ist keine Einbildung, sondern immer abstrakt und konkret (wenn man das so ausdrücken könnte): abgezogen zum Wesentlichen im Wort (abstrahere) und gesetzt in den je jeweilen konkreten Augenblick. Im Ge-dicht spielen (klingen an) Ferne und Nähe, Dia-log. Das Ge-Dicht hält immer eine Botschaft bereit, bereit, dass sie empfangen werde. Sich verbrauchen lassen: das ist eine Zumutung, wird man sagen, denn wer sich verbrauchen lässt, der erhält für sich selbst keinen Lohn, hat keinen Gewinn für sich, der, der sich verbrauchen lässt, der wird (oder ist) verwundbar. In der Ver-wundbarkeit liegt die Wunde und was „wund“ ist, das ist doch „offen“, irgendwie ge-öffnet, steht offen. So wie die Wundmale unseres Herrn offen sind, in jedem Augenblick, sich nicht schließen, weil sie Sehnsucht haben nach mir. Sich-verbrauchen lassen hängt innerst zusammen mit dem Zulassen der Verwundbarkeit. Meistens flieht man die Verwundung durch die Anderen, trägt schwer an der Last der Verwundungen, die jeder mit sich trägt, aber nicht haben will. Die „Wunde“ ist das Kennzeichen der Öffnung, auch gerade der Öffnung und Hinwendung zu Gott. Wunde „geschieht“, „prozessiert“ und kennt keinen Ausweg mehr. Ausweg „kennen“ heißt noch: Flucht (noch einmal davongekommen). Das Fliehen ist dem Wort Un-Geduld gleich, wer also ungeduldig ist, der ist zugleich auf der Flucht. Warten können, Vertrauen haben, in der Stille sein können, im Dunklen gehen und dennoch zuversichtlich sein: das heißt es, „verwundbar“ zu sein, geöffnet zu sein wie eine „Wunde“.

 

In der Ge-duld liegt das „Dulden“ und das ist das Ausharren können in Langmut, das sichere Vertrauen zeigen und haben, dass Gottes Wege „wahr“ sind und „heilig“ (also zuverlässig). Dulden ist daher immer Dulden von Zeitlichkeit, überzeugt sein von der „Ewigkeit in Zeitlichkeit“.

Ewigkeit in Zeitlichkeit besagen: Ruhe, Stille, das Anhalten im Strom der Vergänglichkeit und zugleich die absolute Glaub-würdigkeit im Ge-Dicht. Der Blick der Augen ist jetzt ge-richtet, repariert, kann man sagen, wieder hergestellt und so ist es der wahre Augen-blick. Recht und Gericht haben mit „Richtung“ zu tun und man kennt doch die Mahlzeit als „Gericht“, das an-gerichtet ist und man freut sich darauf. Und man kennt doch auch das Wort, dass das Kaputte „gerichtet“ wird, wieder hergestellt, repariert. Und das gilt gleichsam auch und in erster Linie für die kaputte Seele, die Gott selbst „repariert“ und wieder richtet, gut und ganz macht. Das Gericht ist also die große Werkstatt Gottes, in der die Seelen wieder ganz gemacht werden und das ist Ausdruck seiner unendlichen Barmherzigkeit, dass das „jeden Augenblick“ möglich und wirklich ist, in diesem Dauern von Zeit.

Die Wörter Richtung und Gericht zeigen auch eine Perspektive an, eine „Bewegung der Seele“, kann man sagen, also einen Bezug (relatio). Wer also auf Gott schaut, „ist“ relativiert, der Bezugspunkt ist dabei der Himmlische Vater und alles Zeitliche wird in Bezug (relativiert) zu ihm gebracht. Die Existenz ist aus-gerichtet und somit „gerichtet“ im mehrfachen Sinn des „Richtens“. Bewegung (Regung) der Seele ist Gang der Seele, also ein „Weg der Seele“, der gegangen wird, so oder so – je nachdem. Es ist unser Gang in der Zeitlichkeit und auf diesem Gang ver-geht man. Am Ende des Weges (des Vergehens) wird es „still“ um die Existenz.

 

Es ist sehr wichtig, das zu fassen: die Zeit ver-geht und so geht sie immer „voran“, wir holen die Zeitlichkeit nie ein, sondern sind ihr aus-geliefert. Diese Zeit ist sehr verlässlich in ihrer Dauer der Anwesenheit, immer geht sie uns voran und verlässt uns nie, Zeitlichkeit bereitet den Weg, geht voran, ist Vor-Gänger. Die Zeit kann aber auch verschlingen, dann, wenn die Seele ohne Gott leben will. Eine Gott-abgewandte Seele kann die Schöpfung und Gott in ihr nicht „loben“, sie wird dann von der Zeit aufgefressen und vernichtet, ihr Anspruch, ihr Maß, das ist der horizontale Absolutismus. Wir gehen täglich mit dem Nicht-Verfügbaren um, die nicht-greifbare Zeit ergreift uns und wir sehen uns dem Dunkel der Zeit hinein ausgeliefert. Wir sind also gut „bekannt“ mit dem Verborgenen, dem Sich-entziehenden. So weltet der Mensch im Mysterium und er „weiß“ nichts davon und wird es auch in kein Wissen bringen können (und dürfen). Es ist dann nicht nur ein Opfer des Wissens, sondern in erster Linie ein sacrificium cordis, jenes reicht tiefer, ent-spricht dem Mysterium, das sich entzieht. Erst im Opfer unserer Existenz feiert der Glaube seine wahre Auferstehung. Der Weg des tiefen Glaubens ist der Weg des Lammes: es geht den Weg „ohne zu wissen“ – es geht im Urvertrauen, dass bei Gott alles schon vollendet (und gerichtet) ist. Wer in diesem Gott-Vertrauen wohnen darf, der hat es nicht mehr eilig, wozu auch? Der muss auch nicht mehr auf der Überhol-Spur unterwegs sein, wozu auch? Man spürt die Angst vor dem Los-lassen (Opfer) der eigenen Ansprüche, Ein-bildungen, Vor-stellungen. Das „Wissen“ verführt zur Fixierung, zum Behalten-wollen der Einbildungen, die man sich zurecht gemacht hat. In der Nacht, der äußeren wie der inneren, den lebendigen Herrn zu loben weil es der Herr „ist“, das ist kein Wissen mehr, in der dunklen Nacht des Glaubens liegt das heilige Umsonst der Liebe. Das Opfer des Herzens ist der Mut zum Sprung in die dunkle Nacht des Glaubens (nicht mehr wissen können). Es ist hier die zentrale Frage der Wahr-nehmung: was oder wie nehme ich wahr? Wie begegne ich dem „Wort“, nur nach der Außenform, nach dem Hören sagen, was höre ich da noch oder ist es so weit, dass ich Gefangener meiner Ein-bildungen bin, aus diesem Gefängnis gar nicht mehr ausbrechen kann, weil ich mich immunisiert habe gegen jedwede Irritation? Dann ist alles im Grunde austauschbar, ersetzbar, gleich-gültig und es beginnt die „Große Re-produktion“ der Schleifen. Wenn die Große Reproduktion einsetzt, verlässt man den Ort der Wachsamkeit, der Anhalt (die Stille im Anhalten) wird verlassen und so wendet man sich Zeitlichem zu, verliert darüber den Halt und das, was eigentlich relativ gesetzt sein soll, wird mächtig, ausschließlich. Es beginnt die „Eile“ im geschlossenen ontologischen Zirkel. Im geschlossenen ontologischen Zirkel wird es immer dunkler: es ist „unsere“ Zeit jetzt und es hat sie zu allen Zeiten gegeben, denn die Zeit drängt jederzeit zu diesem „Schließen im Schluss“, der besagt: im Endlichen zu Ende kommen. Das geschieht zunächst im Urteil, im vorbehaltlosen, unreflektierten Urteil. Die Sprache legt sozusagen „wie wild geworden“ los, wie es kommt, so wird es gesprochen: zu Ende ausgestoßen. Die Sprache „erstarrt“ im Schluss (Schließen) der ontologischen Differenz und versteht sich selbst nicht mehr und so gibt es die unzähligen Sprachen, die einander nur mehr äußerlich kollidieren. Erstarrung (das Einfrieren) heißt: man haust sich in Fixierungen ein, lebt darin und „meint“ Wirklichkeit. Aber dieses Meinen ist nicht die Wirklichkeit, es ist eine Ein-Bildung mit durchaus sehr ernsten Folgen.

Das Tun und Handeln im „Schluss“ verfolgt das quid pro quo: etwas für etwas. Es ist immer irgendwie aus-orientiert (außen-orientiert), verfolgt immer Ziele und will etwas „haben“, nur dann ist es auch bereit zu geben. Ich komme also unter anderem zu Gott, „weil ich etwas haben will“ (Gesundheit, ewiges Leben, Erlösung, Frieden usf.). Diese Gesinnung entspricht der Kaufmanns-Existenz in uns: etwas für etwas. Der Kaufmann kommt zu Gott und spricht: du gibst mir das und ich gebe dir das, oder: ich gebe dir das und dafür bekomme ich jetzt das. Es spielt also immer ein Motiv herein: man muss tun um etwas Willen (und man tut auch so). Und das gilt in allen Lebensbereichen: ich tue das, weil …

 

Fiele das „Eigen-Motiv“ weg, dann wäre das Handeln ohne Nutzen, es wäre „umsonst“, ein reines Handeln aus dem Sein, keine eigennützige Bewegung mehr. Es wäre ein Handeln aus „Gnade“, aus unerfindlichen Gründen, eben „umsonst“ (gratis, gratia). Der Kaufmann kann nicht handeln „umsonst“, er nimmt (und muss es) die endlichen Dinge sehr ernst, so, als gäbe es Anderes überhaupt nicht. Im Ge-Dicht des Seyns wird es dann in einer verkehrten Weise sehr „dicht“ und ich nenne das jetzt den: Anstoß. Das Dicht-sein (im Zu-sein) stößt an, nimmt Anstoß, reibt sich, wird vom Anstoß sogar verletzt, weil der Anstoß wirklich „weh-tut“, doch für den Kaufmann (Eindimensionalität) bleibt es nur beim „Weh“ und er nimmt daran Anstoß. So wird der Kaufmann in jener Welt hin- und her gestoßen, tagtäglich geschieht dieses äußere Anstoßen (es sind die Geschehnisse, medial aufbereitet, aber auch die personalen Begegnungen). Im äußeren Angestoßen-werden wird (oder ist) es so dicht, dass man zum „Spielball“ der Geschehnisse wird: der Kaufmann wird in-formiert (formiert nach äußerem Anstoß). Jene Formation ist das Spiel der Kräfte, denen man hilflos ausgeliefert ist und zwar deshalb „hilflos“, weil man dieses Spiel „als“ diese In-Formation nicht mehr sehen kann. Es fehlt, kann man sagen, der absolute Standpunkt oder wieder mit anderen Worten: man hat seine Seele „verkauft“. In der In-Formation vegetierend wird alles auf-regend und so ist der Kaufmann immer auch der Aufgeregte, weil die ständig ankommenden Regungen (medial, personal, weltpolitisch) Nahrung für den Moment bieten und im nächsten Moment eine andere Regung wartet (und erwartet wird). Es „regt“ sich in dieser Welt ohne Unterlass und so ist es keine Frage, dass der Kaufmann ein „Aufgeregter“ sein muss.  Er hat auch kein Mittel, die Aufregung zu unterbinden, er müsste seine Kaufmanns-Existenz opfern: es geht da ums Ganze! Und so wird mit der Zeit die „Aufregung“ eine Normalität im Alltag. Dass man sich aufregt, über dies oder das – das gehört dann zum Tagtäglichen, gehört sogar zum intellektuell „guten Ton“. Man hat dann erhabene Meinungen, weiß besser Bescheid, ist besser in-formiert (gleich-geschaltet). Der „Anstoß“ formiert sich zunächst in der Vorstellung (Einbildung) und Einbildung ist allererste Gelegenheit zur Realität in der eindimensionalen Welt. Ein Beispiel: ein Arzt sagt einem Patienten, dass er sehr schwer krank sei. Der Patient „glaubt“ dem Arzt und stellt es sich vor (Vor-Stellung), bildet es sich so auch dann ein (Ein-Bildung) – wenn das geschieht, ist er tatsächlich schon schwer krank. Man kann folgern: alleine die Tatsache des häufigen „Denkens“ an Krank-sein bringt dann auch die Tatsache des Erkrankens und Krank-seins mit sich. Und dann meldet sich ein körperliches Symptom, da kriegt man dann die Bestätigung, dass man ja das schon so gespürt hätte. Im Grunde bestätigt man dann seine eigene „Ein-Bildung“ oder „Vor-Stellung“ (man könnte auch sagen: Fixierung oder Festlegung). Vorstellungen und Einbildungen haben also immense Auswirkungen. Anders gesagt: was wir „glauben“, das „ist“ auch. Jetzt könnte man sagen: aber dann gibt es ja keine wirklichen Erkrankungen, das ist alles „reine Einbildung“. Nein, es gibt die Krankheiten und am schwersten wiegt jene, die nur Einbildungen und Fixierungen kennt und sonst nichts mehr. Es ist auch jene Krankheit, die nur mehr irdisches Maß anerkennt, sonst nichts mehr. Auch Vor-Stellungen (Einbildungen) können sterben, das ist eine Erfahrung, dann eröffnet sich ein neuer Horizont. Wenn ein Arzt mir sagt, ich sei sterbenskrank, dann kann ich mir sagen: das glaube ich nicht, denn ich lebe von „Ewigkeit“ her und das ist mein Maßstab. Und so kommt das Existieren im Messen und Vergleichen (Vor-Stellung) dem Sterben gleich: denn jedes Messen muss eine „Grenze“ finden, sonst wäre es kein Messen. Und wenn das Maß des Messens das bloß Vergängliche ist, dann gibt es am Ende „nur“ den Tod. Der Tod gehört zur Welt des Messens, er gehört aber auch zur Welt des „Lebens“ und dann ist er nicht mehr der Tod des Messens, dann hat er eine andere, von Ewigkeit her bestimmte Qualität. Man sagt so schnell: nichts ist sicherer als der Tod! Und man hört es auch von manchen Priestern. Weiß man überhaupt, was man da sagt? Man müsste eher sagen: nichts ist so „sicher“ wie die Liebe! Das Gelobte Land hat kein „Maß“ mehr, daher fällt alle Vor-stellung und alle Einbildung dahin. Es ist paradox: wenn man vom „Himmel“ spricht, ist man gleich mit Sprüchen wie: reine Einbildung, Vorstellung, Fantasie konfrontiert.

 

Und das Gegenteil ist aber der Fall: die, die so sprechen, sie wissen gar nicht, wovon sie eigentlich reden. Denn im „Himmel“ gibt es keine Einbildungen, Vorstellungen oder Fantasien, das ist gerade die Welt der sogenannten Realisten, die sich immerzu etwas zusammen reimen, einbilden, vorstellen. Es verhält sich geradezu umgekehrt. Man muss damit aufhören, sich unter „Liebe“: nett sein, wohlwollend sein, ja keinen Ärger machen, immerzu verständnisvoll, lieb sein, nie Ärger haben usf. zu verstehen. Nein, die Liebe ist mächtig zur Gegenrede, zum heftigen Gespräch mit Gott. Wer mit Gott nicht „heftig“ reden kann, der ist nicht fähig zur Liebe. Wer nur „messen und nachrechnen“ will, der Kaufmann in uns, der hat keine Liebe.  Wer also sind die Toten? Jene, die reden: nichts ist so sicher wie der Tod? Oder jene, die „ganz“ ihren Ärzten glauben? Sind die Toten, die ihre Toten begraben jene, die nur mehr ihre eigenen „Einbildungen und Vorstellungen“ kennen und lebenslang Kaufmann spielen? Ja, so hört man doch in unseren Tagen viel von Welt-Untergang, Krieg, Umweltzerstörung – allüberall diese Androhungen und dann vielleicht noch eine bittere Diagnose vom Arzt. Und Viele, ich glaube nicht Wenige, nehmen das für bare Münze. Nein, das alles ist nicht das Leben und daran zu „glauben“ wäre fatal. Wir glauben das „Ewige Leben“ und das hat nichts mehr mit Einbildung oder Vorstellung oder Fantasie zu tun, sondern ist einzige Realität. „Sprache als Ge-Dicht“ heißt es und es meint das Verlassen der Einbildung, der Vorstellung oder der Fantasien. Nicht, dass man dies bekämpfen sollte, vernichten wollte – das geht nicht, denn es gehört zum Mensch-sein „so“ zu sein. Im Ge-Dicht sich von nun an aufhaltend spricht die Sprache. Sie kann sprechen dann, wenn sie irritiert, wenn die Gewohnheit der herkömmlichen Sprache durchbrochen wird in der Ansprache. Es gibt eine Gefahr in der Sprache: das ist das Herkömmliche, das Bekannte und schon Gewusst-haben. Und eigentlich ist das keine Sprache, sondern Reproduktion des Immer-Gleichen. Sprache beginnt erst im Ge-Dicht der Irritation. Wie soll das geschehen? Es verlangt einzig eine Bereitschaft und diese liegt in der Er-Öffnung der Stille. Die Stille spricht jederzeit, aber die Sprache der Stille wird im Lärm des Tuns (der Einbildung) überholt (Überholspur). „Nichts“ erst er-öffnet die Stille, neigt das Ohr der ewigen Ansprache. Der Ein-Gang in diesen Ort der Stille ist und muss sein: der Aus-Gang aus dem Lärm der Existenz (der Lärm, das ist der äußere Mensch). Leiden, was besagt eigentlich Leid, was Leiden? Der Meister Eckhart schreibt am Ende von Traktat 3 „Über Abgeschiedenheit“ Folgendes: …denn Liebe bringt Leid, und Leid bringt Liebe. Diese Stelle könnte jetzt eine Gelegenheit geben zu erfassen, was Irritation eigentlich meint. Denn auf den ersten Blick, so schnell, versteht man unter Leid nur Schmerz, Druck, Abträgliches, etwas, das man nicht gerne hat oder sucht. Man soll doch auch Mit-Leid haben usf., also das Leid des Anderen lindern. Das versteht man in dieser Art gleich und unter Liebe versteht man meistens einen schönen Zustand, einen schmerzlosen Zustand, ein Rundherumwohlgefühl. Wenn man in diesen Bahnen denkt, bring man das Wort des Meister Eckhart nicht zusammen. Dass das Leiden Liebe bringt, das kann man so nicht verstehen. Es geht beim Leiden gar nicht darum, leidvolle Zustände vermeiden zu wollen oder zu können, um das geht es freilich auch, aber nicht in erster Linie, denn das „Leiden“ ist das in-die-Form-kommen, „hier existieren“, in der-Welt-sein (Heidegger) – das bedeutet grundsätzlich „leiden“ und somit leidet die gesamte Schöpfung, die Natur, die Tiere, die Menschen – sie alle „leiden das In-der-Form-sein“. Wir leiden die Form aus, kann man sagen, und je „lauterer“ die Aus-Formung gelitten wird, desto mehr oder inniger (intimer) geschieht das Austragen, desto mehr ent-spricht das Leiden dem Seyn und das Seyn dem Leiden. Im Seyn sein heißt: die Formung austragen wie eine Mutter ihr Kind austrägt. Dass überhaupt etwas im Seyn anwest, geboren wird, ist daher keine Kleinigkeit oder Nebensächlichkeit, etwas, das sein könnte oder auch nicht, bloßer Zufall. Nein, das Anwesen im Seyn ist der Ausformung zuge-mutet, darin der Mut zum Leiden liegt. Im Seyn sein heißt schon: leiden; und man versteht es nur sehr verkürzt, wenn man unter Leiden nur Bitternis oder Schmerz versteht.

 

In einem anderen Zyklus war schon die Rede davon, dass unser Schöpfer der erste sei, der da leidet und wenn Gott die Liebe nicht nur hat, sondern wesentlich „ist“, dann muss von daher schon die Gleichung des Meister Eckhart verstanden werden. Die gesamte Schöpfung „leidet“ und in ihr ihr Schöpfer und die Schöpfung wartet auf die Erlösung, liegt in „Geburts-wehen“ (Apokalypse des Heiligen Johannes), es „drängt“ also die Formwerdung zur Vollendung. Wenn ein Kind geboren wird, dann kommen die „Wehen“ und für die Gebärerin Schmerzen, die keiner (außer die Mutter) aushalten könnte. Hier wäre die Stelle sich auf das zu besinnen, was es meint: die Gottes-Mutter hält den Geburts-Schmerz der gesamten Schöpfung aus. Diese „Wehen“ kommen, diese Schmerzen kommen – man sucht sie nicht, man will sie vielleicht auch nicht, aber sie brechen über die Mutter herein, ob sie es mag oder nicht. Und würde man einen Kiefer-Baum im Hochgebirge befragen können: wie gehst du mit Sturm und Wetter, mit den Elementen um, die dich zu dem geformt haben, der du jetzt bist? Vielleicht wäre eine Antwort: ich ertrage diese Schickungen eigentlich nicht, wollte ich es wissen, zum Glück habe ich kein Wissen darüber und so leide ich bewusst-los aus, was mir zugeschickt ist, also ich leide „ohne Absicht“. Die gesamte Schöpfung (mit der Ausnahme des Menschen), leidet „absichtslos“, schon allein deshalb, weil sie zur Absicht keine Möglichkeit hat. Sie leidet die Formung „von Hause aus“ und daher ist sie „schön“, aber, im Grunde: beziehungs-los. Die Schöpfung trägt ihr „stummes“ Erscheinen aus und antwortet beziehungslos ihrem Schöpfer. Beziehung zu Gott meint jetzt im engeren Sinn: das Leiden „bewusst“ austragen und das ist dann schon das Antworten, das wirklich „in Beziehung (Bewusstsein) treten“ mit dem Schöpfer. „Hässlichkeit“ z.B. gibt es in der Natur nicht, man kann nicht sagen, dieser Fluss sei hässlich, jener aber schön, jener gut, jener böse. So kann man sagen: die Natur leidet ihre Formung „per (Natur)-Gesetz“ – bewusste Beziehung ist da nicht da, sie trägt ihre Formung bewusstlos aus. Beziehung im eigentlichen Sinne ist im „Gesetz“ nicht möglich, Beziehung hat eine ganz andere Dimension und setzt hierfür die „Freiheit“ voraus, das Frei-sein von jeder Gesetzmäßigkeit. Hier alleine, spürt man, wäre eine Dimension erreicht, die „Erfüllung“, Ver-einigung sein könnte.

 

Beziehung kann nur in Freiheit seyn, jenseits der Kaufmanns-Existenz. Hier erst beginnt das Wagnis der Enttäuschung. Nicht, dass Enttäuschung so toll wäre, es meint vielmehr: jetzt steht wirklich etwas auf dem Spiel, weil im Wesentlichen mit dem Mensch-Seyn jeder Automatismus schon durchbrochen ist, (im Prinzip). Mensch seyn heißt dann: Antwort geben auf das Schon-Zugesprochene. Das Zugesprochene ist schon im Wesen (immer das Gute) das Zugeschickte. Und Zugeschicktes kommt an, es wird nicht selbst produziert oder re-produziert. Dagegen: das Produzieren oder Re-produzieren erfolgt immer nach Plan, nach Vorstellung und Einbildung und am Ende muss die Rechnung immer irgendwie „stimmen“, es muss aufgehen, „rund sein“ (Zirkel). Das Zugeschickte (Gut) ist aber immer in sich das Beste, das Gewährte – auch wenn es meine Rechnung durch-kreuzt! Und wenn eines Tages die Rechnung nicht aufgeht, es nicht mehr „stimmt“? Das wäre Gelegenheit zur Irritation, Aufbruch des geschlossenen Zirkels. Es ist hier die Frage nach dem Leiden und es ist gesagt, dass das Austragen der Formung dem Leiden entspricht. Und Vieles wird man hier nicht ab-runden können, es stimmt dann nicht mehr zusammen, es schockiert, das Menschenbild, das man sich so machte (lieb, nett, schön und angenehm) bricht zusammen. Es zeigt sich ganz Anderes, mit dem man nicht „gerechnet“ hatte. Hiob hatte doch ein ganzes Leben lang keine „Beziehung“ zu Gott und seine Freunde sind allesamt Theoretiker (Gerede ohne Einsicht), auch beziehungslos. „Vom Hörensagen nur hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich geschaut!“ Man könnte hier auch sagen: Hiob hatte lebenslang schöne Vorstellungen und Einbildungen von Gott, einen schönen und rund geschlossenen Lebensplan, alles war „stimmig“ – und doch: keine lebendige Beziehung! Mit Hiob kämpft der Mensch um den Ausbruch aus dem sich jederzeit schließen wollenden ontologischen Zirkel, um die Eroberung des „Gelobten Landes“, wo es einfach mit meiner runden Rechnung nicht mehr stimmt. Ich bin zu gering, wird Hiob bekennen, das alles zu fassen, aber es liegt ja in Deiner Hand, ich muss es nicht begreifen das Unbegreifliche. Am Ende „spricht“ Hiob mit dem lebendigen Gott, er gibt ihm Antwort: cor ad cor loquitur! In der lebendigen Beziehung zu Gott spielen meine Vorstellungen und Einbildungen nur mehr eine geringe Rolle und meine Lebens-Rechnung kommt vielleicht einem Bankrott gleich: Konkurs der Existenz, könnte man sagen. Sehr oft bemerke ich die Formel: „Um das geht es…!“ – sie tritt überall auf, jeder weiß „wie es geht“ oder „worum es geht“. Es ist auffällig, denn es gibt den Anschein, dass „die Rechnung aufgeht“. Alles drängt zu diesem Aufgehen!

 

Der Herr am Kreuz aber sagt anderes: horizontal gesehen eine Katastrophe, eine bittere Enttäuschung für die Jünger, für den Verräter in uns, für den horizontalen Absolutismus. Nein, die Rechnung geht eben nicht auf, es kommt ganz anders und immer so, wie man es nicht berechnet oder gedacht hatte. Es gibt wirklich so eine „Neigung“ in uns, zu Ende zu kommen, eine runde Gewissheit zu haben, eine Vorstellung der Perfektion und Unhintergehbarkeit. Und diese Neigung (Fall, ruina) in uns zeugt von einer Un-Stimmigkeit, einer existentiellen Störung könnte man sagen . Man hat das tiefe Gefühl, dass es nicht ganz stimmt, dass selbst, wenn alles nach Plan rund laufen sollte, es doch nicht ganz aufgeht. Und das, meine ich, ist die Wirklichkeit der Barmherzigkeit Gottes. Würde die Rechnung „gänzlich“ aufgehen, man wäre verloren im horizontalen Absolutismus (im geschlossenen ontologischen Zirkel). Eine der ganz großen Gefahren liegt in der Einbildung: jetzt habe ich es, ich habe die Formel für das „stimmigste Leben“. Denn es hieße: ich setze mich jetzt existentiell zur Ruhe, gehe in Pension. Ich hörte einmal einen Vortrag von Pater Alkuin über den „Sinn des Leidens“. Darin findet sich das Wort: über das Leiden so „leger“ daherreden, das sei unangebracht. Leger: so von außen bequem, mir geht es ja gut, ich leide nicht und so kann man locket, „leger“ reden über…

 

Ich leide ja nicht, du leidest ja nicht… - diese Rede stimmt aber nicht. Die gesamte Schöpfung „leidet“, im Existieren seyn heißt schon: leiden, austragen, gebären und der Vater im Himmel, er hält dieses Leiden aus, trägt es mit aus und geht mit, sonst wäre Seyn nicht wirklich. Man kann hier auch sagen: kein Mensch existiert im Grunde „leger“, jeder von uns ist „geworfen“ und trägt und er-trägt und jeder auf „seine ihm zugeschickte Weise“. Was jeder von uns auf seine Weise „trägt“, wer kann darüber schon urteilen? Wir sollten still darüber werden. Der Meister Eckhart spricht: das Lieben, ein Leiden! Es braucht nicht das außergewöhnliche Leiden und wer es sucht, ist krank. Den Widerspruch und die Un-Stimmigkeit im Exsistieren halten können, aus-halten (dulden, Geduld): das gehört wesentlich zur Liebe. Allein, dass Gott „mich“ hält und aushält, darüber könnte man still werden! Niemals geht es um ein „Rezept“ der Stimmigkeit (die Rede: darum geht es!) und es wäre sehr heilsam, öfter zu sagen: ich weiß es nicht, es stimmt hinten und vorne nicht – aber redet mit Gott darüber, legt es ihm hin, hört auf mit der als-ob-Existenz! Das klingt der Formel nach wieder nach: Darum geht es! – und man sieht hier ein, dieser „Formel“ entkommt man nicht, sie ist wie eine zweite Haut uns übergezogen. Ist das nicht ein Hinweis darauf, dass die Seele sich „sehnt“, verlässliches Zeugnis der Ewigkeit in Zeitlichkeit? Kommt von hier aus nicht alle rettende Irritation?

 

Einmal, so heißt es, begegneten sich Menschen (eine wirkliche Begegnung), der eine sprach: ach, dies und dies geschah mir; antwortet der andere: ja; sagt der andere: ach, dies und das wäre noch  zu tun; sagt der andere: ja; sagt der eine: weißt du schon, alles „ist“ erfüllt; sagt der andere: ja; sagt der eine: ach, wir leiden, nicht wahr? Sagt der andere: ja! Frägt der eine: ist das die Liebe? Antwortet der Andere: ja, das ist die Liebe! Wundert sich der eine: dann ist alles gut so wie es „ist“? Antwortet der Andere: ja!

 

Einmal, so heißt es… - klingt öfter hier an, diese Formel. „Heißen“ bedeutet von alters her: befehlen, nennen, rufen, anordnen, be-nennen – auch: so ist es, so sei es! Und das ist doch das Ende jeden Gebetes: Amen! Ich heiße nicht zufällig Thomas, weil sich das meine Eltern so ausgedacht hätten. Im Heißen liegt also immer eine Ver-Heißung! Davon ein ander Mal!

 

Im Heißen zeigt sich ein „Siegel“, eine Vollendung. Wenn ich dich „willkommen heiße“, so gönne ich dir das Allerbeste und wünsche es.

 

„Befiehl den letzten Früchten voll zu sein“ – dichtet Rilke im „Herbsttag“. Heiße sie „voll“ zu sein.

 

Im Gebet „Anima Christi“ heißt es: zu Dir kommen heiße mich.

 

Es „heißt“ spricht jetzt aus dem Ge-Dicht. "Geläut der Stille" (Heidegger).

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXXIII)

 

 Λήθη XIV    Erlösung XVII   (Pfingsten 2022)

 

Distanz

 

Causa finalis war einmal in der Metaphysik eine wichtige Frage. Heute ist diese An-Frage wie vergessen. Wichtig ist diese An-Frage aber nur dann, wenn sie in der Großen Stille „geschrien“ wird: Schrei der Stille. Sonst bleibt die Frage außen hängen, ein weiteres, nüchternes Kapitel meiner Flucht. Vollendung „ist“ (west an) und sie muss dennoch im „Dunkel“ erfüllt werden. Das ist der Gang, der Weg, er sollte „gegessen“ werden, sodass man sagt: es schmeckt mir, es schmeckt mir sehr gut! Alles, was ich erlebe: es schmeckt mir sehr gut! Aus der Ferne (Distanz) ist dieses Essen nicht möglich, man ist zur Tafel geladen: aber man langt nicht zu, kann es aus der Distanz nicht. Dass es sich ganz von alleine macht, das ist für den Menschen un-erträglich, vor allem für die, die immer nach-denken (der Nach-Denker kommt eigentlich immer zu spät, er wohnt deshalb in der Distanz). Man sagt, im Tod werde das Leben vollendet und der Tod kommt ja von alleine, von selbst. Man muss sich keine Sorgen darüber machen, dass er nicht käme. Oder die Schöpfung: sie ist, kommt jeden Tag an, ob ich mich auflehne oder nicht. Ich mag die Formel: Es geht um… deshalb nicht, weil sie ein Finale suggeriert, eine Halbinsel, auf die man sich im Fortriss des Werdens zurückziehen könnte. Man sagt, die Kartäuser seien Meister im Los-lassen. Ich behaupte: die gesamte Schöpfung ist Meister im Los-lassen. Jeder von uns lässt-los, muss es, ist geworfen darein. Wir lernen von Beginn an das Los-lassen und meistens lehnen wir uns auf dagegen, dennoch siegt das Los-lassen, Auflehnung hin oder her. Es sollte das Gespräch doch stattfinden – Frage: findet es statt? Antwort: Ja, es findet statt und Gespräch ist nur, wenn Gespräch gesprochen wird. Ist dann die Distanz aufgehoben? Antwort: ja  und nein! Ja, weil es immerzu spricht und nein, weil die Vollendung keine Halbinsel sein kann (aber oft und oft dafür gehalten wird).

 

Wer immerzu beschwört: Es geht um… - der wohnt in der Distanz und vielleicht glaubt er selbst nicht ganz, was er dann sagt, darum muss man dann reden, es sich selbst vor-reden, ein-reden. Im Denken kann man sich gut „distanziert“ einrichten. Panik, z.B., wäre ein Existieren in Nähe, wenn ich ganz verlassen bin, keiner mich versteht, wenn die Welt zerbricht, dann bekommt man ein Gespür für „Nähe“. Vielleicht, dass Gott selbst, als er von Ewigkeit her die Schöpfung ins Seyn rief, für einen ewigen Augenblick „Panik“ kannte: werden diese Menschen nur auf der Flucht sein? Wer wird antworten?

 

Wer wird antworten? Das ist die eigentliche Frage. Nicht antworten hieße: tot sein und tot bleiben!

 

Gott-Verlassenheit: Panik des Verlassen-seins. Eine gute Gelegenheit über Nähe und Distanz gibt Tolstois „Iwan Illjitsch“. Der Sterbende „schreit“, er schreit seine Verlassenheit hinaus  und alle, mit Ausnahme der Diener, flüchten in Ausreden, flüchten in Distanz. Es gibt aber eigentlich keine Ausreden, was es gibt, das ist das, was jetzt „ist“: Verlassen-sein. Kann man das ohne Lüge bestehen? Wir kennen doch die Schwierigkeit damit umzugehen. Da stirbt wer und man versucht sich im Trost, irgendwelche Ausreden: es wird schon, nicht so schlimm, an etwas anderes denken, den Kopf nicht hängen lassen. Der Betroffene aber schreit in seinem Schrei: was redest du aus der Distanz, dich betrifft mein Elend nicht, verschwinde! Man erträgt die Hilflosigkeit, die Ausgeliefertheit kaum, flüchtet in Ausreden. Meistens hält man sich in der Distanz auf, da ist es bequemer, eingebildet sicherer, vorstellbarer, man hat Futter zur Verfügung, umgeht die „grundlose Verlassenheit“, kann sich so ganz gut eine Zeit lang betäuben.

 

Man muss das einmal heranlassen: Gott schenkt sich weg in seiner Schöpfung und keiner ist da, der antwortet! Das ist „Verlassenheit“!

 

Jean Corbon bringt es in seinem großartigen Werk: „Liturgie aus dem Urquell“ (Johannes Verlag) auf den Punkt: „Unser Gott […] gibt sich in allem, was ist, und es ist, weil Er sich hingibt. Er sagt, und es ist, weil Er sich hingibt. Er sagt, und es ist; Er liebt, und es ist gut; Er verschenkt sich, und es ist schön.  […] Der Vater gibt sich, aber wer nimmt ihn auf? Sein Wort wird überliefert, aber wer antwortet? Sein Geist wird ausgegossen, aber noch niemand nimmt daran teil. Die Schöpfung ist reine Gabe, aber noch in der Erwartung der Annahme. (S. 25).

 

„Wer antwortet“: dieses „Wer“ duldet keine Ausnahme, keine Flucht, kein als-ob. „Die Wege nach Sion trauern, weil keiner mehr da ist, der zur Feier geht“ (Klgl. 1,4). Niemand kommt zum Fest-Mahl, es ist angerichtet, aber es juckt nicht.

 

Oben war vom Gespräch die Rede. Was ist eigentlich ein Gespräch? Es gibt diesen großartigen Film von Philip Gröning aus dem Jahr 2005: Die Große Stille. Fast 3 Stunden wird nichts gesprochen, es gibt keine Filmmusik, am Ende sitzt der „Blinde Kartäuser“ in seiner Zelle und wenige Worte werden gesprochen. Ich bringe das Gesprochene hier wieder:

 

Nein. Warum Angst vor dem Tod haben?

Das ist das Los aller Menschen.

 

Umso stärker man sich Gott nähert,

umso glücklicher ist man.

Das ist das Ende unseres Lebens.

Je stärker man sich Gott nähert,

umso glücklicher ist man.

Umso mehr beeilt man sich,

zu Gott zu gelangen.

Man sollte keine Angst haben vor dem Tod.

Im Gegenteil!

Es ist eine große Freude für uns,

einen Vater wieder zu finden.

 

Die Vergangenheit, die Gegenwart,

das ist Menschliches.

In Gott gibt es keine Vergangenheit.

Dort gibt es lediglich Gegenwart.

Und wenn Gott uns sieht,

sieht er schon unser gesamtes Leben.

 

Und deshalb, weil er

ein unendlich gutes Wesen ist,

sucht er immer unser Wohl.

Daher muss man sich über nichts,

was uns zustößt, Sorgen machen.

 

Ich danke Gott oft dafür,

dass er mich erblinden ließ.

Ich bin sicher, dass er es zum Wohle

meiner Seele hat geschehen lassen.

 

Schade ist, dass die Welt den Sinn für Gott

verloren hat. Das ist schade.

Sie haben in ihrem Leben keinen Sinn mehr.

Wenn man den Gedanken Gottes verwirft,

warum soll man dann weiterleben auf Erden?

 

Man muss immer vom Prinzip ausgehen,

dass Gott unendlich gut ist und alles, was er tut,

zu unserem Besten ist.

Deshalb sollte ein Christ immer glücklich sein,

niemals traurig. Denn alles, was geschieht,

ist der Wille Gottes und es geschieht

zum Wohle unserer Seele.

Das ist das Entscheidende für uns.

 

Gott ist unendlich gut, allmächtig,

und er hilft uns.

Und wenn man nur das tut,

ist man glücklich.

 

Es sind die einzigen Worte im Film, alles andere ist „Liturgie“. In der Sprache und im Gespräch „entfernen“ wir uns schon, geben die Intimität auf, also unsere „Verlassenheit“ von allen Dingen der Welt, die im Grunde unseres Seins waltet, da ist, aber schwer lastet. Die „Große Stille“ ist auch die „Last der Stille“ und wie Kardinal Sarah in seinem Buch schreibt: die „Kraft der Stille“. Gerade aber in der Stille erlebt die Existenz ihre größte Herausforderung: Fluch(t) oder Segen. Wer spricht, verlässt den Ort der Stille, er hat dann Erleichterung und es spricht „immerzu“ irgendwie in uns, das gesamte Gedankenkonvolut ist Sprache. Im Film „spricht“ einer, der die Welt nicht mehr „sieht“ und daher „wahr“ sprechen kann. Sein Wort ist nicht mehr sein Wort, sondern kommt aus der Großen Stille. Also doch keine Distanz im Sprechen? Vielleicht! Wer „vielleicht“ meint, der rückt schon näher an das Mysterium, er legt sich nicht mehr stur aus nach Eindimensionalität – er meint: es könnte auch anders sein! In diesem Augenblick bricht eine verhärtete Welt auf, es beginnt das Gespräch mit der Ewigkeit, mit Gott!

 

Der Kartäuser Bruder Vincent Marie von der Auferstehung spielt in dem Buch von Kardinal Sarah eine entscheidende Rolle. Am 10. April 2016 wird Bruder Vincent zum Vater in die Ewigkeit heimgeholt. Die letzten Lebensjahre waren von Multipler Sklerose gezeichnet, er konnte nicht mehr „sprechen“, aber sehen. Ich muss hier korrigieren: die letzen Monate seines Lebens waren nicht von der zerfressenden Krankheit gezeichnet, sondern vom Licht der Erlösung. Zwei Mönche der Kartause: der eine kann sprechen aber nicht sehen, der andere sieht und kann nicht mehr sprechen, der eine ist schon alt, der andere noch sehr jung. Man sagt, Bruder Vincent hielt immer in den letzten Monaten den Rosenkranz in seinen Händen, so auch der blinde Kartäuser und es wird erzählt, als er noch zur Aussprache fähig war, da sagte der junge Kartäuser: er könne nur lächeln und beten, sonst nichts. So war sein ganzes irdisches Leben: lächeln und beten. Wer kann sich so etwas auch nur vorstellen? Der alte blinde Kartäuser dankt Gott für seine Erblindung, der junge Kartäusr dankt Gott für seine von Krankheit gezeichnete Existenz?

 

Der Blinde sitzt da in seiner Zelle, keine Bücher, wozu auch – Tag und Nacht, alles vergeht, er sitzt da und sitzt in der Großen Stille. Unmittelbar nach den Worten des Blinden sieht man in seiner Zelle ein Wasserglas im Abendlicht, es steht am Holztisch, sonst nichts. Die Täterschaft des Blinden hat sich zurückgezogen auf das Wesentlichste und das Wasser ist doch das Zeichen für die Vergänglichkeit der Zeit. Dieser Rückzug in die Große Stille bringt eben die Konfrontation mit der Zeit und zwar ohne Ausflucht. Wie hält man es dann aus in dieser Großen Stille: nicht mehr lesen können, nicht mehr sprechen können? Wird dann alles sinnlos oder sind diese Fragen irrelevant, auch eine Flucht um einfach zu reden? Ferdinand Ulrich würde dazu dann sagen: Re-produktion des Immer-Gleichen, Reden, dass geredet wird.

 

Ver-lassenheit hat noch einen anderen, tiefen Sinn, den der „Ge-lassenheit“, in beiden spielt das „Lassen“ die wesentliche Rolle. Wer im Grunde seines Existierens verlassen ist, der ist in nächster Nähe zur Gelassenheit und Gelassenheit ist die Entsprechung zum Zutrauen, zum Vertrauen. Es gibt ohne Vertrauen keine Gelassenheit. Das Los-lassen wiederum ist nur im Glauben möglich. Reproduktion des Immer gleichen wagt nicht die Verlassenheit, hat Angst vor der Ver-einsamung, weil sich die Fundamente des eingebildeten Existierens haltlos zeigen könnten. Dann lieber weiter so und nur so!  „Distanz“ wagt nicht die Nähe, vermeidet die Ansprache mit Gott. „Angst“ z.B., ist eine Frucht der Distanzierung, ein Distanz-Phänomen. In Genesis 3 folgt die Angst unmittelbar auf den Fall und der Sünden-Fall ist doch der Fall in die Gottferne, in die „Distanz“.  „Vielleicht haben meine Kinder gesündigt…“ – so heißt es gleich zu Beginn bei Hiob. „Sie könnten – vielleicht – mag sein, dass… sie gesündigt haben, wer weiß? Aufgrund „dieser Ein-Bildungen“ tut dann Hiob zeitlebens so, dass er Gott opfert, denn es könnte sein, dass die Kinder in ihrem Herzen Gott gekündigt haben – es könnte sein, wer weiß?

 

Dieses „Vielleicht“ trägt schwer an sich, es bedeutet in seiner Wurzel: begehren, Verlangen haben, Lust haben. Übersetzt: es fängt Vieles in uns mit einem „Gedanken-Spiel“ an, man erwägt hin und her, oft grundlos, denn es könnte doch sein…, es könnte doch passieren, dass…! Die „Vielleicht-Existenz“ vertraut nicht auf die Eindeutigkeit und Verlässlichkeit der Intimität mit Gott, wie es aus den Worten des alten, blinden Kartäusers hervorgeht. Hinter der „Vielleicht-Existenz“ brodelt es vor lauter Angst und man kann sich fragen, was früher war: die Angst oder das Vielleicht, bestimmt aber der Ab-Fall von Gott, der Verlust des Ur-Vertrauens. „Vielleicht“ drückt dann in sich die Lust nach Möglichkeiten aus, einfach so, aus Laune, aus Langeweile, vielleicht aus Gestaltungswille. Man hält sich so in reinen Gehirngespinsten auf, wählt mal das, dann das und wieder anderes. Man will und kann sich nicht auf die vollendetet Schöpfung einlassen und sie annehmen. In dieser Situation befindet sich Hiob, es ist unsere Situation. Es geht Hiob materiell gut, er ist bei bester Gesundheit, er opfert seinem Gott wie es sich gehört, er ist sogar rechtschaffen. Man kann sich nun fragen: warum hat er „Angst“ – er könnte doch vollends angstlos sein, nichts fehlt ihm: doch jetzt befällt ihn Sorge (und zwar zeitlebens, heißt es). Er hat nicht nur Angst, sondern „ist“ Angst.

 

Angst ist dieser Zustand: es könnte sein, dass…. (dies und jenes eintrifft). So eine Angst-Existenz wird in diesem Augenblick zusammengepfercht auf eine Momentaufnahme der Ein-Bildung. „Vielleicht“ führt immer diese Lust der Varianten mit sich und das Eingeständnis zugleich, dass die Angekommenheit im Seyn nicht gut genug wäre, dass der Schöpfer mit seiner Schöpfung dem Geschöpf etwas „vorenthalten“ könnte. Hieraus entspringt dieses Ur-Misstrauen und dann beginnt das Spiel mit den eingebildeten Möglichkeiten.

 

Angst zeigt schon an, wo die Seele wohnt: in der Vergänglichkeit hat sie sich eingerichtet, hier nimmt sie Maß und wenn sie über den Himmel philosophiert, theologisiert oder Vorstellungen zusammenstellt, so doch nur aus der Frosch-Perspektive. „Über… reden“ sagt schon: aus der Distanz. Und wie oft drehen sich unsere Reden nur um Eingebildetes, mir vom Leib Gerücktes, Distanziertes? Der Mensch, scheint mir, sagt immerzu: „darum geht es…“ – jedes Gespräch ist daraufhin angelegt, gerade wenn es nicht ausdrücklich so gemeint ist. Der alte Kartäuser verlässt den Ort der Großen Stille in diesen wenigen Sätzen, er spricht aus… und so durchbricht er die Stille. Stimmt das?  Es ist eine Beobachtung: wir durchbrechen die Große Stille, weil wir ihr nicht Stand halten und so reden wir, bilden ein, oft gescheit, dann wieder dumm, aber immer irgendwie. Und man bemerkt am Ende: was habe ich da eigentlich blödes Zeug geredet. Und der der hört, zuhört?

 

Was ist, wenn man dieses: es geht um… - vermeidet, ist so etwas möglich, wo ist man dann? Dann wohnt man im Seyn, in der Intimität. Was ist da? Das Seyn „ist“ das Seyn. Es ist wie mit der Tür in der Angel: die Tür bewegt sich auf und zu und immerfort und „ruht“ doch zugleich in der Angel, die sich nicht bewegt.

 

So könnte eines Tages ein Gespräch stattfinden: gut, wir sind jetzt hier und wir werden uns bereden, Themen, Leben, Nöte, Ereignisse, einerlei, irgendetwas – und wir wissen schon: das ist es nicht. Und „es geht um…“ kommt immer vor, ja, das wissen wir. Und du redest weil du redest und ich rede weil ich rede und so reden wir. Und vieles geht schief in dieser Welt, in der eigenen kleinen Welt und in der großen, das sehen wir und jetzt bereden wir es. Und wir wissen auch: unser Gespräch geht immerzu schief, „windschief“ (P. Celan, Tenebrae), und es scheint, wissen wir, dass das „Windschiefe“ das Verlässliche im Zeitlichen ist (so scheint es uns), und wir schreien uns zu: sieh, so geht es, das ist es, dahin müssen wir! Und wir finden immerzu Gründe, warum es so kommt wie es kommen muss, unser Redeschwall ist dann apokalyptisch angeschwollen, wie ein Geschwür, das bald aufbrechen wird, dann, wenn der Herr selbst die Stimme erhebt. Und wir wissen: wir reden und reden und es ist doch eine „gekreuzigte Zeit“, meine und deine und unsere und Zeit war immer „gekreuzigt“, das wissen wir. Und was wissen wir wenn wir das „wissen“? Unter dem Kreuz stehen ist doch etwas anderes (als Wissen), oder? Unter dem Kreuz stehen heißt eigentlich: im Zeichen des Kreuzes stehen: im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes – es ist unser Kreuz-Zeichen, es zeichnet unsere Existenz. Und wir reden aber lieber noch, es ist noch Zeit, was würden wir sonst tun wenn wir nicht redeten? Im Zeichen des Kreuzes stehen?

 

Sagt der eine: wir reden, weil wir "beziehungslos" sind. Sagt der andere: wie meinst du das? Und wir wissen: das Gespräch könnte so weitergehen immerfort und ohne Ende. So fehlt uns die Beziehung und so sind wir hier und reden jetzt, weil wir beziehungslos sind. Und in 30 Minuten verschwinden wir, bis zum nächsten Termin. Wir wissen das  und wir wissen, dass das Wissen nichts vermag, weil das Wissen un-vermögend ist, wir wissen das. Sagt der eine: Tür-Angel seyn, selbst wenn es hier immer „windschief“ zugeht im Zeichen des Kreuzes. Du, Gott, wirst doch am Kreuz selbst umgebracht und wer im Zeichen des Kreuzes steht, der wird auch umgebracht, jeder von uns wird um seine Existenz gebracht. Herr, wir stehen im Zeichen des Kreuzes, es ist uns aber fremd, wir haben keine Beziehung dazu, verdrängen es, wollen es nicht. Lieber sind uns Themen, die wir aus der Distanz bereden können. Das Kreuz ist aber dennoch da, ob ich es will oder ablehne. Was lehne ich ab, wenn ich das Kreuz ablehne? Das So-sein lehne ich ab. Auflehnung gegen das So-sein? Ich lehne also das Geschaffen-sein ab und damit die Schöpfung. Ich bin nicht einverstanden damit, daher das viele Gerede und Herumreden. Der Vollzug ist im Fleisch präsent, aber meine Haltung sagt: nein, so nicht! Und du wusstest von Hause aus, Herr, dass wir davon laufen, dass wir dich ablehnen und umbringen. Dennoch sagst nach dieser Tat der Untreue auch jetzt „ja, sei“ – sonst wäre doch nichts wie es ist. Nicht irgendwann war Schöpfung, jetzt ist sie, hier und jetzt. Dennoch, umsonst, für Nichts schenkst Du alles hin, bekommst von uns nichts dafür und verlangst auch nichts, keinen Lohn, keine Leistung, keine Arbeit.

 

Wer kann das begreifen? Und angenommen: es ließe sich begreifen, was dann? Die Frage „was dann“ verrät ihre Herkunft, sie kommt der Frage: was wird morgen, übermorgen, im nächsten Winter, in 10 Jahren wohl sein? Diese Frage ist eine Flucht-Frage, denn das volle Seyn ist „jetzt“ angekommen. Jetzt ist auch das „Wort“ angekommen, das zugeschickte, ist genau gezählt, gewogen, zugemessen, kein anderes, sondern dies. In der Einbildung ver-achte ich das Wort, das jetzt aufblüht und nicht übermorgen. Und wenn sich trübes Wasser klärt, verschwindet das Trübe und das Klare zeigt sich (das Klare war immer präsent, aber getrübt vor Einbildung und Vorstellung). Wenn „es sich zeigt“ müsste man mehr geduldig sein, warten können.

 

Warten: was für ein Wort, was für eine Welt.

 

Warten, ausharren, das Warten können ist ein Hoffen können, ein Sich-fest-machen (Hebräer-Brief) im lebendigen (nicht im vorgestellten oder eingebildeten) Wort und das Wort „spricht“ doch, es sagt sich zu. So könnte eines Tages ein Gespräch stattfinden: heißt es oben. Wenn das Wort „spricht“ und ich den Zuspruch (auch die Zu-mutung) vernehme, dann ist das doch eine „Beziehung“, es zieht in der Beziehung, es juckt dann und spricht an. Es wird etwas „lebendig“ was bislang tot war, es wird dann plötzlich „bedeutsam“ sein. Im Lebendigen „zeigt es sich“, zeigt sich auch, wie Einbildung und Vorstellung langweilig sind, müde Einbildung, müde Vorstellung. Müde ist die Welt geworden, es ist die Müdigkeit der überstürzten Aktion. Es heißt, dass sich so die Liebe zeige; Jean Corbon hat in seinem Buch so zur „Verklärung des Herrn“ geschrieben: der Herr IST und je nach dem Vermögen der Liebe der Jünger wird er sich ihnen zeigen, nicht der Herr tritt auf und ab, kommt und geht, nein: er ist absolut „präsent“, „da“ – aber wir sind es nicht. Die Jünger „sehen“ den verklärten Herrn, weil sie Beziehung „sind“ (nicht Beziehung haben). Beziehung zeigt sich nicht in der Vor-stellung oder Ein-bildung, sondern zeigt sich im Seyn, im „Fleisch“ (Paulus) könnte man auch sagen.

 

Das IST ist das einzige Wort in diesem Buch, das groß geschrieben wird , es will die „absolute Präsenz des Erlösers im Seyn“ anzeigen. In der „Beziehung seyn“ hieße dann auch: nichts geht verloren! Sicher, es sieht nach Weltuntergang aus, nach eigenem und nach größerem, der aber, der zur Beziehung neu geboren wird, der sagt: Herr, das kannst du nicht machen, du kannst diese Schöpfung nicht untergehen lassen, wenigstens für diese 10 Gerechten nicht! Und der Herr wartet auf diesen Dia-log, auf dieses Durchsprechen, er wartet auf „Beziehung“, nicht auf Einbildung oder Vorstellung.

 

Es heißt in Ijob 42,8: Mein Knecht Ijob aber soll für euch Fürbitte einlegen; nur auf ihn nehme ich Rücksicht, dass ich euch nichts Schlimmeres antue.

 

Für-Bitte heißt es: was ist eine Fürbitte? Beten, bitten, flehen – gemeint ist in der Fürbitte aber innerst ein „Fordern“, ein „Heraus-fordern“ und es meint den ganzen Ernst der Erlösung, denn nur in einer lebendigen Beziehung wird man ermächtigt zur Forderung: ich wünsche und will, dass es so sein möge! Eine Fürbitte ist kein Appendix, ein Anhängsel, das man mal so mal so bringen könnte (Herz-los). Der Sinn der Fürbitte ist die Heraus-Forderung in der Beziehung zum Schöpfer. Das Bitten in der Für-Bitte ist dann das „Beten“: das Beten, ein Bitten, ein Ein-Fordern und zwar im Über-Maß ein-fordern, es ist kein egoistisches Einfordern mehr, sondern eines aus der lebendigen Beziehung mit Gott. Eine „echte“ Beziehung stellt wirklich Forderungen und Ansprüche, sie ist nicht lahm im lieb und nett sein, sondern mutet sich Gewaltiges zu.

 

Gott wird dem Ijob diese Für-Bitte „nach“ seiner Bekehrung auftragen, das meint: jetzt erst ist Ijob „gerüstet“ für dieses Gebet. Jetzt betet er im „Angesicht Gottes“ (Augustin Guillerand) und Gott wird auf Ijob hören, nur auf diesen „bekehrten Ijob“ wird er Rück-Sicht nehmen. Man versteht hier die gewaltige Dialektik der Intimität: in dem Maße, wie sich das Herz des Menschen Gott zu-neigt, in dem Maße fügt sich das Herz Gottes dem Geschöpf, es hört auf das Geschöpf, ge-horcht ihm. Das muss man einmal zu-lassen.

 

Die Gewalt-Tat der Fürbitte liegt im lebendigen Glauben, liegt darin: dieser „lebendige Glaube“ möge doch aufbrechen, Fleisch werden, ist die Bitte: Liebe möge Fleisch werden! Diese Gewalt-Tat hat nicht mehr den Impetus: ich will haben! Der Fürbittende will nicht mehr „haben“, weil er „überzeugt“ ist von der Allmacht des Herrn.

 

Im Wesen dieses Überzeugt-seins weht der Sturm des „Gut-seins“, der Gottes-Sturm und aus ihm vernimmt der Hörende das Gut-Sein, die Güte in allen Dingen. In diesem Vernehmen klingt die Ver-Söhnung an und Ver-Söhnung ist doch wesentlich: Sohnschaft, jene Perspektive, jenes Überzeugt-sein, dass Gott die Welt immerzu aus Liebe erschafft – je jetzt, dass es „schon gut ist“ so wie es ist und als Zeugnis für diese Liebe wird er seinen einzig geliebten Sohn hin-geben, verschenken, das Geliebteste schenkt er der Welt, was immer auch mit diesem Geliebtesten geschehen mag. Diese Liebe überwindet den Tod, die Zeitlichkeit und auch die Sünde.

 

Wir stehen jederzeit einem Schöpfer gegenüber, der die Welt liebt und nicht quälen will, der sich hingibt und auf des Menschen Forderungen eingeht, sich selbst unter-wirft. Das tiefe Gefühl, das nichts mit Sentimentalität zu tun hat, geschaffen zu sein heißt dann: sehr gut geschaffen zu sein, schon heil zu „sein“ und im Heil-sein liegt doch schon das Heil-ig-sein. Es braucht diese Ver-rückung und Offenheit für das Heile im Seyn, für diesen umsonstigen Empfang der Gabe Gottes. Die „Distanz“ ist dann nicht mehr maßgebend, man reibt sich die Augen: wo ist sie nur, die Distanz? Geben kann man nur, wenn man voll ist, ein leeres Gefäß bleibt leer.

 

„Die Zeit ist erfüllt“ (Mk, 1,14) – es meint: es ist jetzt heil, ganz, geheiligt – der Sohn ist heimgekehrt zum Vater. Hier ist der Ur-Quell der Heils-Geschichte, sie ist immer personal und sie will sich mir schenken, hingeben: Liturgie aus dem Urquell. Der Vater sitzt auf dem Thron der Liebe, nicht auf einem der Machen-schaft. Zu machen ist da nichts. Dieser Liebe kann man sich nur „öffnen“, indem man sie annimmt. Mit dieser Öffnung beginnt das Liebes-Lied, das Hohe-Lied der Liebe. Dann wäre der Lohn nicht mehr der meiner Hände, sondern Lohn wäre Ausdruck der Freude.

 

„Klärung“ (klar werden)  sei das Durchbrechen in das Erkennen dessen, was „ist“. Klärung hat es nicht eilig mit dem Sein und hat es nicht eilig mit der Klärung und hat auch kein Ergebnis. Ist einer „ab-geklärt“, so hat er Geduld: mit sich, mit den Anderen, mit dem Seyn, mit Gott. Furcht und Angst sind das Gegenteil von „Geduld“. Der Dulder hat keine Eile, weil alles schon in Gottes Vorsehung geborgen ist, so widrig mir die Umstände auch erscheinen mögen.  „Was mich erschreckte, das kam über mich, wovor mir bangte, das traf mich auch“ (Ijob, 3,25). Es wird etwas be-fürchtet, mit Furcht und Zittern aufgeladen, mit schrecklichen Bildern ausgestattet, ein-gebildet und diese Ein-bildung ist Form-werdung. Was so zur Form gebildet wird, geschieht.  Man wird in ein Gespräch gezogen, es geht nur mehr um horizontale Dinge und wie diese Zustände „schlimm“ seien: Weltuntergang, Atomkrieg, wer hat die intelligenteren Waffen, wer den Krieg verloren, wird der Westen liefern? Es vergehen 2 Stunden, die gefüllt sind mit Ein-Bildungen der schlimmen Sorte. Jeder geht dann nachhause und ist „gedrückt“, was Wunder? Warum redeten wir nicht darüber, dass es z.B. in der Hiobs-Geschichte 19 Gespräche gibt, 19 Mal hin und her-geredet wird, warum nicht 20 oder 40 Mal? Warum reden wir nicht darüber, dass es genau 3x14 Generationen im Stammbaum unseres Herrn sind (Mt 1), warum sind es nicht 15 oder 4 Generationen? Steht das nur „so“ da, Zufall – warum haben wir keinen Zugang mehr zu dieser Wahrheit?

 

Warum sind wir über dies nicht mehr „irritiert“? Ijob, kann man sagen, ist der „Irritierte“, sein Wesen ist „Irritation“. Seine Freunde, die ihm gescheite Reden halten, sie sind in ihrem Wesen nicht mehr „irritiert“, weil sie gescheit schon alles wissen. So sind sie in ihren Einbildungen in „Pension“ gegangen und Ijob werden die „gescheiten Reden“ der Freunde nicht ausreichen, er will „mehr“, er will „hoch hinaus“, voll zugreifen, ihm reichen die 2 % der Einbildung nicht mehr, er streckt sich aus nach Ewigkeit und verlässt den Raum der Ein-Bildung. Er hat es satt mit der eingebildeten Grund-legung, die eigentlich keine ist. Was weiß ich eigentlich, wenn ich einen ein-gebildeten Grund finde, irgendwelche Gründe für dies oder das? Was ist dann? Ändert das meinen Zustand? Ein Mensch lebt sehr erfolgreich und glücklich, wie kommt das, was sind die Gründe? Ein Mensch wird Heiliger, warum, was sind die Gründe? Was weiß denn, wenn man Gründe weiß? Gründe „wissen“ legt nahe, man könnte hinkünftig „manipulieren“, eingreifen, steuern, lenken, gestalten. Ich beschäftige mich mit Ursachen-forschung und am Ende sind doch nur windschiefe Erklärungen, Vermutungen, vielleicht auch wissenschaftlich Verlässliches, was die sogenannten Experten so reden. Aber stimmt das? An Experten kann man bestenfalls glauben, wie an die eigenen Einbildungen. Oder: einer ist so und so geworden, weil sein Vater ihn immerzu verprügelt hat. Den Zwillings-Bruder hat er auch verprügelt, der eine wird ein Schwerverbrecher, der andere Geschlagene wird Professor für Anglistik, der Schwerverbrecher ist Antialkoholiker, der Professor auch, er raucht aber. Warum? Beide haben Prügel bezogen, beide sind heute anders! Man gibt es dann auf mit dem Suchen nach eingebildeten Gründen, bald sind Grenzen da. Heute erzählt man uns, dass die Umweltverschmutzung der letzten Jahrzehnte die Erderwärmung hervorgebracht hat, die sogenannte Klimakatastrophe sei das Produkt unseres Wirtschaftens. Man hat so einen eingebildeten Grund gefunden für das, was jetzt ist. Und wenn das schon Experten sagen, ja dann!

 

Und jetzt? Was dann? Ich habe einen Grund gefunden, was geschieht jetzt, lebe ich besser oder schlechter, habe ich mehr Themen zu erzählen, bin dann gescheiter? Es ist tief eingefressen, dieses Ursache-Wirkung-Denken und man muss sich ehrlich fragen: in vielen, vielen Bereichen stimmt es einfach nicht mit dieser Denk-Schleife und wenn es stimmen sollte, was dann? Heute wird z.B. ein Jugendlicher, der als „schwierig“ empfunden wird, zum Psychiater geschickt, der bemerkt eine sogenannte bipolare Störung und dann gibt´s Tabletten. Die müssen helfen, so etwas nimmt man dann, das sagen ja die Experten. Frage: stimmt das? Was, wenn ein anderer Psychiater eine ganz andere Diagnose stellt, was, wenn der Jugendliche nur etwas vor-spielt, wer weiß das schon? Und was wissen wir dann, wenn wir das „wissen“? Wir leben doch in der Zeit des Expertentums und alles und jedes wird von Experten bequatscht, toll, dann kann man es nachreden und „klug“ dabei sein. Irgendwann, merkt man hoffentlich, ist Schluss damit, denn diese Rechnungen (Einbildungen) stimmen hinten und vorne nicht zusammen, die Kausalitätsreihe verliert sich, man ist dem Wahrnehmungs-Spektrum 2% auf den Leim gegangen, denn die restlichen 98 % des Seyns hat man gar nicht erfasst, die sogenannten Experten kommen auch über die 2% Marke nicht hinaus.

 

Vielleicht wird einem da bewusst, dass man lebenslänglich 2 % Ein-bildungen hin- und her gewälzt hat, man stelle sich das einmal vor: 88 Jahre lang Einbildungen im 2% Spektrum und man hatte das Gefühl, von Wirklichkeit und Realität zu sprechen. Eliphas von Theman ist der erste König von Ägypten. Was bedeutet Ägypten, was sagt Eliphas? Warum fragen wir nicht mehr nach?  Martin Heidegger sagte einmal Anfang der zwanziger Jahre: der Philosoph muss redlich philosophieren, er könne nicht vom Glauben reden. Ich habe eine andere Auffassung dazu: der Philosoph sollte nicht nur vom Glauben reden, er sollte vom lebendigen Gott Zeugnis geben, deshalb, weil das Denken in sich sehr beschränkt ist. Der Philosoph ist ein Be-Trüger, er baut eine Trug-Welt auf, mit der man sich einige Zeit beschäftigen kann wie mit einer Tageszeitung, aber irgendwann landet die beim Altpapier. Was weiß ich schon wenn ich sogenannte Erklärungen, Urteile, Diagnosen habe? Ich weiß vielleicht: gut, 2% - und sonst?  Nach den Erklärungen dann die metanoia? Metanoia ist also keine Antwort mehr. Was dann? Sind wir Opfer unserer eigenen Einbildungen, Ausformungen und Erklärungen? Keinen Ein-bildungen mehr Folge leisten, das wäre schon viel. Zur Ein-bildung gehört (oder ist identisch) das Urteilen nach Wahrnehmung, so, als wäre das Fragment meiner Ein-bildung schon das Ganze.  „Meine“ Vorstellung, „meine“ Einbildung: komme ich aus dem „Mein“ gar nicht heraus? Das Mein hat eine ungeheure Schwerkraft. Schwerkraft zieht an, Fall, das Fallen. Wahr-nehmung: etwas für wahr nehmen und schlimm genug, wenn es sich um Einbildungen handelt. Frei sein vom „Mein“ wäre Durchbruch zum Seyn. So ein Frei-sein eröffnet den Blick in das, was „ist“. Jetzt wird die Seele konkret, vorher wohnte sie in der Abstraktion, im Univoken der eigenen Einbildung. Hegel hat einmal eine Preisschrift geschrieben: Was heißt abstrakt denken? Abstrakt ist jener Mensch in uns, der sich in Vorstellungen und Einbildungen aufhält und danach urteilt. Abstrakt denken ist ein Grundmuster der horizontalen Logik, dieses Muster drückt sich heute zunehmend in: ausweglos, Sackgasse, Drohszenarien, Angst, Einschüchterung und Katastrophenmeldungen aus. Der abstrakte Mensch ist gerade nicht der Theoretiker oder Philosoph, obwohl es den dort auch gibt, sondern jener, der nur nach dem „Hören-Sagen“ weltet. Nehmen wir an, wir könnten gerade einmal 2 % von der Wirklichkeit in Gott und seiner Schöpfung ahnend erkennen und in diesen 2 % beruhte vieles (das Meiste) auf bloßen Vorstellungen und Einbildungen und darauf gründen wir dann unsere Urteile und vielfach auch Ver-urteilungen. So kann man schon sagen: wir bauen uns (selbst) eine Welt: vom „Hören-Sagen“ (also abstrakt), so eine „ungefähre Welt“.

 

„Mir selbst ist es schrecklich genug, wenn einer zu erklären anfängt, denn zur Not verstehe ich alles selbst“ (Hegel) – das ist hier keine Überheblichkeit, sondern die Konfrontation mit dem Wesentlichen. Alles selbst verstehen heißt hier: sich stellen, sich ausliefern, nicht mehr die Flucht in Erklärungen antreten, das eigene Vorstellen und Einbilden aufgeben. Man wird sagen: das sei nicht möglich und wirklich, das ist unmöglich. Dem eigenen Vorstellen und Einbilden die höchste Dignität zu verweigern, das ist dennoch möglich. Man nennt das „Demut“. Und man muss sagen: die Verweigerung ist immer eine aus Über-Fülle, sie kommt aus dem Über-Maß, aus der Fülle, die  Gott jeden Augenblick schenkt. Die Freude am Übermaß oder der Überfülle ist zugleich das Eingeständnis darein, dass viel, viel mehr da ist, als ich fassen kann. Der eingeschüchterte Mensch, er „geht nicht zu weit“, er traut sich nicht „zu weit zugehen“,  fürchtet sich, die 2 % seiner Welt zu verlassen, hinüber-zu-gehen, zu transzendieren. Das Hinüber-gehen zeigt sich im Öffnen der Welt, die sich so zeigt, wie sie sich zeigt und von sich selbst her zeigt (Husserl). Die Dinge haben dann erst „Namen“ und sprechen an, sprechen zu, zeigen ihre Bedeutung. So eine Er-Öffnung geschieht in Beziehung, also in Intimität.  Im Zustand des Ausweglosen, der Depression, der Sackgassen und Drohungen, der Katastrophen – ja der eigenen Einbildungen und Vorstellungen „muss“ der Mensch klein von sich und der Welt denken, sein Maßstab ist jener der Angst. Wir leiden heute vielleicht an dem Mangel, dass wir nicht „zu groß und noch viel größer“ von uns denken und überzeugt sind, eine Größe, die nur im Glauben sichtbar wird.

 

Der Mut, „zu weit zu gehen“ im Sinne des Transzendierens und des Glaubens, nicht an der 2 % Marke Halt machen, dieser Mut kommt aus dem Ge-müt, was von alters her auch mit „Herz-Mitte“ bezeichnet wurde. Mut ist nicht zu verwechseln mit überstürzter Aktivität oder gar Hoch-Mut, im Gegenteil, der Mut (das Herz) zu weit zu gehen ist das Zulassen der Gelassenheit, das Wohnen im Vertrauen darauf, dass die Schöpfung in Gottes Hand geborgen ist. Wenn das so ist, dann ist es nicht mehr so wichtig, was aus dem 2 % Spektrum meiner Einbildungen da so daherkommt.Viel „größer“ ist die Schöpfung, als ich es mir aus-denken könnte. Mit dem Aus-denken sollte es also in gewisser Weise zu Ende kommen (gekommen sein), denn eine bloß aus-gedachte Welt, das sagt schon der Name, ist mit sich schon zu Ende gekommen: aus-gedacht heißt zu Ende gebracht.

 

„Distanz“: Leben in der Distanz kommt dem Leben in Ein-bildungen gleich, die 2 % Marke wird nicht überschritten, gar nicht mehr wahrgenommen, dass es da eine Grenze geben könnte. Distanziert leben heißt zugleich: immerzu mit sich und seiner eigenen kleinen Welt beschäftigt sein, Herz und Gemüt nicht mehr erheben können, also nicht mehr „großartig“ sein können, weil man in seiner Kleinheit verschmachtet. Diese Welt der 2 % Marke sollte in gewisser Weise „geopfert“ werden und das wiederum ist das Opfer der Offenheit für das Geheimnis, für die erstaunliche Größe der Schöpfung, die Offenheit für den Schöpfer: für den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist (Mysterium der Trinität).

 

Die Dynamik dieser „Offenheit für…“ nimmt das Opfer der alten, distanzierten Welt gerne in Kauf, denn sie gewinnt so erst die „reale“ Welt, die dem Abstrakten nicht mehr unterworfen ist. Der Maßstab der „realen“ Welt ist dann die Ewigkeit.

 

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXXIV)

Λήθη XV    Erlösung XVIII   (Pfingsten 2022)

 

 

Das Land der Riesen: Ein-Bildung und Vor-stellung

 

In die Form gepresst, ausgepresst; die Formung geschehen lassen, sie geschieht, aber wird nicht zugelassen. Was über einen kommt, hat man nie im Griff. So lebt man im Entzug. Ein anderes Wort für Formung: Leiden. Feind des Leidens: Aufruhr, Widerwille, Ablehnung. Warum gerade „diese“ Form und nicht eine andere? Das ist schon Aufruhr, Missmut! Mit der Geworfenheit trägt man schwer und auch die sogenannten „schön“ Geworfenen tragen schwere Last. Söhne und Töchter: Frucht des je Jetzigen. Söhne und Töchter sind doch Nachfahren, jene, die mir nachfolgen. Nachfolge? Heute ist die Nachfolge von gestern, später die Nachfolge von früher? Krankheit z.B. könnte sein: hier als gesund und normal zu gelten, sich auch so zu empfinden. Niemand würde dann sagen: Du bist krank! In der Norm zu welten ist vielleicht eine sehr schwere Krankheit, wenn alles rund läuft und der ontologische Zirkel wie geschlossen ist. Langeweile: jeder kennt sie, Heidegger geht ihr in seiner Vorlesung 1929 auf den Grund. Aber wir kennen sie anders und keiner wird zugeben: mir ist langweilig, das gehört nicht zum guten Ton. Langeweile z.B. zeigt sich in der größten Betriebsamkeit, in der getakteten Lebensfrequenz, gerade dann, wenn man das Gefühl hat: es ist aufregend zu leben, sehr abwechslungsreich, immer Neues und immer Anderes – da ist die uneingestandene Langeweile sehr mächtig. In der größten Betriebsamkeit wohnt die Verzweiflung der Langeweile. Es ist das Zeitalter der „Beschäftigung“ und so suggeriert man schon den Kindern: beschäftige dich doch mit etwas Sinnvollem! In der Nähe der Beschäftigung wohnt das Geschäft, der Handel, das do ut des! Die Langeweile treibt immerzu in die Beschäftigung, man muss „tun“, sonst ginge man unter.  

 

Beschäftigung ist eine Betäubung, erleichtert und lenkt ab, wie der Laut, auch eine Betäubung. Gespräch kann da nicht sein, denn das tiefste Gespräch findet in der Großen Stille statt, im Schweigen. Der Laut betäubt und wo es „laut“ ist, hört der Mensch nicht mehr sein inneres Gespräch, er verlässt den Ort des tiefen Gesprächs zugunsten der Laute, er sucht das Laute um sich abzulenken. Wer viel redet, der betäubt immerfort. Und Schweigen muss nicht extra gesucht oder hergestellt werden: das Schweigen ist längst da, bevor es auch nur gesucht werden könnte. Jeder kommt aus dem Schweigen und geht in das Schweigen, selbst im Großen Rausch des Alltags, selbst im großen äußeren Lärm, auch in der Veräußerung der Existenz: immerzu bleibt das Schweigen präsent. Im Getriebe sein besagt: die Beziehungen sind sehr eingeschränkt (beschränkt). Im letzten Zyklus war davon die Rede: nur im 2 % Spektrum bewegt man sich, hat keine Intimität darüber hinaus, kennt bloß eingebildete Vorstellungen, die man für Realität hält. So begnügt man sich mit eigenen Vorstellungen. Über diese Grenze hinaus-gehen ist der Beginn der Sprache. Die sogenannte Sprache im 2 % Spektrum hatte sich verirrt und war gar keine, es kollidierten bloß Worthülsen, wurden hin und her geschoben oft aufgrund von bloßen Vorstellungen. Es müsste schon in der 2 % Welt eine echte Irritation aufkommen, damit der Mensch sich aufrafft zum Grenz-Übertritt und es heißt, es brauche einen wesentlichen Unruhe-stifter, der aus der Lauheit aufrüttelt und man sagt, es sei das Wesen des „Priesters“, diese Irritation zu bringen. Der Priester bringt die Irritation und „geleitet“ (begleitet) zum Grenzübertritt, so ist er „Levit“ (geleiten). Bringt der Priester diese Irritation zu Stande (gerade auch der Priester in uns)? Und woraus bezieht die Irritation ihre Kraft? Es ist die Kraft der „Stille“, das Nichts vom Nichts. Man kennt hoffentlich die Geschichte von Elischa und Gehasi (2 Kön, 4), und obwohl Gehasi mit allem „ausgestattet“ ist zur Heilung und Totenerweckung, vermag er nichts, er bewirkt nichts, nicht weil „er“ unvermögend ist (aus uns selbst sind wir es immerzu), sondern weil er nicht aus der Kraft der Stille mit Gott kommt. Man kann sagen: weil er nicht im Angesicht Gottes verschwiegen ist, deshalb ist Gehasi unvermögend. War er unvermögend, weil er voraus-geeilt war? Was, wenn es keine Verzögerung oder Verspätung mehr gibt? Dann wäre das Leben ein Leben von großer Gelassenheit, einer große Er-Innerung. Voraus-eilen bedeutet eigentlich: nicht ruhen können, immer irgendwie beschäftigt sein müssen und so ist man distanziert, hält sich im Äußeren auf, kommt nicht zur Ruhe und doch sind Ruhe und Stille „präsent“. Und diese Er-Innerung ist ein Kampf, denn es findet die Begegnung mit der Wahrheit statt. Der große Unterschied zwischen wahrer Er-Innerung und der eingebildeten Sehnsucht nach Frieden und Ruhe, der liegt in dem (eingebildeten) Glauben, dass die Kraft der Stille ein Wohlgefühl, eine Schwärmerei usf. schenke. Das Gegenteil ist der Fall: der Weg der Ruhe flüchtet nicht mehr in ein Wohlgefühl, sondern sieht die eigene Armseligkeit ein.

 

Ein-gebildet sein, darunter versteht man doch „Eitelkeit“, wer in der Einbildung (Vorstellung) wohnt, der ist noch sehr „eitel“. Wird der Schleier der Eitelkeit weggezogen, zeigt sich das was „ist“: sehr nüchtern, abgeschminkt, aber wahr. Eitelkeit, kann man sagen, ist eine „verkehrte Kraft zur Dauer“, daher eine Perversion: sie dehnt Zeit in Vorstellung aus. Scheitern, Irritation und Störung gelten diesem Dauern als zu Vermeidendes, es muss verhindert werden, dass Störungen auftreten, seien es physische oder psychische. So geht man sofort in die Apotheke, wenn sich Störungen melden, das beunruhigt, das braucht man gerade nicht. Und doch: das größte Horrorszenario liegt gerade in der Vorstellung eines störungsfreien Wohlfühl-Lebens, ein Rundumherumleben.  Einbildung, Vorstellung, Eitelkeit: sie alle liegen in nächster Nähe zum Denken und es he ßt, der Satan sei jener, der immer schon „zu viel gedacht“ habe. Wer sich also in der Vorstellung seinen Aufenthalt hat, der beginnt den Kontakt mit der Realität zu verlieren. Die sogenannte Realität hat nur wenig mit dem zu tun, was man meint, wenn man von sinnlicher (zeit-räumlicher) „Wirklichkeit“ spricht, denn meistens sind das auch nur Vorstellungen und Einbildungen. Von Realität im eigentlichen Sinne kann man nur im „Angesicht Gottes“ sprechen, es meint dann „Ewigkeit“ (oft mit Himmel überschrieben). Vom Himmel haben wir keine Vorstellungen mehr,  man kann sich zwar einen Himmel ein-bilden und vor-stellen, aber das sind sehr dürftige Fantasien. Die menschliche Vorstellung ist unfähig in die Ewigkeit vorzudringen, denn sie ist „jenseits“ und das meint: nicht nachher! Das Jenseitige als das Nicht-nachher-Kommende ist „das“ Grundlagen-Fundament und die Wurzel vom deutschen Wort Fundament liegt im „Geheimnis“ (sod). Ein Mysterium bleibt ein Mysterium und liegt jenseits unserer Vorstellung oder Einbildung im 2 % Spektrum. Das Mysterium kommt nicht „nachher“, sondern west an. Vor-stellen, Denken, Rechnen, Ein-bilden: in allen 4 Phänomenen steckt eine gemeinsame Wurzel: die Über-Sicht, der Über-Schlag – oder mit einem anderen Wort: die Logik der „Planbarkeit“. Man kann alle 4 Phänomene auch als Distanz-Phänomene betrachten, die ausdrücken: ich halte mir dadurch die wahre Realität vom Leibe! Das Denken kann aber auch ein „Danken“ sein, so wie der Wein die Gefahr zum Rausch als auch die Heiligung in der Eucharistie sein kann. Das Denken, ein Danken (Heidegger). Die obigen Phänomene zeigen ein Begrenzt-sein auf und das in der Form-sein ist ja Eingrenzung, Beschränkung, man sagt: alles sei „be-dingt“. Das Dingen in der Zeit ist das Bedingt-sein durch die Dinge, das Begrenzt-werden durch die Dinge. Im Dingen der Zeit erhebt sich die Sucht nach dem Nicht-Bedingten, dem Frei-sein davon, dem Frei-sein von Beschränkung; das ist dann das Un-bedingte, das nicht mehr Vergängliche oder lateinisch: das absolutum (das Los-Gelöste, so auch das Er-löste). Und liegt nicht darin schon das „Los“, also die Schickung aus Gott, der man nur „vertrauen“, die man aber nicht berechnen und durchdenken kann?

 

Bedingt sein heißt also in sich: begrenzt sein. Hoffnung z.B. wäre ein Phänomen, das das Bedingte aufgibt, eine bedingte Hoffnung, weiß man, ist eigentlich ein Unding. Hoffnung ist wesentlich un-bedingt: sie hofft „alles“. So auch die Liebe! Die Ein-Bildung ist daher jene Begrenzung der Realität, die ungültig ist, weil sie sich ein „Bild macht“. Ein Bild „machen“ heißt dann eine „Fixierung“, eine „Moment-Aufnahme“ zur Erstarrung werden lassen. Das Bilden der Ein-Bildung lässt erstarren, nimmt dem Bedingten das Leben und lässt es zur Salzsäule erstarren. Das Einbilden trägt diese Gefahr mit sich, dem Bedingten Ewigkeitswert zu verleihen, so als wäre die bedingte Form „alles“ und darauf gründen sich dann Urteile und auch Taten. Bedingt – un-bedingt, das sind wichtige Erlebnisse. Un-bedingt hängt mit der Fähigkeit zur Über-Treibung zusammen, was man auch als Sehn-Sucht bezeichnen könnte oder mit dem deutschen Wort „sehr“. Un-bedingt erinnert mich an den Begriff der „Kraft“ in Hegels Phänomenologie. Eine un-bedingte Liebe strömt über vor Kraft, sie über-treibt, über-fließt, über-windet Grenzen, zielt nach dem Grenzen-losen, eben nach dem Unbedingten. Un-bedingt geliebt zu sein, einerlei wie man sich aufführt, ist so eine tiefe Sehnsucht im Menschen, die er sehr gut verdrängt. Das Bedingte ist das Beschränkende und Beschränkte, das, was engt und im Extrem bringt die Enge die Angst. In der Enge der Angst „eilt es“ – Eile des Herzens; der Maßstab ist dann das Bedingt-sein. Das Reich des Bedingt-seins ist das Reich dieser Welt und wir mitten darin und so das Reich der Eile. Zurück zum Denken: Wenn das Denken nicht mehr ein Danken ist (der Gedanc), verliert es sich in Einbildungen und Vorstellungen, es ist dann ein sehr bedingtes (beschränktes) Denken. Dieses „wurzellose“ Denken bringt den Plan, die Konstruktion, die Berechnung, die Vorausschau und Rückschau, die Leistung, kurz: es muss doch etwas „getan“ werden, es muss etwas passieren. Zugleich ermächtigt das Denken zur Einsicht, dass die bloß horizontale Bewegung der Seele „seelenlos“ bleibt, ein Zustand des Todes. Im Beginn des Auszuges aus der veräußerten Exilierung beginnt der Kampf. Es ist jener geistige Kampf in uns, der sich plötzlich als „Wer“ der Was-Welt gegenübersieht, dem die Was-Welt entflieht, zunehmend kraftlos wird. Dann erhebt sich die Frage: „Wer“ bist Du, wer bin „ich“ eigentlich und zugleich ist es die Frage: Wer bist DU, Großer Gott? Die Frage nach dem Wer kennt keine Flucht mehr, sie kommt dem gleich was man meint: Stellung beziehen! Es ist der Ort, an dem das Denken übergeht in die Intimität oder den Weg verfehlt. Hier hören alle Erklärungen und Beweisführungen auf und es beginnt das Leben der lebendigen Antwort an Gott, der Dialog im Fleisch. Der Über-Gang ist somit nicht mehr entblößtes Denken, sondern intimes Denken (Gedanc) und der Gang ist „Täterschaft“, besagt: intime Handlung. Dom Augustin Guillerand schreibt einmal: der Feind wäre „in uns“, nicht außerhalb. Das Licht der Dinge habe etwas Dämonisches, es leuchtet für sich und fixiert, stellt sich dar und hält an sich den Schein des Absoluten. Wer sich nur mehr im geschaffenen Licht aufhält, ist ein Fixierter. Dieselbe Fixierung ist auch die des Stoikers, der, der die geschaffene Welt flüchtet weil er sich „einbildet“, dass das Fleisch durch und durch schlecht, böse, zu vermeiden wäre und Ruhe und Kraft nur in der Stille der Weltflucht lägen. Beides: die Verlorenheit an die Dinge und die Flucht der Dinge – sie sind im Wesen dieselbe Bewegung der Seele und bezeugen die Gefangenschaft durch das Licht der Dinge. Es ist eine Feindschaft und ein Kampfplatz in uns selbst, eine Verstrickung, aus der wir mit eigener Hilfe nicht herauskommen. Das geschaffene Licht leuchtet so mächtig, dass wir meinten, es sei „Letztes“, wir verfallen dieser geschaffenen Eigen-Mächtigkeit immerzu. „Wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund“ (Lk 6,45) – das reicht, zeigt genau auf, worin wir wohnen und was uns wichtig ist und es zeigt, was uns „Leben“ ist.

 

Diesen „inneren Kampfplatz“ wirklich betreten heißt: sich dem Feind im Inneren stellen, nicht mehr den Feind außerhalb suchen. Eine Konsequenz daraus wäre, dass man es aufgibt über andere zu urteilen, es käme einer Flucht gleich und zeigt, dass man vor sich selbst die größte Angst hat. In diesem inneren Kampf kämpft es um die Bewegung auf das Seyn hin: diese Be-Weg-ung ist der „Weg der Bitte“. Es ist die Grund-legende Bitte an Gott, eine an ihn gerichtete Grund-gebende Bitte, die durch den charakterisiert wird, an den man die Bitte aus-richtet: durch Gott. In der Grund-legenden Bitte konfrontiert man sich mit dem Eigen-Stolz, der das Bitten dieser Art nicht zulässt. Wenn Gott den Grund-legt, wie er es auch real tut, so kommt das Grund-legende Bitten einer Einverständnis-Erklärung gleich: ich erlaube dir, Gott, dich zuzulassen in allen Augenblicken des Existierens, des So-seins, ich erhebe das Herz „über“ das geschaffene Licht hinaus, es gilt mir nicht mehr als „Letztes“, denn es ist von Dir, Gott. Der innere Kampfplatz ist somit jederzeit – alle Augenblicke – jener Kampf der Relativierung des geschaffenen Lichtes zugunsten des Schöpfers. Weil es sein Geschöpf ist, ist es wertvoll, nicht aus sich selbst heraus. Das ist jederzeit der innere Kampf, hier entscheiden sich, kann man sagen, Heil oder Unheil, was sich dann auch in der Veräußerung zeigen wird. Ein Geschöpf kann aus sich heraus (ist es doch geschaffenes Licht) diesen Kampf nicht bestehen und die „Bitte“ ist ja schon das Eingeständnis, auf die Kraft Gottes vertrauen zu wollen und zu müssen. Das Wesen der Bitte ist das „Vertrauen können“ darauf, dass alles Tun nicht in unserer Hand liegt, sondern geführt ist durch Gottes Gnade und Vorsehung und, dass unser Denken nicht im Stande ist, dieses Mysterium zu durchschauen. Je weniger ein Mensch in der Lage ist zu diesem Gott-Vertrauen, desto mehr ist er der entäußerte Mensch, also der Kaufmann, der Kanaaniter, der Geldwechsler, der Denker, der der horizontalen Logik verfallen ist. Die an Gott gerichtete Bitte legt den „Grund“ neu, sie ist daher wahrhaft Grund-legend. Der Kampf wird im Gott-Vertrauen entschieden, man selbst gesteht die eigene Ohnmacht ein, gibt es auf, es zu „wissen“ und wird herausgefordert zum glaubenden Vertrauen. Die horizontale Logik kann aus sich heraus die Sprache des Glaubens nicht versehen, sie hat kein geeignetes Organ dafür, die Sprache der Bibel ist ihr gänzlich fremd. Der entscheidende Kampf muss mit dieser „Bitte“ beginnen und so ist die Bitte eine Bitte „im Fleisch“, eine Täterschaft von höchster Konsequenz.

 

Man kann sagen: weil wir nicht mehr wirklich „bitten“, sind die Umstände der Welt wie sie sind. Ich verstehe unter diesem „Bitten“ zunächst und in erster Linie jene Vereinigung als Intimität mit Gott, also ein über-natürliches Bitten. Jenes übernatürliche Bitten hat wesentlich mit einem „Auf-suchen“ zu tun, ich suche eine andere Stellung auf: ein Anfragen, Befragen und sogar Ein-Fordern (so im Hebräischen scha´al). Bitten und Beten hängen doch sehr miteinander zusammen, sodass man (wie bei: das Denken ein Danken) auch sagen kann: das Bitten – ein Beten. Somit ist der innere Kampflatz jener des „Gebetes“, darin es um das wahre Gebet, das Gebet der Loslösung, das innere Gebet und endlich um den Lobpreis geht.

„Es geht um…“, diese Formel spricht noch aus dem Exil, sie kommt aus dem Exil, erhebt sich und kehrt wieder in das Exil zurück, das aber als Exil nicht mehr jene Anziehungskraft hat, die es hatte, bevor sich das Herz im Gebet erhoben hat. Es wird darauf ankommen, das Exil „als“ Exil sehen und lieben zu lernen. Un-Bedingtes: das Wort zeigt sich ortlos, Ewigkeit z.B. ist so ein Wort, es hat keinerlei Bedingung, ist nicht mehr an Raum und Zeit gebunden, es entfällt diesen Grund-Koordinaten. Die Gebärde (bären, ge-bären, Geburt) des Unbedingten lässt sich im Schweigen vernehmen, in der Kraft der Stille ist der Einlass des Ewigen gewährt. Das Gewähren ist in sich ein „Wahren“ und „Bewahren“ des Ewigen; also ein „Hüten“. So erträgt das Un-Bedingte keine Definition mehr, es würde dadurch eingegrenzt und somit ver-nichtet. Es herrscht im Dingen der Dinge, im Bedingten, das Gebunden sein an die Dinge (Bindung). Un-Bedingtes verträgt keine Bindung (Fixierung), sondern fordert das Frei-sein davon: Glaube ist so eine Haltung des Un-Bedingten. Im Glauben setzt sich eine Haltung des Geschehen-lassens durch und man sieht ein, die hier beschriebenen Phänomene sind allesamt „Geschehen-lassende“, sie sprechen durch und durch die Sprache der Gelassenheit oder Un-Gezwungenheit: also die Sprache der Freiheit. Das Un-Bedingte hat sich der eindimensionalen Definition entzogen, es ist die Große Einheit, die alles Fragment in sich enthält.

 

„Was“ zeigt immer in das Wesen der Definition, in die Eingrenzung, also in die Fixierung – man muss dann trennen, wegschneiden, abrunden, konstruieren. Das tut man dann auch immer „beziehungs-los“: zur Sache hat man keine Beziehung, sondern eine Vorstellung und man merkt schon diese eigentümliche „Äußerlichkeit“ im Land der horizontalen Logik, eine Kälte, weil keine „Beziehung“ da ist. Insofern aber „Bezug“ da ist, insofern wird es lebendig. Lebendigkeit hängt davon ab, wie sehr der Mensch Beziehung „ist“ (nicht hat). In der Beziehung liegt dieses „Ziehen“ und das Ziehen zeigt die Bewegung (Dynamik) des Sich-einlassens: ich lasse mich darauf ein, es geht mich jetzt etwas an. Leben-dig sein zeugt von dieser Beziehung und so kann man sagen: die Schöpfung kam durch „Beziehung“ zu Stande, dadurch kam „Lebendigkeit“ (Leben) zu Stande. Im Anfang steht daher der „Bezug“ (die leben-schaffende Beziehung) und die kann doch nur ein „Wer“ sein, zu einer bloßen Sache (Was) kann man keine lebendige Beziehung haben und wenn man sich das einbildet oder sogar praktiziert, ist man sehr krank. Der Heilige Erzengel Michael (Wer ist wie Gott?) – dieses „Wer“ ist wesentlich, es heißt nicht: „was“ ist wie Gott! Der Schauplatz des geistigen Kampfes ist auch jederzeit der zwischen dem WER und dem WAS, zwischen Beziehung und Beziehungslosigkeit. Der Heilige Erzengel Michael, kann man sagen, ringt das aufständische Was (die Beziehungslosigkeit) nieder, er ringt die Kälte und Erstarrung (Fixierung) nieder und dieses Nieder-ringen ist der Sieg im Lebendig-sein des Herzens (der inneren Mitte). Enttäuschung, Bitterkeit, Angst und Enge, all das Abträgliche: sollte es nur Ausdruck meiner Lieblosigkeit sein? Das ist eine entscheidende Frage: wie sehr habe ich mich in der Was-Welt verirrt, also in den eingebildeten Definitionen, in der Eindimensionalität meiner Vorstellungen und habe darüber das wesentliche „Wer“ vergessen (habe ich die Beziehung geopfert zugunsten einer reinen Ver-Sachlichung)? Ein-dimensionalität heißt jederzeit: „Ein“ Weg und nur dieser und nur meiner (meine Vorstellung, meine Einbildung, meine Berechnung). Diese „Einbahn“ kennt nur eine Richtung: entweder so oder so, dies oder das, Leben oder Tod, reich oder arm, krank oder gesund. Es fehlt dieser Existenz dann etwas sehr Wesentliches: das große „UND“: dieses und dieses, dieses sowohl als auch dieses. Das „Verbindende“ fehlt und daher die Verbundenheit und man kann schon sagen: wer sich nicht in der Großen Verbundenheit verbinden lässt, der bleibt lieb-los, der blutet nach und nach aus, dem fehlt dann etwas und man sagt ja, wenn jemand krank ist: was fehlt ihm? Die Wunde des Existierens wird in der Großen Verbundenheit (Verbindung) geheilt. Die Was-Welt kennt nur die Definition des Entweder dies oder das und weil sie keine Beziehung hat, ist ihr die Welt „Feind“. Die äußere als Feind erlebte Welt ist aber immer Ausdruck einer „Feindschaft in mir“ und die Wurzel dieser Feindschaft in mir ist die Opferung des „Wer“, die Beziehung: wer bin ich eigentlich und wer ist Gott für mich? Wer das „Wer“ kündigt, dem wird das „Was“ zum Maßstab des Messens und das Was kennt per definitionem nur das Eindeutige, es quält sich im existentiellen Ausschluss-Verfahren.

 

„Sorge“ z.B. ist immer Ausdruck eines Fest-halten-müssens, ein fixiertes Anstarren einer Ein-Bildung oder Vor-stellung. Das Fixierte nimmt eine ungeheure Dimension an (es ist dann nicht mehr geheuer mit dem Existieren) und dann beginnen die Vorsichts-maßnahmen  im Bannkreis der Angst. Ist man einmal in diesem Bannkreis fixiert, sieht man nur mehr dies und nur dies, eine andere Perspektive gibt es dann nicht: man lebt verängstigt in der Welt der Eindeutigkeiten und Zuständigkeiten. In diesem Reich vermag die „Drohung“ sehr viel: wehe, du tust nicht so wie es das Gesetz oder die Vorschrift vorsieht, aber dann! Mit dem Mächtig-werden der Was-Welt zeigt sich die Dynamik dessen, was mit dem Sünden-Fall geschieht: die Zuwendung zum Was und die Suspendierung des „Wer“ oder mit anderen Worten: das Geschöpfliche wird verabsolutiert, der Schöpfer darüber vergessen, oder wieder mit anderen Worten: das Drama der Flucht ist jederzeit die Geschichte der „Beziehungs-losigkeit“ (Lieb-losigkeit). In der Welt der Definition muss es sehr ernst zugehen, es geht da um Leben und Tod, aber in einer verkehrten Hinsicht. Das definierte Vergängliche verträgt keine Distanzierung, es fehlt der angemessene Spiel-Raum, die ewige Perspektive, kann man sagen, es fehlt mit einem anderen Wort: der „Göttliche Humor“, der nur aufkommt, wenn man das „Kreuz“ endlich ernst nimmt. „Endlich ernst nehmen“ meint: die Endlichkeit nimmt die Ewigkeit „ernst“ und nicht mehr die Vergänglichkeit und erst wenn dies „passiert“, wird die Endlichkeit in der Weise „ernst genommen“, wie es ihr zugemessen zukommt. In dieser Zugemessenheit liegt das Zulassen, ein Geschehen-lassen, im Letzten diese „Gelassenheit“ des Zu-lassens: also wieder ein „Nicht-tun“.

 

In caritate perpetua dilexi te, ideo attraxi te miserans (Jer 31,3): mit „ewiger Liebe“, das ist „un-bedingt“. Man kann sagen: es ist die ge-reinigte Beziehung, die wahre Realität, nicht eine eingebildete. In Jeremia 31,3 spricht die „reine Barmherzigkeit“, der, der von Ewigkeit her liebt, zieht aus Gnade (aus „umsonst“)  - der Herr „erbarmt sich“ heißt hier nicht: er macht halt Ausnahmen, zum Glück! Barmherzigkeit wird von alters her auch mit „Güte“ übersetzt und in der Güte liegt das „Gute“: der Herr ist „in sich die Gutheit“, es ist sein Wesen, er kann nicht anders. „Göttlicher Humor“ hat die Freiheit zu diesem Los-lassen und sich Ein-lassen auf die vollendete Gutheit Gottes. Wenn ein Mensch „gütig“ ist, dann heißt es nicht, dass er alles zulassen sollte, jeder kann tun wie er will. Gütig sein heißt in erster Linie: die Gutheit in Gott angenommen haben, dann bin ich „gütig“ (gut, heil, ganz gemacht). Göttlicher Humor kommt der Relativierung unserer Eingebildetheiten und Vorstellungen gleich, das einzige, was wirklich ernst genommen werden muss, das ist die „Beziehung“ zu Gott und der beseelten Schöpfung, denn sie ist sein Werk: um Gottes Willen! Daher: wo immer es „eng“ wird in der Angst, da zeigen sich: Intoleranz, Rechthaberei, horizontaler Absolutismus. Es gibt dann nur noch den Auftritt in der horizontalen Welt auf Gedeih und Verderb und im Letzten ist das ein „Kriegs-Zustand“.  Wer „Krieg führt“ im Inneren, der muss auch Krieg im Äußeren führen, der ist nicht im „Bildnis Gottes“, in seinem Gleichnis. Wer Krieg führt bezeugt seine Beziehungslosigkeit, er geht vor nach „Berechnung“ und „Einbildung“, sein Lebensimpuls ist genau taxiert, gewogen, berechnet: zu meinen Gunsten. Während das Existieren im Wer (Beziehung) offenständig ist, bezeugt das Existieren im Was den „Abschluss“ oder den „Verschluss“. Die Was-Existenz ist dann jederzeit „verschlossen“ (zu), auf dem Herzen ist ein Deckel drauf. Irgendwie bekommt die Existenz im horizontalen Absolutismus mit, dass etwas Grundlegendes nicht stimmt, dass die Rechnungen letzten Endes doch nicht aufgehen. Diese kurze Einsicht wird aber gleich wieder verdrängt, man hält es dabei nicht lange aus, denn das würde zum Konkurs der horizontalen Existenz führen.  Der Barmherzigkeit Gottes ist es zu verdanken, dass der Spürhund Gottes (Francis Thompson) dem Entflohenen nachjagt, und zwar erbarmungslos. Die Titanic der Existenz steuert auf den Eisberg zu, sie weiß das auch „insgeheim“, spürt das: es ist mir aus dem Ruder gelaufen, und zwar grundsätzlich! Gott, der Schöpfer, jagt der entfliehenden Seele mit unerbittlicher Ruhe und Stille nach, er setzt ihr zu, bis sie „aufgibt“. Über das „Aufgeben“ war in anderen Zyklen schon die Rede. Es kommt dem Sinn des „Hinauf-Gebens“ gleich, sozusagen ein Beenden der Eigendynamik und ein Sich-Überlassen der Göttlichen Fügung. Man kann die Dramatik bei Francis Thompson bemerken: selbst im allerletzten Versteck (es wäre die Gottes-Nacht), erwartet uns schon die Barmherzigkeit Gottes: mit aller Gelassenheit und Ruhe, in aller Stille „jagt“ der Heilige Geist, er ist schon „da“, bevor wir ankommen und erwartet uns, erwartet unsere „Hin-Auf-Gabe“. Das ist ein sehr entscheidender Augenblick des Existierens: Entweder man ergibt sich in der Hinauf-Gabe und Rück-Gabe an Gott oder man wird lebenslang auf der Flucht sein müssen (heißt: man muss sich betäuben). Es ist die „einzige“ Entscheidung, die nur das „Entweder-oder“ zulässt, hier gibt es kein Sowohl-als-auch. Am Ende bedeutet die Entscheidung zugunsten der reinen Horizontalität Gefangenschaft in der Enge der Angst. In dieser Welt muss man dann alles verdrängen, was nicht von dieser Welt ist: das ist der „Abschluss“, der „Zuschluss“ oder das Verschließen der Existenz oder das Schließen des ontologischen Zirkels.

 

Dieser Zu-Schluss im Betäuben ist schon ein Tot-sein. Man spricht heute nicht mehr vom „eigentlichen Sterben“, das ist der geistige Tod. Man hört davon nicht mehr und so meint man, dass das Sterben einmal kommen wird, über alle. Aber das stimmt nicht ganz. Der eigentliche Tod ist im Geist und es geht „nur“ im Geist um Leben und Tod. Dass der Körper einmal nicht mehr sein wird, das ist nicht das Sterben, nein,  wir leben „geistig“ und wir sterben „geistig“, das ist die Wucht der Würde. Einmal, heißt es, so wie der Baum fällt, so wird er liegen (auf ewig). Im Augenblick des Vergehens, wenn das Körperliche fällt, dann werde ich seyn, der ich gewesen bin, wo sich also mein Wesen aufhielt. Es ist nicht gut, dass man nicht mehr vom „eigentlichen Tod“ spricht, dem geistigen. „Lasst die Toten ihre Toten begraben“ – das ist diese Anmahnung an uns jederzeit, die An-Mahnung, dass man (geistigerweise) tot ist, bevor der Körper verendet. Ich stelle mir eben vor, ein Priester predigt: Brüder und Schwestern, die ihr heute gekommen seid, prüft euch, fragt euch, ob ihr nicht schon gestorben seid, ob ihr Tote seid, Tote, die ihre Toten begraben!

Jenes „Tot-sein“ meint den Verschluss. Das horizontale Verenden ist eigentlich kein „Tod“, der eigentliche Tod ist der „geistige Tod“. Der Heilige Paulus überliefert uns in Röm 6,8 das lebendige Wort: Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben we den. Längst bevor der Mensch horizontal im Fleisch zu Ende kommt (ver-endet), ist er womöglich längst schon  „realiter“ „tot“, der Wirklichkeit gemäß gestorben. Das Existieren im „Verschluss“ führt mit sich ein horizontales Wohlgefühl, das oft für „Alles“ gehalten wird. Man sagt dann: ich habe das Leben in vollen Zügen genossen, habe nichts ausgelassen, es ist ein vollendetes Leben gewesen, es hat alles gepasst und gestimmt!  Man fragt doch heute bei jeder Gelegenheit: Wie geht es Dir? Sicher, diese Formel wird verwendet wie das Grüßen, ohne Bewusstsein. Und dann antworten wir automatisch, danke, es geht „gut“, es läuft gut, es könnte so ruhig weitergehen! Man bedenke das einmal: im „Verschluss“ spricht der Mensch in dieser Art, er hat es sich im Horizontalen gemütlich und schön eingerichtet und will da bloß nicht wirklich „gestört“ werden, also kein Gestörter sein. Er sucht den bloß „horizontalen Schlaf“, also das Rundum-herum-Wohlgefühl. Doch die lästigen „Störungen“ kommen: Inflation, Pandemie, Krieg, Krankheit. Dann sagt sich der Verschluss-Mensch: gut, dagegen muss man „kämpfen“, wir kriegen das schon hin! Es ist dann in dieser Gangart oft zu lesen: der oder die hat den Kampf gegen diese Krankheit verloren (Zusatz: den heroischen, tapferen Kampf gegen…). War das alles?

 

Die Störungen der bloßen Horizontalität werden „horizontal“ ausgelegt, als etwas, das man „beseitigen könnte und sollte“. Hier ist die Gefahr des geistigen (des wirklichen) Todes am größten. Und jetzt die andere Seite: Wieder die Frage: wie geht es dir? Antwort: nicht gut! Mein Leben ist und war eine einzige Katastrophe, ich habe die Butterseite des Lebens nie gekannt! (extrem formuliert) Auch „diese Sprache“ ist Sprache im „Verschluss“, der Maßstab ist das Horizontale. „Es-geht-nicht-gut“ und diese Katastrophe will man nicht, dagegen revoltiert man. Dafür noch „dankbar sein“, das geht nicht!  Die bloß horizontale Welt kennt (und will nur kennen) diese Alternative: es geht gut oder, es geht schlecht, entweder – oder und freilich sucht sie insgeheim und wünscht so sehr, dass es doch „gut gehen möge“. Der Lotto-Spieler ist sehr ehrlich in seinem Tun, er sagt: bitte diesen Reichtum, dann ist alles „erfüllt“! Das „Gut“ dieser Horizontalität ist daher das störungsfreie Existieren, daran ist alles gelegen, dass die Maschine störungsfrei laufen solle. Apotheken müsste man eigentlich umbenennen in: Hier kannst du dir ein wenig störungsfreie Zeit kaufen! (bis die nächste Stör-Aktion losbricht). Der verschlossene Mensch (im Verschluss) kennt nur mehr diese horizontale Alternative, er ist „zu“, geistig „tot“. Er ist nicht mehr wirklich „irritiert“ über dieses Existieren in der horizontalen Alternative, die Vertikale ist ihm ein Veräußertes, Äußerliches, ein Kreuz am Wegrand, ein Kirchengeläut, ein Vater-unser dahergesagt, ein Glaube wie eine Chronik, eine Religion, deren es viele gibt – aber was sagt das schon? Man hat sich zur Ruhe begeben, ist längst in Pension (geistigerweise) gegangen. Eine der größten Sorgen heute ist, dass wir unsere Pension „gesund genießen“ können, den wohlverdienten Ruhe-Stand. Nach dem bisher Gesagten bedeutet das: ich segne ab, was in mir „tot“ ist. Diese horizontale Genügsamkeit ist der eigentliche „Wahnsinn“, ein Wahn, der die Seele einkerkert und mundtot macht. Der letzte Aufschwung dieser horizontalen Mentalität ist dann die sentimentale Hintergrund-Musik bei der Trauer-Feier, man soll dann auf Knopfdruck sentimental sein (aber das funktioniert zum Glück auch nicht immer). Der horizontale Mensch hofft, dass er verschont bleibe von den Plagen, die das horizontale Glück stören könnten, von diesen Schlägen, die unberechenbar über einen hereinbrechen.  Was ist eigentlich ein „Schlag“? Es gibt im Deutschen das Wort Schlag-Abtausch und es meint einen „treffsicheren“ Dialog. Für solchen Schlagabtausch muss man gerüstet sein, da könnte man in die Lehre gehen bei den Denkern des Mittelalters, den sogenannten Streitgesprächen. Wenn ich „geschlagen“ werde, dann werde ich „direkt getroffen“, erschüttert (im Boxkampf bis zur Bewusstlosigkeit). Wie ist es aber mit dem „geistigen Geschlagen werden“?

 

Dieser Kampf findet im horizontalen Absolutismus (im Verschluss) nicht mehr statt. Wenn die Schläge des Lebens dennoch „massiv“ werden in dem Sinne, dass einer eingesteht: so wie bisher kann es nicht weitergehen, das war doch nicht Alles, in diesem Augenblick beginnt ein wirkliches „Sterben“. Geistig „tot“ ist man dann, wenn selbst die horizontalen massiven Schläge keine grundlegende Irritation in obiger Hinsicht mehr veranlassen. Es gibt ein gewisses Kennzeichen dieses Sterbens und das ist immer jenes der „Armut“. Sterben bedeutet „arm werden vor Gott“, es führt in die eigene Arm-selig-keit darin eine Seligkeit liegt. Die eigene Bedürftigkeit und Armseligkeit im Angesicht Gottes aushalten können, das ist keine „Flucht“ mehr, sondern Heimkehr. Dagegen sind die vielen Angebote am Jahrmarkt der Lebenshilfe nichts anderes als horizontale Flucht-Möglichkeiten, man wechselt hin und her, je nach Gefühl und Laune, heute dies, morgen das, heute bin ich so, morgen so. Der horizontale Verschluss bleibt so „geschlossen“ (man sucht sein Glück in der störungsfreien Zone). Der so Verschlossene hat auch Hoffnung: sie erstreckt sich aber nur auf das möglichst störungsfreie Leben.  Eigentliches Sterben stirbt in die gänzliche Armut im Angesicht Gottes und ist somit „Auferstehung“ von den Toten. An dieser Stelle möchte ich auf die „Armuts-Predigt“ des Meister Eckhardt hinweisen.  Der Vor-Geschmack der Auferstehung liegt schon in der „Offenheit für das Geheimnis und in der Gelassenheit zu den Dingen“ (Heidegger). Wenn die alte Welt der Einbildung und Vorstellung zugunsten der wahren Welt in Gott relativiert wird, so „stirbt“ etwas in uns, was uns als Leben erschien. Es war zu präsent aus sich heraus, gefiel sich nur aus sich (Narziss). „Offenheit für…“ ist die Bewegung zur Annahme des Ganzen, der Wahrheit, das Aufnehmen der „Gabe“. Der vormals Gefangene erfährt die Welt wie sie war und ist, dennoch grundlegend jetzt als „Gabe Gottes“. Wenn einer nach langer Fahrt des Lebens (die auch sehr kurz sein kann) mit offenem Herzen fleht: ich bin Deiner Erlösung, Gott, bedürftig  - so ist die Erlösung schon da!

 

Erlösung ist kein „Ruhestand“, sondern führt zum Mysterium des Kreuzes. Es ist der Weg der Erfahrung: Welt in Beziehung. Welt in „Beziehung“ bedeutet jetzt eine „Welt ohne Falsch, ohne Betrug und vor allem ohne Selbst-betrug“. Erst in dieser „Offenständigkeit“ (ohne Sentimentalität) kann die Welt als Gabe angenommen werden, vorher war sie nach eigenem Maß verkürzt. In Johannes 1,47 ist von Nathana-el die Rede. Jesus sieht in ihm kein „Falsch“, einen echten Israeliten. Netan-El besagt: Gott gibt, Gott gab, Gott gibt immerzu. Im Griechischen steht dann das Wort: en ho dolos ouk estin! Übersetzt: in ihm kein Dämon der Täuschung (List, Betrug, Lüge) wohnt. Ein offenständiger Mensch zu Gott hin: ihm wird gegeben, ihm ward gegeben, ihm wird immer gegeben sein und so „ist“ er der Netan-El, der von Gott Beschenkte. Ist er das, dann ist er „frei“ von Trug, Betrug und Lüge. Das hat mit dem Verständnis des Brav-seins nichts zu tun, ein Mensch ohne „Falsch“ ist kein Flüchtender mehr, er hat die Betäubung nicht mehr notwendig, er hat mit Gott gekämpft und gesiegt und somit ist er ein „echter Israelit“. Der Himmel ist „geöffnet“ und die angelous tou theou steigen auf den Menschen-Sohn hernieder. Die Gabe der Ver-Gebung ist frei von Trug und so sind es in erster Linie jene, die sich im Sinne Gottes „beschenken lassen wollen“. Wer die Vor-stellung oder Ein-Bildung nicht mehr nötig hat, dem zeigt sich die Realität in der Gebung der Gabe. Im Kreuz ist Leben, heißt es, es meint, dass das Kreuz die Wucht der Horizontalität „durchmisst und durchkeuzt“, das Kreuz relativiert den verkehrten Anspruch des horizontalen Absolutismus und erst in dieser Relativierung ist „Leben erst Leben“, kann Leben zugelassen werden.  Das Land der Riesen: Ein-Bildung und Vor-Stellung, immerzu erscheinen diese Riesen, es ist aber geradezu „der Geliebte Gottes“, der David, der diesen Goliath bezwingt, nicht durch eigene Anstrengung, sondern dadurch, dass alles (und alles ist Alles) denen zum Guten gereicht, die Gott lieben (Röm 8,28). Denn David ist eher auf der Verlierestraße unterwegs, macht viel mit, ein Looser, würde man heute sagen, er „leidet“ viel und doch ist er im Leiden der Geliebte, der, der geliebt wird und der durch das Geliebt-werden fähig ist zum Lieben und so ist das Leid am Ende in der Atmosphäre der Liebe kein Unglück mehr oder etwas, was man mit Strategien verjagen muss. Der David weiß sich von Gott geliebt und das ist doch das Wesentliche. Horizontale Maßstäbe, Ein-Bildung oder Vor-stellung haben im David keinen Zugriff. Keinen Zugriff heißt soviel wie: kein „Schlag“; die Göttliche Relativierung entmachtet die Schlagkraft des horizontalen Absolutismus.

 

Das Bilder-Verbot (Exodus 2,20) zeigt in das Wesen der Ein-Bildung: sich Bilder machen, sich Vorstellungen „machen“, es sind „Riesen“, denen man, wie es scheint, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Dieses „Gebot“ steht gleich zu Beginn, es ist also sehr, sehr wichtig. Die Gefahr, sich Bilder und Vorstellungen zu machen liegt in der „Dämmerung“, es kommt dann ein „Dämmerschlaf“ über den Menschen, in diesem Schlaf fordert der Mensch Gott nicht mehr heraus, sondern lässt ihn „links liegen“ und ist sehr zufrieden mit seiner horizontalen Welt. In dieser Welt muss man immerzu „machen“, das ist das Kains-Mal: unstet und flüchtend musst du welten! Aber: die Sprache „spricht“, man kann sagen: die Sprache spricht sich uns zu, geht uns entgegen, begrüßt uns und spricht uns an! Längst bevor wir antworten, hat die Sprache sich uns zugesprochen. Dieser „Zuspruch“ ist keine eigene Konstruktion mehr, sondern „Gelassenheit der Sprache“: Heimsuchung! Längst bevor wir uns aufmachen, Gott zu suchen, sucht ER uns, jagt uns nach, und zwar unerbittlich: ER sucht uns, die Entflohenen, um uns Heim-zu-führen und so ist ER der Vor-Gänger, der, der voran geht. Man muss sich von nun an keine Sorgen mehr machen, dass da etwas schief gehen könnte. In der Heimsuchung geschieht das Erlösen: und im Erlösen liegt doch das „Los“, es sieht aus wie Willkür und doch liegt im Los die Lösung: man kann sich ganz beruhigt dem Los (der Schickung) anvertrauen, sich dem Los, das mir zugeschickt ist, anvertrauen, oder mit einem anderen Wort: er-öffnen.

 

Man müsste es wagen, die Tür der Seele bloß ein wenig aufzumachen, zu öffnen: es ist ein geringer Akt unsererseits, ein wenig nur ein „Anstoß“ oder Anflug: das Licht Gottes würde alles erhellen und lebendig machen, mehr brauchte es nicht. Sich im Existieren „Auf-machen“ heißt: sich öffnen der Wahrheit, es ist ein Zulassen, eine helle Freude und wirklich, damit beginnt der Weg des Sich-auf-machens, das ist: die „Eröffnung“ oder: die Offenheit.

 

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXXIX)

 

 Λήθη XV    Erlösung XVIII   (Pfingsten 2022)

 

Dysmas: Heiligung im Konkreten

 

 

Im letzten Zyklus war von den Distanz-Phänomenen die Rede, das meint jene existentielle Verfasstheit, die sich nur mehr horizontal eingerichtet und Gott gekündigt hat. In dieser Verfasstheit kommt es dennoch zu Irritationen (warum auch immer, zu begreifen ist das nicht), die einen anderen Horizont eröffnen, die Vertikale. Geschieht dies, dann kommt es zur Großen Relativierung: die konkret zeitliche und vergängliche Welt, die sinnliche und materielle Welt, die horizontale Welt – das alles wird in Bezug gesetzt zur „Ewigkeit“ und dann hört man es öfter: diese Welt hier vergeht doch sowieso, was sind schon 80 Jahre im Blick auf die Ewigkeit. Es kommt also auch zugleich mit dieser Relativierung zu einer unausgesprochenen Bewertung und darin liegt eine große Gefahr, die Hegel einmal in seiner Phänomenologie als Weltflucht bezeichnet und hier tritt dann der „Stoiker“ in uns auf: es ist der, der die Weltumstände (nach der Einsicht) gelassen hinnimmt, er ruht in sich in seiner Seelenruhe, ihn stört nichts mehr, man kann sagen: er wartet seelenruhig auf seinen Tod. Verlockend, so ein Stoiker-Leben und es könnte das Kreuz Christi ebenso erscheinen, in dieser „stoischen Haltung“.  Im anderen Zyklus nannte ich diesen „stoischen Weg“ (es ist immer auch ein philosophischer) eine Flucht-Bewegung: man flieht die „konkreten Umstände des Lebens“ (weil sie einen belästigen, es schwer machen, ungut sind). Man „macht“ (baut) sich dann ein Weltbild, bildet es sich ein (Einbildung) und kann so hier (im Konkreten) besser zu Rande kommen. Von der stoischen Ein-Bildung her beurteilt man die konkrete Welt und immer abschätzig: vergänglich, eigentlich nichts wert, nur Fleisch, das Denken der Denker ist doch Torheit, usf. Weltflucht: Andere Denker (Feuerbach) haben das breit (und letztlich sehr langweilig) ausgebreitet. Wie ist es mit dem Christen, ist er auch auf der Flucht vor der konkreten Welt und was heißt dann eigentlich: Kreuz Christi? Ich denke da an die Heilige Eucharistie: Brot und Wein sind Gaben dieser Welt (Sinnbild des Wachstums, Konkretes) und sie werden in und durch die „Wandlung“ geheiligt. Also keine Weltverneinung, Weltflucht oder Abkehr, im Gegenteil: das Horizontale wird im Vertikalen geheiligt, verwandelt in „Fleisch und Blut unseres Herrn“. Darin liegt ein großes Geheimnis: die konkrete Welt, wie sie uns zukommt, trägt in sich eine Heiligung, denn das Kreuz ist nur eines mit dieser horizontalen Welt. Der Stoiker hat den Querbalken weggeworfen, kann man sagen, er hat keine Verbindung mehr zum Fleisch, er bewertet auch das Fleisch als „unnütz“ (man kennt diese Bewertungen und Bewegungen). Die Leib-Verachtung hat hier ihren Ursprung, wer aber den Leib verachtet, übersieht den „geheiligten Leib“, er verachtet auch insgeheim das „Kreuz“.

 

Was ist der „geheiligte Leib“? Schon die Frage ist falsch positioniert, es muss heißen: „Wer“ ist der geheiligte Leib? Vielleicht kennt man noch das Wort: leiben, es meinte früher: leben. Was lebt, das leibt und ähnlich das Wort lieben: leben, leiben, lieben. Wer liebt, der lebt und leibt – und wer nicht liebt, der ist tot, der lebt und leibt nicht. Der „geheiligte Leib“ ist in sich schon der vollendete Leib, aber in der Trübung des Existierens ist das nicht sichtbar oder spürbar und so kommt es oft dazu, die Minus-Seite des Existierens zu akzentuieren. Man hört dann allerorts, „wie schlecht“ diese Welt doch ist, die Sünden-Last sei enorm, der Abfall von Gott hat ein unglaubliches Ausmaß erreicht. Unvermeidlich dann das tiefe Gefühl des Gedrückt-seins. Man könnte sich für ein „Nichts“ halten. Fielen einem dann noch die Schriften des Meister Eckhart in die Hände, hätte man, so schnell gedacht, eine „geistliche Bestätigung“ (aber das stimmt nicht). Diese Gefahr, das Nichts (oder das als minderwertig Abgeurteilte) anzustarren und darüber die Heiligung des Leibes (und Leib meint jetzt das Leiben insgesamt) gar nicht mehr zu sehen, ist sehr groß und der Motor dieser Bewegung ist die „Abstraktion“. Man zeigt uns Bilder, wir selber machen uns Bilder und wir urteilen aufgrund der Bilder. Der „verlorene Sohn“ geht doch in die Fremde und lebt nach seinen Vorstellungen, bis er eines Tages bei sich bemerkt: so geht es nicht mehr! Nehmen wir an, er hatte sein ganzes Leben in dieser Fremde zugebracht und wir sagen dazu: vergeudet, er hat sein Leben verschleudert. Das alles sind schon „Abstrakta“, Urteile aufgrund von Ein-Bildungen. Denn wer der „verlorene Sohn“ konkret ist, das wissen wir nicht, wie er „geleibt“ hat, das ist uns nicht zugänglich. Sein ganzer Lebensweg ist in sich als „konkreter“ geheiligt, aber davon werden wir nie eine „Kenntnis“ haben. Wir aber urteilen dennoch: So eine verlorene Existenz, so ein Verbrecher! Der Vater wird ihm bei der Rückkehr keinen einzigen Vorwurf machen, nichts korrigieren und den älteren Bruder wird das zur Weißglut bringen.

Hier dämmert etwas von der „Heiligung des Leibes“ auf, es ist eine umsonstige Heiligung. Es meint: der konkrete Weg des Leibens ist erfüllt (geheiligt). Der Blick ist jetzt auf die Vollendung gerichtet und dass der „verlorene Sohn“ ein Nichtsnutz war, das ist etwas für unsere Abstraktion, also für  unsere Aburteilung: in Bezug auf die Realität in Gott spielt unsere Abstraktion keine Rolle.

 

Es heißt in der Heiligen Schrift so oft: „freut“ euch und wir singen das in vielen Liedern. Aber von Freude ist weit und breit nichts zu sehen, eher von „Kopf hängen lassen“. Die Wörter: trotz – weil, helfen weiter. Konkret: nehmen wir an, ein Mörder stirbt und tritt vor Gott und er wird von Gott augenblicklich begnadigt, er kommt sofort in den Himmel. So wie es dem Heiligen Dysmas geschieht. Der Heilige Dysmas bekommt den „Himmel“ augenblicklich unverdient, er, der Verbrecher, wie es heißt und er ist der erste Heilige, der „kürzeste“ Heilige, er bekennt mit ganzer existentieller Schwerlast: Gedenke meiner….oh, Herr! Der horizontale Verstand muss hier kapitulieren, er fängt zu rechnen an: der hat doch lebenslang unmoralisch gelebt, ein moralischer Taugenichts etc. Er hat nicht gefastet, nicht gebeichtet, nicht gebetet, zeitlebens war er ein Räuber! Stimmt das? Oder sind das unsere abstrakten Bilder? Der Heilige Dysmas war viel, viel mehr, wir aber stellen immer „Vermutungen“ an. Dysmas, vielleicht war er ein Beter, einer, der gerungen hat mit Gott – wer weiß das schon? Vielleicht hat er von seinem Raubgut den Armen gegeben, hat Leben gerettet – wer weiß das schon? Und was geht uns das an? Wer kann die Seele eines anderen erforschen, wer schon die eigene? Die konkrete Welt birgt ein Geheimnis, das wir nicht durchschauen können. Wir kommen nicht durch! Es ist wie mit dem Autofahrer, der den ganzen Verkehr aufhält, 50 auf der Landstraße fährt und eigentlich flucht man ihm schon. Keiner denkt daran, dass er knapp daran sein könnte, sein Leben zu beenden, dass ein Schicksalsschlag ihn wie „gelähmt“ macht. Man würde dann anders denken. In der Trübung zu urteilen ist immer Hochmut. Die Abstrakta absolut zu setzten, das ist Hochmut. In Joh 21,22 wird Petrus streng zurecht gewiesen: Was geht das dich an? Was kümmert dich das, was mit Johannes sein wird, was denkst du darüber überhaupt nach, machst dir Vorstellungen, Einbildungen und vergisst darüber „dein Wohnen in der Welt“. Wie ist es mit „deiner Nachfolge“, nicht soll dich interessieren die Nachfolge des Nachbarn. Jesus also verweist hier auf die konkrete Verfassung meiner selbst. Er lehnt die Flucht in Abstrakta ab, er weist die Themen-Welt zurück, weil sie letztlich auf Hirngespinsten aufruht.

 

Das „konkrete Dasein“ trägt allezeit die Würde der Heiligung in sich: so wie es sich zeigt und von ihm selbst her zeigt. Die einzig relevante Haltung dem konkreten Dasein gegenüber muss die Ehrfurcht sein, also das Staunen über das Dasein. Der Sünder (und das trifft uns alle) wird „trotzdem“ angenommen und geliebt: nicht weil er dies und jenes tut: sondern „trotzdem er Sünder ist“. Das ist kein Freibrief in den Himmel, so, als könnte man tun wie man wollte. Das hier Geschriebene bewegt sich immer im „Angesicht Gottes“, das bleibt die Voraus-Setzung. Die Hinwendung einer (scheinbar) verlorenen Seele zu Gott (metanoia, Umkehr, Reue) ist nicht verstehbar, es ist das Gewaltigste im Trüben des horizontalen Absolutismus. Das konkrete Dasein trägt allezeit die Würde der Heiligung in sich, weil Gott, der Schöpfer, sich allererst in seiner Schöpfung selbst opfert, also hin-gibt. Würde Gott nur einen kleinen „Rückzieher“ machen, etwas zurückhalten: Umkehr wäre nicht mehr möglich! Die eine Göttliche (vollkommene) Hingabe (Schöpfung, Kreuz Christi) eröffnet die Umkehr der verlorenen Schöpfung. Die Heiligung der Konkretion liegt allein schon darin, dass Gott im Körper „erscheint“: das Wort wird Fleisch. Das Fleisch ist dadurch „geheiligt“. Dann aber ist das Konkrete, das Daseiende, als geheiligtes, sehr ernst zu nehmen und man tut dem Konkreten Unrecht an, wenn man es stoisch abwertet: vergänglich, vergeht, ist nicht so wichtig sub specie aeternitatis. Und so hat doch alles hier einen „Namen“, wird benannt und der Name ist keine Nebensache, sondern die „Hauptsache“, einfach deshalb, weil alles aus Gott kommt und benannt ist. Im Namen vollzieht sich das Mysterium der Fleischwerdung, diese konkrete Heiligung. Und im Namen ist (wie im Samen) der gesamte Lebensweg schon eingezeichnet, vollendet, von Anfang bis zu Anfang, durch-unterschrieben. Darin liegt, dass Gottes Schöpfung im Konkreten „vollkommen“ sein muss, geheiligt: alles, was da ist, könnte besser nicht sein. Im Schöpfungsbericht heißt es immer: es ist „gut“ und am 6. Tag, da der Mensch kommt, sogar: „sehr gut“.

 

„Gut“ meint jetzt: voll gekommen sein, in der Vollkommenheit präsent sein. Hier melden sich sofort allerlei Bedenken: die Welt zeigt doch konkret nichts von dieser Vollkommenheit, es liegt doch überall schrecklich im Argen. Diese Meldungen seien jetzt einmal ausnahmslos zurückgestellt, sie werden später betrachtet. Ich will nicht wahr-nehmen, was ich alles sehen könnte! Etwas für wahr-nehmen bedeutet: es mit unbedingter Dignität ausstatten (das geht fast automatisch). So stattet man auch die eigenen Wahrnehmungen oft mit dieser Würde des „Einzigen“ aus. Der Blick in die eigene Welt und die Realität insgesamt zeigt doch auch das Böse am Werk. Sage ich jetzt: Ich will dieses Böse nicht wahr-nehmen, so meine ich jetzt: ich will es nicht mit Dignität ausstatten, ich sehe es klar am Werk, aber es ist mir kein Letztes. Man kann Vieles sehen in dieser Welt und zugleich bekennen: ich will es nicht für wahr-nehmen. Das hat nichts mit Weltflucht zu tun oder Realitätsverweigerung. Anders: ich weiß um das Böse, ich will aber damit nichts zu tun haben! Das heißt es: ich will es nicht für wahr-an-nehmen! Wenn heutzutage immerzu gejammert wird, immerzu das Glas halbleer angestarrt wird, das Gerede sich um die Schrecklichkeiten, Sorgen, Ängste, Nöte dreht  - so ist das, der das „hört“, schlimm genug. Und es gibt viele Dinge, die wir nicht verstehen können. Vieles muss Geheimnis bleiben und wer dem Geheimnis zustimmen kann, der wird die Fest-stellungen der horizontalen Welt zwar klar sehen können, die sogenannten Tatsachen der Welt, aber diese Tatsachen will man eigentlich „nicht sehen“, heißt: man folgt dem Bösen nicht, breitet es nicht aus, redet es nicht herum – denn: der Anblick des Bösen führt zum Bösen. Es ändert am Dreck nichts, wenn man ihn hin und herrührt: es bleibt Dreck!

 

Es gibt das halbleere Glas, wenn man aber dabei hängen bleibt und nur mehr das anstarrt, wird man auch leer, depressiv. Man nimmt dann das Negative wahr (für wahr), ein Letztes. Etwas mit dem „Mantel der Liebe“ bedecken bedeutet dagegen: es klar sehen, darum wissen, es aber nicht für wahr-nehmen! Per Gesetzmäßigkeit erklärt man heute allüberall: so wird es kommen müssen, das ist die Ursache, das die Wirkung usf. Folgt man dieser Haltung, ist man Sklave dieser Einflüsterungen. Wenn einer z.B. betrübt sagt: der hat jetzt nicht mehr lange zu leben! Und man sieht, ja wirklich, mit dem geht es hier zu Ende, sieht ganz danach aus! Und so dreht man diesen Gedanken hin und her, verliert sich in Abstrakta, versucht sich im Mitleid usf. – so ist man Sklave der Einbildungen. Wenn man aber das nicht wahr-nehmen will (für wahr nehmen), weil die Wahrheit ein Mysterium bleibt, viel größer und weiter ist als man es im 2% Spektrum wälzen kann, dann legt man „den Mantel der Liebe“ darüber: er wird doch leben, ewig, zumindest kann man ihm das wünschen und wenn ich das schon wünsche, wie erst Gott?

 

Mit der sogenannten Zeit der Aufklärung ging einher ein Verlust des Mysteriums, der Niedergang auch der Metaphysik. Den Mantel der Liebe ausbreiten heißt nicht, die Zustände der Welt „schön reden“, sondern versetzt erst in die eigentliche Dimension der Großen Ordnung Gottes – dass die konkrete Schöpfung in sich „sehr gut“ ist. Dieser Anspruch ist freilich eine riesengroße Herausforderung. Das fängt schon beim Nachbarn an, der immer lästig ist, bei meinen Nächsten, die mir auf die Nerven gehen, beim Chef, der immer missmutig ist usf. Schon allein: man bemerke dieses „immer“. Mir fiel das früher oft in Gesprächen auf: du bist „immer“ so, „immer“ ist es so bei dir: immer und immer. Das ist schon ein klares Kennzeichen der abstrakten Welt, eine Formel der Gewalttätigkeit, kann man sagen. Denn was heißt schon „immer“? Eine Festlegung ist es, eine Fixierung, damit man sich ablenken kann.

 

„Kreuz Christi“

 

Es stimmt überhaupt nicht in dieser Welt, es geht alles drunter und drüber und dass der Gottes-Sohn als Verbrecher stirbt, damit stimmt es überhaupt nicht. Und dann kommen die Sinn-Interpreten und erklären schon das Mysterium des Kreuzes, dass es doch einen tiefen Sinn darin gibt. Und was, wenn „trotzdem“ dieser Sinn schwankt? Dann zeigt sich offenbar: die Welt „ist wie sie ist“ und sie ist „sehr gut“ wie sie ist, auch wenn ich es nicht durchleuchten und verstehen kann. Dann muss das Sterben am Kreuz auch sehr gut sein? Antwort: ja! Dann ist das Leiden in der Welt auch sehr gut? Antwort: ja! Man kann das jetzt endlos weiterführen. Der menschliche (kleine) Verstand meldet sich sofort entrüstet und schreit: nein, das grausame Sterben, die Kriege, das Elend, das alles kann nicht gut und sogar „sehr gut“ sein! Dagegen müssen wir Programme aufstellen, Proteste! Hier sei das Wort des Herrn an Petrus erinnert: Hinter mich, Satan, denn du meinst nicht was göttlich ist, sondern was menschlich ist.

Ich habe einmal einen sehr guten Vortrag von Pater Hans Buob gehört, er sagt darin: damals, als der Tsunami so viele Menschen weggerafft hätte, da fragte man einen deutschen Bischof: was sagen sie als Bischof dazu? Der Bischof antwortete: da fällt mir auch nichts mehr dazu ein! Und dann sagte Hans Buob: Niemand „dankt“ eigentlich Gott für diesen Tsunami und für den Segen, der daraus hervorgehen wird. Und so kann man sagen: „danken wir dafür“, dass das, was ist, „sehr gut“ ist, danken wir für das Sterben des Herrn am Kreuz, weil es „sehr gut ist“ – danken wir, obwohl wir es nie begreifen und verstehen werden? Danken wir für den lästigen Nachbarn, der eine Last ist und wir nicht begreifen können, warum gerade der mir das Leben schwer macht? Man kann das jetzt auch endlos weiterführen, es führt am Ende zum „Dank“, dass einer und jeder sich dem „verdankt“, dem er ge-eignet „ist“ (Heidegger).

 

Und der Eigner von allem, das ist doch Gott, ist doch sein Werk, die Schöpfung, sein Eigentum. Man steht an dieser Wegmarke vor einer großen Entscheidung: entweder sagt man sich, das alles kann nicht stimmen, es gibt keinen Gott, der das zulassen könnte. Die Folge ist dann der horizontale Absolutismus, der Dauerrausch solange es geht. Oder: Gott hat sich in seiner Schöpfung offenbart, er offenbart sich und wird sich offenbaren, er ist jederzeit „präsent“ in seiner „sehr guten“ Schöpfung. Das Kreuz Christi zeigt den tiefen Sinn, dass das Fleisch auf dem Weg durch die Zeit „gesegnet“ ist, auch wenn uns alles verworren und sinnlos vorkommen mag: „trotzdem“ ist das Konkrete in der Zeit geheiligt, voll-kommen, denn der Herr selbst ist vollkommen in seiner Vollkommenheit im Fleisch.

 

Hier beginnt der „tiefe Glaube“ und auch der Friede, den der Herr schenkt und den diese Welt nicht geben kann.  Der Glaube ist es, der die „sehr gute“ Schöpfung sehen kann inmitten einer scheinbar zerbrochenen Welt, die „trotzdem“ geheiligt ist. Das ist für Viele eine Torheit und so spricht man ja auch von der Torheit des Kreuzes. Die Erlösung ist nicht in der Fantasie, in einem eingebildeten Himmel oder sonst wo. Erlösung ist „mitten im Fleisch“, in der Präsenz der Ewigkeit in Zeitlichkeit. Es heißt einmal: wenn Gott mit dir spricht, dann bekommst du von ihm keine sogenannten „Erklärungen“, sondern Gott „zeigt“ dir: Gott zeigt sich nicht in einer schönen „Erklärung“, sondern in Erfahrung, also „im Fleisch“. Es fehlt, kann man sagen, oft dieser Blick auf das „Schon-sehr-gut-sein“ im Fleisch, trotz der vielen, vielen unguten Dinge, die uns schlagen. Dieser „Über-Blick“ ist sehr wesentlich und er bezieht seine Kraft aus dem Glauben, aus dem Blick auf das Kreuz Christi. Wir beten im schmerzhaften Rosenkranz das 4. Geheimnis: …der für uns das schwere Kreuz getragen hat.

 

Das „schwere Kreuz“ ist jenes, dass „alles Leid“ in sich versammelt – vom Anfang bis zum Ende. Gott selbst leidet und er leidet „alles Leid“ aus und unter „Leid“ ist aber jetzt die Fleisch-werdung gemeint, die Ausformung, das Dasein, das, was wir „Leben“ nennen. Wir könnten es nie in einem Augenblick tragen und schon gar nicht das „gesamte“. Wir Geschöpfe haben „Pausen“, Zeitdehnung, Ruhephasen, Erholung, Lebensspanne. Das „schwere Kreuz“ ist das Glück und die Bedingung der Möglichkeit, dass „Leben“ sein kann. Darüber könnte Freude kommen, tiefe Freude, das schwere Kreuz hält die Welt am Leben, kann man sagen, sodass für mich und für dich ein Lebens-Weg wirklich sein kann. Gott hält also die Ausformung der Schöpfung „aus“, heißt: er selbst trägt das Aus-leiden, sonst wäre Schöpfung nicht möglich. Und Gott trägt nicht nur meine Ausformung und das, was wir verkürzt „Leiden“ nennen, sagen wir eine Krankheit, er er-trägt „alles“: was je war, was ist und was sein wird – insgesamt. Wenn man das betrachtet, wird das, was man verkürzt und sehr beschränkt unter „Leid“ versteht, verschwindend gering. Denn die Schöpfung insgesamt leidet die Formung und in der Schöpfung leidet Gott alles mit, trägt und erhält dadurch alles, was „im Seyn ankommt“. Mein „persönliches Leid“ ist daher immer schon getragenes Leid, abgesegnetes Leid, bejahtes und gemeintes Leid, vollendetes Leid. Jedes Zur-Welt-Kommen ist schon in sich ab-gesegnet, „sehr gut gemacht“. Es ist der Weg dann der „Erfahrung“, nicht ein Weg der „Erklärung“. Erklärungen sind Distanz-Phänomene, die Fahrt des Lebens „in sich“ trägt schon die Vollendung, Erklärungen kommen da jederzeit zu spät. Um diese tiefe Dimension der Heilsgeschichte einigermaßen sehen zu können, muss man das konkrete Leben in allem was war, ist und kommen wird „annehmen“. Annahme wird „geschenkt“, man kann sie nicht erzeugen oder machen. Leiden: alles leidet die Formung, die Geschehnisse, das, was uns stößt und zustößt, und wir tragen es aus, wie die Mutter das Kind aus-trägt und der Schmerz ist dieser „Schrei“ des Daseins, den wir nur gebrochen imstande sind zu tragen. Der Schrei des Herrn am Kreuz ist der „schwere Schrei“, der in einem ewigen Augenblick den Schrei der Dauer im Zeitlichen „insgesamt“ aus-schreit. Hier ist der Ort, an dem alle Erklärungen immer zu spät kommen. Die Frage der Theodizee ist eine Schein-Frage, eine Distanz-Frage, eine Abkehr davon, dass es „trotzdem sehr gut ist“, auch wenn ich es nicht verstehen (Verstand) kann, aber ich kann es „be-greifen“ und zwar in dem Sinne, dass ich den geschickten Augenblick er-greife, nehme, hin-nehme. Das ist das Begreifen des Existierens. Ich nehme, was in sich „sehr gut ist“. Von dieser Perspektive her gesehen müsste alles Jammern eigentlich aufhören, der persönliche Lebensweg erscheint in einem anderen Licht, in dem der Aus-Söhnung. Ver-Söhnt sein, das sagt schon: Sohn sein. Und der Sohn ist doch immer Sohn des Vaters, Sohn des Vaters, der das Leiden zuerst trägt. So ist „mein“ Leiden eigentlich nicht nur meines, sondern zuerst „Seines“. Die Rede: du hast leicht reden, du leidest ja nicht – diese Rede stimmt nicht, sie kommt aus einer ganz beschränkten Not-Situation, die aus einer abträglichen Situation spricht. Nein: alles leidet „hier“, geht den Weg durch die Zeit und schon von dieser Perspektive her gesehen müssten wir alle sehr befriedet miteinander sein: denn du leidest und ich leide und Gott leidet, hier „gleichen“ wir einander.

Und jetzt begreift man auch das tiefe Wort des Meister Eckhart: das Lieben, ein Leiden. Lieben - leiben - leiden - leben: schon hier wird der Zusammenhang deutlich, es ist ein „Stamm“. So blüht eine Blume und sie schweigt und sie leidet das Blühen, und so geht der Arbeiter täglich seiner Arbeit nach und redet viel, im Grunde seiner Seele aber schweigt er und leidet den Gang durch die Zeit, und die Wälder leiden, zeigen sich im Schweigen, und es geht und kommt und in allem schweigt Gott und leidet alles mit-aus.

 

Und wir suchen aber immer wieder Erklärungen, fragen: warum? Und es ist wie mit Menschen, die „über“ das Gebet diskutieren wollen oder über den Glauben, dann gibt es Exerzitien oder Vorträge – und alles kommt schon zu spät. Du kannst jetzt mit mir „beten“, darüber diskutieren, das ist vergeudete Zeit. Vielleicht hat der Heilige Augustinus etwas sehr Wesentliches mit uns geteilt: „unruhig“ ist unser Herz. Woher kommt diese „Unruhe“, die das Opfer wirklich werden lässt? Ich komme dem, was ist, nahe. Besser: ich komme dem, der ist, nahe, näher. Die Nähe zu dem, was schon ist, braucht keine „Erklärung“. Das Näher-kommen ist in sich Opferung. Erklärungen bezeugen noch: danke, so wie es ist, ist es mir nicht recht, damit will ich eigentlich nichts zu tun haben, ich will es anders! An dieser Schwelle zur Intimität mit dem, was schon „ist“, davon hängt sehr viel ab: lasse ich mich von dem, was ist, „ziehen“ oder nicht? Gelingt der Be-zug, stehe ich in der „Beziehung“, dann spricht es mich an. Der Weg der Erklärung ist ein Weg der Beziehungslosigkeit und kommt einer Trennung, einer Scheidung gleich. Dieser Weg der Erklärung ist jederzeit auch der Weg der Ein-Bildung und Vor-stellung, wieder ein Weg der Beziehungslosigkeit. So, wie der Weg der Logifizierung (des kalten Denkens) beziehungslos ist.

 

Der Weg der Intimität mit Gott kennt keine Erklärungen. Jesus sagt einmal (Gleichnis von den törichten Jungfrauen): ich kenne euch nicht! Dieses „Kennen“ ist keine Verstandesleistung, sondern besagt: Intimität. Wer mit Gott nicht intim sein kann, der hält sich in Erklärungen, Ein-Bildungen und Vor-stellungen auf. Der muss vielleicht noch diese und jene Vorträge hören, diese und jene Bücher noch unbedingt lesen: aber das alles bringt keine „Intimität mit Gott“ zustande. „Wenn einer zu erklären anfängt…“ (Hegel) – so ist es schon „schrecklich“ genug, denn im Grunde gibt es nichts zu erklären, eher etwas zu be-zeugen. Der Weg der Intimität mit Gott kennt auch keine „Vorwürfe“ (der verlorene Sohn): seien es Vorwürfe der Anderen oder Selbst-Vorwürfe. Der „Vorwurf“ ist genauso ein Distanz-Phänomen wie Ein-Bildung oder Vor-stellung. Wer in Vorwürfen wohnt, der ist mit Gott nicht intim. Die genannten Distanz-Phänomen bergen eine immense Gefahr und das Wort des Herrn: ich kenne euch nicht! – sagt: du hast dich lebenslang in Vor-stellungen oder Vor-würfen oder Beschuldigungen herumgetrieben, daher kannst du mich gar nicht kennen im Sinne der Intimität, das nur allein ist wichtig: deine Beziehung zu mir, nicht dein „Räsonieren über…“.

 

Hierher gehört auch als Distanz-Phänomen die Verurteilung oder Beschuldigung: sei es die über andere oder die an die eigene Existenz gerichtete. Das Urteil als solches zeigt: ich bin nicht intim mit dem Herrn. Wäre ich intim, so möchte ich doch das Urteil ganz ihm überlassen und das ist doch zugleich eine befreiende Entlastung. Ein weiteres Distanz-Phänomen: Faulheit, Sich-gehen-lassen, Bequemlichkeit. Wer faul in seiner Seele ist, der lässt sich treiben in Vorstellungen und Einbildungen, oft in der eingebildeten Vergangenheit oder der gefürchteten Zukunft. Der hat nicht den Mut, den Augenblick in Gott zu gegenwärtigen, denn dazu verlangte es doch Beziehung, Intimität. Faul-sein besagt demnach: ich will keine Intimität mit Gott, ich berausche mich lieber mit Vorstellungen oder anderen Dingen, ich will lieber ein-geschlafen bleiben.   Es ist hier die Stelle, an der man sich aufmacht, wenn man geneigten Herzens ist, diese Intimität her-zu-stellen (oft im Eifer), also ein Intimitäts-Programm mit dem Herrn. Und man sieht ein: so geht das nicht, Liebe kann man nicht „machen“, man kann sich höchstens ein-lassen, also ein Gelassen-sein.

 

Vielleicht beginnt, man weiß nicht wie, ein Gespräch der Seele mit der Liebe, mit dem verborgenen lebendigen Gott. Es ist eine intime Zwiesprache, keine Erklärung mehr. Gott offenbart sich nicht in einer Vorstellung, Einbildung oder Erklärung. Im dem Maße, wie ich mit Gott spreche, in dem Maße spricht er mit mir und doch liegt darin, dass ER mich zuvor schon angesprochen hat; ich aber woanders war, nicht zuhause.

 

Dass diese Sehnsucht zur Intimität mit Gott in uns stark werde, dazu verhelfe uns Gott.

 

 

 

(Weiterführung)

 


 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XL)

 

 Λήθη XVI    Erlösung XIX  (Pfingsten 2022)

 

Existentieller Konkurs

 

 

Es heißt: Menschen, die „düster“ drein schauen, bei denen „lagert die Sünde“. Fest: ich habe Freude in mir, weil das Ewige dem Zeitlichen begegnet. Freude ist „diese“ Begegnung. Warum dann „düster“? Düster: es ist nicht hell, ziemlich dunkel, nicht erleuchtet, es ist un-heimlich, im Düsteren wohnt die Angst. In der Enge der Angst ist etwas Un-Gutes anwesend, ein Un-Geist ist da und quält, jagt Angst, Befürchtung, Enge ein. Die Enge der Angst fixiert, macht „gelähmt“, verschlossen, düster. In der Enge der Angst wohnt die „Faulheit“: man wird locker, lässt sich gehen, schwelgt in Erinnerungen, lebt im gefürchteten Konjunktiv: was „könnte“ alles sein, was würde wohl eintreffen: so treibt man sich in Gedanken herum, in Erinnerungen, Ein-bildungen, Vor-stellungen. Die „akute Beziehung“ zu Jesus wird dadurch verhindert (der Hinderer)  - man wird nach-lässig, lässt sich eben gehen, ist dann „faul“. In diesem Zustand der Faulheit verlässt man das Fest der Vereinigung mit Gott, lässt sich von Geistern mitziehen, lässt sich gehen. Was du fürchtest, das wird dir geschehen, heißt es. „Die Geister, die ich rief, werde ich nicht mehr los“ – kennt man. Meistens sind es Erd-Geister, die quälen, Welt-Geister, die engen. Die Atmosphäre wird dann düster und so schaut man auch düster drein. Der Fürst der Welt ist der Un-Geist und es meint: der Geist der Nichtung (Un-), der Zerstörung also, der Geist der Finsternis, in der alles „erd-schwer“ wird, sich auflöst und Nichts bleibt. Dieser Un-Geist ist jederzeit jener der „Drohung“. Das deutsche Wort „Drohung“ meint eigentlich: Schelte! Also Tadel, strafendes Wort, Lärm erheben über etwas, schmähen und auch beschimpfen, mit einem Wort: sich aufregen!

 

Fehlt der Glaube? Wer das Festmahl mit Gott verlässt, verlässt den Glauben, der muss „düster dreinschauen“ und quält sich in der Enge der Angst. Das Festmahl mit Gott verlassen besagt aber noch anderes: man löst sich von der Einfachheit, von der mitunter langweiligen Existenz im Alltag, vom stillen Tun, von der Gewohnheit, vom „Fleisch“, das einfach da ist: also von der Einfachheit und sucht das „Außer-Gewöhnliche“, sucht das Feuerwerk, begehrt die Sensation. Das meint: das Festmahl mit Gott findet gerade nicht außerhalb des Gewöhnlichen (Tagtäglichen) statt, sondern mitten im Fleisch, in der Mühe, in der Routine, im Alltag, im Konkreten, im Schweigen des einfachen Tuns. Wir leben in diesem Spannungsfeld zwischen Gewöhnlichem (Verschwiegenem) und gesuchtem Außer-Gewöhnlichen (dem Feuerwerk des Horizontalen).   Festmahl mit Gott meint: geheiligte Fleischwerdung (Zyklus: Dysmas): es tut sich, prägt sich aus, erscheint in der Form (die ich mir nicht ausgesucht habe) und die Formung ist in sich „sehr gut“. „Beweise“ sind hier sinnlos. Das Leiben „geschieht“ ohne Beweise oder Erklärungen und so „geschieht auch das Festmahl mit Gott“, die Tafel, kann man sagen, ist „immerzu“ gedeckt; aber wir gehen fort, verlassen das Fest, wir lenken uns ab. Im Buch „Verheißung und Verrat“ spricht gegen Ende Dom Dysams de Lassus (Prior der Großen Kartause) über das „Lob der Einfachheit“ und zitiert den Dichter Paul Verlaine:

 

„Das bescheidene Leben mit den langweiligen und einfachen Arbeiten

Ist ein erlesenes Werk, das viel Liebe verlangt“ (S. 312).

 

Und es ist kein Zufall, dass ein andere Kartäuser über die „Faulheit“ sagt: sie sei der Hang in uns zum Sich-hinein-ziehen-lassen in Gedankenspielerei. So entflieht man dem lebendigen Augenblick, dem Festmahl. Die Sucht nach dem außer-ordentlichen (außer-gewöhnlichen) Leben ist Merkmal einer Form der Langeweile (Heidegger nannte 3 Formen der Langeweile: das Gelangweilt werden von…, das Sich-langweilen bei…, und die tiefe Form der Langeweile: es langweilt). Die horizontale Sinnstiftung flieht in die Betäubung, den Rausch, man muss sich ablenken, denn im Unter-Grund des Existierens zieht, so Heidegger, die tiefe Langeweile wie ein schweigender Nebel hin und her (das will man nicht wahr-haben, denn dann müsst man vielleicht existentiell kapitulieren). Faulheit ist eben auch eine Fluchtbewegung: sich aufhalten in Einbildungen, Zeitungsberichten, Skandalen usf. Man bezeugt: eigentlich hat mein Leben den Geschmack verloren, so will ich mich aufmachen, es schmackhaft zu „machen“. In dieser Fadheit hält man es also lange aus und muss den Kick suchen, eben das Außer-ordentliche oder Ab-normale, aber im Bannkreis der Norm. Was der Dichter Paul Verlaine dagegen mit Langeweile meint, zielt auf die geschehende Fleisch-werdung, sie hat nichts mit der oben gemeinten Form der Langeweile zu tun, sondern stellt sich dem, was „jetzt“ geschieht. Dom Dysmas spricht hier von einer „unaufdringlichen Schönheit“. Es ist eine für den Lärm verborgene aufmerksame Zurückhaltung: ein waches Aufmerken auf das, was jetzt geschieht: eben ein „erlesenes Werk, das viel Liebe verlangt“. Auf der Flucht sein besagt zugleich: die Beziehung zum Augenblick verlassen, nicht eingehen, vielleicht: noch nie eingegangen sein. Die Folge der Beziehungslosigkeit kommt diesem Gelangweilt-werden-von… gleich. Diese Beziehungslosigkeit ist eine Erd-Verschlossenheit, die Beziehung zu Gott ist unterbunden. Es gibt Gott vielleicht noch als sakralen Gegenstand, etwas, das mit Kirche zu tun hat oder es gibt Gott und die anderen Götter, aber immer so, dass die kalte Seele die Distanz bewahrt. Es gibt im bloß Horizontalen eine Abstraktion von Gott wie eben diese Horizontale durch und durch-abstrahiert ist. „Der Glaube, das ist Privatsache – du kannst glauben, meinetwegen, das ist deine Sache, jeder hat da seine Freiheit“! – so spricht die Abstraktion. So hört man es allerorts und fühlt sich aufgeklärt.

 

Das vollkommen in Beschlag genommen werden und sein vom Nur-mehr-Horizontalen ist die schwerste aller Krankheiten und tödlich, viel tödlicher als das leibliche Verenden, das eigentlich kein Tod ist. Man hat sich gänzlich im luftleeren Raum der Abstraktion eingew(ö)hnt im Bewusstsein, das „sei“ Leben. Als Abstrahierter sagt man dann gescheit: alles vergeht, so ist die Zeit, es kommt und geht und kommt und geht. Das ist dann der Ausdruck einer tiefen Sentimentalität, Ausdruck reiner uneingestandener Verzweiflung. Sentimentalität ist der emotionale Reflex einer „kalten Logifizierung“, also jener Abstraktion, in die man sich hineinverirrt hat. Die veröffentlichte horizontale Welt beruht auf dem Gefühlsschwall: man ist dann immer zu Tränen gerührt, weil es so „schön“ und unvergesslich ist. Man spürt schon, dass etwas Grund-legendes fehlt, aber man hat keinen Zugang mehr und so sucht man horizontale Rundungen: andere Religionen, Esoterisches, Innerweltliches, Götzen. Man versucht verzweifelt der tiefen Verzweiflung zu entkommen und das gelingt für den Moment, aber die verzweifelte Verzweiflung „bleibt“. So hat man zum Glück noch Zeit, ist einigermaßen gesund, zum Glück. Die tiefe Unruhe bleibt aber, man spricht nicht darüber, jeder kennt sie aber. Die Welt des horizontalen Absolutismus kommt der „schlanken Metaphysik“ gleich, jene abstrahierte Gedankenwelt, die den lebendigen Gott gekündigt hat. Der lebendige Gott ist kein Abstraktum, sondern „Beziehung“ und es wird darum gehen, beziehungs-fähig zu sein. Man wohnt in der schlanken Metaphysik jederzeit ab-gerundet, sehr gefährlich eigentlich: so hat jeder hier sein abgerundetes liebes Weltbild, je nachdem, jeder wie er will. Man nennt das den Wert der Freiheit, der Demokratie, aber im Grunde ist es ein kranker Absolutismus, eine Eiswüste an Abstraktion, ein verirrter existentieller Autismus. In jener 6-stündigen Vorlesung aus dem Jahre 1929 (Welt – Endlichkeit – Einsamkeit) legt Heidegger am Ende die „tiefe Langeweile“ im Existieren aus, die „wie ein schweigender Nebel am Grund des Existierens hin- und herzieht“ und eine Unruhe erzeugt, die man lieber verdrängt. In diesen Nebel kann die klare Abstraktion nicht mehr vordingen, ein Grenzland, das man in der Art der kalten Reflexion nicht betreten kann. So auch Gott, ein Abstraktum in der Logifizierung, vor allem dann auch in langweiligen Diskussionen.

 

Matin Heidegger schreibt einmal in den dreißiger Jahren: „Zu diesem Gott kann der Mensch weder beten, noch kann er ihm opfern. Vor der Causa sui kann der Mensch weder aus Scheu ins Knie fallen, noch kann er vor diesem Gott musizieren und tanzen.“ (Heidegger, Identität und Differenz).

„Schlanke Metaphysik“ ist nicht ein Spezialgebiet der Philosophen (das gibt es freilich dort auch), schlanke Metaphysik ist die abstrakte Normalwelt im horizontalen Absolutismus: es ist unser Alltag, unserer Welt, unser Umgang. Man kann sagen: jeder baut sich da seine abstrakte Welt und Über-Welt selbst, je nach Belieben. Jeder hat hier seine geköpfte eigene Metaphysik. Man betet hier und opfert hier und sinkt auch ins Knie: aber immer vor dem horizontalen Götzen, immer im Fluidum der abstrakten Vorstellungswelt. „Gott ist tot“ in dieser Welt, das Wort Gott wird ver-wortet (ver-ortet) wie ein Ding. Vielleicht fühlt man tief: es fehlt die „Beziehung“. Aber nicht nur Gott ist hier tot, sondern der abstrakte Mensch ist tot und weil er tot ist, ist ihm auch Gott tot. Beziehung: ein anderes Wort dafür: Intimität. Die Intimität kann man nicht abstrakt denken, herstellen, analysieren, man kann sie nicht logifizieren, sie verweigert sich dem abstrakten Zugriff, man scheitert daran, die Intimität als Intimität im logischen Raster der schlanken Metaphysik unterbringen zu können. Dort gibt es Intimität als Totes, es ist kein Leben in ihr. An der lebendigen Intimität scheitert die Machbarkeit, man spürt: Ohnmacht. Ohn-Macht: ohne Macht, es könnte hier ein neuer Beginn sein, ein Durchbruch und Auf-riss des geschlossenen ontologischen Zirkels. Den eigenen Konkurs, die eigene Pleite eingestehen, das könnte der Beginn einer „Beziehung“ sein: jetzt erst hat mein Auge Dich geschaut (Hiob). Im horizontalen Absolutismus ist es „tot“, dieses Tote könnte sterben, dann, wenn Intimität wächst. Wird der lebendige Gott antworten? Antwort: ja, er antwortet! Dann ist der Tod besiegt? Antwort: ja, der Tod ist besiegt! Wie kann man das beweisen? Antwort: „beweisen“ kann man das nicht, auch nicht darüber reden. Es kommt, ist plötzlich da, ganz „umsonst“. Auferstehung von den Toten, Gespräche zwischen Himmel und Erde, Engel, die Boten Gottes, Heiliger Geist. Die distanzierte Logik zuckt mit den Schultern, es fehlt ihr die „Intimität“, die umsonst geschenkt wird. Wer Ohn-Macht „ist“ (und sie nicht hat), könnte mehr und mehr „Empfänger der umsonstigen Gabe“ sein, der existentielle Konkurs im horizontalen Absolutismus ist sogar die Bedingung der Möglichkeit dafür. Ohn-Macht ist Abschied vom Perfektionismus, Eingeständnis, dass das Perfekte hier ein Trug und zugleich ein Sklaventreiber ist. Der Ohnmächtige will dann gerne das hinnehmen, was kommt, denn aus sich heraus ist er nichts mehr. Der Reflex des Empfangens umsonst ist das Hingeben umsonst. Ohn-Macht existiert in dieser Freiheit des „Umsonst“, man spürt: jetzt könnte Intimität, Dia-log, da sein. Man hat jetzt keine Zeit mehr für Sentimentalität oder Selbstmitleid, denn das Neue, die Freiheit der Intimität ist „da“.

 

Von der „Intimität“ (Liebe) gezeichnet werden ist zugleich: vom Leiden getragen werden. Vom Leiden getragen werden: wie ist das zu verstehen? Es gibt ein Leiden Gottes, das alles aus- und mit-leidet, mit-trägt, zuvor schon, bevor mir mein (was mir so vorkommt) persönliches Leid zusetzt. Mein Leiden (Ausformung) ist niemals isoliert, es ist immer „getragenes Leid“ (das schwere Kreuz Christi). Es ist in dem Wort Barmherzigkeit enthalten: miseri-cor-dare – Gott schenkt dem Zerbrochenen sein Herz. Das ist die Göttliche Zusage am Kreuz. Wenn die Heilige Hostie „bricht“, dann ist diese Göttliche Barmherzigkeit „erfüllt mit Wirklichkeit“. In diesem Augenblick strömt das Herz Gottes in alle Gebrochenheit und dieser Augenblick unterfängt alle Zeitlichkeit: Einfall der ewigen Barmherzigkeit. Gott hat also von Ewigkeit her „Erbarmen“ mit dem Flüchtling, wohin auch immer er sich verirren wird (selbst in die fernste Gottesnacht), das Erbarmen Gottes wird „da“ sein. Es zeigt sich am Ende, dass das, was wir hier so Leid nennen, eigentlich „Liebe“ ist. Misericordia ist „geschenkt“, un-verdienbar: das Geschenk des Unerwarteten. Es heißt dann: am Ende wird Gottes Barmherzigkeit schon gesiegt haben. Mit dem Wort „Leiden“ tut man sich sehr schwer, weil man damit nur Abträgliches verbindet, Schlimmes. Und das Leiden Christi „verehren“, das ist dann eine Zumutung. Man spürt: der horizontale Verstand kapituliert. Mit „Leiden“ verbindet man immer: es wird mir etwas „genommen“: Gesundheit, Hab und Gut, Leben. Wenn man genauer hinsieht, dann sind wir immer darin, dass etwas „weg-genommen“ wird. Dem Wort „genommen“ gleich ist das Wort „benommen“. Denn wir erfahren das Sein in Genommenheit augenblicklich. Die Zeitlichkeit selbst ist die Macht dieses Weg-nehmens und so ist es nicht verwunderlich, dass wir gar nicht existieren könnten, wäre das allgegenwärtige Genommen-werden immerzu „bewusst“: so existieren wir in Benommenheit. Wenn einer stirbt, sagt man: ihm ist das Leben genommen. Jedes Weg-nehmen ist schon ein „kleines Sterben“, ein Los-lassen, anfangs freilich ein Los-lassen-müssen, oft mit Widerwillen und Auflehnung. Wir beten: Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden der Welt, erbarme dich unser! Wieder dieses Weg-nehmen, wieder das Erbarmen. Jetzt werden „alle“ Sünden weg-genommen. Es sterben, kann man sagen, alle Sünden, alle Sünden werden vernichtet. Jedes Wegnehmen und Loslassen ist eigentlich gesehen ein „Sterben“. So „stirbt“ auch eine alte Überzeugung oder Vorstellung oder Einbildung von mir: früher dachte man so, aber heute ist man ein „Anderer“. Früher lebte man in Vor-stellungen oder Ein-bildungen, jetzt aber hat „mein Auge dich geschaut“ (Hiob). Dann sind Ein-bildung und Vor-stellung gestorben und es zeigt sich (Evidenz) Intimität. Mir fällt hier eben Husserl ein in seiner VI. Untersuchung zu „Evidenz und Wahrheit“. Heidegger hatte diese Abhandlung sehr beschäftigt. Wahrheit ist „evident“, sie „zeigt“ sich, hat also im Innersten mit „Intimität“ zu tun, nicht mit Vorstellung oder Einbildung oder Räsonieren. Die Stelle bei Matt 11,27 spricht von „Offenbarung“.

 

Die Wahrheit Gottes „zeigt sich evident“, und zwar im Sinne des „Zudeckens“ (Verborgenheit), diese Wahrheit ist offenbar im Verborgenen.

Weg-genommen sind dann die Fluchtwege der Vorstellung, der Einbildung (der Erklärungen) und nun „offenbart“ sich Gott: das Gespräch mit Gott. Vorbei ist die Zeit der Einbildung. Dieses Vorbei-sein ist doch ein Tod, so wie man leichthin sagt: dieses Leben ist vorbei, nun ist er gestorben. Das Sterben erleben wir immerzu, man macht es sich aber nicht ganz klar und so bleibt für den horizontalen Menschen in uns oft nur die Ein-bildung eines Sterbens am Ende des Lebens (eine verirrte Abstraktion). Dementgegen haben wir Bekanntschaft mit dem eigenen Sterben, immerzu stirbt es in uns, wird uns genommen und man hat hier schon Grund genug, sich klar zu machen: entweder lehne ich mich über das Weg-nehmen widerwillig auf (dennoch geschieht das Weg-nehmen), oder ich lasse das Sterben „zu“, sage „ja“, dann geschieht die sowieso geschehende Weg-nahme in Gelassenheit, also das Sterben geschieht in Gelassenheit. Epoché nannte man diese angebliche Methode bei Husserl: Einklammerung. Heidegger hat sich schon früh dagegen gewehrt von einer „Methode der Phänomenologie“ zu sprechen und er meinte: jede Methode führt in die Distanz des „Gebrauchens“. Es gibt dann Methoden zum „Gebrauch“, aber es fehlt dann das Herz der Einklammerung. Epoché ist so ein „Sterben“ und in anderer Hinsicht spricht man doch auch von Epochen der Zeit, also von Zeit-Abschnitten: es war einmal diese oder jene Zeit: auch ein Sterben. Mit dem Leben setzt das Los-lassen ein und vielleicht ist es zu „nah“ an uns, sodass wir es immer über-eilen müssen im Fernen der Überstürzung. Es muss so dicht an uns sein, dass man es darin nicht aushalten mag: man muss „benommen“ sein, um das zu ertragen. Zu sagen, wir seien mit dem Sterben nicht bekannt, stimmt nicht. Und zu sagen, wir seien mit der Auferstehung von den Toten nicht bekannt, stimmt ebenso wenig. Denn in allem Los-lassen hält sich eine „Identität“ durch, jeder erfährt das, ein unzerstörbarer Kern, unberührbar von Differenz und Wegnahme. Hier zeigt sich doch klar die Unsterblichkeit der Seele. Auch wer den Weg der „Erklärungen“ verlässt, stirbt. Es werden dann die Erklärungen genommen, außer Kraft gesetzt.

 

Epoché ist ein Sterben, man kann auch „Fasten“ dazu sagen: ein Abständig-werden, eine Distanz, die vom Göttlichen, Ewigen her ermöglicht wird. Machen lässt sich das nicht. Dieses Fasten ist ein Verzicht auf die Erklärung, auf das Herum-schweifen im Logifizierten, man kann auch sagen: ein Herum-Geistern im Luftleeren, in den Einbildungen, Vorstellungen, Ängsten, in dem, was „kommen könnte“. Der Geist der Trägheit (Faulheit) lässt nicht zu, dass eine grundlegende Besinnung aufkommt, die einen existentiellen Konkurs ermöglicht: also eine „grundlegende Besinnung“, die ermöglicht, für Gott offen zu sein. Der Hinderer hindert mit allen Mitteln die Gottes-Begegnung, gönnt sie nicht. Die „Ruhelosigkeit“ ist ein Kennzeichen der Faulheit, gerade die Betriebsamkeit ist eine grundlegende Dämmerung, Einschläferung des Geistes. Jesus ermahnt die Jünger in Gethsemane zum „Wachen und Beten“. Es meint den „wachen Geist“, das ist jener in uns, der mit Gott verbunden ist. Getrieben-sein ist auch „Faulheit“: ich muss etwas tun, weil es das Programm befiehlt (das eigene, das der Anderen ). Diese Geistes-Art in uns „lässt sich gehen“, lässt sich fort-ziehen, mal da hin, mal dort hin, nie ist sie im „Frieden“, wäre sie im Frieden, wäre sie „wach“ und nicht träge. Man kann das ohne weiteres prüfen, wie schnell man aus der Ruhe in Gott herausgeworfen wird, welcher Geist in uns das Sagen hat. Der „faule Geist“ in uns ist auch ein kraftloser lógos, er ist „stumm“. Er spricht zwar immerzu und oft ohne Unterlass, aber eigentlich „sagt“ er nichts und lässt sich auch nichts sagen, weil er zugleich „taub“ ist: ein Taub-Stummer.

 

„Sich gehen lassen“ heißt eigentlich: angetrieben werden. Workaholic ist so eine Faulheit im Geist und man sagt gerade das Umgekehrte: so ein Tüchtiger, der arbeitet rund um die Uhr, der hat sich doch einmal wirklich eine Pause verdient. Man lässt sich gehen, man lässt sich fort-reißen, hin-reißen und in diesem Fort-riss verliert man die „Wachheit im Geist“, andere Dinge „besetzen“, bilden sich ein, belagern die Seele, über-lagern sie, werden mächtig und treiben zum Aktionismus. Wachheit im Geist dagegen ist ein Fasten und das Fasten steht in nächster Nähe zum „Fest“. Das Fasten, ein Fest(en). Das erinnert an das Große Fest-Mahl: darin ist man schon reich beschenkt. Ich verzichte im Fasten auf meine Einbildungen und Vorstellungen und daher auf meinen geistigen Aktionismus. „In Gedanken, Worten und Werken“ heißt es im Schuldbekenntnis, zuerst also die „Gedanken“. Ich verzichte darauf, mich im luftleeren Raum der „Spekulation“ aufzuhalten, denn dann das heißt es eigentlich: faul zu sein, das kann auch bis zur Lähmung gehen, zur starren Fixiertheit. Man sagt dann Zwangs-Neurose dazu, eine Fixierung, die aber einen „geistigen Ursprung“ hat, wie jede Erkrankung immer auf einen zerrütteten Geist aufruht. Welche Art von Geist ist in mir, sind es Geister der Sorge, der Angst, der Betrübnis, sind es Geister der Weltuntergangsstimmung oder ist der „Heilige Geist“ da: also Frieden, Freude, Starkmut, Glaube, Hoffnung, Liebe? Man spricht von der „Unterscheidung der Geister“ und hier muss man genau hinsehen: nicht sind wir es in erster Linie, die Gedanken „machen“, sondern wir öffnen uns diesen oder jenen Geistern, lassen sie zu und so werden sie mächtig, bestimmend bis in unsere Grund-stimmung hinein. Epoché (Fasten) bedeutet dann: ich sage einem herunterziehenden Geist (Dämon) ab, ich lasse ihn nicht mehr zu und zwar mit aller Entschiedenheit. Es ist der Herr selbst, der den Dämon austreibt, nicht ich selbst bin dazu in der Lage. Fasten heißt dann: ich gebe nicht mehr träge (faul) dem Ungeist Raum (Wohnung) in mir, er hat von nun an kein Wohn-Recht mehr in meiner Seele. Der Ungeist ist „zäh“, er will seine Wohnstatt, in der er es sich behaglich gemacht hat, um keinen Preis verlassen und ein probates Mittel, dieses Wohnrecht zu behalten, ist die „Angst“. In der Atmosphäre der Angst ist man schon ein Gejagter, ein Kranker, geplagt und hin- und hergerissen, mal da hin, mal dort hin: rastlos und fremd (Kainite).

 

Glaube, dass alles schon erfüllt ist und es wird „dir sein“ (Matt 8,13). Im Glauben erst ver-wirklicht sich das, was schon „ist“. Epoché, das Einklammern des absoluten eingebildeten Standpunktes des Nur-Horizontalen. Hier beginnt der „Glaube“. „Beten und Fasten“: es heißt, es gibt eine Art von Un-Geist (der Un-Geist ist immer der Geist der Vernichtung, der Zerstörung), die nur durch „Gebet und Fasten“ ausgetrieben werden kann.

 

Was heißt „Beten“? Beten ist der geöffnete Gesamthorizont zu dem, was „ist“, ein Gesamt-Gespräch mit Gott, das mehr einem Gesamt-Zustand entspricht, ein tiefes Gefühl einer Gelassenheit: ich lasse das alles zu, lasse es sein. Das Eröffnen im Gebet ist zugleich das Sich-erheben in diese Schau der Großen Ordnung und des Gut-seins. Das Gebet hat also in gewisser Weise das, was man „Ent-wicklung“ nennt und die man auch zu begehren sucht, hinter sich gelassen, eingeklammert (Epoché). Das tiefe Gefühl hat nichts mit Gefühlen oder Emotionen zu tun, vielleicht nur am Rande. Tiefes Gefühl stimmt ein und zu, jenseits meiner Gefühle liegt das „tiefe Fühlen für die Stimmigkeit“. Tiefes Gefühl hat eher etwas mit Grund-stimmung, mit einer Grund-Melodie im Gesamt des Existierens zu tun. Wer bloß den Weg der Entwicklung im Sinn hat, wird sich auf die Stille dieser Gestimmtheit (dass es grundsätzlich stimmt) nicht einlassen können oder sogar wollen. Aus dieser „inneren Sammlung“ heraus beginnt sich auch das Formel-Gebet mit Lebendigkeit zu füllen. Es ist ein „Erwachen“. In der Entwicklung gibt es kein Wach-sein (wachet und betet), im Gegenteil: Entwicklung bedeutet immer der Hinein- und Fortriss in den Schlaf (Schläfrigkeit). Jener Schlaf kommt einer Betäubung gleich, obzwar man meint, hellwach zu sein, ja ganz bei vollem Bewusstsein. Was heißt dann „Fasten“? Wer fastet, der „verzichtet“ auf seinen eigenen Aktionismus, der die Entwicklung vorantreibt. Der Faster klammert sich sozusagen selbst ein und überlässt es Gott, für alles schon gesorgt zu haben. Er denkt diesen Gedanken der Vorhersehung nicht dann und wann, sondern die gesamte Existenz begibt sich im Verzicht auf das Eigene in die Obhut Gottes. Fasten heißt dann: das abstrakte Denken über… wird suspendiert zugunsten der „konkreten Beziehung“. Fasten heißt dann Überzeugt davon, dass alles was geschieht voll Sinn ist, den ich aber nicht durchschauen kann, von dem ich aber überzeugt bin in der Evidenz des Glaubens. Die Lenkung von Gott her ergibt das tiefe Staunen, dass alles „ver-gütet“ ist, gerade dann, wenn es mir ganz anders ausgeht als ich geplant habe. Man brauchte nichts zu tun, als gelassen zu sein, und das Tun kommt dann aus der Quelle in Gott und ich nehme gelassen hin, wie es eben Gott lenkt und gibt und schenkt. Speist sich meine Aktivität aus dem Urquell in Gott und kann ich diese Quelle „wirken“ lassen, beginnt der Weg der Spontaneität, der Weg der Faulheit der Entwicklung wird zugunsten dieser Gelassenheit in Gott aufgegeben. „Faulheit“ hat keine Beziehung zu Gott, zum Ewigen, das Wesen der Faulheit liegt in dieser Beziehungslosigkeit und so muss man auch sagen: die Folgen jener Beziehungslosigkeit bedeuten zugleich auch „beziehungslos“ im Horizontalen sein. Hier wird besonders der Sinn des Zugleich von Gottes- und Nächstenliebe sichtbar: man kann nicht nur Gott lieben und den Nächsten nicht oder nur den Nächsten aber Gott nicht. Faulheit ist dieser Schlaf der Beziehungslosigkeit. Einer, der für die Nur-horizontale-Welt „faul“ ist (sagen wir ein kontemplativer Kartäuser), der ist es gerade nicht, er mag nach außen hin wie ein Nichtstuer erscheinen, die Wirklichkeit ist aber gerade eine andere. Wer mit Gott in Beziehung tritt, ist dagegen irgendwie neugierig, wach, kräftig zur Welt hin; neugierig nicht im Sinne der schlechten Neugier (die Gier nach der Sensation), sondern gespannt darauf, was Gott im nächsten Augenblick schenken wird. Das heißt es, „wach“ zu sein. Wer nur „hier“ leben will, der vergisst seinen Anfang in Gott und sein Ende in Gott und so ist er mehr oder weniger im Zwang des Tun-müssens, also im Stress, denn die Zeit könnte ja bald um sein, wer weiß.

 

Nur „hier leben wollen“ ist eine Art Fixiert-sein, in der die vergänglichen Dinge dann sehr, sehr ernst genommen werden müssen, ein oft gnadenloser Ernst. Diese Versteifung und Verkrümmung ist auch eine Art „Besessenheit“: man kennt und will nur kennen: dieses hier, etwas Anderes kommt gar nicht in Frage. Und je mehr man gehetzt den Dingen und sich selbst nachjagt, desto leerer wird das Leben, das Quantum gibt nicht den Frieden, im Gegenteil. Irgendwie spürt das auch der Mensch, aber die Notbremse zieht er nicht oder sehr, sehr spät. Hier liegt auch eine Quelle der horizontalen Schuldgefühle: man hätte dies noch machen können oder jenes, oder man hängt sentimental im luftleeren Raum der vergangenen Möglichkeiten, die man nicht ergriffen hat, irgendwie, weiß man, geht es sich nicht aus, ich könnte noch 600 Jahre leben, auch bei diesem Quantum würde es sich nicht ausgehen. Wem es aber geschenkt ist, im Vertrauen auf den Vater im Himmel, zu „tun“, der sieht sein Tun aus der Quelle im Vater kommend. „Stress“ haben oder etwas zu versäumen, sieht man, ist sinnlos in Gottes Geborgenheit. „Es tut sich schon“ – das ist die vertrauende Grund-Haltung und Gott, heißt es, macht keine Fehler. Eigentlich „weiß“ das jeder Mensch in sich, nicht in einer klaren Kognition, sondern im tiefen Wissen seines Seyns. Die Verweigerung, sich der Großen Vorsehung Gottes beruhigt zu überlassen ist auch eine Quelle des Schuldgefühles, die tiefste. Wenn sich im Existieren Wörter wie: hätte, sollte, könnte, wollte, wäre nicht, müsste, dürfte ich nur, hätte ich nur, ach Schade… usf. ansammeln, zeugt das von der Beziehungslosigkeit zum lebendigen Gott. Sei also ganz Zwang-los, sei den Zwang los. Für den Zwängler in uns lebensbedrohlich, er nährt sich ja vom Zwang, lebt im Zwingen. Der Geist ist blockiert, fixiert in ein sehr engmaschiges Netz einer streng getakteten Routine. Von Ewigkeit her seyn heißt doch in sich: ich gehe nicht verloren! Beten: die Überzeugung, dass es von Ewigkeit her „stimmt“ und getragen ist, nicht weil ich das und das „tun muss“, sondern weil das Seyn getragen ist vom Vater. Beten ist also mehr ein zulassendes Einstimmen in das Gut-seyn dessen, was „ist“. Wenn dieses Vertrauen „stark“ wird uns wachsen darf (ein Zulassen), dann weicht die Besessenheit des horizontalen Absolutismus, die Fixiertheit öffnet sich: die Quelle ist da und sie war es immer schon. Wie „selbstverständlich diese Lenkung Gottes“ spüren, das ist Beten, ein tiefes Empfinden: Du, Vater, bist da!

Und das Fasten? Fast-en, Fest-en: Fasten ist das Festmahl im Ewigen, wer fastet, der feiert ein „ewiges Fest“, der weiß sich vom Himmel her. Vom Himmel relativiert sich die Gabe der Welt, die Welt-Gabe ist relativ gesetzt zur Ewigkeit, von dort her wird die Welt-Gabe mit einer „Klammer“ versehen. Der Auftritt der ent-blößten Weltgabe ist immer sehr schillernd, verlockend, immer mit dem Anspruch: das noch unbedingt und das noch unbedingt. Fasten ist diese grundlegende Epoché der irdischen Gabe und Präsentation. Beten und Fasten gehen immer zusammen, sie sind jenes Göttliche Bündnis gegen jede horizontale Besessenheit.   Vom Ewigen Vater, dem Urquell, her zu leben, lässt der Besessenheit keinen Raum. Dann entspricht die Wahrheit dem Seyn – wenn es „so“ lebt in mir, dass Selbstverständlichkeit im Ewigen mir aufleuchtet. Seyn ist vom Ewigen her, hier gibt es keine horizontale Reihenfolge oder Abstufung. Wenn man schon in Ewigkeit bei Gott ist, in seinem Bild, was kann man dann, frägt man sich noch weiter wollen? Fasten, das Fest der Entsagung: die horizontale Welt kann mir nicht das geben, wonach jede Seele verlangt. Dann wird die Seele von „hier“ nicht mehr Alles erwarten, viel mehr vom Vater, vom Ewigen. Etwas aufnehmen heißt auch: ich esse es. Essen ist auch immer „Hingabe“, ich nehme auf, lebe davon. Wird nur mehr das Horizontale gegessen, dann, würde ich sagen, „erstickt“ man daran, es ist als „Entblößtes“, „Nacktes“ ungenießbar.

 

Das Brot vom Himmel: es nährt wahrhaft und davon lebt die Seele. Beten und Fasten: die Lenkung ist vom Ewigen her, von Gott. Ewigkeit ist auch nicht weit weg, irgendwann einmal, nein, Ewigkeit ist in allernächster Nähe, so nah, dass wir sie immer überspringen. Die Heilung von Besessenheit und jeder Art von Krankheit kommt aus der Großen Stille (Ruhe) in Gott. Er ist der Heiland, ich muss nicht tun (Akteur sein), er hat es gefügt, er macht es schon gut. „Da geht es schief, das wird misslingen“ – diese Art zu reden liegt jederzeit in uns, in dieser Art und Weise zu „seyn“, das Misslingen zuvorderst sehen und bereden, das ist so unsere Art. Wer „so“ ist, der gönnt nicht das Gelingen oder das Gut-sein. Die Chance, dass der abtrünnige Mensch Gott von ganzem Herzen lieben wird, die ist gleich „Null“ – so heißt es, raten die gefallenen Engel Gott. Und „Lieben“ meint hier: aus Nichts Sehnsucht haben, man liebt aus „Null“, erwartet keine Gegenleistung, kein Echo. Gott zögert einen Augenblick mit der Schöpfung ob dieser Einflüsterung, aber er tut die Schöpfung dennoch, das größte Wagnis geht er ein. Wie wird es ausgehen, wird der Flüchtende antworten? Habt ihr Sehnsucht nach dem, den ihr nicht sehen könnt, und, den man nicht erklären oder beweisen kann? Was wir „tun“ ist immer zeitliches Tun, daher: das Ewige können wir nicht „tun“, es ist nur zu empfangen.

 

Gott schenkt die Schöpfung und erhält nichts von uns als Gegenleistung, erwartet es auch ganz und gar nicht, er gibt: weil er der Gebende, der Liebende ist. Wer wird antworten auf diese Liebe? Und Antwort kann nur eine aus Freiheit sein, ebenso mit einer umsonstigen Liebe, die nichts mehr für sich selbst von Gott erwartet: die „ledig liebt“ (Meister Eckhart). Zwang ist immer eine Korrektur und etwas korrigieren bedeutet: es (er)-zwingen, es ist ein Abweichen vom Seyn in der Liebe. Wer eingreift, der zwingt und korrigiert und verlässt damit den Weg des Vertrauens, dass alles schon in Gottes Hand geborgen liegt. Das Zwingen ist dann immer ein „Müssen“, ein Druck, eine Gefangenschaft. Das korrigierte Leben (das gezwungene) hat die Sprache der Abstraktion, ihr ist Gott ein fremdes Wort, ein sakraler Gegenstand, „über den man sprechen kann“ wie über Autos oder Kleidung. Korrektur (eingreifen, tun müssen, etwas erzwingen) verdrängt ihre wahre Herkunft, verdrängt das Seyn in Gott. Mit der Korrektur zeigt sich hintergründig eine Art Panik, die alle Korrektur kontaminiert: die Angst, es könnte plötzlich ganz anders kommen, als man sich es so vorgestellt hat, wie man es voraus-berechnet hat. Voraus-Berechnung „engt“ schon, da ist schon ein Korridor, den man unbedingt einhalten muss; ja nicht abweichen. Korrektur ist nicht selbstverständlich einverstanden mit dem, was „ist“. Das korrigierte Leben hat das Erstaunliche nicht mehr bei sich, das Geheimnis des Seyns ist weggefegt.

 

Weiter oben war von der „Faulheit“ die Rede, man sagt auch: Trägheit oder man lässt sich gehen, mit- und fortreißen. In der aktivistischen Korrektur (im immerzu Selber-machen-müssen) beginnt das Zähflüssige der Trägheit, je mehr Aktionismus, desto kräftiger die Faulheit. Im Lebenszug dieser Faulheit ist die Panik vor einer plötzlichen Wende im Existieren am größten, das will man und muss man verdrängen. Das Verdrängte zeigt sich dann im Jammern, im Sentimentalen, in der Depression oder in Betäubungsprogrammen. Die „schwere Rede“ zeigt diese Faulheit, daher ist sie eine „faule Rede“, eigentlich ist das jederzeit die „Ausrede“. Man kennt das: immerzu sucht man Ausreden, Entschuldigungen, dazu gehört auch die Lügenrede, das alles sind Reden der „Schwerheit“. Es beginnt gleich nach dem Sündenfall mit der „faulen Aus-Rede“: Eva ist Schuld, die Schlange ist Schuld, die Umstände sind Schuld, die Herkunft, die Politik, die Zeitumstände. „Korrigierte Existenz“ (hier ist immer vom horizontalen Leben in der Trennung von Gott die Rede) fühlt jederzeit bei sich: es dreht sich um (und muss sich) um meine Befindlichkeit drehen. Es geht um mich in erster Linie. Die Frage: bist du bereit, dich selbst einmal durchzustreichen, damit Anderes und der Andere Raum gewinnt, wichtig ist (ohne ein Benefit für mich)? Im Fluidum der Angst in der Korrektur „tut“ man, um den Schaden im Horizontalen zu vermeiden, der mich treffen könnte, „tut“ man, damit man „hier“ nicht untergeht. Ewigkeit bleibt in dieser Froschperspektive ein Abstraktum und ist nicht hilfreich und nur das Hilfreiche (die horizontale Apotheke) wird gebraucht! Wer also mit der Ewigkeit nicht „ernst“ macht, der wohnt grundsätzlich in dieser Apotheke und seine Nächsten heißen dann: Panik, Angst, Sorge, Schrecken, Untergang. Würdest du also dich her-schenken, damit die ganze Welt erlöst würde? Hier wird einmal plötzlich ganz bewusst, wie ernst es mir ist mit einer Welt, die mein Ego übersteigt, oder ob mein Mitleid bloße Einbildung ist.

 

Tun: das Wesentliche (die Intimität) lässt sich nicht „tun“, das Verbindende lässt sich nicht „tun“ – wer die Liebe „tun“ will (tun im Sinne von „machen“, „planen“, „korrigieren“ usf.), der verfehlt ihr Wesen: die Bereitschaft der Empfängnis. Hinzunehmen und zu verstehen, dass es schon gänzlich gut ist, das eröffnet den „Raum der Begegnung“. Im Wesen der Liebe waltet das „Nicht-tun“. Und das Wort ist „Fleisch“ geworden, das Wort ist also „Botschaft“ geworden. Dieses Nicht-tun entspricht dem Nicht-Urteil. Nicht zu urteilen, weil wir es nicht wissen können. Korrigieren heißt eigentlich: ur-teilend eingreifen, festlegend sein, fixiert sein, den Blick dann verloren haben in ein Detail meiner Diffusheit. Es ist ein Herumtappen im Nebel mit der Meinung, „alles gesehen zu haben“. Re-agieren: wer re-agiert, der muss nicht unbedingt „tun“ in der Weise des Korrigierens (des Getrieben-seins). Re-agieren ist ein Antworten dem Wort, das zuvor schon zu-gesagt ist. Wer re-agiert macht sich seine Welt nicht mehr selbst, sondern wartet, dass „Es“ sich macht, der duldet die Zeit, das Ankommen. Re-agieren als Antworten setzt Aufmerksamkeit voraus und das vertrauende (langmütige) Dulden der Geduld. Aus Hingabe ist „alles“ da: der erste Schritt ist der der Hin-Gabe und Weg-Gabe, nicht ist der erste Schritt der Schritt des Machens (der Konstruktion). Im Anfang wird alles durch die Hingabe Gottes, steht sein Opfer, er selbst gibt sich auf, damit Schöpfung sei. Nicht das Machen steht am Anfang, sondern die Opferung (die Hingabe). Die „Norm der Welt“: ein Krank-sein, normal sein ist identisch mit krank sein. Dieses Krank-sein und Leiden gerne tragen, weil man weiß: Gott trägt es ja mit und trägt es mit aus und er ist der Erste, der es aus-leidet. Das Leiden, ein Lieben (Meister Eckhart), so auch: das Leiden, ein gerne Tragen für den Herrn. Der Heilige Rafael Arnaiz Baron schreibt einmal: Ich will für ihn leiden, ohne Ihn zu sehen… Mir genügt das Wissen, dass es für Ihn ist. 

 

Ihn, den Herrn, nicht zu „sehen“, das ist auch ein Leiden, vielleicht das größte, man nennt es bei den Mystikern die „Dunkelheit“. Gott, könnte man sagen, denkt „nicht nach“, er gibt sich hin; er zögert vielleicht einen kurzen Augenblick, er-innert Barmherzigkeit und schenkt sich weg. Nach-denken ist ein Phänomen des Abstandes und es heißt, dass es der Satan sei, der schon immer zu viel gedacht und nachgedacht hat. In nächster Nähe zum Räsonieren findet sich das Fürchten und Furcht ist immer: ich fürchte mich vor… Es fehlt der Furcht (Angst) die Freude am verlässlichen Gut-sein in allem „So-sein“. Freude meint dann „einverstanden sein“, zustimmen dem So-sein „als“ So-sein. Zustimmen dem geschickten So-sein heißt eigentlich „in der Freude sein“. Und diese Freude, sie ist doch ein Frei-sein-können: freue dich, freie dich. „Freien“ nannte man früher das Ehelichen, eine untrennbare Verbindung eingehen. Wer sich wahrhaft freut, der geht eine Verbindung mit dem ein, was ihm in seinem So-sein zugeschickt ist. Der zweifelt gar nicht daran, dass das So-sein abträglich wäre, böse oder schlecht oder Mangelware. Furcht ist daher immer Ausdruck eines fehlenden Grund-Vertrauens ist das verlässliche Gut-Sein Gottes in allem So-sein, ein Riss des Misstrauens unsererseits: mein Gott-Vertrauen hat ein Grenze, sie setzt dem Un-Begrenzten eine Grenze und eben das drückt sich in Angst und Furcht aus. Wenn jemand vor Angst innerlich bebt, dann ist die Freude am So-sein als dem So-sein verweigert, dann fehlt die Gottes-Furcht, die in sich ein „freudiges Staunen“ ist (gerade keine Angst). In der Angst geht man aus dem Schon-gut-sein des So-seins heraus und nun setzt der „Zweifel“ ein, der bis zur Verzweiflung geht. Es beginnen nun Fantasie, Einbildung und Vorstellung mächtig zu werden, die schon beschriebenen Distanz-Phänomene. Längst hat man schon die Dichtigkeit im Gut-sein des So-seins verlassen, also die Grund-Freude am Da-sein. Der „düstere Blick“ (er ist meist ein gespielter, gekünstelter, netter und daher gequälter Ausdruck) unterschreibt das Existieren jenseits der Grund-Freude. Man versteht hier auch, dass die Sentimentalität ein Phänomen der Angst ist: wer sich ängstigt, der ist jederzeit sentimental und der Sentimentale sagt zwischen den Zeilen immerzu: Schön wäre es, wenn… Der Sentimentale ist auch unfähig zum Gebet, zum festen Glauben daran, dass Gott mich schon erhört hat, bevor auch nur ein einziges Wort meine Seele verlässt. Wenn einer fest überzeugt ist davon, dass für Gott nichts unmöglich „ist“ (es meint hier den tiefen Sinn der Präsenz Gottes im Seyn), hört jede Sentimentalität auf: es könnte…, es müsste…, es sollte…, es war doch einmal…, es wäre schön… Der Vater im Himmel sagt immerzu: Was fürchtest du dich Mensch, ist nicht alles in meiner Hand geborgen, dein So-sein, so wie es ist und sein muss? Du hast allen Grund zur Freude, denn alles ist von mir und ich mache doch keine Fehler. Sieh nicht so sehr auf dein So-sein, sondern freue dich, dass es bei mir schon gerichtet ist (das Gericht). Wenn der Mensch „fürchtet“, so spielt er, er geht von der Intimität und Dichtigkeit im Gut-sein des So-seins wie es ist weg und „spielt abständig in Gedanken“. In der Furcht wird dann auch die Grund-Form des „Wenn-dann…“ mächtig: wenn das nur geschehen wäre, ja dann… Es ist die Form des Existierens in den „verpassten Möglichkeiten, ein leeres Spiel, ein Leerlauf.

 

Der Mangel an Vertrauen in die Größe Gottes ist der Ursprung der Angst. Könnte, so heißt es in einem Gebet, Gott nicht aus dem allergrößten Sünder einen Heiligen hervorbringen? Davon überzeugt zu sein, es als „selbstverständlich“ nehmen: das ist „Vertrauen“ – entgegen allen Berechnungen, die wir so anstellen. Es heißt, die gefallenen Engel rieten Gott von der Schöpfung ab, es werde eben mit den Menschen schief gehen. Die bösen Engel sind jene Geist-Wesen, die abraten, die auf das Minus blicken und es vor-rechnen und Gott raten: rechne nach und sieh, du musst selbst aufgrund der Berechnungen einsehen: das geht schief! Wir raten dir also ab vom Vorhaben deiner Schöpfung! Doch Gott pfeift auf die Berechnung, er kalkuliert nicht, denn die Liebe rechnet nicht nach, anders: die Liebe hält sich nicht im luftleeren Raum der Spekulation auf: was könnte alles sein! Gott, die Liebe, hält sich nicht im Gerede auf, sondern in der „Hingabe“. Die guten Engel voll-bringen den Lobgesang, sie sind also ohne Unterlass „intim“ mit dem Schöpfer, es ist da kein Abstand der Spekulation. Der rein logifizierte Raum dagegen ist wesentlich eine Eiswüste, hier kann nichts leben, ein Ort der reinen Kälte: die Hölle. In der Hölle ist es nicht heiß, sondern „bitterkalt“. Hier, kann man sagen, ist alles erstarrt zur Kälte des Abstandes. Dass kein Geschehen aus der Liebe Gottes fallen kann: das zeigt sich auf dem Weg der Freude. Dann kann Freude aufkommen, auch wenn es uns bitter vorkommt. Warum also Angst? Nein, wenn dieses Vertrauen nicht stark ist, dann beginnt es mit dem Zweifel, dann setzt die Angst zu! Dem, der sich sorgt, fehlt diese Grund-Sicherheit, dass nichts verloren geht.

 

Kann es sein, dass das, was wir „Leid“ nennen in Wahrheit keines „ist“, sondern im Wesen das uns Zugesagte, großes Glück, große Freude? Leiden jetzt in dem ganz weiten Sinne gefasst als Form-werdung. Und kann es denn sein, dass das, was wir „Krankheit“ nennen, im Grunde die Kälte in uns ist, der Mangel, Gott nahe zu sein, heißt: mit ihm Kontakt zu haben? Und wer krank ist, dem fehlte nicht die sogenannte Gesundheit, sondern diese Intimität mit Gott. Und wer in dieser Intimität existiert, der wäre dann nicht mehr krank, auch wenn ihn sogenannte diagnostizierte Krankheiten quälten? Dass alle Dinge dann zum Besten „dienen“ denen, die Gott lieben (Röm 8,28) – dann dienen die Dinge und beherrschen nicht mehr und Krankheit wäre nicht mehr das, was wir im Horizontalen Krankheit nennen. Vertrauens-Verlust in Gott, das ist die eigentliche Krankheit, denn dann beginnt das eigene Tun und Rechnen, das heißt es, „krank“ zu sein.

 

„Dieses“ Vertrauen zu schauen, dazu verhelfe uns Gott.

 

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXX)

 

Λήθη XI    Erlösung XIV   (Pfingsten 2022)

 

Zeit-Maß

 

1948 verdichtet Paul Celan in „Corona“ am Ende:

 

Es ist Zeit, daß es Zeit wird. Es ist Zeit.

 

Es ist die Zeit, da Heidegger öffentlich hingerichtet wird (Lehrverbot), Paul Celan und Ingeborg Bachmann begegnen einander (Corona). In der „Intimität“ spielt die Zeit immer eine wesentliche Rolle, die Verliebten, weiß man, wollen die Zeit „anhalten“, zum Stillstand bringen und die großen Philosophen finden sich ein in der Frage nach dem „Sinn der Zeit“.

Merkwürdig: die letzten 3 Jahre erlebten wir dieses Unding „Corona-Krise“ und Paul Celan spricht vom Wesen der Intimität, der Liebe, in seinem Gedicht „Corona“. Das letzte Wort in dieser Verdichtung singt: Es ist Zeit! Es meint: in der Zeit ist es Zeit, „dass“ es Zeit wird. Dreimal ist hier von der Zeit die Rede: also vom Seyn der Zeit, vom Werden der Zeit und von der Ewigkeit, die keiner Zeit mehr zugehört, ihr aber den Sinn stiftet. Das letzte Wort: Es ist Zeit – so spürt man, will etwas vom Abschied sagen, dass es jetzt Zeit sei für den Großen Abschied, Zeit zu gehen. Das muss jetzt nicht unbedingt das Sterben sein, bezieht es aber sinngemäß ein. Das erste: Es ist Zeit – spricht von Ewigkeit, die keine Zeit kennt, in der Ewigkeit „ruht“ alles in Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit, alles umfassend, auch die Zeit umfassend, sie tragend. In der Ewigkeit ruhend sind wir dennoch in der Zeit unterwegs in die Ewigkeit, das ist das Werden der Zeitlichkeit, ihr Kommen und Gehen, der Weg „in der Zeit“. Der Zeitliche geht in der Ewigkeit zur Ewigkeit, er kann aus der Ewigkeit nicht herausfallen, denn die Ewigkeit unterhält die Zeitlichkeit. Zeitlichkeit hat demnach eigentlich kein Seyn, obzwar ihm Seyn zukommt. Dieses: … daß es Zeit wird – erinnert an den Schöpfungsbericht. Gott sprach: Es werde … und es wurde. Das ist die Schöpfung, damit beginnt es mit der Zeitlichkeit. Es wird darauf ankommen, die Ewigkeit in der Zeitlichkeit sehen zu lernen und das geht nur, wenn man „blind“ wird für den Augenschein (die verführerische Augenlust), ihn also nicht „isst“. Ewigkeit ist identisch mit Vollendung. In Genesis 2 ist von der Vollendung die Rede, dass die Schöpfung schon zu Ende gebracht „ist“, so ist dieser 7. Tag gesegnet, man kann und soll hier nichts mehr tun, man kann die Vollendung nicht verbessern, man kann sich ihr zwar entziehen, aber „tun“ kann man da nichts mehr. Voll-enden hat im Deutschen das Aufhören bei sich, das Enden. Wenn etwas voll-endet ist, dann hat das auch mit einem Aufhören zu tun und das Aufhören ist das Wesen der „Ruhe“. Das Griechische τέλος wird mit Ziel oder Zweck übersetzt und das ist doch ein „Enden“, man ist (schon) „im Ziel“ angelangt. In der Offenbarung 22,13 ist vom Ende, τέλος, die Rede: der Herr selbst ist „Anfang und Ende“. Mit dem Begriff Vollendung tut man sich schwer, was soll man sich denn darunter auch vorstellen? Und vollends wird es schwierig, wenn es heißt: man steht schon in der Vollendung und ist dennoch unterwegs zu ihr: Sein und Werden. Wie geht das, entweder das eine oder das andere – aber beides zugleich, da wird es schwierig. Wenn man zu jemandem sagt: du bist schon vollendet, da ist nichts mehr zu machen oder zu tun, du kannst nichts verbessern, du bist Gottes Geschöpf und man fügt dann hinzu: du bist aber zugleich auch unterwegs zu deiner Vollendung, weil Vieles noch krumm ist in dir, du also zugleich gar nicht vollendet bist usf. – da sieht man, wie schwierig es wird für den Verstand, das auf einen Nenner zu bringen. Es ist das Gleiche wie wenn man sagt: du lebst hier auf der Erde und wenn du weggehst von hier, dann lebst du in der Ewigkeit, im Himmel. Das Sterben ist bloß der Hinübergang in den Himmel, das Tor zum Himmel. Wir aber sagen immer bewusstlos: der ist gestorben, der hat sein Leben verloren, das war einmal, Leben hat aufgehört usf. Man kennt diese Formeln und hält sie für ganz normal – aber das stimmt einfach nicht. Mit dem Wort Himmel wird man dann sentimental und kann damit nichts anfangen: Himmel aber ist Gottes Wahrheit, die einzige, das Wort Gottes.

 

In der Vollendung der Schöpfung ist ihr Vollmaß schon erreicht und alles Existierende ist mit dieser Vollendung kontaminiert: es würde bedeuten, diese Welt bis ins kleinste Detail „ernst“ nehmen, alles Erscheinende wirklich ernst nehmen und zwar besonders das Nebensächlichste, das Geringe, jenes, für das die großspurige Welt keine Zeit mehr hat. Wenn alles den „Hauch Gottes“ an sich hat, warum interessiert sich niemand dafür wirklich – denn die Interessen liegen weitab von Gott. Und Gottes „Wort“ an uns in der Heiligen Schrift: warum interessiert uns das nicht, keiner liest doch die Heilige Schrift – wem sagt sie wirklich etwas, wer verwendet denn seine Zeit auf sie und „hört auf Gottes Stimme“? Wo liegen denn meine wahren Interessen? Warum interessiert psychologisches Gerede (oder Esoterik) mehr als das Buch Deuteronomium? Was ist das – was ist hier los? Gut, wird man sagen, mit „dieser Bibel-Sprache“ kann einer nichts mehr anfangen und wenn dann z.B. Metuschelach 969 Jahre alt wird, mit 187 Jahren Lamech zeugt (und so geht es da immer zu), dann merkt man, was das bedeutet: taubstumm zu sein! Vielleicht liest man aus Gewohnheit diese Stellen, hört sie von einem Priester in der Tagesliturgie, der selbst damit nichts mehr anfangen kann – und so wird das gelesen ohne selbst einen Zugang zu finden. Und nicht anders im Neuen Testament: Jesus heilt die Besessenen, er erweckt die Toten, aber wir begreifen das nicht – das sind dann „wunderliche Geschichten“ usf. Und die „Heilige Schrift“ bleibt dann zu (weil wir zu sind) – andere Bücher (zeitgemäßere) sind dann wichtiger, die versteht man besser. Man hat sich seit der Frühen Neuzeit gründlich die Frage nach der causa finalis abgewöhnt, sie war nur mehr für metaphysische Spinner interessant. Und das, was „man“ so Philosophie nannte und nennt, das ist für den wiss-be-gierigen Menschen noch immer viel interessanter als die Heilige Schrift. Nietzsche zu lesen ist für eine gewisse Bildungsschicht sehr bedeutsam, man kann sich dann in der gehobenen Gesellschaft bei einem Glas Brandy gut und „tief“ unterhalten. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat dann Heidegger die Frage nach dem „Sinn von Sein“ gestellt und es gab danach viele Nachahmer: Arendt, Jaspers, Löwith, Camus, Sartre, auch in der Existenz-Psychologie. Eigentlich unerträglich diese Nachahmer. Heute erscheint mir all das als ein großes „Ablenkungsmanöver“ vor dem lebendigen Gott, man unterhält sich lieber bei einem Glas Brandy auf der untergehenden Titanic über einen Nietzsche-Sager, nur um nicht die augenblickliche lebendige Ansprache Gottes vernehmen zu müssen, man geht dann lieber mit Brandy, Zitat und Katz und Maus „unter“. Jeder hat das schon einmal gehört: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott“ (Joh 1). Aber keiner will mit dem „Wort“ intim sein, es „interessiert“ nicht weiter, warum und weshalb und wozu Josua das Volk Israel in das Gelobte Land führt, man kennt diese Erzählung gar nicht und wenn man sich überwindet und sie dennoch liest, so versteht man das nicht, kann nichts anfangen damit. Vielleicht ist das für einen Alttestamentler noch interessant, der dann seine logischen Schlüsse zieht – aber sonst? Schon allein dass man sich „überwinden“ muss ist doch in Bezug auf Gottes Wort ein Wahnsinn!

 

Aber: das „Wort war Gott“ – das Wort Gottes ist keine Spielerei, so als ob es sein könnte oder auch nicht. Jean Corbon schreibt einmal über den Sinn der Schöpfung, dass man zunächst das theistisch-rationalistische Spekulieren „über“ die Schöpfung wegräumen müsse: Schöpfung bedeutet dementgegen das Auftauchen von etwas Geschaffenem und das nennt er: lebendige  und heilige Überlieferung (tradere) – also Tradition. Im Anfang steht die „Hingabe Gottes in seiner Schöpfung“, das Wort „ist“ diese Hingabe (es hat nicht das Format eines bloßen Zeitungsberichtes). Das Spekulieren „über“ hat die Hochebene der lebendigen Überlieferung schon verlassen (eigentlich noch gar nicht betreten) – dieses Spekulieren mag zwar für eine noble Gesellschaft im „Südbahn-Hotel“ oder auf einer „Titanic“ noch interessant sein, also für einen weiteren „Rausch“. Vielleicht bekommt man jetzt eine leise Ahnung von der „Verzweiflung“ der Propheten, die eigentlich gleich bekennen: bitte nimm´ nicht mich, tu mir das nicht an (dein Volk ist störrisch, völlig verblendet). Jesaja, Jeremia, Jona oder Ezechiel: sie alle wissen, was auf sie zukommt und es „graut“ ihnen – sie können sich aber dem Auftrag nicht mehr entziehen, die Möglichkeit sich zu berauschen wird ihnen immer unmöglicher. Ein Prophet „sagt“ das, was schon „ist und so kommen muss“, wie es sich also wahrhaft verhält – einerlei wie die zeitlichen Zustände aussehen mögen. Ein Prophet sagt daher nichts über die so oder so sich zeigenden Umstände aus, sondern er bringt das „Wort Gottes zum Klingen“ – egal in welchen Umständen. Ein wahrer Prophet kann nicht spekulieren, sondern ist eher „erschlagen“ vom Wort Gottes, also ganz vereinnahmt vom Wort, das an ihn ergeht – er ist ganz betroffen davon – er kann sich nicht mehr dem „Rausch“ hingeben und also hat die Flucht ein Ende weil sie „als“ Flucht durchschaut ist. Daher redet ein Prophet niemals „über…“, sondern offenbart, wie es sich wahrhaft verhält und dafür wird der dann auch geschlagen. Es stimmt und geht in Erfüllung, was die Schlange in Genesis 3 flüstert: dir gehen die Augen auf! Es heißt: dir gehen die Augen über – das meint, die Machbarkeit zeigt von nun an den Weg, der eigene Gestaltungswille nimmt Fahrt auf, die schon vollendete und nicht verbesserbare Schöpfung wird in die eigenen Hände genommen – mir zur Lust und Entwicklung. In diesem Augenblick öffnen sich in diesem Sinne die Augen und zugleich wird man blind für den Schöpfer, verliert ihn, verdrängt ihn. So verliert sich der Mensch im Detail und das Detail wächst ohne Ende, immer neu und immer anders sind die Reize, die Aufgaben, die beschränkten Ziele. Ist eines erfüllt, wächst das andere mir zu. Man hat also vor der schon vollendeten Schöpfung Angst, man flieht die Vollendung weil man die Entwicklungskraft erlernt hat als etwas ganz Normales und die Augen sind müde, müde vor Entwicklung und Hetze. Und man spürt die Scham, die ihren Grund darin hat, Abtrünniger zu sein: es selbst in die Hand genommen zu haben. Der Großinquisitor (Dostojewskij) wird dann dem Herrn im dunklen Verlies entgegenschleudern: wir haben dein Werk verbessert und nun komm nie mehr wieder uns dabei zu stören – geh´ und komm nie mehr wieder!

 

Vollendete Schöpfung ist für den Macher in uns unerträglich, denn was sollte man denn noch „machen“, wenn ja alles schon vollendet ist? So sagt man sich zeitlebens ständig: ach, was haben wir heute vor, welches Programm, welchen Urlaub, wie das Wochenende verbringen, welche Projekte stehen an, was müssen wir da und dort noch – und so geht das doch das ganze Leben so: immer muss dann etwas zu tun sein, irgendein Event gehört immer dazu, auch ein religiöses. Der „so“ Verirrte schämt sich im Grunde, weil er im Angesicht der schon vollendeten Schöpfung eigentlich nichts zu bieten vermag, weil ja alles schon gesegnet ist (7. Schöpfungstag). Die Potenzierung der Verirrung ist dann auch noch die Ver-urteilung aufgrund der Augenlust (des Augenscheins): man nimmt Anstoß an diesem und jenem, weil es der eigenen Sicht (Entwicklung)  nicht entspricht. „Nackt“ zu sein heißt: sich von Gott losgesagt und sich selbst zum Mittelpunkt gemacht haben. Die Quelle der Scham liegt darin, dass man nicht (mehr) ausdrücken kann, was man tief fühlt, im Wesen zu „seyn“. Zwischen dem wahren Seyn in Gott und dem Schein (was ich meine zu sein) liegt ein Widerspruch. Tief fühlt man dieses Unbehagen in der eigenen Seele und so erfindet man zeitlebens permanent diesen Macher-stress (dazu gehört dann auch das gesamte Erholungs-Szenario): man muss sich dann eben vor dem eigenen Stress erholen, das hat man sich schließlich verdient. Der Mensch baut sich eben fortan seine schöne Scheinwelt, an die er glauben muss und die er auch den Anderen anbeweisen muss, er muss sich seine Bilder wirklich ein-bilden, sich darauf fest-legen. Schämt man sich auch vor Gott, weil man weiß, wie weit man sich von ihm entfernt hatte? Scham ist doch das tiefe Unbehagen in einer Bloß-Stellung (nackt zu sein). Mit der tiefen Scham beginnt dann auch das Versteckspiel vor Gott (die ständige Flucht), um sich so für die eigenen Vorhaben zu legitimieren. Man muss doch…, man sollte doch…, das dürfe man nicht… usf., das alles sind solche Legitimations-Formeln, die man aufstellen muss, um ein Programm erfolgreich zu Ende zu bringen. Vielleicht ist es heilsam, sich beim 7. Schöpfungstag lange und tief aufzuhalten: die Welt „ist“ schon fertig, ist vollendet und daher im Segen des Herrn. Das „eigene Machen“ kommt jederzeit zu spät, man könnte sagen: es ist überflüssig. Es könnte dann geschehen, dass man das Machen sein lässt, dass man die Schöpfung „seyn“ lässt, sie zulässt als Schöpfung, sie endlich „als“ Schöpfung wahr-nimmt. Jenes Wahr-nehmen hat dann wenig mit den eigenen Wahrnehmungen zu tun, die „äußeren Augen“ verschließen sich gewissermaßen wieder und das „innere Auge“ öffnet sich. Man würde dann eher Hirte des Seyns und ließe es sein mit dem Jäger in sich. Der Hirt des Seyns „hütet“ das, was ja schon vollendet ist. Und der Hirte „hütet“ doch seine Tiere, er hat sie im Über-blick, ncihts entgeht ihm und die Tiere kennen den Hüter, er hat sie in seiner Gewalt, die Tiere (die Triebe, die eigenen Ansprüche) er hält sie im Zaum und so erst liegt im Hüten das Seyn-lassen. Der Jäger dagegen, kann man schon sagen, wird vom Tier gejagt, er ist dem Trieb ausgeliefert, unstet und unruhig ist er zeitlebens, er kann die Schöpfung nicht seyn-lassen, sondern muss im Gartend er Schöpfung fuhrwerken. So ist der Jäger im Grunde ein „Gejagter, Gehetzter“.

 

Ein schönes Wort sagt uns das Be-hüten: eine Mutter be-hütet ihr Kind, es tut ihm im Hüten nichts an, verändert nichts an ihm, entwickelt es nicht – es lässt es so sein wie es von ihm selbst her ist und sich zeigt (das ist auch die Methode der Phänomenologie). Die Schöpfung zeigt sich dann so, wie sie von ihr selbst her ist und so wie sie sich zeigt – und so ist sie „sehr gut“. Erst im Hüten ist das Essen der Welt kein Gewalt-Akt mehr, der Hüter ist dann Täter der fruchtbringenden Stille. „Essen“ bedeutet eigentlich in der Wurzel: etwas vollenden, etwas restlos erfüllen (also auch Vollendung). Wir essen immerzu die ganze Welt, das ganze Seyn nehmen wir in uns auf. Bin ich mir bewusst, dass die Schöpfung in Gott schon vollendet ist mir zur Gabe (und Vergebung), dann ist das Aufnehmen und Verzehren ein Danken, also höchste Vollendung und Erfüllung. Wird die Schöpfung nicht mehr als Gabe Gottes aufgenommen, dann wird das Essen ein „Fressen“, man verliert den Großen Zusammenhang mit Gott und „zerreißt“ wie ein wildes Tier die zusammenhanglosen Stücke, die man sich nach Lust und Laune aussucht. Das Tier in uns frisst, zerreißt, trennt, der Hirt in uns einigt, isst mit Dank den Großen Zusammenhang, bringt zusammen, „eint“ – bringt zur Einheit. So ist es dann gar keine absonderliche Frage mehr, dass man auch das „Wort“ isst. In der Offenbarung des Heiligen Johannes ist im 10. Kapitel vom verschlungenen Büchlein die Rede. Im 10. Kapitel Vers 9 ist zweimalig ein Imperativ und zwar in der 2. Person Aorist aktiv: Λάβε καὶ κατάφαγε: erobere es, ergreife es, nimm es hin, nimm es auf! Ein zweimaliger Befehl, der in sich schließt, dass die Handlung des Aufnehmens und des Sich-aneignens schon in sich „vollendet abgeschlossen ist“ (Aorist)  - wieder eine „Vollendung“, so wie die Schöpfung „einmalig, einzig, absolut abgeschlossen, vollendet“ ist. Im 9. Vers steht im Grunde eine Tautologie: nimm es auf – verzehre es! Du – der du jetzt der Angesprochene bist und wisse, dass das keine Kleinigkeit ist! Die Welt „so“ aufzunehmen heißt: sie heiligen, wissen, dass es Gottes Schöpfung ist, die wir in „dieser Art“ allumfassend essen sollen – es ist eine bedingungslose Aufforderung immer im Bewusstein von „Gabe und Vergebung“, denn die Ver-Gebung ist auch die Her-Schenkung. Vergebung hat im Grunde mit dem Geschenk Gottes an uns zu tun, sich bewusst werden: das ist doch alles unverdient mir zur Freude weg-gegeben (Ver-gebung)!

 

Das scheinbar passive Aufnehmen ist nicht taten-los, es ist „höchste Aktivität“ und es meint „mich“ – Du nimm´ es auf, du, der jetzt Angesprochene – und man kann dazu ergänzen: du wirst dann das Wunder des Wortes (der Schöpfung) schon erleben! Denn das „Wort“ spricht doch aus sich heraus, in sich, spricht mich an: wenn ich es „esse“ – aber essen wir das Wort überhaupt noch, zermalmen wir es, schlucken wir es, verdauen wir es, verstoffwechseln wir es? Oder: essen wir es gar nicht mehr indem wir die „Göttliche Speise“ verweigern? Im 6. Kapitel des Heiligen Johannes steht das Wort: Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben […]. Was heißt eigentlich Eucharistie? Wir „essen“ das Ewige Leben, den Ewigen lógos. Es ist augenscheinlich ein „passives Aufnehmen“ und zugleich höchste Aktivität auf Erden, scheinbar tatenlos, es bedarf in diesem Augenblick nur der Haltung des Empfangen wollens – es „ist“ schon vollendet, ich nehme die Vollendung in mich auf. Allein in der Heiligen Eucharistie könnte einem der Sinn des 7. Schöpfungstages gänzlich aufgehen, was es heißt: gesegnet zu sein in Gottes „Ruhe“ und Vollendung.

 

Vielleicht dämmert am Horizont auf, was der Vater im Himmel für uns eigentlich ist: der jederzeit mich Rufende: Adam, wo bist Du nur, wohin hast Du dich bloß verrannt, bist weit, weit weg – und wenn du doch kommst, dann lege ich dir das kostbarste Königskleid um und es wird Festtag sein! Aber wirst Du kommen? Bei diesem Fest-Mahl gibt es keine Anklage, denn die Braut hat den Ewigen Bräutigam gefunden. Eucharistie ist keine General-Probe, sie „ist“ dieses Göttliche Festmahl, diese Göttliche Hochzeit. Wir „essen“ auch unsere Mitmenschen und oft fressen wir sie bloß auf, heißt: wir benützen sie bloß, wir konsumieren bloß und oft versäumen wir es, die Begegnungen zu „heiligen“. Essen ist im Wesen ein Ver-einigen, die Einheit, die schon in Gott waltet, ausdrücklich zu-lassen. Dieses heilige Essen hat im Irdischen schon den Vor-Geschmack des Himmels, der im Augenblick des Sterbens offenbar wird. Und: wir sind „umsonst“ zum Festmahl geladen, der Herr schenkt sich „umsonst“, er verlangt keine Gaben von uns und die Entsprechung hierzu kann nur ebenso das „Handeln umsonst“ sein, ohne Eigenmotiv, also ohne Berechnung handeln im Vertrauen darauf, dass es der Herr und damit absolut gut ist. Ich kann es nicht „wissen“, aber ich kann fest überzeugt sein, dass die Wege des Herrn alles übertreffen und von seinem absoluten Wohlwollen gelenkt sind, auch die meinen. Damit ist gesagt, dass der „Glaube“ die höchste Gewissheit in sich birgt, eine Gewissheit, die kein horizontaler Beweis je erreichen könnte. Der Glaube versetzt eben Berge, das ist gewiss, das kann kein horizontaler Beweis liefern. Jeden Tag kann man, wenn man zustimmt, das Wunder des Glaubens erfahren in den vielen Fügungen und Schickungen, die einem widerfahren, kann man die Herrlichkeit und Größe des Schöpfers erfahren. Der Glaube unterwirft sich grundsätzlich der Führung und Vorsehung Gottes: erst dieser Unter-Wurf erbringt die wahre Freiheit. Werfen ist doch ein Los-lassen, ich muss beim Wurf los-lassen, meinen alten Standort verlassen, sonst geht es nicht. Wer sich Gott restlos unterwirft, der muss sein ganzes Vertrauen auf ihn setzen und so ist er „frei“ (also sich selbst los-lassen). Der Heilige Paulus schreibt im Römerbrief: Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht […]. „Alles“ ist „alles“: jeder Augenblick ist dann verbunden mit dem Schöpfer und so gereicht auch „alles“ zum Guten, auch wenn es für die eigene Befindlichkeit gar nicht „gut“ aussehen mag. Wer die Große Sicherheit in Gott verlässt, der muss eben zwangsläufig mit seiner eigenen kleinen Welt zurande kommen und lebenslang Versicherungen aufbauen, die am Ende doch keine sind. Daher ist es ein großer Vorzug, ein besondere Gnade, an den Schöpfer „glauben zu dürfen und es zu können“ – das ist ein großes Privileg.

 

Es liegt ein tiefes Unbehagen auf der sogenannten modernen Seele: der Gedanke, dass Gott alles bis ins kleinste Detail geregelt hat und es regelt: und zwar jetzt! Alles ist alles! Man wird dann sagen: wenn es so steht, dann gibt es keine Freiheit mehr, dann ist alles determiniert, wir wären Roboter. Man fühlt sich dann gelähmt und es tauchen viele Fragen auf, auch die nach der Theodizee und man fragt sich: entweder dieser Göttliche Determinismus oder die Freiheit. Dass aber der Göttliche Bauplan bis ins kleinste Detail die Freiheit des Menschen beinhaltet, ja sogar fordert, dieser Gedanke scheitert am zu engen Horizont der menschlichen Logik. Vertrauen in Gott heißt: absolut vertrauen, in allen Dingen und kleinsten Kleinigkeiten „wissen“, dass Gottes Führung am Werk ist (auch wenn die Umstände schrecklich aussehen mögen, wie auch immer). An dieser Weg-Marke hat der Mensch die „Freiheit“ der Zustimmung oder Ablehnung, ich kann „Ja“ oder „Nein“ zur Göttlichen Vorsehung in „allen Dingen“ sagen. Es geht da nicht nur um ein bisschen JA und ein wenig NEIN (also alles mit Vorbehalten). Gott gegenüber muss man sich „radikal“ verhalten, in dieser Frage gibt es nur die ganze Hingabe im Ja und wenn es diese nicht gibt, weil ich Vorbehalte habe, dann bin ich immer noch zu feig, das Heilige Land zu betreten, ich laufe lieber mit eigenem Schuhwerk umher. Für den, der in der Gnade des Glaubens fest verankert ist, gibt es die Frage der Theodizee einfach nicht, sie ist lächerlich so wie die Argumente der 4 Freunde Hiobs allesamt lächerlich sind, denn am Ende aller menschlichen Argumentation offenbart sich der lebendige Gott in seiner unerforschlichen Weisheit (was können wir dagegen schon „wissen“?).

 

Es unbedingt „wissen“ zu wollen ist eine große Versuchung, eigentlich zeigt sich darin mein Miss-trauen in den Schöpfer, der doch alle meine Haare gezählt hat. Aber die Vollkommenheit Gottes hält der Mensch offenbar schwer aus und es ist dann eben verlockend, von der Frucht des Erkennens zu nehmen. Die Konsequenz des allmächtigen lebendigen Gottes, der alles bis ins kleinste Detail bestimmt, ist dann auch für den Menschen die Forderung, das „Privatvermögen“ aufzugeben. Es gibt kein „privates Leben“, das ich mir zurecht mache und dann ein bisschen Gottes-Dienst am Sonntag. Gottes-Dienst ist immer und überall und wenn er „so“ nicht sein darf, dann ist es keiner (sondern eine private Kalkulation). Hiob bekennt am Ende aller logischen menschlichen Kalkulation: nur vom Hören-sagen habe ich von dir gehört, lebendiger Gott, jetzt aber hast Du dich mir gezeigt (offenbart). In diesem Augenblick der Offenbarung geschieht eine entscheidende Wende: die Seele erfährt die führende Hand des Schöpfers als absolut real und zugleich vernichtend, sie sieht ihre eigene Beschränktheit im Voll-Ausmaß und stimmt ein Lob-Lied an, denn die Seele wird in diesem Augenblick begnadet mit der tiefsten Wahrheit. Jetzt ist ihr der Mut zur Wahrheit verliehen: die wahre Demut. Das Erstaunen (Erzittern) vor unserem Schöpfer-Gott kann nur in Demut sein und man wird es dann nicht mehr unternehmen, den Augenschein, das Bild, die Außenwelt oder die eigenen Vorstellungen anzubeten (Götzendienst). Hier wäre jetzt der Punkt, um über Selbst-Zweck und Mittel zum Zweck einiges zu sagen. Der Götzendiener hat den lebendigen Gott suspendiert, ihm sind dann die Dinge der Welt (auch die eigenen Gedanken) interessante Dinge, des Untersuchens Wert und in gewisser Weise Selbstzweck aber in dem Sinne, dass sie „gebraucht und vernutzt und verzweckt“ werden – weiter sind sie nichts, sie sind Gebrauchsmittel – so auch ist Gott dann ein Mittel für meine Bedürfnisse. Wer also den lebendigen allmächtigen Gott suspendiert, der muss zwangsläufig Götzendiener sein.

 

Zeit-Maß: so die Überschrift! Es geht darum auszudrücken, dass das Maß der Zeit die Ewigkeit (ver-)birgt, die Vollendung ist in der Endlichkeit „präsent“ (könnte man so sagen). Das Ziel des Menschen ist der „Himmel“ (also das Seyn in Gott, die Vollendung) – Phillipper 3,20. Und dieses „Ziel“ ist schon eingefangen, absolut erreicht und zugleich ist man auf dem Weg. Diesen Widerspruch für den horizontalen Verstand muss man „aus-halten“, man darf ihn nicht wegerklären, weder romantisch auf einen Nenner bringen oder ihn leugnen, indem man den Himmel preisgibt. Es ist wichtig, „dieses“ Ziel klar zu kennen, es „bewusst“ zu haben, aber noch wichtiger ist es, dieses Ziel als „volle Realität“ gewiss zu haben, also nicht nur ein kognitives Gebilde, sondern „Wahrheit als Realität“: das bedeutet im Grunde, dass das „Leiden“ wahr-genommen werden sollte, als Paradox, als Unverständliches, als Widerspruch, als Kränkung, als Zumutung und in all dem: als schon erlöstes Leiden. Leiden wird hier nicht mehr schön-geredet oder weg-rationalisiert, im Gegenteil: das Leben ist ein Leiden und daher ein Lieben.   Dass der „Himmel“ unsere wahre Heimat ist: ἡμῶν γὰρ τὸ πολίτευμα ἐν οὐρανοῖς ὑπάρχει, ἐξ οὗ καὶ σωτῆρα ἀπεκδεχόμεθα κύριον Ἰησοῦν Χριστόν – Luther übersetzt: wir „sind“ Bürger des Himmels (Sein, hyparchein) – wir „sind“ es schon und wir werden es zugleich. Dieses „Sein im Himmel“ ist daher volle Realität, daran gibt es keinen Zweifel. An dieser „höchsten Bestimmung und Realität“ darf man nicht zweifeln, tut man es, dann kündigt man sein eigenes, ewiges Bürger-Recht, das Anrecht auf Ewigkeit. Vom „Himmel“ her er-warten wir den kyriós, unseren Herrn. Und wenn hier „erwarten“ steht, dann soll das heißen: er „ist“ schon und er „kommt“. Anders gefragt: wenn man schon im Himmel „ist“, was wäre hier noch zu tun – wenn Vollendung schon waltet, wie wäre dann das Handeln des Menschen hier (die wir dennoch unterwegs sind)? Der Himmel ist Göttliche Einheit, „eins“, alles umfassend und tragend, es gibt hier keinen Zwiespalt. Diese Realität des Himmels als Einheit gilt es zu begreifen: und zwar mit zeitlicher Gebärde (und das gerade ist das Schwierige, weil wir jederzeit begrenzt sind und begrenzt werden). Schon in der Vollendung sein und zugleich zur Vollendung unterwegs sein: das ist der Weg des Menschen. Dann ist der menschliche Weg das Einsammeln (légein) der Vollendung, das Zusehen der immer mehr erfüllteren (schon seienden) Vollendung. Es ist erfüllt und zugleich erfüllt es sich. „Weg und Wahrheit“ gehören zusammen, Erfüllung und Unterwegs-zur-Erfüllung: das ist die Große Einheit.

 

Nichts fehlt dem Menschen „mehr“ als dieses klare Ziel seines Lebens: der Himmel bei Gott. Überzeugt sein davon, dass dies die höchste Realität schon hat und zugleich wird. Wer den Himmel „hat“ (und wir haben ihn doch alle), der kann sich wirklich zur Ruhe begeben, also nicht im Sinne eines Rückzuges von der Entwicklungswelt, im Gegenteil, sondern im Sinne einer „Ruhe mitten im Sturm“. Der Tod kann dann kein Gegner mehr sein, denn er ist das Tor zum Himmel, der ja schon volle Realität ist. Durch den Tod gelangt man in jene Realität, die schon jetzt waltet. „Angst“ ist im Angesicht des Sterbens ganz unangemessen, sie ist der panische Ausdruck des horizontalen Flüchtlings, dem sein eingebildetes einziges Leben genommen wird. Das Ziel „klar“ vor  Augen: den Himmel – daran ändert der Tod nicht wirklich etwas, weil man die Welt im Himmel schon kennt. Der Tod führt dann zur tatsächlichen Realität, es wird nur der hauchzarte Schleier weggezogen, man sieht dann ganz klar, was jetzt schon Realität ist. Der Himmel hat mit Sentimentalität nichts zu tun, im Gegenteil, er ist Ausdruck der höchsten Bestimmung des Menschen, volle Realität. Sentimental dagegen sind jene, die dieses Ziel nicht mehr kennen wollen: sie müssen dann sentimental den irdischen Ausdruck festhalten. Es handelt sich aber nicht um ein „theoretisches Ziel“ (das wäre noch eine als-ob Option). Der Himmel ist nur Himmel „als“ Beziehung. Beziehung = lebendiges Leben, wer keine Beziehung hat, der ist tot. Und wer keine Beziehung zu Gott hat, der ist gänzlich tot. Das Ziel klar vor Augen heißt aber auch nicht, dass man es „wüsste“, dass jetzt alles nach Plan läuft, dass es „rund“ läuft, dass es rundherum „stimmig“ ist. Die abgerundete und geschlossene Welt ist eher ein Zeichen dafür, dass man sich in der eigenen Eingebildetheit zur Ruhe gesetzt hat. In „so“ einer Welt habe ich dann auch keine wirklichen Fragen mehr, alles läuft nach Plan – Hauptsache ist das eigene Wohlgefühl. Im geschlossenen Kreis gibt es keine wesentliche Irritation (Frage) mehr. Und vielleicht liegt in den Irritationen, die uns doch noch betreffen können, der Anlauf zum „Schrei“, die Anklage: Herr, warum ist das so und warum entziehst du dich? Es könnte sich ein ganz persönliches „Klagelied“ erheben, ein Lied der „Beziehung“. Man kann die Frage auch anders stellen: was vermag den Menschen dazu zu bringen, „Beziehung“ zu haben – zu Gott, zur Schöpfung? Wie sehr muss man irritiert werden bis das geschieht? Beziehung leben, nicht Erklärungen haben, das könnte ein wichtiger Hinweis sein. Beziehung ist Aus-einander-setzung: Anfrage haben, wahrnehmen, dass es gar nicht „rund“ läuft, man ist irritiert, sucht, sucht weiter und findet und ist wieder irritiert: das ist Beziehung, vielleicht erhebt sich aus dem Dunkel ein Klagelied, aus der Drangsal ein „Schrei“.   

 

Es ist in unserer Zeit viel zu still geworden im Getöse und Lärm des Alltags, und zwar ist es diese „unheimliche Stille“, die den „Schrei nach Gott nicht mehr schreit“, dieser Schrei nach Gott ist der Schrei in der wahren Stille. Der Schrei durchbricht das Zeit-Maß und erhebt sich aus (unerfindlichen) Gründen; es ist der Schrei der Irritation, der Durchbruch durch die Geschlossenheit meiner Nutzen-Welt, das tiefe Eingeständnis: die Welt, wie sie ist, ist ein tiefes Geheimnis, nichts Rundes oder Glattes, denn das Seyn ist das Seyn – und nicht eine „liebe oder schöne Berechnung“. An diesem Punkt ist man an einer entscheidenden Weg-Marke angelangt: Beziehung zu Gott stellt sich nicht automatisch ein, auch nicht dann, wenn ich brav meine Gebete bete. Beziehung ist nur dann eine, wenn ich sie „will“, wenn ich ihn kennen-lernen „will“ – wenn ich das nicht will, ist keine Beziehung. So kommt es dazu, dass der Mensch Flüchtling wird, flieht vor dem Tod und das ist ein „Fluch“. So bist du verflucht, verbannt – spricht der Herr zu Kain (unstet und wirr wird deine Erdenwanderung sein). Die Flucht vor dem Tod ist ein „Fluch“, denn jetzt setzt der Mensch auf seine Tatkraft und Kulturtechnik. Ganz aktuell ist das am Semmering zu sehen: da sagt einer, es könne „nie genug Kultur“ geben. Es ist die gleiche Situation wie an der damaligen Jahrhundertwende:  Fin de Siècle. Man frägt sich: wozu denn dieser ganze kulturelle Aufmarsch? Der Fluch, der auf Kain lastet, ist seine „Unversöhntheit mit dem Tod“ und daher muss er ihn verdrängen und im Wort Unver-söhnt liegt ja eine Sohn-schaft, aber eine verweigerte, nicht zugelassene. Im Grunde wird die Verbindung mit Gott verweigert, die wahre Sohnschaft wird verweigert und so muss man laufen wie ein Irrer und sich bei einem Brandy und Lesungen berauschen – wenigstens für das verdiente lange Wochenende. Dieser Fluch ist eigentlich: nicht sterben zu können, der Tod ist die allüberall lauernde Gefahr, dass mein geköpftes horizontales Leben augenblicklich abschnappen könnte (das ist die hintergründige sehr reale Angst des Flüchtlings). Dann muss es auch sehr grauslich werden im wohlverdienten Ruhestand, denn plötzlich kommen schwere Krankheiten und so etwas hat man sich schließlich doch nicht verdient, oder? Das Morbide ist nun freilich, dass solche kulturellen Ergüsse doch „anregend und tiefsinnig“ erscheinen  und das war es doch allemal wert.

 

Wir alle tragen dieses Kains-Mal an uns, diese irrende Flucht und Versuchung in den horizontalen Absolutismus. Man betrete nur einmal so eine alte „Hotel-Leiche“ – alles tot, nichts Lebendiges, zerfallen, vergangen – und dann wird man sentimental. Man kann das Sterben nicht mit dem eigenen Tod erlösen, das geht nicht. Der seelenlose Mensch verlangt auf seiner Flucht vor dem Tod das Rauschmittel der Horizontale. Das ist dann der augenblickliche „Genuss“ (wie ja auch die Kultur-Welt genossen wird, dazu gehören auch die gescheiten Philosophen). Der Jäger auf der Jagd nach dem Genuss ohne Ende hat kein End-Ziel mehr: das Jagen ist ihm Selbstzweck geworden, ist die eine Beute erlegt, wird weiter gejagt, so ein Jäger frägt sich ohne Unterlass: was tun wir heute, was machen wir, was haben wir vor, wohin soll die Reise gehen, was machen wir in der Pension usf. ohne Ende. Kain in uns ist der „programmierte Mensch“, der immer ein Programm haben muss, sonst wäre ja das Leben langweilig und erfinden kann man sich immer ein Programm, Hauptsache bleibt, es „wird etwas unternommen“ um des Unternehmens Willen! Das ist dieser „Fluch“ der Rastlosigkeit: unstet und wirr und getrieben wirst Du sein! Bemerkbar ist dann, dass die Gesichter in aller Rastlosigkeit „unzufrieden“ sind, es fehlt dem Flüchtling immer „etwas“ (was er noch erjagen müsste). Immer steht noch etwas aus, was noch fehlt zum absoluten Glück – aber immer, wenn man das Fehlende hat, fehlt schon wieder etwas, was man noch nicht hat und so weiter ohne Ende – ein wahrer Fluch. Der „so“ Flüch-tende (darin auch der Fluch liegt) verfällt andauernd dem Schein, dass das nächste Jagdgut die Vollendung brächte – das ist eben die Lüge des horizontalen Absolutismus. Denn: am Ende stürzt dieses Kartenhaus bestimmt zusammen und dann wird man wieder sentimental. Der Jäger hält die zu jagende Beute im Augenblick der Jagd für das Wichtigste überhaupt – er vergisst darüber den Großen, Göttlichen Zusammenhang und verirrt sich im Maßlosen. Für den Moment kann dann der Kulturrausch Abhilfe schaffen oder der nächste Urlaub, es muss dann ein Abenteuerurlaub sein, unendlich kann die Beute sein und immer findet sich da was. Aber die aktuelle Begeisterung ist sehr schnell verflogen: dann lässt der Rausch nach und so muss man sich wieder berauschen. Und irgendwie wird man mit der Zeit wütend und sehr zornig auf jene, die bei dieser Lüge nicht mittun, sie sind dann die Spielverderber und nach und nach hält man an der Rauschwelt fest, wird wieder sentimental und sagt: ich habe das Leben in vollen Zügen genossen, ich habe nichts ausgelassen, ich hatte – ein volles Leben! So klingen dann diese Lügen und vielleicht glaubt man auch daran, muss sogar daran glauben. Wer im Sog des horizontalen Absolutismus verflucht umherirrt, der will von Erlösung nichts hören, der reagiert wie ein Süchtiger, dem man das Suchtmittel streicht. Der Zorn, der dann hochkommt, ist eigentlich ein Fleh-Ruf: bitte lass´ mir meine Suchtmittel, denn ich muss mich hier betäuben, ich habe keine Wahl! Der horizontale Absolutismus kann die Vertikale (Gott) nicht zulassen, denn das geht gegen die eigene Potenz und Entwicklung, der eigene Plan würde in Frage gestellt.

 

Es ist im Grunde sehr ernst damit, denn die Seelen haben sich im horizontalen Absolutismus uni-formiert (eingehaust). Diese Uni-formation findet sich bis in das Verfassungsrecht hinein wieder: Hauptsache ist darin, dass alles egalitär zugeht, jeder egoistische Schnupfen „gilt“, aber nur in Bezug, dass der andere auch ein Recht hat auf diese Verkühlung. Die Einebnung und Gleichmachung, die Nivellierung der Unterschiede, das ist der Hauptzug in allen gesellschaftlichen Strukturen bis ins Religiöse hinein: da gilt dann auch alles als „gleich“ oder sollte es sein (jeder wie er mag und meint).

 

Der Jäger ist eigentlich der Gejagte und solange er auf der Jagd ist, vergisst er das: es ist dann „höchste Zeit, dass es Zeit wird: Es ist Zeit (Celan).

 

Das ist keine „moralische Aufforderung“, sondern ein „Sich-zeigen“: dem Hüter des Seyns wird das nicht unvorbereitet treffen.

 

 

(Weiterführung)

 


 

 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXIX)

 

Λήθη X    Erlösung XIII   (Pfingsten 2022)

 

Irritation: Sprache als Handlung

 

Sprache soll im Folgenden sehr weit, weitest-möglich, gefasst werden in dem Sinn, dass jede „Äußerung“ (in Wort oder Tat) Sprache meint. Sprache wäre dann aus dem engen Rahmen des nur Artikulierten befreit. In diesem sehr weitesten Sinne ist der lógos Leben-schaffend, Seyn schaffend. Zunächst kann man diesen Sinn fassen im: alles „spricht“ und es gäbe nichts, was nicht der Sprache entspräche, aus dem Rahmen der Sprache herausfallen könnte. Sprache ist dann auch identisch mit An-sprache, es spricht immerzu und ohne Unterlass, gerade im Schweigen „spricht es an“. Wir sprechen zwar unentwegt (und oft besinnungslos), wir stehen in der Ansprache, aber haben kein „Ohr“ für sie. Es sei also vorweg diese Behauptung aufgestellt: alles, was sich irgendwie zeigt, ist Sprache und Ansprache. Mit den Voraussetzungen liegt es immer sehr günstig, besonders mit den nicht begründbaren, mit den grund-losen Voraussetzungen, die man nicht „beweisen“ kann. Wenn man meint, man könnte noch irgendetwas an-beweisen, so steht man noch ein wenig pubertär, man mutet sich noch nicht die Wahrheit in Gott zu, hat Angst die Hochebene des Heiligen Geistes zu betreten. Wenn folglich die Sprache zur Ansprache wird (die sie ja auch vorausgesetzt schon „ist“), entspricht der lógos dem lógos (Tautologie des lógos). Dazu gehört der „Mut“ zur Ansprache. Die meiste Zeit ent-spricht der Mensch dieser Ansprache nicht, läuft weg davon, verschließt Augen und Ohren und bleibt: stumm (taub-stumm). So muss man sagen: der Mensch „spricht“ nicht, besonders dann, wenn er zwanglos (uferlos) daherredet. Eigenartig: man meint, der Mensch sei der Sprechende und doch entspricht er nicht, ist sprach-los, ohne Sprache in seiner Rederei. Im Mut zur Ansprache liegt das Wagnis zum Mysterium. Ein anderes Wort für Mut wäre „Ehrfurcht“ vor dem Mysterium, das Erstaunen vor dem Erstaunlichsten. Wenn, wie die obige Behauptung sagt, „alles und jedes“ Sprache ist, dann ist nichts im Seyn, was überflüssig wäre, jede Kleinigkeit müsste dann ein-zigartig sein, denn das „Alles und Jedes“ ist die Ein-heit, daraus nichts herausfallen könnte.

 

Kann etwas aus der Einheit (in Gott) herausfallen – aus dieser ewigen An-Sprache? Kann „ich“ aus dieser ewigen (nicht un-endlichen) Ansprache herausfallen? Kann sich also die Seele so weit ver-irren, dass sie dem Anspruch in Gott nicht mehr ent-spricht und also die Sprache verweigert? Wäre so etwas möglich, dann wäre auch die „Sprache als Handlung“ verweigert, das Handeln des Menschen wäre dann prinzipiell un-menschlich. Es ist dies die Frage nach der Möglichkeit der „Irritation“ und man merkt schon an der Fragestellung die Realität der Unmenschlichkeit als Verweigerung. Der Heraus-Fall aus der Einheit in Gott (ewige Ansprache) ist der Sturz in die Realität des horizontalen Absolutismus. „Was“ ist Irritation? Vorweg: Es geht nicht in erster Linie um eine Wesens-Definition in dieser Frage und so ist sie schon falsch gestellt, es muss heißen: wer ist es, der irritiert ist oder irritiert wird? Unter Irritation versteht man einen abträglichen Zustand, eine Störung, nicht tiefgreifend aber doch so, dass man „aufmerkt“. Meistens ist diese Störung lästig, man versucht sie gleich wieder loszuwerden. Die Irritation kann aber tiefer gehen und es besteht dann ein Zusammenhang mit dem, was man „Ver-irrung“ nennt. Man kennt das Wort für ganz Verirrte: das ist ein „Irrer“, ein Spinner, der ist nicht ganz dicht, ist verrückt, ab-norm, geistes-krank.

 

Das alles sind wichtige Hinweise und ich trenne hier einmal willkürlich die Bedeutung des „krankhaften Umher-irrens“ (errare) von jener „Irritation“, die eine tiefgreifende existentielle Störung verursacht, die die Bedingung der Möglichkeit der Umkehr einer Seele zu Gott ist. Jene existentielle Störung ist also eine Bedingung der Möglichkeit einer metanoia und so ist zu fragen: Gibt es das noch, so eine Störung, wäre sie nicht zu wünschen, dass endlich „Sand ins Getriebe“ käme, die Maschine zum Aufhören gebracht würde oder ist sowieso alles bestens? Ein Blick in die Welt und in das eigene Existieren zeigt doch: es geht in die falsche Richtung, es stimmt doch etwas grundsätzlich nicht in Welt, Gesellschaft und Existenz. Martin Heidegger bemerkte einmal im Spiegel-Interview am 23.09.1966: Es funktioniert alles. Das ist gerade das Unheimliche, dass es funktioniert und dass das Funktionieren immer weiter treibt zu einem weiteren Funktionieren […].

 

Das besagt: mitten in den Katastrophen der Menschheit „funktioniert“ alles: ob im Frieden oder im Krieg, im Kleinen wie im Großen – es „läuft rund“, die Kräfte werden für den Kriegsdienst logisch eingesetzt oder in sogenannten Friedenszeiten für Konsum und Wohlfahrt, je nachdem – hier wie dort scheint es „rund zu laufen“. Es kommt zu keiner „wesentlichen Irritation“ mehr. Man ist zwar „rhetorisch“ entrüstet über die Zustände, schreit laut darüber, aber das war es dann schon auch. Die „Große Maschinerie“ läuft und die Menschen laufen in ihr mit, so oder so. Soll es überhaupt zu einer wesentlichen Irritation (Erschütterung) kommen und warum? Und wenn ja, wohin und wozu? Wir alle werden „diese Frage“ beantworten „müssen“ (und wir beantworten sie auch immerzu in unserem „Handeln“), und zwar deshalb, weil wir immer die Antwortenden, also die Handelnden sind. Unser Handeln ist immer ein Sprechen, wie ich handle, so spreche ich und wie ich spreche, so handle ich. Der Mensch entkommt dem Handeln nicht, er ist in der „Sprache als Handlung“ zuhause, es ist dies sein Gefäß, das ihn um-fasst, seine hohe Würde. Genauer müsste man sagen: wir beantworten auch immer die Frage nach dem Sinn unseres Seyns, es gibt keinen Menschen, der sie nicht beantwortet, Antwort gibt. Der von Gott Entfernteste, er beantwortet auch die Frage nach dem Sinn von Seyn: sehr bewusstlos, sehr berauscht, sehr verkrümmt – aber dennoch gibt er Antwort auf die Frage Gottes: Adam, wo bist Du? Der Gott-Entfernte ist zwar noch nicht auf der Hochebene der „ausdrücklichen“ Antwort, der vollbewussten Entschiedenheit – dennoch antwortet er dem Schöpfer. Ich behaupte jetzt einmal wieder etwas nicht zu Beweisendes: jeder Mensch antwortet Gott, es ist gar nicht möglich, Gott nicht zu antworten und da sieht man schon, dass wir allesamt aus der Geborgenheit in Gott nicht herausfallen können.

 

Ich gebe hier das Beispiel des Heiligen Augustinus: man weiß von ihm, dass er sein junges Leben dem Genuss verpflichtet hatte, dann kam die Bekehrung und dann die ausdrückliche Intimität mit dem lebendigen Gott. In jeder dieser Lebensphasen war der Heilige Augustinus Gott zugewandt, ist nie aus dem Bezug zum lebendigen Gott herausgefallen. Die Rede also: ich glaube nicht an Gott, es gibt ihn nicht oder derlei andere Reden, sie sind in sich haltlos. Ein anderer Zugang: wir leben so dahin wie wir leben, das geht automatisch, die wesentlichen Funktionen des Körpers passieren automatisch, unbewusst. Man rutscht wie von selbst in den Automatismus der un-endlichen Optionen und nennt das: Leben. Auch in dem, was wir so „Leben“ nennen, besteht die lebendige Beziehung zu Gott, ob ich daran glauben kann oder nicht – sie besteht dennoch, ob ich mir dessen bewusst bin oder nicht. Warum dann die Rede von der „existentiellen Irritation“? Die Krise jener Irritation ent-deckt diese lebendige Beziehung, lässt sie ausdrücklich „wahr“ werden, die in sich schon „wahr“ ist. Sie spricht: ich habe zeitlebens geschlafen und doch warst DU da! Ich war ver-schlossen, zu, aber jetzt „verstehe“ ich. Was oben so „Leben“ genannt wird, ist eigentlich noch keines, das eigentliche Leben beginnt dann, wenn der Mensch be-seelt wird und er ist gut gestellt so, denn das Heil (die Ganzheit, die Einheit) ist schon vorweg. Das Vorweg-seyn heißt dann: ich hole und sammle ein, was ja schon „da“ ist, ich ernte, was mir vorweg, voraus, zugetragen ist. Der lógos kommt von diesem Sammeln (légein), dann heißt das: das Heil „ist“ und kann nicht gemacht werden. Das ist ein wichtiger Punkt, der viel zu wenig Beachtung erfährt. Lebendiges Leben holt dieses Heil ein, sammelt es im Dank (der wesentlich der Ge-danc ist). Leben ist erst wahres Leben, wenn es zu dieser Ent-sprechung kommt, wenn das, was schon da ist, eingeholt und gefeiert wird im Dank.

 

Ich nenne dagegen das Leben, das man automatisiert Leben nennt: Verschluss (die Verschlossenheit). Die Sprache in der Verschlossenheit „spricht“ noch nicht, der Verschlossene existiert als Taub-Stummer. Er redet oft und sehr viel und auch gelehrt, aber die Sprache ist „tot“. Solch einer kann viele gelehrte Bücher schreiben und dennoch sind sie „tot“. Die Sprache ist noch nicht eigentliche Handlung, sie wird es erst, wenn das passive Element des Empfangen-könnens mächtig wird, wenn der ewige Augenblick naht zum Bekenntnis. Im Bekenntnis liegt mittig das Kennen und Erkennen meint hier nicht eine Kognition, sondern „Intimität“ (Lebendigkeit zum  lebendigen Schöpfer). Man bekommt in den Confessiones des Heiligen Augustinus ein Gefühl dafür, was es heißt: lebendig zu leben! Die veräußerte Sprache im Verschluss ist daher tote Sprache, es prallen Worthülsen ohne tieferen Sinn aufeinander, man könnte sie die Monadologie der toten Sprachverwirrung nennen. Tote Sprache spricht auch nicht an, sie langweilt. Lebendig ist die Sprache dann, wenn sie „als“ Sprache spricht. Wann geschieht das? Dann, wenn sich das Wort von sich selbst her zeigt wie es an ihm selbst „ist“ (Tautologie des lógos). Zeigt sich das Wort in dieser Weise von ihm selbst her, nennt man das „rein“. „Reinheit“ hat also im Grunde den Zug des Geschehen-lassens an sich, des Zu-lassens, dahinter birgt sich eine passive, zulassende Haltung, die Bereitschaft, dass das Wort an-klingt darf. Am Horizont zeigt sich jetzt schon das, was „Sprache als Handlung“ meint. Das Wort hat also in sich diese Kraft und Reinheit (von sich her, nicht von mir her). Sprache und Wort sind uns leider heute abhanden gekommen, man lernt schon in der Schule die tote Sprache und zeitlebens wird es meistens so bleiben: man benützt Wörter, um sich selbst ein „Bild zu machen“ oder um Zustände zu beschreiben: man hört oder sagt z.B. Kuh und schon hat man eine eigene Vorstellung von Kuh, das Wort ist so lediglich Hilfsmittel „meiner Vorstellung“. Das eben meint „tote Sprache“. Denn das Wort ist „göttlichen Ursprungs“, es hat in sich göttliche Kraft, eine viel tiefere Bedeutung, es ist nicht zur „Benützung“ da, sondern „offenbart sich“. Wenn diese göttliche Dimension verweigert wird, dann wird das Wort verzweckt und vergewaltigt und man sieht schon hier: es bedarf einer grundlegenden Besinnung und Bereitschaft des Zulassens der göttlichen Dimension des Wortes. Und nochmals: Wort ist nicht nur artikulierter Laut, es „wortet“ allüberall in der Ansprache des Seyns. Das Sich-zeigen im Seyn ist ja Aus-druck, Aus-wortung und meistens bleibt es nur im „kalten Empfang“, so, als würde der Andrang des Seyns kalt zur Kenntnis genommen im Verbrauch des Alltags. Das Wort wird dann ebenso verbraucht wie man andere Dinge des Alltags auch verbraucht. Im „kalten Verbrauch“ hält man sich nicht länger auf, wird nicht „irritiert“ zum längeren Verweilen, das kann sich der Verbrauchsmensch nicht leisten. Das Wort ist so herabgesunken zur reinen Vernutzung. Und so kann man schon sagen: wenn der Andrang des Seyns im Wesen An-Sprache (im Wort) ist und es überall „wortet“, dann ist jedes Ereignis Anruf, Aufforderung zur „Annahme“. Dann offenbart sich im Andrang des Seyns selbst das Mysterium Gottes, ob ich es wahrnehmen mag oder nicht, ob ich mir dessen bewusst bin oder nicht. Die tote Sprache ist am Vernehmen des Mysteriums gehindert und nur (das behaupte ich jetzt einmal) eine „wesentliche existentielle Irritation“ (Krise) könnte den egoistisch verhärteten Panzer aufbrechen.

 

Sich der göttlichen Dimension der Sprache im Wort ausliefern besagt jetzt im engeren Sinn: Sprache als Handlung. Wenn die Sprache göttliche Dimension hat, dann ist sie schon „fertig“, in sich vollendet – wie am 7. Schöpfungstag alles schon in sich vollendet ist. Wie gehe ich mit der „vollendeten Sprache“ um, die mir zugetragen wird und zwar jeden Augenblick? Es ist dies zugleich die Frage nach dem Wesen der Vollendung. Der horizontale Verstand weigert sich permanent und bringt es nicht auf einen Nenner: dass die Schöpfung in sich vollendet und dennoch zugleich auf den Weg zur Vollendung ist. Für den beschränkten Verstand kann entweder nur dies oder jenes sein, beides zugleich geht nicht.

Der Grund, warum der beschränkte Verstand vorherrschend ist, liegt darin, dass der „Auf-Enthalt“ verweigert wird. Enthaltsamkeit kommt in der heutigen Zeit nicht gelegen, man verzichtet nicht gerne auf das Eigeninteresse. Wesentlich aber ist der Auf-Enthalt, die Irritation. Aufenthalt und Enthaltsamkeit haben eine identische Verfassung: wer sich enthält, der hält sich auf und wer sich aufhält, der enthält sich eigentlich, der macht nicht mehr mit im Zeitrausch der Angebote. Der Ent-Halt im Auf-enthalt kommt immer zurück auf… das Mysterium im Andrang des Seyns. Und dieses waltende Mysterium ist nicht sichtbar, schon gar nicht für unsere Gefühlswelt. So leben wir im Verborgenen im Grunde „vom“ Verborgenen. Ent-halt findet Halt und muss ihn gefunden haben, und zwar wesentlich in Gott, in seiner Ansprache – sonst wäre die Enthaltsamkeit am Ende leer und nichtig, bloß eine weitere Variante der Veräußerung. Die Veräußerung im Wort ist das Bild, die Erstarrung auch im Urteil über…

 

Wenn es heißt, man solle „sich kein Bildnis“ machen, so liegt der Sinn darin, die Fixiertheit im Bildnis nicht anzubeten. Veräußerung ist nicht vermeidbar, aber das Urteilen über dieselbe ist es sehr wohl. Die Fixiertheit im Bildnis ist entsprechend eine "Gier" und so im Wesen ein aufgeregtes Erregen. Das erregte Erregen / die Auf-regung! Der aufgeregte Mensch ist wesentlich der erregte, jener, den die Regungen immerzu verführen, aufreizen, er erliegt den Reizen (Bildern) dieser Welt, wird ihr Opfer, nicht er hat sie im Griff, sondern sie bestimmen sein Tun und Handeln. So wird man „blind“ für das Wesentliche und lässt sich vom Augenschein verführen, verleiten, unterjochen. Dazu gehört auch das „Aufsehen erregen“ – der Anstoß zur weiteren Aufregung. Der aufgeregte Mensch urteilt immer nach seiner Wahrnehmung, die für ihn beeindruckend sein muss, jederzeit urteilt er daher nach Augenschein. Solange der Mensch mit Gott verbunden bleibt, solange muss er sich nicht mehr „aufregen“, denn er bemerkt: ich bin doch nur ein „Fremdling“ auf Erden, die wahre Heimat ist der Himmel. Das erregte Begehren ist „Gier“. Aufregung also hat sich „heimisch gemacht“ im Vergänglichen, in den Bildern der Einbildung, die kommen und gehen. Man wird dann von diesen aufgeregten Wellen hin und her geworfen, bleibt ganz dem Horizontalen ausgeliefert. Unstet und unruhig wirst du seyn (Kain). Dazu gehört dann auch der „feste“ Wohnsitz, der als ganz normal angesehene Anspruch: das ist mein Grund und Boden, das ist mein Besitz (den man auch einzäunen und verteidigen muss). Der Aufgeregte ist am Zeitlichen festgekettet und daher sehr unfrei. Und das ist keine Kleinigkeit, am Ende geht es da um einen großen Kampf der Seele, der sich aus jener „existentiellen Irritation“ erhebt, es ist der Kampf, den Jakob kämpft.

 

„Jabbok“: Staub – es ist der Kampf einerseits um das Materielle, um seine unumschränkte scheinbare Allmacht und andererseits geht es gerade um den Bruch dieses Anspruches.  In der Aufmerksamkeit auf das Geringste, Nebensächlichste – darin liegt dieser Kampf, man könnte auch sagen: im Aufmerken auf die Heiligkeit des Augenblicks, das Aufmerken auf den Zu-Fall. (nicht Zufall). Es zählt nicht mehr das „Haben“, sondern das „Seyn“.

 

So ist das Zeitliche wie die Wüste: man kann in ihr nicht wahrhaft leben! Das Leben in der Zeit kennt keine Gnade, sie verrinnt – ob ich es will oder nicht. „Will“ ich das Vergängliche, ist es mir das Wichtigste? Das ist die Frage und sie beinhaltet die Bereitschaft, alles Vergängliche „los-zulassen“ – es auf-zu-geben.

 

Aus der „Irritation“ erwächst die Sprache als Handlung, sie ist jetzt keine tote Sprache mehr, sondern „Empfängnis“.

 

(Weiterführung)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXVIII)

 

Λήθη IX    Erlösung XII   (Pfingsten 2022)

 

 

Heimkehr

 

 

Die Rückkehr aus der weitesten Entfernung von Gott in sein Vaterhaus, das sei die „Heimkehr“. Das ist auch das größtmögliche Glück auf Erden, das einer Seele widerfahren kann. Dieser entscheidende Wendepunkt ist jener Ort, an dem man eine Umkehr für „unmöglich“ hielt, man könnte sagen, jener Zustand ist identisch mit „äußerster Finsternis und Verzweiflung“. Jener äußerste Aufenthaltsort der Entfernung von Gott, dem Ursprung, dem Schöpfer, ist gerade die Welt der Entwicklung, des Fortschrittes, des wirtschaftlichen Optimismus, es ist die Welt der Planbarkeit, der Berechnung, jener Ort, da die Rechnungen „wirklich“ aufgehen in der Wohlfahrt, der Gesundheit, des längeren Lebens, die Welt der Erleichterungen, der unendlichen Wunscherfüllungen. Die weiteste Entfernung von Gott ist das Leben des Egoisten in uns. Die „Machbarkeit“ des un-endlichen Lebens ist bereits realisiert: der künstliche Mensch stirbt nicht mehr (es gibt mittlerweile diese künstliche Intelligenz), dieses Chip-Implantat, das einem einen Rausch ohne Ende verspricht und sollte es eben nur ein eingebildeter sein. Das Körperding wird zwar vergehen, aber man vernimmt das so nicht mehr, man ist ja in einem Dauer-Rausch geborgen – und so „stirbt man nicht mehr“. Die Menschen werden  „diesen“ künstlichen Dauerrausch suchen und der wird sehr viel kosten. Un-Endlichkeit ist dann Realität, ein Horror-Szenario und nun gibt es keine Irritationen mehr, der Tod ist nicht mehr, er ist überwunden (zumindest für die Fantasie). Ewigkeit hat mit Un-endlichkeit nichts zu tun, denn die Ewigkeit ist der Zeitlichkeit enthoben.

 

Und diese Welt des realen und künstlichen Egoisten ist unsere, jetzt und hier, unsere Welt heute. Die letzten Jahrzehnte, sagen wir, nach dem 2. Weltkrieg, im Osten wie im Westen, erlebten und erleben diesen Aufschwung, diesen Fortschritt ins ungeheure Maß mit dem Ziel, das irdische Leben zu feiern: von Höhepunkt zu Höhepunkt. Wir, die heute Lebenden, sind Kinder dieses Fortschrittes, gottlos aufgewachsen, dem kalten Fortschritt anerzogen, antrainiert. Wir „sprechen“ diese Sprache des kalten lógos, haben sie inn- und auswendig gelernt, die Pädagogik des horizontalen Absolutismus ist uns Fleisch und Blut geworden. An diesem Endpunkt des: Alles ist möglich! – (und das ist heute Gegenwart) – scheint eine Umkehr zu Gott, dem Vater der Lichter, un-möglich. Für den Fortschrittsmenschen in uns gibt es in der Entwicklungslinie diese metanoia einfach nicht, sie gehört nicht zum Programm des Maschinisten, denn: der pausenlose Betrieb müsste ins Stocken kommen, da ja plötzlich ein ganz anderer Sinn-Horizont aufleuchtet. Großstädte haben das an sich, oder Bauprojekte (Semmering Basis Tunnel) – da gibt es keine Ruhe, da gibt es nur Lärm der Produktion – ohne Ende.

 

Eine „moderne Fabrik“ läuft doch Tag und Nacht und ohne Pause, sie kann es sich per Gesetz nicht leisten „still“ zu stehen, das wäre ihr Konkurs. „Stillstand“ ist der Tod aller Entwicklung und unbedingt zu vermeiden, wer nicht Verlierer sein will, der darf nicht zur Ruhe kommen! Dass eine Seele inmitten der optimistischen Entwicklung „umkehrt“, aus dieser Entwicklung aussteigt und Gottes Ruf vernimmt und sich sagt: Vater, ich komme zu dir zurück! – so eine Haltung ist unerfindlich, sie ist nicht programmierbar oder in den Kapiteln der bloß horizontalen Betriebsanleitungen einfach nicht auffindbar. Woher kommt diese innere Revolution dann? Was ist da am Werk? Woher diese Irritation? So auch das Handeln: wir haben gründlich gelernt, nach Planung, nach Vorstellung, nach Zielen zu handeln und meistens darum, dass es mir selbst einen Gewinn einbringt: ich tue, weil ich etwas erhalte, ich tue, weil es mir etwas bringt. Unsere Handlungen sind daher „zielgerichtet“, man tut erst etwas, wenn man es vorher gründlich abgewogen hat (mehr oder weniger, mehr nach Gefühl und Laune, nach Lust). Wir ticken so und fühlen uns gut dabei, sogar fortschrittlich: ich weiß es und darum folgt jetzt mein Handeln! Und vielleicht will man auch dahinter kommen, wie das mit Gott und seiner Schöpfung ist, man will sein Betriebsgeheimnis lüften, will es auch „wissen“. Die Philosophen in uns sind solche Offen-leger. Und nehmen wir für einen Augenblick an: tatsächlich, das ist genau der Plan Gottes, jetzt habe ich es! Wie wäre dann mein Handeln? Es wäre dann ziel-gerichtet, dann verliefe alles nach Programm, eine unglaublich genaue Mechanik, jeder führt aus, was von Ewigkeit her festgelegt ist, wir alle wären Roboter und so täte man in diesem „Programm“ das Gute, weil es sich lohnt Gutes zu tun, man tut dies und jenes, weil es schon vor-programmiert ist und weil man Belohnung erhält: den Himmel.

 

Eigentlich langweilig: Gott programmiert die Welt und sie läuft und läuft wie nach Programm. Es wäre so langweilig wie das Programmieren eines Computers, der führt einfach aus, was ich eingebe. Ist das wirklich der Sinn? Gott hätte wirklich eine Roboter-Armee ins Leben gerufen nur deswegen, dass die tun, was er will und programmiert hat? Ist das wirklich der höchste Sinn: ein Schöpfungs-Programm läuft ab, ganz nach Plan? Während ich den Computer bediene bemerke ich, dass der ausführt, was ich eintippe: sehr brav führt er das aus, sehr korrekt, immer willig, nie ein Widerspruch, ganz ergeben und sehr, sehr langweilig. Der tut immer das, was ich will! Wenn man diesen Gedanken wirken lässt, dann muss man doch zu dem äußersten Punkt kommen: das ertrage ich nicht, dass alles nach meinen eigenen Plänen abläuft: immer erfüllt sich, was ich will und plane, nie gibt es Widerspruch, jede Rechnung geht auf und zwar sofort! Und nehmen wir an: wir könnten das Leben „immer so fort und ohne Ende“ planen und ausführen, wir hätten den Tod besiegt und feiern die Un-Endlichkeit auf Erden (so ein Gefühl ist doch bekannt). Am Ende wäre es un-erträglich, dieses end-lose Immer-so-weiter und alles nach meinen Plänen und alles geht immer in Erfüllung. Irgendwann wird man den Punkt erreichen, sagen wir als Beispiel, wenn ich dann 480 Jahre alt bin, da man bei sich bekennt: wie langweilig, ich habe dieses horizontale Wunscherfüllungsprogramm gründlich satt, es erfüllt sich immer, was ich will. Ich ertrage es nicht mehr, dieses: wünsch dir doch etwas – es geht sofort in Erfüllung.

 

Man kennt das von den Super-Reichen, die erfüllen sich alle Wünsche, es läuft wie geschmiert, die 12. Yacht im Hafen, das Schloss in Schottland, die Reisen ohne Ende, die Betäubungen ohne Ende, der Applaus des Publikums ohne Ende – alles eigentlich nach Plan und ohne Ende: immerfort und weiter so. Un-endlichkeit „ist“ die Hölle, das Immer-weiter-so-ohne-Ende. Ewigkeit dagegen hat mit Un-endlichkeit nichts zu schaffen. Un-endlichkeit ist die Verlängerung der endlichen (zeitlichen) Ansprüche ins Maßlose. Man sollte diesen Unterschied gut beachten! Es wäre ein „höllischer Zustand“: ich will so – und sofort passiert es, ich habe diesen Plan und sofort wird er ausgeführt. Der Mensch ohne Widerspruch oder ohne Scheitern bekommt da einen Vorgeschmack, was „Hölle“ eigentlich meint.

 

Im 9. Kapitel, Vers 6 der Offenbarung des Heiligen Johannes steht das unheimliche Wort: „In jenen Tagen werden die Menschen den Tod suchen, aber nicht finden; sie werden sterben wollen, aber der Tod wird vor ihnen fliehen.“

 

Ein un-endiches Wunscherfüllungsprogramm (ein Programm, das niemals enden würde), es wäre ein höllischer Zustand, es ginge immer in Erfüllung, was ich will: da kommt einmal der Punkt wo man sagt: ich halte das jetzt nicht mehr aus, komm´ Tod, und beende diese Hölle! End-los immer weiter so, ohne Ende: das ist unerträglich, wir würden das Ende herbeisehnen, den Widerspruch, den Abbruch dieses höllischen Zustandes unseres programmierten Schlaraffenlandes, es würde am Ende sehr, sehr langweilig werden, maschinell, programmiert, farblos und die Hölle ist dann jener Zustand: ohne Ende, immer weiter so „nach egoistischem Programm“. Es ist der Egoist, der aus seinem höllischem (egoistischen) Zustand nicht mehr herausfinden kann. Die Seele wünscht dann den Tod, das Enden des End-losen und sie wird ihn nicht finden, denn der „Tod flieht“. Unheimlich ist dieses Wort: es gibt einen Seelen-Zustand, da man den Tod sucht, aber der flieht! Und man kennt das: ein Phänomen bei den Superreichen oder den Stars, die sich, so sagt man, alle materiellen Wünsche erfüllt haben, irgendwann wurde es immer sinnloser und am Ende war die Selbstvernichtung (man erträgt diesen Zustand einfach nicht). Es ist zugleich der äußerste Ausdruck einer egoistischen Existenz: ich will und bekomme sofort, ich will und bekomme sofort und weiter so ohne Ende. Man macht es sich nicht ganz klar: das end-lose Schlaraffenland „ist“ die Hölle.

 

Von dieser Perspektive her betrachtet müsste man über jede existentielle Irritation, ja über jede wirkliche Krise  sehr dankbar werden, die Auslöser einer grundlegenden Kurs-Korrektur sein könnte. Das Wunscherfüllungsprogramm ohne Ende wie programmiert ist ein höllischer Seelenzustand. Ein Leben nur nach Genießen und nur nach Nützlichkeit ist letztlich unerträglich: ich bekomme immer was ich will, da wird man „irre“, das hält man am Ende nicht mehr aus. Und so hat jeder Mensch ein tiefes Gespür in sich: irgendwie geht sich das nicht ganz aus, es stimmt etwas grundsätzlich nicht. Wenn eine Seele dieses tiefe Gefühl der existentiellen Unstimmigkeit nicht ganz unterdrückt, könnte dies der Wendpunkt einer Seele sein, die sich so tief verloren hatte, so weit von Gott weggerückt war, dass eine Umkehr unmöglich schien. Wir sind eben nicht hier auf Erden, um maschinell irgendein Programm abzuspulen (und wäre es auch ein Göttliches „Programm“) – wir sind keine Maschinisten, aber wir tun meistens so, wir Kaufleute-Existenzen. Und so tue ich auch moralisch ein wenig, aus Kalkül, weil ich dann erwarten kann, nicht gänzlich der Göttlichen Strafe ausgeliefert zu werden. Wissen um des Wissens Willen ist das Gleiche wie Berechnung, maschinell handeln und das auch umsetzen, ein himmlisches oder irdisches „Programm abwickeln“, streng nach Regeln und Anweisungen. Sehr „eng“ wird es da, sehr viele Regeln muss es geben und wo es „eng“ ist, da wohnt die „Angst“, ich könnte Fehler machen, nicht gut genug sein, der andere ist besser, der andere mein Feind usf. Die maschinelle Kalkulationswelt vermeidet das Mysterium: das Geheimnis „als“ Geheimnis wird verdrängt. Man will es „wissen“, das Geheimnis, das schon, aber sobald man es wüsste, wäre es ja gar keines mehr. Der Kaufmann in uns will das Mysterium in seiner Mentalität erwerben, vielleicht unter allen Umständen und diese Umstände beinhalten, dass er sich dann eben das „Goldene Kalb“ konstruiert. Das „kalte Wissen“ ist auch jene Versuchung in uns zum Verfügen-wollen: seyn wollen wie Gott! Die Kaufmanns-Existenz erhält das, was sie „erwartet“ – manchmal geht sich das nicht aus, sicher, aber oft genug geschieht das Eintreffen der eigenen Erwartungen. Wie steht es dann mit dem Un-Erwarteten? Für jene Existenz sind das dann die Zufälle, manchmal negativ, manchmal positiv. Mehr gibt das Un-Erwartete nicht her, es ist nur Zufall, hätte sein können oder auch nicht.

 

„Ohne Berechnung“ zu denken und zu handeln, das ist doch in so einer kalkulierten Welt nicht möglich, keinen Lohn mehr zu wollen für sein Handeln, das ist  wider alle Gesetzlichkeit. Keine Gegenleistung mehr erwarten, für sich selbst keine Belohnung mehr wollen – zu seyn „umsonst“, das wäre ein großes Ding, die Existenz wäre be-freit (frei von) den egoistischen Ansprüchen und „frei für…“ die Anderen und die Welt, offen für das Mysterium (Gott) und gelassen zu den Dingen. Ohne Berechnung zu denken und zu handeln heißt: ich bewege mich nicht mehr in der „Norm“, ich bin ab-norm, weg vom Berechnen, Erwarten, Kalkulieren. Wird diese Kraft in einem stärker, bremst das die Entwicklungskräfte, es ist ein Hemmschuh für die losgelassenen Kräfte. Ein Beispiel: ich hatte einmal eine sadistische Volksschullehrerin, die keine Gelegenheit ausließ mich und andere für blöd zu verkaufen, bloß zu stellen. Mit den Jahren prägt sich das ein. Per Naturgesetz habe ich auch dieses Gefühl des Zornes in mir, eine Kränkung: sie hat mich fertig gemacht und eigentlich hätte sie Strafe verdient; viele würden da zustimmen. Eine „normale“ Reaktion, wird man einsehen, sie war eine Bestie. Und dieses Gefühl ist per Naturgesetz automatisch da in mir, das will ich auch gar nicht verdrängen, immer wenn ich an sie denke. Dieser Automatismus des Naturgesetzes ist ein Faktum, lässt sich nicht leugnen, ist wie eine Angst-Reaktion auf einen akuten Bedrohungszustand. Und nehmen wir an, es fände heute ein reales Treffen mit meiner Volksschullehrerin statt: ich hätte doch alles Recht, ihr einmal ordentlich die Meinung zu sagen, ihr offen die Wahrheit entgegenzuschleudern, wie sie mich fertig gemacht hat. Wenn ich schon auch nur daran denke, geht es mir schon besser: endlich kann ich das Unrecht, das mir passiert ist, ein wenig korrigieren. Und so schmiede ich schon Sätze, die ich ihr ordentlich entgegenschleudere. Man spricht mir auch Mut zu: ja, dazu hast du ein Recht, der muss man wirklich einmal die Meinung sagen, ja, man ermuntert mich förmlich dazu, so zu tun.

 

Kann man diesen naturgesetzlichen Automatismus durchbrechen? Das ist die Frage und die Antwort darauf ist: das geht und es ist das Zeichen der „Freiheit“ umsonst zu handeln, abseits der Norm (ab-normal) zu handeln. „Umsonst handeln“ besagt hier: ich handle nicht aufgrund einer Naturgesetzlichkeit oder einer Berechnung, ich bin frei davon und ich muss hier sagen: das geht nur im „Vertrauen“, dass es grundsätzlich „gut“ ist mit der Schöpfung, das geht am Ende nur in der Intimität im Vertrauen auf den lebendigen Gott. Noch ein anderes Beispiel, gerade in unserer Zeit: in den Bedrängnissen der gegenwärtigen Nöte „betet“ einer zu Gott: bittet um den Frieden in der Welt, um Einheit, er betet vielleicht auch für seine eigenen Feinde, hält Fürbitte, betet vielleicht auch dafür, dass das Unrecht des Mordes an den ungeborenen Kinder aufhören möge usf. Jene Seele betet immerzu in dieser Art und doch werden die Zustände dennoch schlimmer: Lüge, Hass, Krieg, Krankheit, Abtreibung, Maßlosigkeit – es wird immer schlimmer damit. Und Gott, wo ist er denn jetzt, wieso passiert da nichts? So krempelt man selbst die Ärmel auf und erfindet Hilfsprogramme, man muss ja schließlich etwas „tun“, man wird aktiv und klopft sich auf die Schulter. Wer „so“, in der Art wie eben beschrieben, betet, der ist im Wesen Händler und Kaufmann: etwas für etwas (quid pro quo),  Lohn für Leistung, es muss dabei etwas herausspringen.

 

Wer dennoch (umsonst, für Nichts) „betet“, für nichts, umsonst, der, so sagt man, stehe in der „Gnade“, der ist wahrhaft auserwählt, begnadet. Die Umstände und Wirklichkeiten verschlimmern sich, Gott, meint man, ist auch nicht da (er ist am Ende wie tot): aber man betet „dennoch“ zum lebendigen Gott, die Welt geht unter, meint man, sieht man vielleicht auch und: man betet trotzdem, sogar inniger, vertrauender: Gott hilf´ mir! In diesem Augenblick (der keinen zeitlichen Maßstab mehr mit sich führt), erhebt sich die Seele zum lebendigen Gott, der immerzu anwest und jener ist: der immerwährend „da“ ist. Erst das Gebet, das „un-nütz“ ist, ist lebendige Ansprache zum lebendigen Gott. Dieses Gebet ist der Nützlichkeits-Mentalität entzogen, will keinen Lohn mehr für sich, ist entleert vom Sinn der Berechnung, ist be-freit. Die „so“ betende Seele kann in den Himmel aufsteigen, nichts hält mehr im Horizontalen fest. Daher ist das Beten für Nichts (umsonst) wie der Weihrauch, der aufsteigt und „verschwindet“ (für die Sinne) und es bleibt nur mehr der „Wohlgeruch“, dass das Gebet schon erhört ist (nicht erhört wird, sondern schon erhört „ist“). Im Wort Heim-kehr liegen „Heimat“ und „Kehre“. Heimat: es ist das Haus, aus dem wir entwachsen, in dem wir aufgewachsen sind, die eigenen vier Wände, unsere Herkunft, unser „Heim“. Das Haus ist immer etwas „Inniges“, innen, es hängt auch mit „bauen“ zusammen: das Haus wird ja „gebaut“ (es fragt sich nur: von wem?). Heimat ist Sinnbild auch für die „ewige Heimat“, unsere wahre Herkunft. Man sagt: die Heimat wäre Halterung, also Halt-gebend und wenn das Haus ein Innen ist, dann gibt das Innere „Halt“. Augustinus bemerkt: Noli foras ire, in teipsum redi; in interiore homine habitat veritas.

Habitare ist das Wohnen: die Wahrheit (Gottes) hat im Inneren des Meschen Wohnung genommen, Heimat, kann man sagen, ist: Intimität.

 

Im „inneren Menschen“ wohnt Gott beständig, hier ist wahrer Halt, Halterung – eben nicht im Außen. So ist die „Kehre“ dann auch die Umwendung ins Innere: eine Hinwendung in die Stille der Seele. Der Habitus eines Menschen ist demnach „Ausdruck“ seines Wohnens, „wie“ einer wohnt (im Inneren oder im Äußeren, im Augenschein oder im Wesen) – das zeigt sich dann auch in der Erscheinung. Heimkehr kann nur den Sinn von Rückkehr haben, die Maßstäbe der horizontalen Welt verlieren dabei ihren prinzipiellen Anschein von Absolutheit. Der Heimkehrer kann dann auch nicht mehr per Naturgesetz (Gefühl, sozialer Zwang, Angebot und Nachfrage) handeln, er wird erhoben zum „göttlichen Handeln“ und das ist jederzeit „frei“ umsonst zu handeln. Denn der Schöpfer selbst ist der Erste, der „umsonst handelt“ im Schaffen seiner Schöpfung, mit ihr jederzeit mitgeht, anwest und sich ihr hingibt. Der Schöpfer hat keine Menschen-Automaten geschaffen, die nach seinem Programm ihr Leben herunterspulen. Die Freiheit: Nein zu sagen ist Ausdruck der innersten Möglichkeit, hier auf Erden zu handeln und man muss fragen: wie wirst Du handeln, Mensch, mit dieser Freiheit – wird es dazu kommen, dass du „umsonst“, für nichts handelst, frei von Eigensinn? Oder wirst du Berechnungen anstellen, auch mit deinem Schöpfer? Ich, dein Schöpfer, ich habe die nicht berechnet damit du mein Programm erledigst, ich habe dich „frei“ gestellt, damit du auch – wie ich – ohne Berechnungen handelst, frei bist, göttlich handelst: dann erst bist du in meinem Ebenbild, Bild in meinem Gleichnis. Erst „dann“ bist du eigentlich „Mensch“, wenn du dich in meinem Bildnis birgst! Hier wird ersichtlich, dass der Sinn des menschlichen Existierens ein „Handeln“ ist, darin die Hand liegt, die segnen aber auch töten kann! Im Letzten geht es nicht mehr um gescheite Überlegungen und Reflexionen, sondern um die Täterschaft, die Tat „um“ - „für“.

 

Der Schöpfer selbst gibt alles, ja sein ganzes Leben gibt er am Kreuz hin und er weiß im Voraus: er wird nichts dafür erhalten, keine Gegenleistung und er erwartet sie auch nicht, schon gar nicht von den Menschen. Er schenkt sich in seiner Schöpfung gänzlich weg – ohne Berechnung, sein Geschenk ist losgelassen an uns, er erwartet nicht einmal unseren Dank. Erwartungslos „schenken“ ist göttliches Schenken, solches Schenken erklärt sich nicht per Naturgesetz, sondern ist frei von jeder Gesetzlichkeit, Ausdruck der Göttlichen agapé. Daher: ich handle nicht „umsonst“, weil es einen Göttlichen Moralkodex gibt, dem ich mich unterwerfen sollte; täte ich das, ich wäre Sklave der Gesetze, unterdrückter Knecht. Dagegen: alles in der Schöpfung verlebendigt sich un-verdient, ist Gabe „umsonst“, mir und der Welt zur Freude. Wie gehe ich mit dieser geschenkten Gabe um? Bin ich mir dessen überhaupt bewusst? Man beachtet es viel zu wenig: der Christ „ist“ befreit, er muss diese Befreiung gar nicht leisten und könnte es auch nicht, es wäre die reinste Überforderung. Befreit „sein“ bedeutet: ganz offen sein für das Danken, die Herrlichkeit Gottes lobpreisen, das heißt es, frei zu sein. Lobpreis Gottes: das heißt immerfort die horizontalen Dinge „heiligen“, jederzeit, immer und überall. Das Heiligen ist im Wesen das „Ganz-machen“, das Zurückführen zum Ursprung in Gott und das ist der Sinn, der ganze Sinn der „Heimkehr“. Heimkehr spricht die Sprache der Nüchternheit, sie ist sparsam mit dem Angebot der Welt-Dinge, lässt sich nicht mehr hinreißen zur Berauschung. In diesem Augenblick „erwacht“ die Seele, schlägt ihre Augen auf und lobpreist den einzigen Gott, den Dreifaltigen.

 

„Unheimlich“ ist der lógos, wenn er trifft: der Göttliche lógos erfährt immer seine Heimat im Aufenthalt – modern ausgedrückt: in der Ent-schleunigung! Es sind dann die Augenblicke des Stillstandes, der Bemerkung, der Aufmerkung. Plötzlich „spricht“ das Wort, führt zum Stillstand der maßlosen Entwicklung (die ist dann nicht mehr Zentrum der Begehrlichkeit). Man liest dann z.B. in einem Text-Stück nicht weiter wie sonst, sondern wird „irritiert“ von einem Wort (vom lógos) und das Wort führt dann in die Tiefe, in ein tieferes Verstehen und man bemerkt: ich kann das nicht mehr mitteilen, diese Bewegung der Heimkehr, aber ich bin gewiss in einer Gewissheit, die sich nicht erklären lässt. In diesem Augenblick wird einem bewusst: ich bin jetzt der Angesprochene, der Heilige Geist ist jetzt am Werk und führt mich. Die wahre Antwort auf diese Führung im Heiligen Geist kann nur das „restlose Vertrauen“ sein und der Dank „in dem Sinn, dass einer sich dem verdankt, dem er geeignet ist“ (Heidegger). Man dankt, weil man Gott gehört, auf ihn hören „darf“ – es ist ein Privileg, dies „so“ zu erfahren. Man sollte daher den „Stillstand“ sehr gut betrachten, er sagt uns zu: halte dich jetzt auf, lass´ dir erzählen vom Göttlichen lógos -  es kann ein einziges Wort sein, ein Satz aus der Heiligen Schrift: plötzlich wird die Geschwindigkeit der Entwicklungswelt augenblicklich gestoppt: nun beginnt die Rede des Heiligen Geistes und sie führt uns immer in die tiefere Wahrheit. Der Auf-Enthalt ist also ganz entscheidend für die Seele, und Aufenthalt „tun“ heißt: nüchtern sein und diese Abgeklärtheit des Nüchtern-seins ist in sich das, was man mit „Wachen und Beten“ bezeichnet.

 

Auf-enthalt (Enthalt) ist daher ein ganz wesentliches Geschehnis: es bedeutet die ständige Ansprache des Heiligen Geistes zu-lassen und das kann nur aus der Großen Stille geschehen. Mit dem Aufenthalt geht parallel die Enthaltsamkeit, das Sichzurücknehmen der eigenen Ansprüche. Im Wort Auf-enthalt liegt der Enthalt, also die Enthaltsamkeit vom Sich-mitreißen-lassen mit der Welt des Fortschrittes und der Entwicklung ohne Ende (dieser besinnungslose Fortriss). Sich dabei enthalten heißt: ich tue da nicht mit, es genügt mir deine Stille, Herr, hier ist meine Kraft, hier ist meine wahre Heimat. „Enthalt“-samkeit hat im Wesen mit Auf-„Enthalt“ zu tun. Hier will ich nun länger verweilen: was ist Ent-Halt? Im Ent-Halt liegt auch der Halt, das, was mich hält und nicht fallen lässt. Es ist wesentlich ein ganz „mütterlicher Zug“. Die Mutter lässt ihr Kind nicht fallen, es kann sich aufführen wie es will, die Mutter wird es lieben, so oder so. In der Mutterschaft liegt eine unumstößliche Versicherung und Geborgenheit: ich werde dich niemals fallen lassen! Im Aufenthalt der Enthaltsamkeit findet die Seele ihren eigentlichen Halt, ihre Mitte und ihren Sinn. Sich-selbst-wehrlos-machen (schutzlos machen), das könnte den Sinn von Enthaltsamkeit treffen, sich also öffnen und offen (verletzlich werden wollen). Im Enthalt wird mir klar, dass die äußere Erscheinungswelt „relativ“ ist und ich möchte hier die existentielle Schwerkraft herausstellen, das meint die „existentielle Betroffenheit“.

 

Man hat es zur Genüge gelesen, gehört, vernommen: die wahre Welt liegt anderswo; sicher, das kennt man zur Genüge, diesen Spruch – aber existentiell „ergriffen“ sein ist etwas ganz anderes als es bloß zur Kenntnis nehmen und dann so weitermachen wie immer. Die Rausch-Welt (es ist auch die jederzeit mediale), mag sie sich noch sehr imposant und äußerst wichtig präsentieren, ist im Grunde ein Trug, wenn sie losgelöst vom Schöpfer ihre nackte Eigendynamik (prostituiert) präsentiert. Ist man in jener Eigendynamik gefangen, wohnt man im Haus der Aufgeregtheit. Man muss sich dann immer und überall und über alles „aufregen“, weil man immer von den Dingen hin-und-her gestoßen wird. Der „Aufgeregte“ hat keine Ruhe mehr und es ist paradox: gerade der Aufgeregte sucht dann „aufgeregt“ nach Ruhe und Stille. Er kann sie nicht „empfangen“, sondern muss sie aufgeregt suchen, muss sie herstellen und machen (ein Teufels-Kreis). Immer wieder ist in diesem Zyklus vom „Umsonst-handeln“ (ohne Eigenmotiv handeln) die Rede und man muss sagen: das ist nur im „Vertrauen“ möglich, nicht im Wissen wollen. Erst das Göttliche Vertrauen lässt jede horizontale Aufgeregtheit hinter sich. Gerade weil die Außenwelt so glänzt und prostituiert sich anbiedert, einschüchtert, Angst macht, immerfort droht (man beachte einmal, wie sehr die öffentliche Sprache „Droh-Gebärde“ ist) – gerade hier zur Ruhe finden, dennoch „glauben“ dürfen (nicht müssen), das ist etwas Großartiges. Wir „dürfen“ zum Glauben finden – das ist doch das Großartigste was es gibt. Der zum Glauben findet, der „ist“ schon gesegnet, auserwählt, „ganz gemacht“ (das heißt es gesegnet zu sein) – und das Zeugnis des Segens ist dann die Un-aufgeregtheit in einer durch und durch aufgeregten Zeit und Gebrechlichkeit. Die Seele hat dann nicht nur den Psalm 23 gehört, sondern sie „singt“ ihn, die Seele singt ihr Wachsein.

 

Singen bedeutet: zum Höchsten gelangt sein.

 

„Wir werden handeln, wir werden tun – auch wenn es aussichtslos erscheint, auch wenn sich die Gefühle sträuben, auch wenn die öffentliche Meinung widerspricht“ – wir werden tun und handeln „umsonst“, weil das „Heilige Wort“ auf das Irdische „umsonst“ herabgekommen ist. So wohnt in jedem Menschen die Seele Gottes, der Heilige Hauch Gottes, alles ist beseelt, sonst könnte es nicht sein. Jedes Leben ist daher geheiligt und steht unter dem Banner, Geschöpf Gottes zu sein. Und Gott selbst hat seine Schöpfung keinen Augenblick verlassen, er ist immer präsent und jetzt augenblicklich da, würde er einen Augenblick nur wegblicken von seinem Werk, sie würde augenblicklich nicht existieren: dass die Welt existiert – noch immer – hängt offenbar auch mit der „Heimkehr“ der Seele zu Gott zusammen. Heimkehr ist also nur in der Entfremdung möglich, in der Abwendung von Gott ruft die Seele im Menschen: kehr um, zieh´ weg aus deiner Entfremdung, kehr´ zum Vater zurück! Und mitten in der äußersten Entfremdung von Gott beginnt das heilige „ab-norme“ Handeln umsonst; es folgt ganz anderen Grundsätzen und lässt sich vom sogenannten Fortschrittsanspruch der übermodernen Welt nicht mehr einschüchtern. Immer wenn der Mensch etwas „mehr“ tut als man der Norm entsprechend verlangt, wenn man z.B. für seine Peiniger betet, ihnen Gutes tut – dann handelt man umsonst. Umsonst tun heißt: begnadet sein! Bechinom heißt Gnade, begnadet sein, anmutig sein, in Gottes Gunst stehen.

 

Wer „umsonst handelt“, der „schenkt sich“: der gibt sich und verschenkt sich ohne Berechnung. Schenken in dieser Welt ist Ausdruck des Handelns umsonst. Und wer sich selbst als Geschenk Gottes erfahren „darf“, der wird danken jederzeit und umsonst weiter-schenken. Im Tun des Schenkens äußerst sich die Danksagung, der Lobpreis, die Anbetung! Weil ich umsonst empfangen habe, gebe ich umsonst weiter! Es heißt: die wesentliche Entscheidung ginge dem äußeren Kampf voraus. Die „Entschiedenheit“ also, die Klarheit der Entscheidung, ist das Wesentliche. Die Entschiedenheit hat schon gesiegt, im Herrn. Im Herrn Anteil erhalten heißt an seinem Sieg teilhaben, schon Sieger seyn. Eine „wesentliche Entscheidung“ kann der Egoist gar nicht treffen, er trifft vielleicht äußere Entscheidungen, Urteile, die das Äußere betreffen, Form-Entscheidungen.

Aber: vom „lebendigen Gott her“ bin ich ent-schieden, nicht von mir selbst her. Ein anderes Wort für Entscheidung (Entschiedenheit) ist „Grund-legung“. In der Grund-legung liegt das Hören des Rufes (das Einsammeln), die Gehörsamkeit, die potentia oboedentialis – der Gehorsam.

 

Dem Hören geht doch jederzeit der „Ruf“ voraus – und es ist erstaunlich: wir müssten nur hinhören, uns „passiv“ verhalten, uns ganz entspannt geben, was der große Gott uns, mir, je jetzt zu sagen hat. Der Ruf Gottes gleicht einem Erdbeben, einer existentiellen Erschütterung. Vielleicht spürt das der Mensch tief im Inneren und so ist er auf der Flucht vor diesem An-ruf, vor diesem Erdbeben (man könnte womöglich der Angesprochene sein!) - er fürchtet also Gottes große Herrlichkeit. Diese Flucht ist jene vor dem Sterben müssen: dem lebendigen Gott begegnen heißt daher: meinem Sterben begegnen, es ansehen, nicht mehr davonlaufen davor, zu Ende kommen, es „nüchtern“ ansehen. Dann sieht man ein, dass man immerzu ein Flüchtling war, ein Feigling, der sich verirren musste, weil er das Vergängliche anbetete (um am ein-gebildeten Leben zu bleiben) und nicht den lebendigen Gott, d.h., um zu sterben und damit wirklich am Leben zu bleiben (in Gott)!

 

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXVII)

 

Λήθη XIII    Erlösung XI   (Pfingsten 2022)

 

Die Verweigerung

 

 

Vermutlich kennt das jeder: man kann mehr oder weniger stundenlang über ein Thema reden, jeder bringt Argumente, will bestätigt werden, dann freut man sich wenn es sich so verhält wie man meint und bei Widerspruch wird man grantig. Sollte dann doch der Andere sagen: sehr gut, du hast mich überzeugt – das wäre der Höhepunkt, man wird dann sehr zufrieden sein. Kennt jeder, dieses Gehabe! Letztens, bei so einem längeren Gespräch, wurde mir während des Vorgangs des Redens mehr und mehr bewusst: wir können in alle Unendlichkeit so weiterreden, z.B. über Gott, über die Zustände in der Welt, über den Sinn oder weiß der Kuckuck was. In solchen Gesprächen finden sich immer Gründe, „etwas nicht zu tun“ – bevor man nicht überzeugt ist. Oder mit anderen Worten: bevor ich etwas tue (handle), muss ich es „wissen“ (denn erst dann habe ich die Sicherheit, dass es sich für mich lohnt, dass da etwas für mich herausschaut). Es ging auch um die Frage der Theodizee und ich halte sie für eine „Scheinfrage“, eine sehr perfide Möglichkeit, sich fern zu halten vom lebendigen Gott: also „nicht zu handeln“. Nun zu diesem „Handeln umsonst“: der Sinn des menschlichen Existierens liegt im „Handeln umsonst“, es geht nicht um Erkenntnis, nicht um Wahrheiten, nicht um Theorien, Pläne oder sonst was. Sicher geht es auch jederzeit um Erkenntnis, um Wahrheit, der menschliche Geist dringt in Ewigkeiten vor, das kann er, aber nicht in einem „platten Wissen“ so, dass man sagen könnte: jetzt habe ich es!

 

„Handeln umsonst“ ist nur in der lebendigen Begegnung mit Gott möglich, von ihm her wird dieser Sinn erfüllbar. Das ist die Voraussetzung. Wer sie ablehnt, handelt nicht „umsonst“. Das „Handeln umsonst“, dafür könnte stehen: dennoch, trotzdem Handeln ohne Lohn für sich selbst, selbst-los Handeln, ohne Wohlgefühl zu erhalten. Daher ist das wahre „freie Handeln“ erst dieses Handeln und Tun, es hängt nicht mehr von den Umständen ab, wie ich handle – sondern ich handle „befreit“ von den (oft widrigen Umständen, die mich belagern), nehme keinen Anstoß daran – ich tue Gutes weil ich Gutes tue, aus Prinzip könnte man sagen. Um dieses einzige „befreite Handeln“ zu vermeiden, wird man sehr schlau, findet Themen und Vorbehalte. Auf gleicher Ebene präsentieren sich dann die gängigen medialen Festlegungen: z.B: es gibt so viel Missbrauch in der Kirche und weil es so ist, halte ich mich fern, damit will ich jetzt nichts mehr zu tun haben. Es gibt in dieser Richtung un-endlich viele Möglichkeiten oder Gründe, dem lebendigen Gott fern zu bleiben (keine existentielle Entscheidung zu treffen): und das nenne ich jetzt die „Verweigerung“ – davon soll ein wenig die Rede sein. Man kommt in einem Gespräch plausibel dazu: da ist etwas dran z.B. an diesem lebendigen Gott. Und die Frage ist dann: was hat das für Konsequenzen? Geht das Leben so weiter wie bisher oder kann es das von nun an nicht mehr? Man kommt an jene Grenze, wo man sich selbst sagen und eingestehen muss: wenn Du der lebendige Gott bist, dann bist Du jederzeit die Ursache meines Seyns. Die „Diskussion“ über Gott hat sich in diesem Augenblick eigentlich erledigt. Aber sie wird weitergeführt, es kommen wieder Argumente, Gott fern zu bleiben, man bringt Gründe, um der lebendigen Beziehung mit Gott auszuweichen (die Entscheidung nicht zu fällen). Vielleicht kennt man das und irgendwie habe ich den Eindruck, dass jene, die wieder „weiter-reden“, sich auch ein wenig entlastet fühlen, sie suchen da wieder den Abstand. Man hält es im Grenzgebiet zu Gott „schwer“ aus, kann man sagen und in der Entfernung lässt es sich besser leben: also in den endlosen Reden aus sicherer Distanz. Häufig werden dann Scheinargumente gebracht: die Hexenverbrennung, der Missbrauch, die ewig gestrige Sexualmoral, usf., irgendein „Thema“ findet sich immer oder der zelebrierende Priester kommt aus Uganda, der bringt kein deutsches Wort heraus usf. – hört man allerorts, diese „Themen“.

 

Im obigen Gespräch bemerkte ich: es geht da gar nicht um die Beziehung zum lebendigen Gott, wir könnten jetzt noch 5 Stunden so weiter plappern, einfach um die Zeit tot zu schlagen. Vielleicht, ich weiß es nicht, gehen die Anderen mit dem Gefühl nachhause: Tiefes haben wir besprochen, Wichtiges, es war toll, erhebend – herrlich – die Frage der Theodizee oder sonst was. Doch hier „stimmt etwas grundsätzlich“ nicht. Das Reden über Gott ist in der Struktur das Gleiche wie das Reden über irgendeine Sache, die jetzt interessant sein könnte. Wir hätten auch 5 Stunden über ein E-Bike reden können: in der Struktur wäre es das Gleiche. Hier stimmt doch etwas nicht! Deshalb sind diese endlosen Debatten, ob in der Öffentlichkeit oder im Privaten sehr langweilig, weil: man „redet immerzu um den heißen Brei“ herum, man hat im Umherum Stellung bezogen aber man wagt es nicht, das „Heilige Land zu betreten“, man bleibt fern  - viae Sion lugent eo quod non sint veniant! – die Wege nach Zion trauern (weil keiner mehr hingeht, weil keiner mehr zum Festmahl erscheint). Ist das nicht die eigentliche Tragödie: dass niemand mehr zum „Festmahl“ erscheint? (so, als wäre es eine Beliebigkeit, eine Option, entweder Gurken oder Tomaten, je nach Belieben, jeder wie er meint und will – aber ohne Verbindlichkeit).

 

Wir leben im Zeitalter der Un-Verbindlichkeit und es ist eine interessante Beobachtung: die Seele will sich nicht binden, nicht fest-legen, sie will sich immer ein Ausstiegszenario offenhalten. Ich meine das jetzt gezielt in Hinblick auf den Erlöser: man will sich nicht an ihn binden, man erscheint nicht mehr zum Festmahl (Eucharistie), es ist eine Option für Fromme, aber was ist das schon? Wie „heilig“ ist der Tag des Herrn? Wer so redet, hat schon ausgespielt! Man findet also jederzeit – ich will es jetzt so ausdrücken: Gründe, um sich dem lebendigen Gott nicht stellen zu müssen. Und so findet man „Themen“, aktuelle, ewig gestrige, vorausschauende – aber immer ist ein Thema „da“, das interessant zu besprechen ist. Warum ist das so? Warum schiebt sich immer ein „sachliches Thema“ dazwischen, „hindert“ die lebendige Entscheidung? Und es gibt Seelen, die haben sehr viel eingesehen, die stimmen zu, die sagen: ja, das ist: die Wahrheit, der Weg und das Leben! Und dann geht das pausenlose Gerede weiter, es kommt zu keiner existentiellen Entschiedenheit – sondern bloß zu einem intellektuellem Wohlgefühl. Dieses intellektuelle Wohlgefühl ist auch so eine letzte Festung des Anderen (des Hinderers), der die existentielle Hingabe verhindert – in diesem Wohlgefühl.

 

Ein Gedanke: nehmen wir an, es wäre möglich, diese Besprechungen „über“ komplett anzuhalten, plötzlich gibt es das nicht mehr. Was wäre dann? Wie verhielte sich der Mensch jetzt? Man stelle sich das einmal vor: nicht ein einziges Thema, was uns auch medial zugetragen wird, spielt mehr eine Rolle. Worüber würden wir sprechen, was wäre jetzt das „Thema“ – es wäre ein Schock: es gäbe plötzlich kein „Thema“ mehr um über… zu reden. Und auch die jetzt medial hoch-aktuellen Themen wie Krieg in der Ukraine, Inflation, Drohungen Chinas, Skandale in der Kirche, Corona, ja all das, was uns zermürben möchte, uns das „Leben“ nehmen möchte: es wäre gar nicht relevant! Nehmen wir das einmal an! Was wäre dann? Am Land würde man sagen: es wäre „Schweigen im Walde“! Wir wären angehalten, aufzuhören „über Themen“ zu reden. Und was tun wir dann bloß, wenn wir nicht mehr „über Themen“ reden können? Was ist dann mit meiner Zeit, was wäre da los? Was wäre dann das Thema wenn es keine Themen mehr gibt? In jenem „Augenblick“ des Verlustes der Themen wird einem klar, was das ist: Verweigerung!

 

„Sich verweigern“ heißt im Hebräischen „hart werden“, sich verhärten – qaschah (auch schwer werden, jene Schwerkraft, die niederdrückt). In 2. Mose 13,15 ist der Höhepunkt der Verweigerung: der Pharao verhärtet sein Herz „gänzlich“, er verfolgt weiter seine Eigeninteressen und bespricht „Themen“, die ihn nicht wirklich anrühren – nur so zum Zeitvertreib, wie wir es jeden Tag auch tun. Am Höhepunkt dieser Verhärtung (Verweigerung) geschieht dann auch das Töten der „Erstgeburt“: die Erstgeburt ist im Herrn „geheiligt“, sie ist das im Menschen, was ihn erst Mensch sein lässt und das geht nur in der Intimität mit dem lebendigen Gott. Wird diese Verbindung missachtet (getötet, durch den Hinderer verhindert), verleugnet oder vergessen, stirbt der Mensch, er ist kein Mensch mehr, sondern ein lebender Toter. Über die 10 Plagen in Ägypten (in unserem eigenen Zustand und den der Welt) wäre einiges zu sagen. Die letzte Plage ist der Tod der Erstgeburt, übersetzt: wenn das eintritt, ist der Mensch nicht mehr im Ebenbild Gottes, er hat das Heilige Land verlassen: das Heilige Land ist zwar „gewiss da“, aber man betritt es nicht mehr, es werden „Themen“ daraus, aber es kommt zu keiner „existentiellen Entscheidung“.  Der Sinn der 10 Plagen liegt nicht darin, dass Gott über seine Abtrünnigen irgendwie grausliche Strafen verhängt, so von außen auferlegt. Vielmehr sind diese Plagen Anzeichen von Zuständen der Seele, die sich immer mehr von Gott entfernt hat, bis das eigene Herz gänzlich „hart“ geworden ist. Das zeigt sich dann auch freilich im Außen: ist die Seele innerlich verwüstet, sind es auch die äußeren  Umstände (Vernichtung der Natur z.B.).

 

Dieser Pharao ist in seinem Wesen der unglaublich überzeugende Entwicklungs-Optimist, der den lebendigen Gott nicht mehr sucht oder kennt – nur dann lässt er sich in ein kaltes Gespräch ein, wenn er in Bedrängnis ist. Man kennt das: man bekommt eine schlimme Diagnose vom Arzt, dann wird man vorübergehend fromm, betet: Herr, bitte nimm mir diese Krankheit, dann kommen 4 Ave Maria – und wirklich: man wird plötzlich äußerlich wieder gesund, die Krankheit ist weg. Und dann beginnt befreit wieder das optimistische (alte) Entwicklungsleben. Gott ist wieder in der Abstellkammer verschwunden – bis die nächste Katastrophe eintritt und immer so weiter.

 

„Sich verweigern“ hat aber noch einen tieferen Sinn: das Sich-betäuben. Das müssen nicht Drogen oder Alkohol sein, man betäubt sich permanent im Sich-verweigern. Es gibt daher immer „Themen“ zu besprechen oder irgendetwas zu tun, der Still-Stand ist unbedingt zu vermeiden. Es gibt dabei auch die salonfähige Haltung des Stoikers in uns: wir schaffen das schon, es ist nicht so schlimm, eine Kleinigkeit ist das, es wird schon gelingen, wir sind Optimisten und glauben an unsere Vernunft und an den Fortschritt und Gott gibt es ja schließlich auch noch. In all diesem kranken Gehabe sterben die Ankläger Gottes aus: wo sind sie, die ihre Klagelieder erheben, die mit Gott „wirklich“ kämpfen? Wer von uns klagt Gott noch wirklich an  - wer schreit ihn an vor Verzweiflung? Haben nicht gerade jene, die brav die Heilige Messe besuchen und hie und da den Rosenkranz beten, haben nicht gerade sie eine „viel zu brave“ Gesinnung: immer freundlich, immer verzeihen, ja nicht zornig, immer stoisch. Kämpfen sie bis auf´s Blut mit dem lebendigen Gott? Warum zeigst du dich nicht, bist fern von mir  - sprich endlich, sprich mich an – ich will, dass du dich zeigst, lebendiger Gott! Der, der wirklich bereit ist zur Anklage gegen Gott, der kämpft mit ihm, der wird seine Existenz einsetzen, es wagen – hier denke man an den Psalm 22. Ich behaupte jetzt etwas: die sogenannten Nihilisten und Atheisten (heute sind es die Anbeter der als-ob-Option  - also nie ist Uraufführung, sondern immer herrscht Generalprobe, proben ohne Ende) waren allesamt Weich-Eier und wer ihre Sätze stolz nachplappert, der weiß nicht was er tut. „Es gibt keinen Gott“ rufen sie – und für die Kritiker aus dem christlichen Lager sind sie Abtrünnige, Gottes-Leugner, Verfluchte, sie kämpfen gegen Gott und nicht mit Gott – so sagt man.

 

Aber das stimmt nicht: kein sogenannter Nihilist oder Atheist oder Als-ob-Mensch hat es jemals gewagt, mit dem lebendigen Gott zu streiten, ihm auf Augenhöhe gegenüberzutreten wie (Jakob, Elia, Mose, Abraham, Hiob) – sie, die Atheisten und Nihilisten (auch die Lauen) sind zwar alle Spielverderber, aber geistig gesehen sehr pubertär. Leider ist es dann auch Mode geworden, die langweiligen Sätze der linken Philosophie nachzuplappern – auch so kann man sich betäuben (besaufen). Das „Abwerfen der Verantwortung“ hängt damit zusammen.  Der Themen-Mensch will seine Verantwortung dem lebendigen Gott gegenüber nicht wahrnehmen. So will Adam seine Schuld nicht übernehmen und wälzt sie auf Eva ab und Eva auf die Schlange usf. – man findet oder er-findet sich immer ein Thema, worüber zu reden ist (das ist eben das Abwerfen der Verantwortung), nur um selbst „existentiell“ Gott gegenüber nicht Stellung beziehen zu müssen. In jenem Augenblick der eigenen Verantwortungslosigkeit beginnt dann auch das „unstete Fluchtsyndrom“ (Kain)  - rastlos und ruhelos (unstet) wirst du auf der Erde sein (Gen 4, 12). Zugleich einher geht mit der Gottes-Flucht das Sich-ständig-ausreden und entschuldigen müssen, man schiebt immer etwas vor, wie Adam Eva vorführt. Tief hat jeder dieses Gefühl: eigentlich stimmt es mit meiner Flucht nicht, ich müsste doch endlich mein Leben verantworten im Sinne: ich gebe Antwort! Rastlos, ruhelos und unstet zu „sein“ ist ein Fluch, Zeugnis der Verantwortungslosigkeit. Die „Verweigerung“ endet – man kann es im horizontalen Absolutismus nicht glauben - mit und im Gebet.

 

Mordechai (Esther 4,17a) betet: Herr, Herr, König, du Herrscher über alles! Deiner Macht ist alles unterworfen, und niemand kann sich dir widersetzen, wenn du Israel retten willst, denn du hast Himmel und Erde gemacht und alles, was wir unter dem Himmel bestaunen.

 

Esther (Esther 4,17b) betet ebenso: Herr, unser König, du bist der einzige. Hilf mir! Denn ich bin allein und habe keinen Helfer außer dir; die Gefahr steht greifbar vor mir.

 

Verantwortung „übernehmen“ heißt „De-mut“, Mut zur Wahrheit. Der Mensch, der sich Gott verweigert, der ist im Grunde ein Angsthase, er bringt nicht den Mut auf zum Stand-halten, also zur Demut: Herr, unser König – Herr, Herr, König, du Herrscher über alles! Die Zuflucht zum Herrn ist dieser Mut der Demut. In der Esther-Geschichte „wendet“ sich das Geschick (der Geschichte) mit diesen beiden Gebeten. Am Ende wird in „ausgelassener Freude gemeinsam gefeiert“, also: am Ende steht nicht der Untergang, die Vernichtung, sondern der schon errungene Sieg unseres Herrn Jesus Christus. Im letzten Kapitel der Esther Erzählung häufen sich die Hinweise: Durch Gott ist das alles geschehen / der Herr hat sein Volk gerettet / der Herr hat uns von all diesen Leiden erlöst. Was für eine Zusage, was für eine Sicherheit für den, der die „Verweigerung“ ablegt und in das Gebet Mordechais und das der Esther einstimmt! Gott hat sich an sein Volk er-innert! (Esther 10) Gott, der Schöpfer aller Dinge, er  er-innert sich seines Volkes und die Er-innerung ist ein anderes Wort für Intimität oder für Liebe. Wenn Gott sich er-innert, so heißt das: die Intimität (die Innerung) Gottes in seiner Schöpfung ist absolut präsent. Er-innerung ist im Wesen: ganz „innig“ sein: Quelle sein alles Daseins.

 

Was für eine Zusage! Mordechai und Esther, sie „verweigern“ sich nicht mehr, sondern „langen voll zu“, sie nehmen Gott gänzlich ernst und ER wird die Geschicke führen. Der heutige Mensch leidet eigentlich daran, dass er viel zu „zaghaft“ existiert, dass er „nicht maßlos sein will im Angesicht Gottes“. Er sollte vom „lebendigen Gott“ alles erwarten und ihm voll danken, ihm voll vertrauen und zwar in reinstem „Übermaß“ – hier hat das Maßlose seine einzige Berechtigung. Dass der Mensch zum Maßlosen neigt, gehört wohl zu seinem Wesen, wenn er nicht im lebendigen Gott „maßlos“ ist, dann wird er es in seinen bloß irdischen, horizontalen Ansprüchen werden und sich darin verlieren. Wir sind heute, gegenwärtig, ganz genau in so einer verlorenen Situation wie in der Esther Erzählung: gesellschaftlich, kirchlich, weltpolitisch. In der Esther Erzählung wird die „radikale Vernichtung“ angedroht – so wie heute, überall Drohungen. Es er-scheint ganz aussichtslos, das Ende scheint da zu sein und am Höhepunkt der Drohungen „wendet“ es sich, keiner rechnet mehr damit, alles scheint unterzugehen. Dann erheben sich 2 Gebete zum Himmel: und es wendet sich! Immer dann, wenn die „eigene Verweigerung“ dem lebendigen Herrn und Gott gegenüber aufhört, wenn ich ablasse davon und bete wie Esther: Herr, unser König, du bist der einzige. Hilf mir! – d.h., hilf´ mir in meiner Not (nicht, dass ich etwas bekomme, dass du mir Gaben gibst) – sondern dass sich „erfüllt“ was es heißt: im Bildnis deiner Herrlichkeit zu seyn – immer dann hört ein bisher als sehr plausibel erlebtes Leben auf. Und das ist das „Handeln umsonst“ – es ist das Ende des Lohnarbeiters in mir.

 

Mit dem Aufhören der eigenen Verweigerung dem lebendigen Gott gegenüber hört auch das „Urteilen als Ver-urteilen“ auf. Der horizontale Maßstab verliert seine Allmacht: man hört auf, es unbedingt „wissen“ zu müssen, dagegen wird eine Haltung wachsen: wie ist es nur möglich? Was hat es damit auf sich? Hegel bemerkte einmal: das Erklären sei ihm widerlich, denn zur Not würde er doch schon selbst verstehen können. Das Ständige Erklären-wollen ist ein sehr langweiliges Unternehmen und nicht ungefährlich. Man müsste eigentlich einmal erstaunen darüber: was, schon wieder eine Erklärung? Was, schon wieder irgendein Thema? Erklärungen gibt es allzeit, Themen gibt es immerzu: die Seele, die daraus ihr einziges Kapital zieht, ist verloren. Jede „Erklärung“ hat eine besondere Struktur und diese Struktur ist in allen Erklärungen am Werk, sie besagt: So und nicht anders verhält es sich damit, darum geht es, um das und nicht um das! Erklärungen haben es an sich, „eindeutig“ zu sein und keinen Zweifel mehr aufkommen zu lassen. Erklärungen führen diesen univoken Schein mit sich, der auch „Sicherheit“ verspricht. Was einer „redet und daherredet“, davon ist sein Herz voll, das hält ihn gefangen (Lk 6,45). Erklärungen lassen sich auch nicht vermeiden, sie gehören zu unserer Welt und geben Sicherheit. Es ist interessant, dass die alltägliche Rede diesen Drang in sich hat, endlich „zu Ende“ zu kommen, immerzu insistiert: So ist es und nicht anders! So ist die Sprache der Spezialisten schon sehr beschränkt, und die Sprache des Alltags ist auch sehr beschränkt, jederzeit fokussiert auf Eindeutigkeit, Hauptsache ist: ich kann an diese Eindeutigkeit glauben (das entlastet).

 

Das Tun des Menschen (sein alltägliches Handeln) hat einen göttlichen Ursprung, das Mysterium des Tuns. Der Mensch ist überzeugt, er wäre selbst die Ursache seines Handelns – aber das stimmt nicht. „Wie“ wir tun ist von Mächten bestimmt, die sich uns entziehen. In den letzten Jahrhunderten, mindestens seit der Frühen Neuzeit, wurde „Gott“ hinter-fragt und es war dann nur mehr eine Frage der Zeit, da Gott eine „Option“ wurde. Man kann sich für oder gegen Gott entscheiden wie man sich für Paprika oder Tomaten entscheidet: da sagt man dann auch – ist Geschmackssache, jeder wie er will!

 

Eigene Bequemlichkeiten und Gewohnheiten auf-geben? Das wäre ein harter Kampf gegen Amalek in uns. Nur der Mensch kann dieses quiekende Schwein in sich töten, handeln umsonst – keine Pflanze kann das, kein Tier kann das. Aber nicht der Mensch als Egoist ist dazu in der Lage, das wäre eine letzte Vermessenheit.

 

"Die Verweigerung": sie zeigt sich sofort im Umgang mit der "Heiligen Schrift". Wer betrachtet sie noch wirklich (täglich), das Alte Testament und das Neue Testament? Wer sucht die Intimität zur Heiligen Schrift? Wer liest die "alten" (ewig aktuellen) Schriften?

 

Die "Heilige Schrift" ist aber "die" Garantie der Ewigkeit: sie ist unglaublich in ihrer Zuverlässichkeit und Sicherheit. "Garantie" gibt es nur in Gott! In Levitikus 25, 21 ssq. ist die Rede von der "Göttlichen Garantie", es heißt hier: ...Seht, ich werde für euch im sechsten Jahr meinen Segen aufbieten...

 

Eigentümlich: wer die "Heilige Schrift" liest, und sei es auch nur ganz äußerlich, der wird sofort und augenblicklich vom "Heiligen Geist" in Anspruch genommen, es ist wie eine "Elektrifizierung", diese "heilige Spannung " ist augenblicklich da und sie bleibt nie aus, keinen Augenblick!

 

Der Herr und Schöpfer, ER ist es, der den Segen aufbietet: und "segnen" heißt "heil und ganz machen".  Und es heißt auch am 6. Schöpfungstag ein einziges Mal: es  war "sehr gut" - nicht nur gut, sondern "sehr gut". Am 6. Schöpfungstag wurde der Mensch als Abbild Gottes "sehr gut" ins Seyn gerufen - man könnte auch sagen: voll-endet. Nichts mehr ist zu verbessern. Eine unerhörte Zusage und Sicherheit!

 

Dieser "Vollendung", die schon da ist, zustimmen, dieser Herrlichkeit des Seyns in Gott "ja" sagen, das ist das Ur-Vertrauen in diese göttliche Zusage.

 

Es ist gerade der Mensch, der der Hilfe bedarf, der der Erlösung bedarf, der den „Erlöser notwendig hat“!  Ich glaube, es war Papst Pius der XII, der einmal sagte: die größte Sünde des 20. Jahrhunderts wäre das fehlende Sünden-Bewusstsein.

 

Kein Bedürfnis mehr zu haben nach „Erlösung“ – vielleicht ist das „die“ Krankheit (die größte Sünde) des 21. Jahrhunderts: den Erlöser nicht "voll" (im Übermaß, in vollen Zügen) in Anspruch nehmen zu wollen.

 

 

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

 (XXVI)

 Λήθη XII    Erlösung X   (Pfingsten 2022)

 

LEIDEN: es leidet in der Form – im Dasein – in der Formung: über den Sinn des Leidens: das Leiden, ein Lieben - oder: das Leiden als Zusage!

 

 

Ein Grundgedanke vorweg: es stellt sich nicht die Frage, wann, wie und in welcher Form das Leiden kommt, ob jene Menschen dort leiden und ich nicht. Leiden gehört zum Wesen der "Äußerung", wir stecken schon im Leiden und das Leiden zur "Option" machen wäre eine kalte Verirrung. Es wird im Folgenden darum gehen, das schon geschehende Leiden "anzunehmen", ausdrücklich "ja" zu sagen zum je jetzt geschehenden Leiden.

 

Form-geworden sein heißt: unterdrückt sein, leiden. Jede Form „leidet“ – es muss sehr weit gefasst werden, das Leiden und zwar in dem Sinne, dass „jede Äußerung“ wesentlich ein Leiden ist, ein Austragen, ein Hinaus-tragen und Sich-zeigen: eine Äußerung (auch sprachlich ist das Äußern ein Leiden, jedes Wort: ein Leiden).  Wenn eine Mutter ihr Kind aus-trägt, dann wird auch der exklusive Moment des Leidens kommen: die Geburt. Dann ist ein „neues Leben“ erschienen, sagt man – es zeigt sich hier, das neue Leben, präsentiert sich: das ist Leiden: Formung. Ein Same wird zum Baum, er leidet die Form-werdung, wird von Wind und Wetter gebeutelt, leidet die Gewalten, macht sie mit, ob er es wollte oder nicht. In die „Form“ wird man gepresst, jeder in seinen Körper, das ist meine Formung, dieser Körper, den ich mir nicht ausgesucht habe: ich mache ihn mit, diesen Körper, leide ihn, trage ihn aus: ich werde in die Ver-Äußerung gepresst, in das Leben, in das Leben meiner Herkunft. Das alles ist schon Leiden. Der Schrei des Kindes bei der Geburt ist dann auch der unglaubliche Ausdruck, fast eine Empörung: ich muss jetzt diese Lebens-form bestehen, weiter tragen, aus-tragen und damit ertragen, ob ich will oder nicht. In einer (meiner) Form zu seyn und sich repräsentieren zu müssen (immer irgendwie) – dafür könnte auch stehen: leiden. Das Leiden ist nicht nur das, was man darunter so gängig versteht: ein schrecklicher, oft krankhafter Zustand, der hoffentlich einmal vorübergeht, das gibt es auch und auch das ist Leiden, aber sicher nicht der „Sinn“ des Leidens. Leiden, würde ich sagen, ist ein Schöpfungs-Prinzip, es gibt daher nichts in der Schöpfung, das nicht leidet und er-leidet. Und wenn Gott die Liebe „ist“ (Gott, der Ursprung der Schöpfung), dann gehören Liebe und Leiden zusammen, sind im Wesen identisch. Das Leiden, ein Lieben – das Lieben, ein Leiden. Und man bedenkt es viel zu wenig: der Vater der Lichter ist der „erste“, der leidet.

 

Das versteht der horizontale Verstand nicht, denn für ihn ist das Leiden etwas Schreckliches, zumindest wenn es ihn selbst betrifft: das Leid in der Welt sieht man dann auch medial, aber es ist zum Glück weit weg von mir – so denkt es in uns. Und während in der Ukraine oder in Mali die Leute geschlachtet werden, feiert die Queen ihr pompöses Jubiläum und ich genieße zuhause ein Glas Prosecco.

 

Ich möchte hier schon weit vorgreifen: man kennt hoffentlich die Stelle in 1 Kön 19,13 – diese Stelle, da Elija das „Säuseln“ Gottes vernimmt (er hört auf die Stille in Gott). Das Säuseln ist doch eine „Stille“, eine unfassbare Ruhe, die für den an seiner Seele erkrankten Menschen un-erträglich ist (auch ein Leiden). Bei der Eucharistischen Anbetung merkt man das sofort: die Ruhe erträgt man schwer, dieses „Säuseln Gottes“, das hält man nicht aus (mir geht es so). Denn: da geschieht ja nichts, ich spüre nichts, merke nichts, kein Fortschritt, dagegen eine Lähmung. In Weisheit 18,14 findet sich dieses Wort wieder: die Nacht kommt zur Mitte und dann passiert etwas, das keiner mehr bemerkt und es geschieht mit Macht und Herrlichkeit – aber keiner bemerkt es und es geschieht dennoch. ὁ παντοδύναμός σου λόγος: das "allmächigte Wort". Das "allmächtige Wort": wer stellt sich noch dieser "Allmacht"?

 

Ich frage mich jetzt: wer liest die "Heilige Schrift" noch, wer noch im Sinne des légein, der "Sammlung", wer versammelt sich im Heiligen Wort - in den Schriften des Alten Bundes, des Neuen Bundes? Was können uns z.B. die Bücher Tobit, Judit oder Esther noch sagen? ὁ παντοδύναμός σου λόγος: wenn es sich "so" verhält, dann sind wir begnadet, bevorzugt, erlöst und geheilt. Das "Wort Gottes" hat Allmacht, es steht in der Macht, das Zerbrochene zu "heiligen" (zu heilen). Wir sollten endlich damit anfangen, das sehr, sehr ernst zu nehmen: dieses Wort "Gottes". In der Zuwendung zur Heiligen Schrift passiert Ungeheurliches: eine Seele wendet sich "um", gibt allein schon Antwort in dieser Umwendung (Hinwendung) - sie muss gar nicht explizit verstehen, was da geschrieben steht und vieles wird  dunkel liegen. Es ist vielleicht das Erstaunlichste: ein Mensch wendet sich dem "allmächtigen Wort zu" und so gibt er schon in seiner gesamten Existenzweise (in dieser Zu-wendung) Antwort. Und darauf kommt es an: auf diese existentielle Um-Wendung zum Heilgen Wort!

 

In aller Stille und Ruhe „geschieht“ das Allergrößte – aber wir bemerken es nicht. Wenn sich der horizontale Absolutismus „voll-endet“ (diese Nacht in uns und um uns; gerade jetzt in unserer Zeit ist das sehr sichtbar) dann geschieht etwas Gewaltiges: dann greift Gott ein – für alle aber ist das nicht bemerkbar und dennoch geschieht es. Und er greift gerade da ein, wo man sagen muss: da ist nichts, da tut sich nichts, wir sehen nichts – es verschlimmert sich nur. Bevor Elija das Säuseln im Herrn vernimmt, zieht der „Herr vorüber“ (1 Kön 19,11) und das ist doch eine unglaubliche Zusage, eine Hinwendung zu uns, die Zusage: auch wenn du untreu bist (blind und taub), ich verlasse dich nicht, du Kurzsichtiger und Ungeduldiger, du bist deshalb erkrankt, weil du kein Vertrauen hast und keine Leiden-schaft in dir ist, du Kurzsichtiger, du siehst immer nur in deine eigene Vorratskammer, weiter geht dein Blick nicht, und dann wirst du un-geduldig und bist dann eben der Kranke der du bist. Warum betrinkt sich der Mensch eigentlich mit den Ereignissen des Tages und  mit den Weltgeschehnissen, warum jammert er über seine Krankheiten? Wende und Erlösung haben nichts mehr mit Sichtbarkeit der Ereignisse zu tun. Daher kann man auch heute mit dem Erlöser nichts anfangen, weil er so unmerklich (in aller Stille) am Werk ist, wie ein Dieb in der Nacht anwest. Die „Stille“ ist doch sehr wehrlos, schutzlos, sehr angreifbar, man kann sich der Stille nur hingeben, also damit aufhören, sie zu vergewaltigen. Im Unauffälligen, im Wehrlosen, in dem, was keinen Eindruck macht – darin offenbart sich Gott. Und diese Stille wird gerade  getötet wie das ungeborene (ungeschützte) Leben!

 

Erlösung könnte auch sein: wenn der ewige lógos die Form berührt, ergreift – angreift: das ist sicher ein „Angriff“, immer wenn eine Existenz „erschüttert“ wird, greift der Heilige Geist an, er deckt auf, was in uns ganz verkehrt läuft – wenn der Heilige Geist die „Erde“ (die Form) in uns an-greift, dann sind wir die „Berührten“, die Angegriffenen und also die: Ergriffenen, die Berührten. Man spürt das dann bei sich: ah, das hat mich jetzt getroffen, dieses Wort, dieser lógos! Erlösung ist immer auch ein Töten: das Töten nicht im Sinne eines aktiven Vernichtens, sondern in dem Sinne, dass etwas, was bisher „beherrschend und riesig“ war, schwach und schwächer wird, es wird immer kraftloser damit. Hatte ich in mir z.B. einen riesenhaften Konsumrausch, so merke ich plötzlich: der wird immer schwächer, der bedeutet mir immer weniger, da merke ich: es ist der Heilige Geist am Werk. Heidegger dachte in den frühen Zwanzigern „Sein und Zeit“, 1927 erschien dann dieses Fragment. Es „ist“, es „war“ und es „wird sein“ – das ist im Grunde die Frage nach dem „Sinn von Seyn“. In Genesis 1,3 spricht der lógos: Es werde Licht. Die „Licht-ung“ des Seyns spielt eine ganz zentrale Rolle im Denken von Heidegger, der Mensch, sagt er, stehe in diese Offenheit (Lichtung) hinaus, er ek-sistiert, nach dem Lateinischen Sinn des ek-sistere: hinaus-stehen, hinaus-ragen. Der Mensch ragt, kann man sagen, in seinem Mensch-sein in das Lichte (in das Göttliche) hinein. Das Lichte ist identisch mit dem "Leichten", das Lichte hat nichts Schweres an sich und man muss sich hier schon fragen: das Göttliche in uns ist das Leichte, das Lichte, das Erlösende - aber es zieht uns immerzu hinunter in das Schwere und Schwierige: was ist da am Werk?

 

Der Mensch kann es nicht fassen und ertragen, dieses Göttliche Licht. Er steht in dieser Lichtung und hält es nicht aus. Das Licht Gottes ist eigentlich un-erträglich, kaum aushaltbar, gar nicht zu tragen. So „dicht“ ist die Lichtung Gottes, dass wir daran zugrunde gehen würden. Und so stehen wir in der Dunkelheit und dennoch ist das Licht Gottes „da“. Das Geheimnis des Kleinen, Wehrlosen, Ungeschützten „kennen“ bedeutet: Feind des Dämons zu sein. Dass heutzutage Millionen wehrlose, schutzlose Leben getötet werden, missachtet werden bedeutet: ich stehe auf der Seite der Dämonen. Also Umkehr, Wende: der Auszug aus Ägypten passiert jetzt, der Auszug aus dem Alten Leben passiert: ich wende mich nicht mehr um, sondern der Herr ist mit mir. Ich kann dann in das alte Leben nicht mehr „dicht“ zurückkehren, das geht nicht mehr, denn das hieße: ich komme um. „So“ eine Ge-Sinnung ist etwas sehr Schutzloses, Wehrloses – es ist gänzlich zart (also zärtlich), etwas sehr Intimes. Es ist wie mit dem Leben, das am Schutzlosesten ist: der Angriff auf das Leben im Mutterleib ist dann auch massiv und vernichtend. Dieses „Schutzlose“ ist etwas Heiliges, es ist die Seele so etwas Schutzloses, das man nicht mehr beachtet. Jakob wendet sich um, um dieses Kleine,  Nebensächliche, er kämpft dann und siegt, er kämpft auch mit dieser Tor-schluss-Panik des Existierens: jeder weiß darum und verdrängt es sehr, sehr gut – manchmal aber zeigt es sich: dann ist Panik (man wird älter, die Zeit verrinnt, Krankheiten kommen, alles vergeht, verbrennt. Wohin soll ich mich wenden – ich vergehe!) Angst und Panik und oft wird dieser Kampfplatz verlassen, gar nicht betreten: man flieht wieder in das alte Leben, wenigstens noch die Restjahre betäubt verbringen, die Endzeit-Pille gibt es hoffentlich bald. Es ist der ständige Kampf um ewiges Heil oder Verdammung: denn in Angst und Panik zu enden, das ist reine Verzweiflung, eine pure Folter, etwas, das jeder schon dann und wann erlebt hat – vielleicht nur für kurze Momente. Gegenwärtig kann man ein gutes Gefühl dafür bekommen: man droht mit Drittem Weltkrieg und wir Bevorzugten wissen: dann ist es aus mit dem Wohlfühlleben, dann kommt der nukleare Winter – sehr grauslich und mein volles Leben hier endet – und was dann? Keiner denkt hier an den „nuklearen Winter der Seele“, die friert, weil ihrer nicht gedacht wird – und das geschieht mitten im übergroßen Gefühl der Wohlfahrt, des Fortschrittes, da man bei sich das Gefühl hat: ach, wie schön rund und glatt und erfolgreich läuft doch mein Leben!

 

Vom „Leiden“ war oben die Rede und davon, dass das in der Form seyn schon „leiden“ sei, eine fortwährende Veränderung, Vernichtung: was gestern war, ist nicht mehr. Man könnte sagen: dieses ständige Verändern ist wie ein Verbrannt werden. Und meine Form wird von Geburt an verbrannt, bis sie völlig hier verschwunden ist: nichts bleibt übrig von dieser Form, von meiner „Äußerung“ (Veräußerung). Über den sogenannten „Zufall“ habe ich weiter oben schon etwas gesagt, nämlich: dass es keine Zufälle gibt. Nichts was geschieht passiert einfach so, sondern hat immense Bedeutung. Dass der Mensch von Zufällen spricht, das ist das Eingeständnis seiner Kraftlosigkeit, Mutlosigkeit und seiner Schwäche. Er hält sich seinen eigenen Spiel-raum offen um jederzeit „aussteigen“ zu können. So heiratet man heute „ernsthaft“ eher selten, also man geht keine Verpflichtung, Verbindung mehr ein, man will sich in allen Dingen ein Ausstiegsszenario offen halten, eine Hintertür (weiß ich aus eigener Erfahrung). Das Wort „zufällig“ ist eigentlich ein „Wahnsinns-Wort“, wer „so“ spricht, der ist wirklich von einem Wahn besessen, alle seine Sinne sind besessen, er ist wortwörtlich „wahn-sinn-ig“. Es geht in so einer Verbindung (Verpflichtung) gar nicht mehr um das schöne Denken, um Gedanken, sondern es geht um: Tat, Handeln, Treue, Pflicht, Tun umsonst. Sehr trocken und schwierig kann das werden. Wenn das „Jetzt“ sich in Bewegung setzt, kommt der Ist-Zustand der Existenz in Bewegung, dann tut sich „wirklich“ was. Der Mensch kann sich wirklich be-kehren, die Kehre „tun“ – und zwar „jetzt“, „augenblicklich“.

 

Was heißt: das Jetzt, mein Jetzt, setzt sich in Bewegung? Es heißt, dass alles bis ins Äußerste durchgeführt wird und das Äußerste ist die Äußerung! Mein „Jetzt“ muss eben „jetzt“ losziehen! Und man muss sagen: so etwas ist un-möglich und doch kann es geschehen, eben paradox! Es ist dann eine Gabe, die man geschenkt bekommt: plötzlich ist der „Deckel“, der immer drauf war, weg und das Organ, das erst Leben bezeugt, das wie tot war, lebt plötzlich. Angst z.B. drückt nieder und immer wenn die Angst anfängt in einem, kann man sich sicher sein, dass man kein „Mensch“ mehr ist, denn es ist sicher: kein Mensch „als“ Mensch hat Angst: es kommt doch so wie es kommen „muss“ in Gottes Vorsehung, und erst dann bin ich ein „Mensch“, wenn ich mit Gott verbunden bin, bin ich das nicht, dann bin ich ein Tier oder ein Dämon. Dass es keine bloßen Zufälle gibt bedeutet: es ereignet sich alle Augenblicke das, was sich von Gott her gibt, und das ist das Beste, eine ungeheure Zuverlässigkeit der Treue, eine Vollendung in Zusage (Liebe).  Für den subjektiven Gemütszustand sieht das freilich oft anders aus: der sieht überall: ich bin zu kurz gekommen! Die zu-kurz-gekommene Seele erlebt sich ver-endet, in der Endlichkeit gestrandet, angekommen im endlosen Immer-so-weiter; es ist dann am Ende sehr grauslich, es wird immer enger und enger, eine Verzweiflung. Wer auf bloß irdisches Maß setzt, der wird den Tod ernten (es ist ein höllischer Zustand). Vielleicht ist es schon gesagt worden: wer wirklich mit Gott „kämpft“, der bittet im Grunde: Herr, lass´ mich doch in Ruhe leben, in meiner Ruhe – tu mir das jetzt bitte nicht an, denn Du, Herr, bist schrecklich – ich kann mich nicht mehr verstecken, wohin ich auch flüchte, DU erwartest mich, dröhne ich mich zu, ich weiß: DU bist dennoch da – Herr, warum rufst DU mich, entreißt mich meiner Lügen? Warum tust DU mir das an, denn ich kann von nun an nicht mehr flüchten, kann mich nicht mehr verstecken, denn wohin ich auch flüchte, immer begegne ich am Ende Deinem Wort: Hier bin ich, dein Herr und dein Gott! Die Propheten: sie alle weigern sich zunächst, wollen ihren Auftrag nicht erfüllen, sind zornig darüber, dass der Herr sich ihnen offenbart. Da ist kein Wohlgefühl oder Schwärmerisches, nein, es ist ein Kampf auf Leben und Tod. Das Gebet Jesu (Joh 17,11) um Einheit: Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir.

 

Was ist das, „Einheit“? Wir kennen diese Stelle Joh 17,11 mehr oder weniger, aber sie irritiert uns nicht in unserer Schläfrigkeit (Trunkenheit). Von dieser „Einheit“ ist in den 4 Evangelien so oft die Rede, dass man es schläfrig überliest. Eins-sein, damit man das überhaupt „sehen“ kann, damit ein Gespür dafür aufkommt, muss etwas grundsätzlich nicht stimmen hier im Zersplitterten, hier im Fragment. Fragmentarisch findet sich der Mensch, ausgegeben an Äußerliches, Scheinbares, Entgegenkommendes, Widersprüchliches. Es zeigt sich auch darin: die Welt ist wahnsinnig, sie hat die „Einheit“ verloren, sieht sie nicht mehr, nämlich, dass wortwörtlich „alles“ geborgen ist in der großen Einheit Gottes (alles hat hier einen Großen Zusammenhang) – nichts kann dann mehr bloßer Zufall sein, so, als ob es egal ist ob es ist oder nicht. Das „Hohepriesterliche Gebet“ unseres Herrn in Johannes 17 ist „das“ Gebet für den heutigen Augenblick (gerade auch weltpolitisch). Immer geht es um diese Grundstruktur der Einheit, des Eins seins, der Eins-werdung: und überall wo Trennung, Spaltung, Wegwendung und Eigendrehung passieren, da sind Mächte der Finsternis am Werk. So gehört alles, was ich jetzt nicht sehe, was mir unbegreiflich ist, in den einen großen Göttlichen Zusammenhang: zur Einheit Gottes. Das ist die Große Einheit in Gott, die auch nicht „erkannt“ werden muss im Sinne einer Nachforschung, nein, sie ist „gewiss“, und das reicht. Zu dieser Großen Einheit gehört z.B. das Seyn der Engel, eben die „unsichtbare Welt“ (Großes Glaubensbekenntnis). Wenn man das trennt und separiert, beginnt man aus der Einheit auszusteigen und Fragmente des Horizontalen anzubeten: denn der Mensch „betet immerzu an“, er kann gar nicht anders, es ist nur die Frage: wen bete ich an, ist es der Schöpfer, oder sind es seine Fragmente – ich selber bin auch ein Fragment der Schöpfung. Fragmente sind Bruch-Stücke der Schöpfung, unübersehbar viele, wenn ich sie losgelöst von der Einheit in Gott nur mehr wahrnehme, dann mache ich die Fragmente zu Götzen, ich habe mit Gott in seiner Einheit gebrochen und diesen „Bruch mit Gott“ setze ich fest (Festsetzung). Es ist geradezu das Wesen des Bösen, diesen „Bruch“ fortdauern zu lassen. Es ist der von uns verursachte Göttliche Ehe-Bruch, diese Scheidung und Trennung vom Schöpfer, der uns heute massiv zusetzt. Der Herr betet vor seinem Leiden zu seinem Vater um „Eins-sein“, dass alle „versammelt seien“ und das Sammeln ist das légein und der lógos ist es, der letztlich „versammelt“, zur Einheit ruft, zum Eins-sein bringt. Wenn wir in der Heiligen Versammlung, in der Feier der Heiligen Eucharistie, in Einheit das Vater-unser beten, dann bezeugen wir diese Göttliche Einheit, das ist nicht nur so ein liturgischer Schmuck, der so dazu gehört, nein, es ist höchster Ausdruck der Zurückfindung in die Einheit Gottes, ein „Tun und Handeln in absoluter Dichtigkeit“ je jetzt: wir machen jetzt in diesem Augenblick „ganz“, bringen zur absoluten Einheit, was im Horizontalen nur Fragment sein kann. Immer, wenn „Ein-sein“ währt, geschieht Heilung, es ist ein Gut-machen und der Sinn des Wortes: Wieder-gut-machung liegt genau darin, die Scherben in der Einheit Gottes aufzubewahren. Der Zug dieses Machens ist ein Geschehen-lassen, also ein Zu-lassen, ein Gewähren-lassen, eher etwas sehr Passives, Zulassendes. Die Einheit in Gott kann nicht hergestellt oder gemacht werden, ist sie doch „wesend“ da, öffnen müsste ich mich für diese Einheit. „Damit sie eins sind“ – betet der Herr zum Vater. Sünde ist: ich kann und will diese Einheit nicht mehr sehen, mir genügt das Fragment.

 

Es ist dann eigentlich sehr einfach: überall da, wo man Einheit sucht und sich um Einheit bemüht, in jeder Kleinigkeit den Großen Zusammenhang erkennen will (dazu gehört der Wille zur Einheit), da wird Leben „heil“, da ist es dann „gut“ und „gesund“. Die Einheit suchen und finden wollen, darum wird es gehen und zwar im privaten, gesellschaftlichen, weltpolitischen und kirchlichen Dingen. Der Blick in die Welt zeigt uns das glatte Gegenteil: Spaltung (Bruch) in allen Bereichen. Es ist daher sehr, sehr wichtig, immer zuerst den Blick auf die Große Einheit in Gott zu richten (in Ihm sind alle Fragmente zum Ebenbild Gottes schont ver-eint) – das kann der horizontale Blick niemals fassen, dennoch verhält es sich so. Und nur von hier her kann man den Fragmenten in dieser Welt begegnen und ihnen antworten, erzählen von der Einheit in Gott, trotz der vielen Brüche und Umbrüche in dieser Welt. Findet eine Seele in der Stille zur Einheit Gottes zurück, dann wird sie geheilt und Freude ist dann der Ausdruck dieser Heilung. Jene Freude ist Freude im Sinne einer „Überzeugung“, die nicht mehr umgestoßen werden kann, ein tiefes Gefühl der Sicherheit, die niemand mehr nehmen kann. Diese Sicherheit in Gott erst lässt einen wirklich „leben“, lebendig sein: mag kommen was will, mögen die Androhungen sich kundtun, einerlei. Jene Freude in Gott kann nur in der Stille sein: sie darf nicht mit der ausgelassenen und übermütigen Freude (die ein Spaß ist) verwechselt werden.

 

Das deutsche Wort Aus-gelassenheit ist identisch mit dem Wort: Los-Gelassenheit, es ist identisch mit Flucht vor Gott. Dann entsteht dieser „entsetzliche Lärm“, nicht nur akustisch, es ist vor allem auch der mediale Lärm, der die „Kraft zur Stille“ (Kardinal Sarah) verweigert. Lärm ist überall präsent, wo Gott der Zutritt verweigert wird. Im horizontalen Absolutismus „lärmt“ es immerzu und ein echtes Scheitern im Existieren wird um jeden Preis verhindert: das ist die Logik des „Hinderers“, der Hebräische Ausdruck für den Satan, den Teufel. Die Logik des Teufels liegt geradezu darin, dass er jene Mittel jederzeit zur Verfügung stellt, die ontologische Differenz geschlossen zu halten: dann hat der Mensch das Gefühl, dass es für ihn selbst gut abgeht, glatt und rund läuft, dass die bloß horizontalen Geschenke fortwährend ankommen, endlos, ohne Ende: eine zunehmende Steigerung der Wohlgefühles.

 

Die „tiefe“ Freude dagegen ist die Sicherheit im Glauben: das Vertrauen als Überzeugung: Gott, in allem Fragment des Horizontalen ist Deine Einheit am Werk, ob ich es sehen kann oder nicht, ob ich es begreifen kann oder nicht. Wer in diesem Glauben wohnen darf (ein Privileg) der hat keine Eile mehr, der bekommt ein Gefühl für Gelassenheit, für Erlösung. Die Erlösung ist da in „aller Stille“, niemals aber im Getöse oder Lärm, sie ist da in der Andacht im Kleinen, in der kleinen Nebensache: im Säuseln der Allmacht. Diese Erlösung ist Frucht der Einheit im Heiligen Geist, dann wird auch jener Frieden spürbar, den der Priester in persona Christi der versammelten „einheitlichen“ Gemeinde schenkt. Man müsste heute in unserer Zeit unbedingt sagen: Glaube zu „dürfen“ ist ein unglaubliches Privileg, ein wahre Bevorzugung, dass Seelen umkehren.

 

Mir fällt dazu das Buch von Ferdinand Ulrich ein: Gabe und Vergebung – er legt das Wort vom „verlorenen Sohn“ über 800 Seiten aus, darin erzählt sich die Seele in ihrer Umkehr. Ulrichs Gesamtwerk ist viel zu wenig bekannt, weil es „hermetisch“ zugeht. Aber: gerade in der „Verbergung“ zeigt sich der lebendige Gott. [Von „Gabe und Vergebung“ will ich später einiges sagen]

 

Eins-sein (Einheit) der gesamten Schöpfung, sie hängt zusammen, alles und jedes. Alle Menschen, Tiere, Pflanzen, die gesamte unsichtbare Welt: alles gehört in diese Einheit und nichts darf daraus fehlen, in dieser Einheit Gottes gibt es auch keine Zufälle, sondern nur den einen Fall in Gott: den Großen Zu-Fall. In dieser Einheit ist jeder Augenblick Uraufführung, es gibt da keine Proben. Sich diesem Anspruch ausliefern und stellen heißt „ernst machen“ mit dem Handeln umsonst, dieses ist dem gängigen Handeln „als ob“ diametral entgegen.

 

Man sagt: man erkenne erst immer in der Rückschau das Wirken des Heiligen Geistes, im Moment kann man es gar nicht begreifen oder fassen, aber rückblickend wird ein „Zusammenhang“ ersichtlich und Zusammenhang ist ein anderes deutsches Wort für „Einheit“. Noch ein anders Wort dafür wäre „Struktur“ oder „roter Faden“. Da merkt man plötzlich: ach, das hängt doch alles irgendwie zusammen. Und am Ende (im Anfang) ist doch der Große Zusammenhang und darin gibt es einfach keine Zufälle. Es wird also eine Struktur bei einem selbst sichtbar, ein Zusammenhang, eine „Einheit“ und das tiefe Gefühl davon ist „stimmig“, es hat die Stimmung der „Bestimmtheit“. Jeder, denke ich, ist insgeheim auf der Suche nach seiner Bestimmung und nehmen wir an, wir hätten sie klar vor Augen, unsere Bestimmung, dann wären wir doch sehr glücklich darüber und zugleich wäre die Gefahr sehr groß, mit dieser Bestimmung zu kalkulieren, Berechnungen anzustellen, sie zurechtzustutzen auf unsere mageren Bedürfnisse, sie also egoistisch zu entstellen.

 

Es gibt aber auch ein Leben in einer tiefen Weise der Verbundenheit in der Einheit, wo man bei sich vielleicht feststellt: ich habe gar kein Bedürfnis mehr nach sogenannter Erholung und Urlaub mit Entspannung, es "lebt" in mir doch Tag und Nacht in fortwährender Freude, weil es aus Einheit lebt, ja vielleicht wäre sogar dann das Angebot eines sogenannten Erholungsurlaubes eine Strafe, weil ich jetzt etwas tun müsste, also weg müsste und das alles lassen müsste (die Einheit sein lassen müsste), gerade das, was mir tiefe Freude gibt. So gibt es Menschen, es sind sehr, sehr viele, ich selbst auch so einer, die leben auf Entspannung hin, auf Urlaub, auf Erholung, auf Freizeit: jetzt wird eben schon die 4-Tage-Woche besprochen – also dann noch mehr Freizeit. So, als wäre man die meiste Zeit des Lebens mit Dingen beschäftigt, die einem doch nur auf die Nerven gehen und so benötigt man dann Erholung, Urlaub, Freizeit. Aber Freizeit wovon? Das sind wichtige Fragen, die jeder beantworten sollte. Fange ich jetzt schon an, meine Pension zu planen – das wäre doch verrückt, ich lebte dann doch in einer Fantasie, einem Hirngespinst, hätte vielleicht auch das Gefühl der Angst, die geplante Pension geht sich irgendwie nicht aus – und das trifft ja wirklich vielfach zu. Und was ist dann, wenn es sich nicht ausgeht und wenn man ehrlich ist: es geht sich mit unseren Berechnungen hinten und vorne nie aus – aber wir verdrängen das gut mit dem Kick der Berauschung. Das tiefe Nachsinnen bleibt dann im Rausch unterbunden und es kommt zu keiner seelischen Erschütterung mehr – das ist heute eine wirkliche Gefahr, auch in der sogenannten Kirche: man feiert dann eben ein Event und singt frohe Lieder und es muss angepasst „stimmugnsvoll“ sein – ein religiöser „Kick“ dann. Dem Menschen hungert nach Event, nach Erfüllung, nach Stimmung und so gibt es diese ungeheure Hetze nach Kick, die bezeugt: mit meinem Alltagsleben ist´s dermaßen grauslich, dass ich es mit Event ausbügeln muss. Vielen Gesichtern ist das ablesbar: aggressiv, depressiv, traurig, losgelassen, irr-sinnig, wie wild, wütend, bösartig, zerfressen, hysterisch – mehr und mehr aber aggressiv. Und man sieht es uns an, uns Freizeit-Menschen, dass wir innerlich Unglückliche sind und so lügen wir uns ständig an: gut geht es uns, wie zufrieden sind wir, ein herrlicher Urlaub, ein Superwochenende, auf 3 Wochen Südtirol freue ich mich und auf dies und jenes – immer ein Event jedenfalls. Und „Lüge“ ist ja auch dieses sich „Ständig-beschäftigen-müssen“ – der Mensch, der sich nicht mehr „beschäftigen“ kann, würde auf der Stelle tot umkippen vor lauter Panik. Die wahre Beschäftigungs-Therapie müsste in jedem Fall so eine sein, dem Menschen das Sich beschäftigen abzugewöhnen und ihn dahin zu bringen: eine wahre Entscheidung zu treffen; es geht nicht um Beschäftigungen, die bleiben folgen-los, es geht um Grund-Entscheidung. Die herkömmliche Beschäftigungs-Therapie will dementgegen dem zu Tode gehetzt Beschäftigten noch mehr beschäftigen, also „ein-schläfern“ – wenn es sein muss mit Tabletten. Es heißt, mit den wesentlichen Fragen des Lebens beschäftigt man sich dann später, wenn man älter ist – nach der Karriere. Und das ist eine Lüge: ich habe es oft erlebt, dass ein Mensch im Alter dann überhaupt keine Fragen mehr stellt, sein Beschäftig-sein, was er lebenslang trainiert hat, multipliziert sich nur mehr oder man wird dann dement, krank, es läuft horizontal irgendwie aus und das Wunder einer plötzlichen Bekehrung kommt dann auch nicht mehr.

 

Und ich glaube es ist sehr ernst: der Mensch, der sich aus der Einheit mit Gott zurückgezogen hat, der beschäftigt sich dann eben dauernd mit anderen Dingen, muss es auch tun um nicht verrückt zu werden. Eine Ver-rückung wäre da aber gar nicht schlecht, so eine Irritierung und ein Schuldbekenntnis: Mensch, da habe ich mich ordentlich vergriffen in meinem Existieren! Im Normalfall wird der Berauschte im Alter „härter“ (hartherziger), taubstummer und blinder – selten, dass sich der Deckel des Herzens weghebt. So spricht der Hartherzige den medialen Blödsinn nach, redet die An-Drohungen nach: vom Dritten Weltkrieg wird geredet, das plappert man nach und man spielt so dahin mit diesen Gedanken weil man glaubt: es sind ja nur Gedanken. Nein, es sind nicht „nur so“ Gedanken, es geht viel tiefer: es sind Fest-legungen und zugleich das Eingeständnis, dass es mit dem eigenen Leben auch sehr unzufrieden aussieht – daher das ständige Schielen in den medialen Konsum.

 

Die Wahrheit, heißt es, zeigt sich dann, wenn es in der horizontalen Logik nicht mehr stimmt. Das Stimmen ist die Stimmung: man weiß es dann augenblicklich, dass es stimmig ist, dass die Stimmung „gut“ ist – oder aber: es stimmt gar nicht. Ich bemerke das oft in Gegenden, an Orten: da ist sofort eine gute Stimmung und dort gar nicht! Das kommt sofort, diese Stimmung, und: das stimmt immer! Man muss der Stimmung (der Stimme in sich) unbedingt vertrauen, sie ist absolut zuverlässig, sie flüstert und ist sehr behutsam, diese Stimme. Dass meine nur horizontale Lebens-Rechnung gerade nicht „aufgeht“, durch-kreuzt wird, das ist eine unglaubliche Bevorzugung, dass mir die Irritation meiner selbst zu „schaffen“ macht, das ist eine göttliche Auserwählung. Sei also sehr froh darüber, dass dich etwas aus deinem wahnsinnig-horizontalen Schlaf aufrüttelt, dass deine eigene (gebastelte) Rechnung gerade nicht aufgeht. Was meint das? Es meint: so wie „ich“ denke, so darf es niemals stimmen, denn dann wäre es ver-stimmt. Wenn ich z.B. denke: großartig, das stimmt 100 % - nein, so wäre es sicher ganz schlimm. Es darf niemals nach „meiner Version“ stimmen, das wäre schrecklich. In mir muss die Gestimmtheit groß werden, dass es von DIR, Herr, her stimmt – und das kann ich mit meinem kleinen Verstand oft nicht zusammen bringen und doch stimmt es so. Anders gesagt: wenn mein Leben und das der Welt sich dauernd in Konflikt-Situationen befinden und es zum Verzweifeln ist, weil es nicht zusammengeht  und wenn dann in diesen Situationen zugleich eine tiefe Stimmung da ist: Herr, Du weißt es, es ist „gut“ in dir – dennoch, trotzdem, es schaut ganz irre aus, ganz verloren – aber ich weiß um Dich, ich habe keine Befriedigung hier, ja, es setzt mir alles zu, aber dennoch ist es „so, in diesem Zusetzen“ von Ewigkeit her „gut“. Dann ist es „wirklich“ gut! Dass es in dieser nur horizontalen Welt gerade nicht aufgeht (mit meinen egoistischen Einbildungen und Plänen) – das gerade ist eine tiefe Bevorzugung, eine Gnade. Ginge es „auf“, ich wäre auf ewig verdammt und verloren. Es heißt: der wahre Mensch lässt sich nicht betäuben, er betrinkt sich nicht mit Gefühlen und dem Horizontalen, er „wacht und betet“ und das heißt: der wahre Mensch „rechtet“ mit Gott und frägt: warum Herr, geht hier alles kreuz und quer und nichts stimmt hier, das alles setzt mir zu, die Rechnung geht nicht auf und ich finde es gerade „nicht“ herrlich mit Dir! Warum, Herr, bleiben diese Konflikte, in mir, in der Gesellschaft, in dieser ganzen Welt? Und der Gott-lose Mensch beginnt allmählich, sich dann Dinge einzubilden, um sich selbst zufriedenzustellen. Er „weiß“ es eben nicht und so beginnt er sich ein zu-bilden.

 

Gott und sein Mysterium kann man einfach nicht „wissen“, keine Philosophie kann das und kein menschlicher Verstand bringt das zu Stande. Und weil man da scheitert, beginnt man mit den Ein-bildungen. Man macht sich Bilder, Götzen-Bilder, die man dann auch anbetet. Die Einbildung, dass man das Göttliche „wüsste“, ist am Ende die Anbetung des goldenen Kalbes, reinster Götzen-Dienst. Wenn der Mensch in seiner entsetzlichen Verlassenheit dann Berechnungen anstellt, dann will er es „unbedingt“ wissen um des Wissens Willen – und dann ist er in der größten Gefahr, er stützt ins Maßlose und bemerkt es nicht: es ist dann das, was man Hybris nennt.

 

Aber: das Leben, so „wie es sich zeigt und ist“ – das ist schon die Vollendung; es braucht nicht meine Zugabe und Absegnung des Wissen wollens, nein, es zeigt sich „vollendet“ so wie es sich zeigt! Dieses Wissen um des Wissens Willen ist sehr gefährlich, denn es ist der „kalte“ lógos der Berechnung und darauf folgt immer das Urteil und mit dem Urteil glaubt man dann, Lösungen „hier“ (horizontal) gefunden zu haben.

 

Hier aber muss man eine wirkliche Entscheidung treffen: wer sich nur in der horizontalen Welt verbarrikadieren will, d.h., wer den Tod nicht annimmt als das Tor zur Ewigkeit, wer die Ewigkeit im Himmel ablehnt, der muss hier  unten Lösungen finden und suchen und der wird dann auch aus seinem Irrgarten nicht herausfinden. Es geht wirklich in erster Linie um diese „meine“ Entschiedenheit: durchbreche ich die vergängliche Welt „jetzt“ im Glauben an den Ewigen Schöpfer, dann muss aber die horizontale Welt sich relativieren, dann kann die Zeitlichkeit nicht mehr mein Ein und Alles sein.

 

Man hat sich die Frage nach der causa finalis seit der Frühen Neuzeit gründlich abgewöhnt und so hat man sich unmerklich der Angst ausgeliefert mit allen ihren Folgen. Ich meine nicht einmal die Frage als philosophische oder theologische, sondern das Fragen im Sinne der „Wer-Frage“: Wer bist Du eigentlich für mich, Großer Gott“? Gibt es Dich für mich – bist Du ein lebendiger Gott für mich? Und wenn ja, was hat das für Folgen? Und vielleicht kommt dann eine feste Überzeugung: ja, du bist der wahre Gott – ich kann dich nicht „wissen“ und alles hier spricht eine andere Sprache, hier herrscht Babylonische Sprachverwirrung, alles scheint dagegen zu sprechen – und doch: Du bist es! Man könnte mich dann auf den Scheiterhaufen bringen, mir die Haut abziehen, mich standesrechtlich erschießen: die feste Überzeugung bleibt: Du bist der wahre Gott! So eine Seele sagt sich dann auch nicht mehr: ach, das ist aber interessant, das will ich mir näher anschauen, nein, es gibt kein kaltes, bloßes Interesse mehr als Lückenbüßer. Metanoia öffnet die eigene Seins Mitte (Herz) und wenn sie nicht ergriffen ist, dann ist sie sinnlos. Sie muss brennen, lebendig sein, alles andere ist Leben im Tiefkühlfach. Es geht dann nicht mehr um Wissen oder um meine Urteile, nicht um Einordnungen und Zuweisungen oder Vergleiche: das Heilige Wort ist „heilig“, etwas Erstes und Letztes und vielleicht erfährt man dann den Sinn des Heiligen: es gibt keine als-ob-Spiele mehr und dann erst beginnt der eigentliche Kampf: denn das Heilige Wort wird den alten Menschen in mir vernichten.

 

Daher rufen die Propheten: bitte nicht ich, muss das sein! Jona verweigert zunächst: er flieht vor diesem Anruf Gottes, er bekundet: bitte nicht ich, lass´ diesen Kelch an mir vorübergehen, mein jetziges Leben ist doch schön und manchmal bin ich auch fromm, habe auch gutes Einkommen, Familie, Gesundheit, der nächste Urlaub usf. – lass´ mir doch dieses Leben, in dem ich mich so wohl fühle! Jona weiß schon: wenn Gott ruft, dann zerbrechen die irdischen (horizontalen) Maßstäbe, der horizontale Absolutismus wird gebrochen: das ist das Sterben des Alten Menschen in uns, eine Vernichtung. Die Propheten waren zunächst gar nicht erfreut über ihre Auserwählung, sie waren im Grunde sehr verzweifelt. Und wenn einer heute sagt: ach, das mit Gott ist sehr schön, ein gutes Gefühl, es passt alles, es stimmt einfach mit Gott, ich bin überglücklich, dass es ihn gibt – dann stimmt bestimmt hier etwas nicht, denn der lebendige Gott zeigt sich im Flammenschwert, er erschüttert eine ganze Existenz bis an den Rand der Verzweiflung: der „Spürhund Gottes“ (Francis Thompson) ist kein „lieber“ Gott, den wir für unsere Lebens-Pausen benötigen, nein, der lebendige Gott ist mehr ein „Fleischwolf“  und die Propheten wussten: es wird sehr schmerzhaft werden. Wenn der lebendige Gott nur eine „interessante Option“ ist, da stimmt dann bestimmt etwas nicht. Dann will man sein „altes Leben“ beibehalten und ein wenig liebäugeln, weiter nichts. Das Wort Inter-esse ist nur sinnvoll im Darinnen-seyn, im Ergriffen sein. Der gesamte Wissenschafts-Betrieb ist eigentlich gesehen sehr grauslich: wo und wieviel hat man pro Jahr publiziert und in welchen Magazinen, sind alle Fußnoten korrekt angegeben, von wem hat man abgeschrieben, ist es womöglich ein Plagiat usf. Darum geht es den Philosophien und Theologien und anderen Wissenschaften. Vor lauter Phrasen kommt man nicht mehr zum „wahren Scheitern“, zum Gottes-Kampf, zur Entschiedenheit (Jakob/Israel).

 

Ich kann mir gut vorstellen, dass der lebendige Gott stets sagt: Du musst mit mir kämpfen, solange, bis du ganz verzweifelt bist, du musst also wahr kämpfen und nicht nur zum Schein (für schöne Momente). Du musst deine Existenz einsetzen, wagen, auf´s Spiel setzen – das ist sehr ernst und es wird dich alles kosten. Ich fordere dich zu diesem Kampf heraus – wirst du auf diesem Kampfplatz erscheinen, wirst du dich stellen – oder bist du feig, fliehst wieder in deine Schrullen und Vorstellungen, in deine Gefühle und Berechnungen? Kampf ist doch im Wesen der Mut zum „wahren Scheitern“, der Mut zum Eigen-Verlust. Nicht der ist mutig, der „sich selbst“ am Kampfplatz behauptet, sondern der, der im Kampf mit Gott sein altes Leben verliert. Dieser Kampf ist jetzt, nicht gestern war er und nicht morgen wird er sein und wer nicht kämpft, es nicht wagt, der ist „lau“ und der Laue ist am Ende eine „Missgeburt“, etwas Ekelerregendes, es ist zum Kotzen mit dem Lauen (dem, der sich dem Kampf mit Gott nicht stellt). In der Offenbarung des Heiligen Johannes ist das Wort: „Weil du aber lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien“! (Offb 3,16). Der Laue „wagt“ den Gottes-Kampf nicht weil er weiß: am Ende kostet es mich mein altes „liebes“ Leben.

 

Aber „lieb“ ist der lebendige Gott nicht, er ist vielmehr ein „schrecklicher Gott“ für den „alten Menschen“ in mir, denn er wird mir alle meine Anhänglichkeiten verbrennen und ich weiß schon im Voraus: diesen Kampf kann ich nur verlieren, ich werde dann ein Hinkender sein, eine andere Gangart haben, eine ganz andere Existenzweise. Nur dem Gottes-Kämpfer wird auch der Segen Gottes zuteil. Vielleicht, ich weiß es wirklich nicht, hatte man einmal vor langen Zeiten „diesen Mut“, seine Existenz auf´s  Spiel zu setzen. Die Heiligen sind solche Gottes-Streiter. Hiob war so einer: der streitet mit Gott bis auf´s Blut und er verliert alles und Gott segnet ihn dann in doppeltem Maß. Nein, Gott ist nicht  ein Event zum Wohlgefühl. „Lauheit“ ist eine schwere geistige Erkrankung, man kann sie auch Unentschiedenheit nennen. Vielleicht gibt es noch eine kränkere Form davon: es sind die Seelen, die Gott als eine Beliebigkeit, als eine Als-ob-Option gerade noch zugestehen: ja, das gibt es, aber tu nur wie du willst und lass´ mich in Ruhe! Besser dann noch die bekennenden Atheisten und Nihilisten: die zeigen noch Einsatz im Kampf gegen mich, ihren Schöpfer, – zwar einen negativen Einsatz, aber immerhin nicht lau.

 

Mit Gott kämpfen bedeutet am Ende den Sieg mit seiner Hilfe erringen im Verlust meiner horizontalen Verlorenheit: das Seyn „akzeptieren“ so wie es gegeben ist und wie es sich zu-schickt, denn es wird wohl so sein müssen und so ist es „gut“. Der eigene Aufruhr legt sich, die Aufregung flieht: es fügt sich (die Fügung), es eint  (Einheit) sich und legt sich zu DIR (der lebendige Gott). Im Eigen-Verlust liegt der Sieg.

 

Es heißt in der Schrift: am Ende der Zeiten (Offenbarung), was ist das Ende der Zeiten? Wenn ich den Kampf wage ist das Ende der Zeiten „jetzt“ – nicht irgendwann. Es ist der Kampf auch mit dem Geformt-sein und Formung heißt: in das Leiden hinaus-ragen, darin schon Platz genommen haben. Es geht gar nicht um die Frage: Leiden ja oder nein? – wir sind schon die Leidenden in der Formung (das ist schon passiert). Formung ist zugleich Entwicklung: es ent-wickelt sich etwas und Formung bedeutet auch Fortschritt; es gibt Menschen, die leben für ihre Ideen des Fortschrittes, denn man muss doch entwickeln, verbessern, voranschreiten, weiter machen, das Alte verbessern, Reformen planen und umsetzen – in allen Bereichen gilt das. In diesem Optimismus lebend wird man auch das sogenannte Mysterium dereinst schon „wissen“ können um über es zu verfügen. Die Idee, dass man das Seyn verbessern könnte (den 7. Schöpfungstag), ist in sich absurd, der Mensch ist kontaminiert mit dem Gift der losgelösten Entwicklung und so hat er seine eigenen Pläne, ein Überschwang ist seine Mentalität und dann entsteht dieser entsetzliche, eigentlich „grundlose Lärm“ und das ist das Tun wie „irre“, es ist das grund-lose Tun, weil es sich so gehört, weil alle so tun – man hat das gründlich gelernt „so“ zu tun. Die Seele verkriecht sich dann im Lärm und Getöse des Machens um des Machens Willens. Es ist der „Lärm unserer verrückten Welt und Zeit“ und alle haben wir Angst, dass das einmal zum Stillstand kommen würde: man flieht die Stille, das Nicht-tun, davor hat man die größte Angst. Zum Lärmen gehört auch das unaufhörliche Reden (Daherplappern) nur, dass etwas geplappert wird – man erträgt die Stille nicht, es könnte ja da ernst werden mit dem Gottes-Streiter in uns selbst.

In der Stille liegt die große Gefahr für die Entwicklungs-Seele, dass ihr das „liebe Gottesbild“ zertrümmert wird, diese Stille könnte nämlich der Beginn eines Kampfes mit Gott werden, der bis auf´s  Blut gekämpft wird; Stille hat hier nichts mehr mit Gemütlichkeit und Behaglichkeit zu tun, etwas Schönes für einige Augenblicke, da ist nichts Romantisches.

 

Immer wieder heißt es: unsere wahre Heimat sei der Himmel. Gut, versteht man, kann man verstehen, darauf kann man dann setzen. Aber wir, die mit Wissen „versuchten“ (Baum der Erkenntnis) Seelen möchten auch dieses Mysterium „wissen“, den ewigen Himmel herabziehen in eine verfügbare Vorstellung. Ich möchte es „hier und jetzt und gleich“ wissen, enträtseln, ich habe keine Geduld dafür was einmal sein wird mit dem Himmel. Der Kampf mit Gott wird immer an einem nicht-gewussten Abgrund geführt, wer diesen Abgrund nicht wagt, versteckt sich (betäubt sich) lieber in sicherer Entfernung mit seinem Wohlfühlleben und selbstgemachten Vorstellungen. Und am Abgrund mit Gott kämpfen bedeutet: ich weiß es gerade nicht – aber ich vertraue absolut! In den je jetzigen Geschehnissen offenbart sich gerade das Mysterium, wissen kann man das nicht, aber er-fahren auf der Fahrt des Lebens im Vertrauen und in der Verbundenheit, in der Einheit würde ich jetzt sagen. Hat man das erfahren, dann kann man in die alte Welt (das alte Leben) nicht mehr ungestraft zurückkehren, würde man das dennoch wollen, man würde „wahnsinnig“ dabei werden. Man will das Mysterium „wissen“, aber das Mysterium ist in den Geschehnissen des Alltags schon da. Das heißt: den Weg zu Gott muss man selbst nicht suchen, er ist „vollendet“ da in den Ereignissen des Alltags, er liegt sozusagen in den alltäglichen Zu-schickungen: nur ich bin blind und taub und sehe nicht! Dieses Mysterium kann man nicht berechnen oder kalkulieren, es lässt sich nur dankbar empfangen. Es sind dann die ganz kleinen Dinge des Alltags, die sogenannten Nebensächlichkeiten, auf die man nie so recht geachtet hat: sie bezeugen die Gegenwart Gottes. Wenn ich auf das Unbeachtete „achte“, dann wird mein Herz lebendig. Diese „Haltung“ ist im Wesen: Gebet. Die Zufügungen Gottes sind immer absolut gut, sehr gut: gerade dann, wenn mein Verstand damit nichts anfangen kann. Daher muss man sich niemals „Sorgen machen“, das wäre ganz blödsinnig.

 

Ich bringe hier zum Schluss ein Wort eines „erblindeten Kartäusers“, er sagt:

 

„Man muss immer vom Prinzip ausgehen, dass Gott unendlich gut ist und alles, was er tut, zu unserem Besten ist. Deshalb sollte ein Christ immer glücklich sein, niemals traurig. Denn alles, was geschieht, ist der Wille Gottes, und es geschieht zum Wohle unserer Seele. Das ist das Entscheidende für uns.“

 

Erst wenn ich an meinem Existenz-Abgrund entlang laufe und es mir bewusst ist, dass es ein wirklicher Abgrund „ist“ (ein Gottes-Kampf), dann „lobe“ ich Gott, wenn ich mit ihm „ringe“. Ich könnte auch in den Abgrund, in die Verdammnis stürzen, in den horizontalen Absolutismus: genau hier findet der „Kampf“ statt. Wer sich von diesem Existenz-Abgrund suspendiert, der ist ein Heuchler: der will schöne stimmungsvolle Augenblicke, aber er will seinen Egoismus im Grunde nicht aufgeben, er wagt nicht seine eingebildete Existenz, er ist eben kein Gottes-Krieger, sondern ein Weich-Ei. Die eigene Existenz „wagen“ besagt: ich bin wirklich gescheitert, meine Pläne waren sinnlos, es geht jetzt um´s Ganze! Das heißt es, am Abgrund zu gehen und dieses Scheitern ist gerade „Gottes-Lob“! Und ja, wenn dann einer daherkommt, ich habe das letzte Woche wirklich erlebt, diese Frau sagte: ach, ihr seid doch so feierlich gekleidet, was habt ihr vor? Dann sagte die Heidi: wir gehen zum Herrn, in die Heilige Messe. Und ihre Köperhaltung war interessant: sie bewegte sich auf uns zu, sehr offen, als würde sie um Hilfe rufen, ihre Gesichtszüge waren plötzlich aufgehellt und sie sagte: ich bin ausgetreten, ich glaube schon, aber mit dieser katholischen Institution will ich nichts zu tun haben! In ihrer Abwehr war sie zugleich ganz „begeistert“, so, als wollte sie gerade jetzt von wem Anderen hören: Gott ist wirklich der lebendige Gott! (Sie hungerte danach, das zu hören, sie streckte förmlich ihre Hand uns entgegen: bitte sagt mir endlich vom lebendigen Gott!). Und wer denkt schon, wenn er das Wort „Nachkommen“ hört, an die kommenden Tage seines Lebens? Darüber könnte man doch staunen, oder?

 

Am Rand des „Abgrundes“ (des wirklichen Scheiterns) zu wandern, das ist „Lob Gottes“, dann bin ich wahrer Mensch, erst auf diesem „gescheiterten“ Niveau! Das Urteilen über die Anderen und über einen selbst, das vergeht einem gründlich auf diesem Göttlichen Niveau, auf dieser Himmlischen Hochebene. Und hier liegt dann jene Haltung: ich „weiß“ es nicht, ich kann es in einem bloßen Wissen nicht einfangen, wenn ich es „wüsste“, ach, es wäre eine sehr langweilige Welt. Das „Nicht-Wissen“ um Gott und die Einheit, das ist der Einzug in die Göttliche Ergebung, in jene Demut, die den Mut aufbringt: wahr zu seyn. In diesem Sinne: es nicht zu „wissen“ und dennoch „umsonst zu lieben“, für Nichts, für keine Belohnung – es dennoch zu tun (keine Versicherung darüber zu haben) – das ist das größte Wunder hier, das ist jene Wahrheit, an der die bösen Engel ohne Ende (un-endlich) Anstoß nehmen.

 

„Über den Sinn des Leidens“ hieß es ganz oben. Wie geht das jetzt zusammen, was hat das Leiden mit dem Tun umsonst zu „tun“?

 

Das Er-Leiden zeigt sich in den Widerfahrnissen des Alltags, in den Zu-schickungen Gottes an uns sehr persönlich, je jetzt. Wir er-leiden und er-tragen unsere Formen und die Formen „formen“ uns. „Darin“ liegt schon das Mysterium Gottes, man muss es nicht extravagant suchen, sondern dankbar sein für den zugeschickten Augenblick: er ist „göttlich“ angemessen, für dich, für mich: besser geht´s nicht!

 

Die Stimmung der „Dankbarkeit“ ist immerzu der königliche Weg, Gott zu loben – und zwar: in jedem Augenblick!

 

Eben kommt jetzt gerade ein Engel, sehr unerfindlich: dieser königliche Weg, Gott zu loben, zeigt sich in der „Treue“ und die Treue wäre ja dann die Tradition, das tradere (Hinüber-gehen) und das wiederum ist die Über-lieferung: das, was „geschenkt ist umsonst“. Sich selbst an dieser Über-Lieferung fest-machen, darin wohnen „wollen“: das ist Erlösung. Sich selbst an dieser Über-Lieferung fest-machen heißt: sich ihr restlos vertrauend aus-liefern (je jetzt).

 

Und klar: es gibt diesen „reichen Schatz“ der Über-lieferung im Haus Gottes, κυριακή ὀικία, Gotteshaus heißt es, Wohnsitz Gottes auf Erden. Oben meinte jene Frau: aus der Kirche bin ich ausgetreten – (ich war das auch einmal, ein Ausgetretener) – ja, man kann wirklich austreten aus der Schöpfung, das wird es geben, so eine Verweigerung und dann aber: eigentlich kann man nicht austreten aus der Fügung in Gott: denn Gott ist „treu“, die Treue ist sein Wesen.

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

 

(XXV)

 

Λήθη XI    Erlösung IX   (Pfingsten 2022)

 

Vom Schließen der ontologischen Differenz oder:  was heißt Gnade?

 

 

Unter ontologischer Differenz versteht man den Unterschied zwischen „Sein und Seiendem“. Ich möchte das so übersetzen, dass man auch sagen könnte: es gibt einen Unterschied zwischen dem Wesen, das nicht erscheint, um dem Äußeren, das wir sehen, riechen, schmecken – das erfahrbar ist. Es ist schwierig, diese Differenz einigermaßen zu begreifen. Noch ein anderer Zugang: dass Gott der Schöpfer aller Dinge ist und dass die Erscheinungswelt seine Schöpfung ist, da liegt eine Differenz darin, die Erscheinungswelt (das Seiende) ist aber nicht Gott (das Seyn) – so könnte man das metaphysisch übersetzen. Gott und seine Schöpfung: das meine ich hier mit ontologischer Differenz. Es sind nicht nur Spezialfragen in der Philosophie oder Theologie, das sind sie bestimmt auch, die Literatur darüber ist uferlos. Wenn die ontologische Differenz „offen gehalten“ wird, dann ist sich der Mensch bewusst: Du, Gott, bist mein Vater, ich Mensch, bin dein Geschöpf – ich bin mir dessen bewusst. Wenn die ontologische Differenz „geschlossen“ wird (und das kann nur von unserer Seite her geschehen), dann ist der Mensch bei „sich“ überzeugt: Entwicklung, Fortschritt, Wohlstand, Reichtum, Wohlgefühl, sinnlicher Genuss – dann hat er sich nur mehr „horizontal“ eingerichtet und eingelebt, philosophisch ausgedrückt: er hat sein Transzendieren vergewaltigt, theologisch ausgedrückt: er hat seine Seele „verkauft“. Die Pädagogik (nicht als Fach) der letzten Jahrhunderte wurde auf „Entwicklung“ und Wachstum getrimmt, in allen Bereichen. Man kennt das zur Genüge und kann es schon nicht mehr hören. Wenn man lebenslang gelernt hat, den Himmel zu schließen und nur für das Horizontale zu leben, also übersetzt: „fett“ zu werden an Entwicklung, Reichtum, Wohlstand, Genuss und Wohlgefühl, dann ist die Gefahr groß, die ontologische Differenz geschlossen zu halten. Ich habe das, glaube ich zumindest, oft erlebt, selbst und bei Anderen und wenn es dann zum Sterben ging, da ist dann die Verwirrung plötzlich sehr groß, weil, man wusste es doch, dass die „nur horizontale Welt der Begierde“ nicht auslangt – man wusste es, aber tat nichts, ließ sich gehen, dahin-gehen, mit-nehmen, man war eben Mitläufer geworden. „Diese“ Welt ist alles – das war die Doktrin, ob man es wusste oder nicht. Das Schließen der ontologischen Differenz lässt alle Rollbalken der Seele heruntersausen, so, als gäbe es keine Fenster mehr zum Durchblick in den Himmel, zum Vater der Lichter.

 

Ich nenne jetzt den Menschen, der die ontologische Differenz geschlossen hält (ob bewusst oder nicht), „tot“. Er ist ein Toter, obwohl er für sich das Lebensglück reklamiert. Wenn die Differenz geschlossen wird, dann wird auch kein Unterschied mehr gemacht: Gott und die Welt, sondern das Göttliche oder Heilige wird nur mehr aus der Froschperspektive (horizontal) vergewaltigt und mit irdischem Allerelei verglichen. So erlaubt sich jeder „sein Urteil“ über das Heilige, vermischt es also mit seinen eigenen Gefühlen und blöden Überzeugungen. Misch-masch ist dann das Eigenerzeugte, eigentlich ungenießbar. Tot bedeutet: leb-los und interessant, jetzt fällt mir dazu lieb-los ein: leb-los und l(i)eb-los sind identisch. Jemand der lieb-los ist, der ist „tot“, der hat kein Leben in sich, der ist leb-los. Der seelisch Tote erlebt auch horizontal keine wirkliche „Unruhe“ mehr bei sich; unruhig ist er schon, zeitlebens sehr ängstlich und besorgt um Irdisches, um sein Auslangen, um seinen Sport, um seine Figur, um das Ansehen bei Anderen,  aber er hat keine metaphysische Unruhe mehr in sich, es kommt sein Transzendieren (das dennoch wartet) nicht mehr ins Schleudern, er scheitert nicht mehr wirklich am lebendigen Gott, es kommt da kein Kampf mehr (Jakob / Israel) mit dem lebendigen Gott auf. Und man muss sagen: diese geköpfte Pädagogik ist unser Normalleben, der Sumpf des Alltags, der als Glück verkauft wird, als Ziel, wofür es sich lohnt zu leben und zu sterben. Einmal hat sich da ein Kanadier in Österreich als Präsident verkaufen wollen, das ist zum Glück gescheitert. Der redete dann als Milliardär von den „guten Werten“, die er uns noch mitgeben wollte: Einkommen, Wohlstand, Fortschritt, Betriebe – jeder soll daran satt werden. Es war sehr spürbar, wie ein Multimilliardär eigentlich so völlig hilflos und panisch ausläuft in einer selbstgebastelten Ethik am Ende eines sammlerischen (jägerischen) irdischen Daseins, da war auch spürbar, wie einer am Ende seiner „reichen Entwicklung“ ein „geistiges Testament“ hinterlassen wollte, etwas, was die Zeit überdauert, sodass man in 100 Jahren noch im Geschichtsbuch nachschlagen kann: ah, der Frank, der hat es gut gemacht, der war das mit seiner glänzenden Idee des Fortschrittes, der hat Österreich emporgehoben, bravo! Ich glaube, es ist nicht vermessen, dass sich Frank an seinen eigenen Ideen „berauscht“ hat, da war ihm wohl und er war dann selig, sehr zufrieden wenn es in ihm so dachte. Das Unheimliche liegt genau darin, dass der Mensch (und wir alle ticken so wie Frank) sich dann wohl-fühlt im Schließen der ontologischen Differenz, dass er nur sein irdisches Haus bauen will und im Alter dann die Apotheke seine 2. Heimat wird.

 

Eine „echte Irritation“ in meinem nur horizontalen Leben ist eigentlich etwas völlig Unverständliches, das gibt es im Entwicklungs-Strom gar nicht. Die Intellektuellen sind da sehr gefährdet, denn sie „wissen“ es dann ganz genau „wie es zu gehen hat“, sie haben irgendwie den Dreh heraus, das Betriebsgeheimnis gelüftet und sie sprechen das auch aus, indem sie immer zwischen den Zeilen vermitteln: um das geht es, darum geht es! Echte Irritation versteht im Grunde nichts mehr, wie das alles zusammen geht, sie fühlt: da stimmt etwas grundsätzlich nicht, mit mir, mit dieser Welt, mit dieser Entwicklung, mit unseren Plänen. Sie weiß auch da keinen Rat mehr und in aller Katastrophe ist doch zugleich eine unglaubliche Sicherheit anwesend: Herr, du bist da – das soll mir genügen! Irgendwie und irgendwann, das spürt jeder, kommt es manchmal zur Einsicht: Schluss, damit höre ich jetzt auf, das bringt mir das endgültige Verderben, wenn ich „so“ weiter mache, dann ist Untergang. Woher kommt das – aus der Entwicklungslinie kann das nicht kommen, die will sich nur selbst entäußern! Es hat mit einer „ersten und letzten Verantwortlichkeit“ zu tun, dass das Leben kein Spiel ist, dass es sehr ernst ist. Dann muss man mit den blöden Gewohnheiten brechen, auch mit der besinnungslosen Sprache, man muss sich das „Wort“ klar werden lassen. Jetzt bin ich dafür verantwortlich, nicht in 30 Jahren oder wenn ich in Pension bin. „So kann und darf ich eigentlich nicht weiter machen“ – wenn dieses Gefühl in einem stärker wird, dann ist es schon sehr gut, dann ist man in seinem Lebenskreisel wirklich „irritiert“ und „gestört“, dann könnte der Durchbruch zu Gott gelingen. „Machen“ kann man das selbst nicht. Man lebt dann schon nicht mehr vom Brot dieser Welt allein, sondern schaut „dahinter“, hinter-schaut die Dinge. Ein anderes Wort für Irritation wäre „Krise“ und so muss man schon sagen: eine „Krise“ zu erleben ist eine Gnade, denn sie kann einen dazu bringen, den eigenen Sarg zu verlassen.

 

Festlegung ist z.B. sehr schlimm: wenn einer sagt: „darum geht es, so soll es sein“ – dann muss man aufpassen, denn: es könnte sich doch ganz anders verhalten. Es ist sehr menschlich „so“ zu reden und sehr hochmütig: denn man tut so, als „wüsste“ man es. Der Festlegung „widerstehen“ oder „widersprechen“ ist jene Haltung, die offen-steht für das Geheimnis (es auch nicht kalkulieren oder mit ihm spielen will). „Die Gelassenheit zu den Dingen und die Offenheit für das Geheimnis“: Heidegger sprach spät (also anfänglich) über diesen Sinn. Erst die Gelassenheit zu den Dingen kann sie auch wachsen lassen, das Be-greifen ist dann nicht eine Zerstörung, sondern eine Anfrage: wie kommt es, dass es sich so und nicht anders verhält? Diese Haltung setzt voraus, dass es eben keine sogenannten Zufälle gibt, es gibt eigentlich nur den Großen Zu-Fall Gottes, alles das, was mir täglich zufällt. Dass ich Thomas heiße, das ist kein Zufall, eben weil sich meine Eltern entschieden haben: ach, schöner Name für uns und 1969 war der Name Thomas in Deutschland sehr beliebt. Nein, dass ich der Thomas bin (Seyn) hat auch die Wesens-Bedeutung des „Zwillings“, eine Art Kampfplatz, ein Streit am Ende um das Wesentlichste, so, wie die Zwillinge Jakob und Esau miteinander ringen und der Heilige Thomas ist ja auch der, der am Ende seines Lebenskampfes das Bekenntnis ablegt: Mein Herr und mein Gott! Das alles liegt im Namen Thomas, ist sozusagen auch mein Wesen und so sind die Benennungen niemals bloßer Zufall und es ist dann auch eine (leider) große Tragödie, wenn einer auf die Idee verfällt: ach, ich will nicht mehr Thomas heißen, sondern Andreas und noch viel schlimmer wäre es, wie es heute immer gängiger wird: ich will jetzt Heidi heißen (mit allen körperlichen Umformungen). Das wäre ein schlimmer Eingriff: so oder so, eine Ablehnung meines Wesens. Die öffentliche Meinung ist dann empört und schreit: was sagst du da, das geht dich nichts an, jeder kann mit seinem Leben tun was er will! Diese Haltung der öffentlichen Meinung (leider ist sie auch schon eine politische geworden, sammelt sich sogar im Verfassungsrecht) ist leider eine Lüge und man kriegt ordentlich Prügel, wenn man diese selbstgewählte Lügen-Freiheit angreift.

 

Ich denke, die Prügel muss man „freudig aushalten“ lernen, wie ja auch die Jünger Christi (Apostelgeschichte) sehr, sehr oft geprügelt wurden als sie die Wahrheit verkündeten – das gehört sicher dazu und ich kann mir gut vorstellen, wie die Prügler sehr, sehr zornig darüber wurden, dass die Jünger am Ende ihres Martyriums mit Freude (so ganz gelassen) bekundeten: der Herr ist mein Hirte und das was ihr tut ist dennoch Lüge. Gelassenheit zu den Dingen: Heidegger meinte damit auch den Ausbruch aus dem Gefängnis der Entwicklungen, der Steigerungen, des Haben-wollens. Gut, es gibt die faszinierenden Dinge, ich kann mich erfreuen, staunen darüber – aber Lebensinhalt sind sie mir nicht, ich kann sie auch „sein lassen“, ich kann es „sein lassen“ – das also ist Gelassenheit. Ich kann auch einen Familien-Streit sein lassen, ich muss da nicht mitmachen, ich könnte mich anders einmischen, vielleicht paradox, indem ich das Gute bei den Streitenden suche. Die Begegnungen im Leben sind wesentlich Zu-Mut-ungen Gottes und es braucht schon Mut, Kraft und Gelassenheit dazu, dem Augenblick auf Augenhöhe zu begegnen: das heißt, den Augenblick ernst zu nehmen. Nicht, dass man immer ernst und angestrengt dreinschauen müsste, im Gegenteil: ernst nehme ich den Augenblick dann, wenn es mir augenblicklich zuspricht: was bedeutet das hier und jetzt? Wenn es in mir so frägt, wird alles bedeutsam (das ist ernst nehmen). Das Vage und Zufällige – wie mir bisher so schien, verschwindet dann. Es beginnt ein lebendiger Dialog mit dem Schöpfer, es beginnt ein neues Leben: der „eigentliche Mensch“ wird geboren. Es gibt eben keine Zufälle, so, als hätte es auch irgendwie anders kommen können. Man sagt, in einer Welt der scheinbaren Zufälligkeiten wird einem alles „Wurscht“ (Wienerisch) – es ist dann egal was ich mir kaufe, was ich daherrede, welchen Film ich mir anschaue, was ich esse, wie ich lebe – es ist egal und genauso ist es mir egal, wie der Andere lebt: es ist ja seine Freiheit. Es heißt dann, dass die „Hungersnot“ in so einer Seele am größten ist und das gilt auch im großen Stil für ganze Völker. Wer spricht noch von der großen gegenwärtigen Hungersnot der Seele oder der Völker? So eine verlorene Seele äußert dann auch, wenn sie sich gescheit vorkommt, in etwa: das einzige was man zur Verfügung hat, das ist Zeit! Und der kriegt dann Applaus dafür: so ein tiefer Satz. Wenn aber das einzige, was man zur Verfügung hat, die Zeit ist, dann ist das gleich mehrfach schrecklich: denn es ist gerade die Zeit, die über uns hinwegfegt, da habe ich keinen Zugriff und dann, wenn Zeit das „einzige“ wäre, dann ist es aus und vorbei, dann bin ich verloren – schade, es ist dann aus und vorbei. In der Ver-füg-ung liegt aber auch der Fug, die Fügung und das könnte die Erlösung sein – nur ein Hinweis, wie Sprache anspricht und zuweist. Die Hungersnot der Seele ist dann am größten, wenn die Augen sehr, sehr weit offen stehen und „übermüdet“ sind; in der Betrachtung zu „Jesus am Ölberg“ heißt es, als Jesus seine Jünger ermahnt, sie sollten doch wachen und beten – da schliefen sie immer wieder ein, denn „ihre Augen waren übermüdet“. „Diese“ Übermüdung geschieht gerade im Hellwachen, dann, wenn die Augen alles aufsaugen was sich so anbietet, es sind dann die „fetten Augen“, die schlafen und müde sind: fett vor Augenschein. Die Seele flüchtet dann in das, was der nächste Augenschein so anbietet und hält immer Ausschau nach dem, was so angeboten wird. „Gnade“ wäre dann: die fetten Augen werden plötzlich nüchtern, besinnen sich nicht mehr auf Augenlust, sondern blicken in die Stille. Das kann man freilich nicht mehr sinnlich sehen und so „stirbt“ die Augenlust. Bevor diese nicht stirbt, solange darf Erlösung nicht sein. Es ist im Grund dasselbe, wenn eine Seele dazu kommt, an einen absoluten Wendepunkt: ich will mich nicht mehr berauschen an den Weltdingen, mich nicht mehr „betrinken“: da kommt dann die Frage hoch: wozu ist denn all dieses da? Ich sehe, ganze Massen (Gesellschaften) laufen dem nach (ich war auch so einer) – aber jetzt? Jetzt „endet“ eine ganze massive Welt, wenn einem das so kommt. Sicher, die alte Welt verführt noch immer, aber sie wird immer kraftloser – man merkt das bei sich.

 

Ein Beispiel: ein Sterbender, die Ärzte sagen ihm, er hätte nur mehr kurze Zeit zu leben. Die Verwandten können damit nicht umgehen, machen ihm Mut (probiere es mit anderen Ärzten, mit diesen Therapien). Sie lenken ihn also ab. Vom Sterben selbst, das uns ja alle betrifft, redet man nicht. Der Sterbende aber denkt bei sich: die haben gut reden, die leben ja weiter und ich krepiere. In diesem Augenblick spürt man doch seine gesamte „Verlassenheit“, jetzt ist mir dieses tiefe Gefühl real: das völlige Alleingelassen-sein. Und eben jene Seele, für die die Augenlust nicht mehr wichtig ist, die „stirbt“ in gleicher Weise dieser Welt in gewisser Weise ab: im Wesen ist es „dasselbe“ Sterben, ein Weg-gehen von einem Alten zu einem Neuen. Es hört jetzt „etwas“ auf, endet und es beginnt etwas völlig Neues, Überraschendes. Der Sterbende (jeder Sterbende) ist ein Leidender und wem man heute vom Leiden spricht, dann will man das nicht. Und wir sehen ja die Kriegsbilder aus der Ukraine und wissen dann: so ein Leiden! Und großspurig aus sicherer Distanz vom Leiden so daherreden, das ist zynisch, geht leicht, es betrifft mich ja nicht. Es gibt auch einen Orden der Passionisten, die das Leiden unseres Herrn verehrt, ständig darin verweilt. Ein Unbekümmerter könnte meinen: das sind alles Masochisten! Ich behaupte jetzt einmal etwas und stelle es so vor: alles, was sich irgendwie „äußert“ (also im Außen ankommt) „leidet“; die gesamte Natur, alles Leben auf dieser Welt, sofern es in die Veräußerung kommt: leidet, es wird irgendwie durch den „Fleischwolf“ gedreht. Die ganze Natur, die Wälder, sie alle leiden die „Formung“, sie leiden das Geformt-werden und anders könnten sie gar nicht erscheinen. Das „Leiden“ ist primär keine Abträglichkeit, sondern eine Zusage. Im deutschen Wort L-Eid-en liegt mitten drin das Wort „Eid“, „Schwur“: Gott, der Schöpfer, er selbst geht ja in seiner Schöpfung mit, er hat sie keinen Augenblick verlassen; ER ist der Erste, der leidet, der zuvor leidet und mit-leidet, würde er sie verlassen, so wäre sie nicht; ER erhält sie am Leben (jeden Augenblick) und das ist seine Treue, sein Eid, sein Schwur: ich gebe dich nicht Preis, ich verlasse dich niemals, unter keinen Umständen (da kannst du dich aufführen wie du willst und herumspinnen, ich bleibe bei dir bis ans Ende deiner irdischen Existenz und darüber hinaus, auch wenn du mich verleugnest und kreuzigst). Das ist seine Intimität (Liebe), die keiner so recht begreifen kann – die göttliche Liebe (agapé). Bin ich mir dessen bewusst? Sehr gut möglich, dass der Vater sich beraten hat mit seinem Sohn und dem Heiligen Geist, vor Erschaffung der Welt. Und der Vater sagt zum Sohn: hör mal, das geht schief mit diesen Menschen, die bekriegen sich bis aufs Blut und werden mich verlassen (wie wir es immer wieder sehen können). Es ist aussichtslos – so wird die Schöpfung sein. Und der Sohn antwortet dem Vater: du hast Recht, es ist mit den Menschen in jeder Hinsicht Weltuntergang. Und der Sohn antwortet dem Vater: lass´ mich dennoch gehen, für sie, es scheint „umsonst“ zu sein, klar, aber ich will gehen, dennoch, trotzdem, für Nichts, „umsonst“ (es ist diese „Liebe umsonst“).

 

Weiter oben war von der „Treue“ die Rede und die Treue ist dasselbe Wort wie „Liebe“ und „Amen“: es besteht nur in dieser katastrophalen Welt hier und jetzt die Möglichkeit „umsonst“ zu handeln, gut zu handeln, auch wenn es meinen Untergang bedeuten sollte. Den Engeln ist diese Möglichkeit nicht erlaubt, sie können nicht „umsonst“ handeln, sie haben sich einmalig entschieden und so wird es bleiben in Ewigkeit. Daher ist der Engel nicht mehr „frei“, umsonst zu handeln – das geht nicht mehr. Dieses Glück hat nur der Mensch. Man ahnt dann auch den „Neid“ der bösen Engel, denn die Menschen haben ein Vermögen, dass das Engel-Wesen himmelweit übersteigt: daher ist Maria, die reine Jungfrau, der „Schrecken der bösen Geister“, denn ihre Entschiedenheit „hat gesiegt“ und dieser Sieg „gilt“. Heute morgens, es beginnt bei mir immer sehr früh: Gebet, Rosenkranz, Fürbitte usf. – dann Betrachtungen, Schriften, die mir zu-fallen – hin und wieder sehe ich nach den Nachrichten, plötzlich immer wieder Einfälle, Gedanken, die herfliegen – und es stimmt immer, es fügt sich immer, mittlerweile eine tiefe Sicherheit, dass der „rote Faden“ geknüpft ist (nicht von mir). Dann eben überblickt der Geist die Gesamtlage der Weltpolitik, meiner eigene Politik (Sündhaftigkeit z.B.), und kommt zum Schluss: da kommst du nie heraus! Und gesellschaftspolitisch: da kommen wir nie heraus! „So“ eine Stimmung tut sich da auf. Mit einem Wort: die Welt ist „wahn-sinnig“, Panik überall. Über den Sinn des „Wahns“ möchte ich das nächste Mal etwas sagen, über die Manie der Losgelassenheit, der Wut, der Raserei, der Zerstörung. Manchmal ist es ganz gut, auch etwas Persönliches mitzuteilen. Ich hatte gestern meinen Sohn Oliver zu Gast bei mir und wir kamen so ins Gespräch über die Zustände, die jetzt medial hochkommen, präsent sind, auch der Ukraine Konflikt. Oliver wird 26 Jahre jung, ein ganzes Leben vor sich, Pläne, Wohnung, Studium usf. Am Ende sprachen wir über den Krieg, über Nato, Papst Franziskus, Russland, über Gesellschaft usf. Dann bemerkte ich bei mir: ein Chaos, aus diesem weltpolitischen Schlamassel führt kein Weg heraus. Das Böse hat eine eigene perfide Logik, auch gerade der Massen-Kommunikation, es bedient sich einer unglaublichen verbalen Kriegs-Logik. Ich meinte dann am Ende, dass man das Gespräch immerzu „suchen müsse“, das wäre sehr wichtig, aber noch viel wichtiger wäre das „Gebet“ für den Weltfrieden. Und klar: sofort denkt man bei sich: was bringt schon ein Gebet für den Weltfrieden, ein Ave Maria – das bringt doch nichts, geht ins Leere. Nein, gerade das Gebet bewirkt Alles, es bekundet: eine Seele setzt nicht mehr auf horizontale Logik (die auch immer Kriegs-Logik war). Die Seele nimmt ihre Zuflucht zum lógos, zum Ewigen Wort. Wie sehr „glaubhaft“ ist einem selbst das Wort, der lógos, denn Gebet heißt doch auch: ich bemühe mich um das Wort, ich nehme es sehr ernst, ich kann es nicht lächerlich finden (und unter lógos meine ich immer: Wort Gottes) – ich verbringe meine Zeit damit. Ich bemerke auch: die Sprache trägt „viel“ mehr als die sogenannten eingebildeten oder für wirklich gehaltenen Realitäten. „Umkehr“ wird real, wenn man bei sich bemerkt, dass das Wort „sprechen“ kann, dass, bevor ich etwas spreche, ich schon zuvor der Angesprochene bin. Im „wahren Dialog“ bin ich also immer zuvor der Angesprochene, aber ich glaube immerzu, dass ich es wäre, der da zuerst spricht. Das stimmt einfach nicht. Ich bin jederzeit „eingeladen zu antworten“. So kann man schon sagen: alles Sprechen ist "immer Antwort", bevor ich spreche, hat mich Welt und lógos schon angesprochen, sonst wäre Sprache gar nicht möglich. Und es kommt dann sehr darauf an, "wie" ich antworte. Hier wendet es sich: hier bemerkt man das Tragende des göttlichen lógos. Das „Wort“ trägt einen hindurch durch alle Verw-irr-ung (durch alle irre Zeit). Wenn die Sprache beginnt zu „sprechen“, dann „öffnet“ sich das Wort und spricht an, stellt Bezug her, fordert Intimität, fordert eine Antwort. Plötzlich sind die Wörter nicht mehr Totes, Verwendbares, sondern das Lebendigste überhaupt. Im lógos steckt sozusagen eine gewaltige Kraft (ob ich es wissen mag oder nicht) – viel gewaltiger als die Kraft der Kernspaltung. Man kann jetzt übersetzen: in einem einzigen „Ave Maria“ steckt so eine unglaubliche Kraft, wie sie die gesamte sogenannte Evolution nie zustande brächte (die gesamte, von Anfang bis Ende). Das Wort hat diese unglaubliche Kraft: Tote zu erwecken und lebendig zu machen! Wenn der Herr sagt: Steh´ auf, Du Toter – dann passiert das! So gewaltig ist der lógos, kein Naturgesetz kann Totes lebendig machen.

 

Ich bringe jetzt noch einen Gedanken: man stelle sich vor, einer hält einen Vortrag oder eine Predigt, z.B. wie heute in Maria Schutz, der Pater Markus predigt zum Heiligen Evangelium. Und wir, die Zuhörer, wir schweigen. Wir sind da alle versammelt, die Zuhörer. Wir wissen eigentlich gar nicht so recht wie das zugeht, dass der Pater Markus jetzt predigt, wie und was er sagt. Es könnten auch wir sein, die schweigenden Zuhörer, die da sprechen. Es heißt: oft ist es der Hörer, der inspiriert und im Inspiriert sein liegt doch der „Geist“. Und sollte nur eine „erlöste Seele“ anwesend sein, dann merkt man das in der „Stimmung“ – dann „stimmt“ es einfach, das Wort „trifft“ und „eröffnet“, es kommt an und „trägt“. Und in der Sakristei war dann eine junge Frau, die bemerkte: Toll, wie Sie heute gepredigt haben! Die Seele der jungen Frau war berührt, an-gegriffen, ein Gefühl von Ewigkeit war da (man kann auch sagen: Unsterblichkeit). Für die „erlöste Seele“ gibt es keinen Tod im Sinne des Verendens, für sie ist der Tod das Nachhause-kommen aus der Verbannung. Weiter oben war davon die Rede, dass das mit der Schöpfung schief gehen könnte – und wir sehen das ja, da braucht es keine Beweise. Es sieht ganz danach aus: aussichtslos – die Welt ist wahn-sinnig, ich selbst bin es auch: wie ist so etwas möglich? Ich bemerke: ich bin Seelen-krank, es krankt allüberall, ich bin tief in Sünde verstrickt, ich bin es, der den Herrn „verkauft und verrät“ (nicht nur der Judas vor 2000 Jahren), ich bin es, der krank ist an Seele und Leib und die Gesellschaften, die Völker, sie auch, sie sind auch „krank“. Und man beginnt zu „beten“: Herr, nimm mir dieses Elend und gib´ der Welt den ewigen Frieden! Und so betet man tagein, tagaus, monatelang, jahrelang. Und man bemerkt: es wird noch schlimmer: meine Krankheit bleibt und die Krankheit der Völker bleibt, es wird sogar noch schlimmer. Man könnte verzweifeln und sich sagen: jetzt bete ich 4 Rosenkränze pro Tag und nichts geschieht – es ist sinnlos zu beten, das bringt nichts! Dann, plötzlich, fällt es ein: du bleibst zerrüttet, krank, es wird sogar ärger mit dir und mit den Völkern, die Kriege nehmen zu, deine eigene Krankheit verschlimmert sich sogar: und du „tust“ es dennoch, du lobst den Großen Gott, du betest: Ave Maria, gratia plena, dominus tecum… - es scheint dir wirklich „umsonst“ zu sein – aber du „tust“ es dennoch, ja, du glaubst nicht einmal selbst mehr daran, aber: du „tust“ es „umsonst“. Und das ist das Wesentliche, darum „geht“ es – es dennoch zu tun: zur Ehre des Vaters, zum Lob seiner großen Herrlichkeit. Am kommenden Sonntag feiern wir den Dreifaltigkeits-Sonntag, er ist mir ganz besonders wichtig: die Heilige Elisabeth von Dijon hat mich oft besucht und mir sehr viel gegeben: Laudem gloriae nannte sie sich. Wenn man vom Geist der Heiligen Elisabeth berührt wird, dann spricht der Heilige Geist. Um zu verstehen, was das meint: „Handeln umsonst – tun umsonst“ – sollte man die Schriften der Heiligen Elisabeth von Dijon betrachten, vorzüglich: „Der Himmel im Glauben“ (Johannes Verlag) und das tiefe Buch von Dom Eugen Vandeur OSB: O mein Gott Dreifaltiger (Sarto Verlag).

 

Also: du bleibst äußerlich so krank wie du bist, genauso zerrüttet und elend, auch die Völker zeigen sich so: handle „trotzdem“ umsonst, aus Liebe zu Mir, deinem Gott – tue es nur für mich, deinem Gott. Es fällt dir keine Belohnung zu, du wirst kein Wohlgefühl mehr für dich ernten: tue es dennoch – aus Liebe zu mir! Nur das zählt! Wenn du nur tust, weil du Belohnung erhältst – ach, das kann doch jeder, jeder tut für Belohnung. Aber nein, tue es „ohne Belohnung“ zu erhalten – das ist es, da zeigst du mir deine Zuneigung und Liebe! Wenn du mich liebst, obwohl alles schief läuft und sich grauslich zeigt: dann hast du mich wirklich „lieb“, dann wird wahr, was das eigentlich ist, das „Vertrauen“. Darum ist unsere Zeit jetzt gerade eine Gnaden-Zeit: denn überall bietet sich die Gelegenheit an, in aller Irrnis und Verwirrung und in aller Weltuntergangs-Rhetorik: trotzdem zu glauben, zu hoffen und zu lieben – gerade dann, wenn alles „aussichtslos und hoffnungslos und sinnlos“ erscheint. Das ist dann der „Große Tag“, den der Herr gemacht hat: der mit einer tiefen Freude und Sicherheit gelebt wird und mit Dank: der Dank in dem Sinne, dass einer sich dem verdankt dem er ge-eignet ist (Heidegger).

 

Der Eigner ist doch jener, dem das Schiff gehört und so ist Gott der Eigner, dem die Seelen gehören. Eigentum Gottes sein, weil er mein Eigner ist und bleibt (auch in meiner Flucht) – das zu wissen tut not und bringt den Frieden, den die Welt nicht geben kann: das einzusehen und zuzustimmen, das ist der „eigentliche Dank“. Gnade: mit diesem Wort kann man heute wenig anfangen, der Verstand des Menschen wird dann zornig, wenn man von Gnade spricht. Gnade hat wesentlich mit Be-gnadigung zu tun, so wie ein Herrscher einen Delinquenten be-gnadigt: er hätte per Gesetz diese oder jene Strafe verdient, aber nein, der Herrscher setzt diese sogenannten Gesetze außer Kraft: Deine Sünden sind dir vergeben, geh´ nun und sündige nicht mehr, du bist be-freit! Gnade ist es, wenn einer dazu kommt, in aller Hoffnungslosigkeit und Sinnlosigkeit, in aller Widerspenstigkeit und Krankheit dazu kommt dem Herrn und Gott zu „danken“, wenn also einer „tut“, ohne eine geringste Belohnung für sich zu erhalten. Und es ist schon ein tiefes Merkmal, dass alle Heiligen im irdischen Sinn niemals belohnt wurden, im Gegenteil: sie wurden meistens hingerichtet.

 

Ferdinand Ulrich war zeitlebens ein tiefer Verehrer der Heiligen Therese von Lisieux, jene Heilige mit ihrem „Kleinen Weg“. Sie war von sich überzeugt: aus mir selbst kann ich nichts, ich bin Schmutz, Sünde, vollends verloren. In ihrem Schmutz kniet sie nieder und dankt dem Allmächtigen, dass er sie „berufen“ (gerufen) hat – gerade in ihrem Schmutz, in ihrer Nichtigkeit.

 

„Das“ ist das „Tun umsonst“!

 

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXIV)

Λήθη X    Erlösung VIII   (Pfingsten 2022)

 

In der Verbannung

 

 

Verbannung: darin liegt der „Bann“, was ist das, ein Bann? Die Form dieser Frage ist zunächst die der Was-Frage. Einmal, es ist viele Jahre her, da beschäftigten mich die Was-Frage und die Wer-Frage, das sind in der Philosophie wesentliche Fragen, die nach der ousía, nach dem Wesen, essentia und die Frage nach der existentia, dem Wirklich-Sein, es sind die Fragen nach den ersten Kategorien des Aristoteles. Bei Heidegger eröffnet sich dann der Einblick in die Eigenartigkeit der Frage nach dem Sein (er nennt es Sinn von Sein, aber jener Sinn von Seyn hat nichts zu tun z.B. mit der Sinn-Frage bei Frankl oder der Sinnfrage im Existenzialismus). Es handelt sich prinzipiell um die Frage nach dem Was-Sein und nach dem Wer-Sein, Heidegger nennt es die Frage „Sinn von Sein insgesamt“. Der berauschte Mensch (es ist der Mensch der nicht mehr nach-frägt, sondern sich berauscht [trunken] dem Gängigen überlässt) frägt nicht mehr nach diesem „Sinn“ und hier ist gar nicht eben jener „Sinn“ gemeint, der ja auch Mode war seit Kierkegaard, kann man sagen. Also die gängige Frage: Was ist der Sinn des Lebens? Diese Frage interessierte Heidegger gar nicht, denn er frug nach dem "ganz Anderen", am Ende nach dem "Letzten Gott". Die bloß horizontale Frage nach dem Sinn meines Lebens sucht einen Sinn letztlich für das egoistische Leben, etwas, wofür zu Leben sich lohnt im Horizontalen. Das war nie die Intention von Heidegger, so eine Frage, daher war man ganz konfus, dass Heidegger unterschied: „existentiell“ und „existential“, damit konnte der irdische Sinn-Sucher nichts anfangen, er suchte doch horizontal den eigenen Rausch geistig zu befriedigen und abzusegnen im Auslauf einer horizontalen Sinn-Stiftung (das meint existentiell suchen). Das ist aber nicht die existentiale Frage, die sich allein um das „Seyn“ kümmert, um ihr Anwesen und ihre Verbergung. Kurz: nach Heidegger muss sich gerade der existentielle (horizontale) Mensch in uns „suspendieren“ (opfern könnte man auch sagen), damit er frei wird für den „Letzten Gott“ (VII. Fuge). Karl Jaspers war ganz von dieser Art der Berauschung im Horizontalen geprägt, der gesamte Existenzialismus ist von dieser Frage nach dem Sinn im Horizontalen durchseucht, der gesamte französische Existenzialismus kreiselt sich um diesen sinnsuchenden Egoismus. Heideggers Denken war niemals diese Art von horizontaler Begierde, davon wollte er nichts wissen, weil er wusste, dass das nur zum Schließen der ontologischen Differenz führt (Ulrich), dass die irdische Befriedigung dann „geistig“ abgerundet, geschlossen, horizontal vollendet wird. Die irdischen Sinnsucher können dann auch mit einer Existenzial-Philosophie nichts anfangen (es wird da sehr trocken, das gibt nichts her für Gefühle), weil sie eben nie irdisches Brot (Glück) anbietet, sie ist ledig der irdischen Ekstase und sehr, sehr trocken. Um Heideggers Denken einigermaßen zu orten wäre es sehr heilsam, die „Logischen Untersuchungen“ von Husserl zu lesen, da ist keine Spur mehr von fleischlicher Lust, es ist sehr trocken da in diesen Fragen. Existenz-Philosophie ist daher niemals Existenzial-Philosophie, die Existenz-Philosophie beschäftigt sich von Anfang bis zum Ende mit irdischer Befindlichkeit, sie kreiselt sich am Ende um Gefühls-Dinge, um Rausch; das kann dann auch ein „heroischer Rausch“ sein, wie beim rumänischen Denker Emil Cioran, das führt am Ende zu Nihilismus und Depression, zum heroischen Weltuntergang. Für Viele ist das sehr plausibel, sehr angenehm, weil heroisch, dagegen können diese Jünger des Nihilismus nicht mehr in die „Knie“ gehen, ihre Armseligkeit bemerken. Da könnte man viel darüber sagen.

 

Was hat das mit der Was-Frage zu tun? Heidegger hat sehr klar erkannt, dass die Was-Frage Ding-ontologisch rückstrahlt: wer „Was“ frägt, frägt nach einem Wesen, nach einem Letzten, das in einer Definition untergebracht wird. Jede Definition ist gewissermaßen ein zu Tode-bringen, eine Wesens-Formel, die angewandt oder verwendet werden kann. Die Definition nach dem Wesen suggeriert auch: jetzt habe ich es , jetzt weiß ich es – es kann so geschehen, dass man sich eine un-endliche Vorratskammer an Definitionen anspeichert und selbstzufrieden die Register zieht. Die Wer-Frage dagegen scheitert an der toten Definition, das geht nicht: wenn ich frage: Wer ist das dort? dann zielt die Frage auf Prozess, Lebendigkeit, letztlich auf Erstaunliches. Mika-el, der Heilige Erzengel Michael: quis ut Deus – „wer“ ist wie Gott! Die Wer-Frage kann die eigene Bezogenheit (Intimität) nicht mehr hintergehen, die Was-Frage schon. Daher sind die Fragen: Was ist Gott, was ist der Mensch, was ist der Sinn, was ist ein Heiliger usf. in sich absurd, sie führen allesamt weg von der eigenen Betroffenheit. Darum heißt es beim Heiligen Erzengel Michael nicht: quid ut Deus – was ist wie Gott. So zu fragen hieße: ich suspendiere meine Lebendigkeit, meine Intimität und Bezogenheit. Der „kalte“ lógos frägt immerzu: was, was , was – er hat sein Herz herausgerissen, um sich keiner Intimität hingeben zu müssen. Ich will damit nur hinweisen, dass der Alltags-Mensch in uns immerzu so frägt: was ist das, was ist das und das gehört so dazu, die wesentlichen Fragen stellen wir aber dann, wenn das „Wer“ gewichtig wird: dann versteht man auch sofort die Frage: Wer bist Du, großer Gott (nämlich für mich, der ich jetzt nach Dir frage?).

 

Die Frage ist die nach der „Verbannung“ und wenn man die Frage-Form beachtet, so kann man schon fragen: Was ist Verbannung? – und man findet dann vielerlei Definitionen, die man runterratschen kann. Persönlich bleibt man dabei kalt. „Wer“ ist der Verbannte und was bedeutet das für mich, für uns, für den Menschen in uns. So zu fragen schließt die Suspendierung aus, ich kann mich nicht mehr un-entschieden verhalten und die Frage zielt ja schon auf die Frage nach Gott. Dann bin ich ja der Verbannte und alles was nun folgt ist immer im Sinne der Wer-Frage zu stellen, ich kann also meine eigene Bezogenheit zu Gott (Intimität) nicht ausklammern. Bei der Was-Frage geht das Ausklammern mühelos, wie von selbst.

 

Ver-Bannung: ich will weit vorgreifen; Verbannung hat damit zu tun, dass etwas „offenbar“ gemacht wird, etwas wird nach außen getragen, veröffentlicht, kann man sagen, oder in der Sprache von Hegel: etwas wird ver-äußert, es zeigt sich im „Außen“, in aller Äußerlichkeit, an der „Haut“ könnte man auch sagen. Meistens wird unter Bann ein Ausschluss verstanden und unter Verbannung klarerweise eine Vertreibung. Hier gibt es einen tiefen Zusammenhang, der sich später zeigen wird. Es zeigt sich etwas im Äußeren, das ist das Wesen der Verbannung. Und jetzt muss man sagen: es zeigt sich doch alles Existierende immer irgendwie in einer Außenansicht, in einer Äußerung (das gilt besonders auch für die Sprache, die sich „äußert“) – und wenn die Gleichung gilt: Verbannung = Äußerung, dann entkommen wir der Verbannung gar nicht, sie gehört zur Zeitlichkeit und zu allem, was sich in ihr ver-äußert. Das Veräußern, kennt man, hat sogleich auch den Sinn des „Verkaufens“ bei sich und ich weise schon jetzt auf den Verrat des Judas hin, der in uns selbst stattfindet (davon später). Noch ein anderer Zugang zur Verbannung. Ich muss Vorsorge treffen: für meine Gesundheit, für meine Zukunft, für meine Sicherheit, für meine Pension, für meine Kinder, für ein regelmäßiges Einkommen, ich muss meine Kühlschränke füllen, Nahrungsmittel horten (man weiß ja nie, was kommen wird), ich muss für das nächste Hagelunwetter eine Versicherung abschließen und für den Fall einer Gerichtsverhandlung sollte man doch auch eine Versicherung haben. Endlos (un-endlich) sind die Formen der vermeintlichen Versicherung. Man sagt, wer so „tickt“, der sei schon gar kein Mensch mehr, der lebe nicht mehr sondern sei „tot“ (der lebt nicht einmal mehr in der Verbannung). Nicht an den nächsten Tag auch nur zu denken, das scheint doch unmöglich. Jetzt z.B. ist Corona vorbei, aber man denkt schon an den kommenden Herbst und „warnt“ schon. Unser Zeitalter ist geprägt von „Warnungen“: überall und in jedem Segment schreien die Warnungen (Einschüchterung nennt man das). Könnte Vertrauen in Gott sein, dann bekommt man haargenau das, was einer für den Tag (für die Stunde, die immer die „letzte“ ist) benötigt – nicht mehr und nicht weniger. Die Sorge um den morgigen Tag (und das ist im Grunde die Sorge um meine Restzeit hier) ist ein großes Unglück, ein kaum beachteter Egoismus. Die „Sammler“ für morgen sind die Verbannten, sie sind die getrieben Jäger auf einer Jagd, die losgelassen Gott nicht mehr vertrauen können, kein Gespräch mehr haben mit IHM, der doch sorgt für den „Augenblick“. Jeder „geschickte“ Augenblick ist genau und messerscharf das Brot des Himmels, mir zugeschickt, genau was ich benötige. An „morgen“ nur zu denken ist in sich Vertrauens-Verlust. „So“ zu seyn heißt verbannt zu leben, mit einem „Bann“ (Fluch) belegt zu sein, die Sorge nur um das Äußere (Veräußerung) ist dann das Leben und immer dahinter die Angst, es könnte nicht ausreichen, es könnte doch schief gehen, es könnte eine Katastrophe kommen, es könnte doch der Tod eintreten (der sowieso da ist). Die Sorge um die Zukunft sorgt sich so gesehen um Vollendung, um ein eigenes „fertiges Brot“, es denkt hinaus auf den Genuss einer Vollkommenheit (hier) und kalkuliert sich ein komplettes Wohlfühlprogramm. In Gedanken „konsumiert“ man das schon jetzt was dereinst kommen soll! Angst spielt dabei die Hauptrolle: nicht zu wissen, was morgen tatsächlich kommen wird – vielleicht ein Weltuntergang, eine tödliche Krankheit und andere schreckliche Dinge. Und so programmiert man Programme ohne Unterlass, hört von allen Seiten, wie man es machen sollte. Man lebt in einer Fantasiewelt pro Zukunft, nicht im Hier und Jetzt.

Die ständige Sorge um die Zukunft (um das, was da kommen könnte) ist das Eingeständnis einer tödlichen geistigen Erkrankung: ich habe kein Vertrauen mehr, dass der Schöpfer für mich lebendig anwest und seine Schöpfung und ich in ihr „vollendet sind“ (7. Schöpfungstag). Es ist wirklich eine entscheidende Frage: mache „ich“ weiterhin noch Pläne für meine Zukunft oder übergebe ich mich der Göttlichen Vorsehung? Diese Frage sollte mit aller Entschiedenheit gesehen und entschieden werden. Das Pläne-machen ist sehr schlimm und wir haben es von Kind an gelernt: mach Pläne, sei aktiv, dann bist du gesund, sei selbstständig, denke gut nach und dann verwirkliche deine Pläne. Man hält diese Art des Lebens für kerngesund und erhält Applaus, wenn man z.B. einen Betrieb groß gemacht hat und 70 Mitarbeiter anstellt, dann ist man tüchtig, denn die eigenen Pläne haben sich doch verwirklicht.

 

Angenommen: unser Herr Jesus Christus käme heute in unsere Welt, ganz sichtbar für die Sinne, wirklich, der Erlöser ist da – wie im Poem des Großinquisitors von Dostojewskij. „Bist Du gekommen uns zu stören (bei unseren Plänen) – DU störst und durch-kreuzt unsere Pläne, mach´, dass du davonkommst – und komm nie, nie mehr wieder! So endet das Poem bei Dostojewskij und der Herr geht in die dunkle Nacht hinaus – es ist „unsere“, meine und deine geistige Nacht, jetzt und hier! Der Herr „ist“ in unserer Nacht aber dennoch zugegen, man kann ihn nur zum Schein verjagen, wie es der Großinquisitor tut: ins einem „Rausch des Pläne schmiedens“! Vielleicht ist es so weit gekommen, dass man als Pläne-Schmieder Angst davor hat, dass der Herr einem lebendig widerfährt, das stört doch den eigenen Plan für die Zukunft, der lebendige Herr könnte doch einen ganz „anderen“ Plan für mich haben, einen un-vorstellbaren, den ich gar nicht wissen will weil ich ja selbst weiß was für mich am Besten ist. „Erlösung“ würde bedeuten: alle meine Eigenpläne sind obsolet, hätten da keine Bedeutung mehr, denn was gibt es Besseres als „Erlösung“? Erlösung bedeutet: ewiger Frieden, ewiges Heil, Unsterblichkeit, Glückseligkeit im Himmel beim Vater ohne Unterlass. Das ist doch das Ziel. Warum spricht man nicht mehr darüber, verliert ständig dieses Ziel aus den Augen? Unsere ewige Heimat ist im Himmel – das ist das Ziel und man muss es ganz klar benennen und be-kennen. Die größte Sorge müsste man eigentlich darüber haben, nicht mehr dieses Ziel anzuerkennen, es als fromme Option abzutun.

 

Ich bringe hier einen „Witz“, den ich von Friedrich Weinreb gestohlen habe:

Ein jüdisches Ehepaar flieht in der Hitler-Zeit nach Israel. Sie sparen Geld, sind sehr fleißig um sich endlich ein Eigenheim bauen zu können. Immer waren sie verfolgt worden, vertrieben, lebten in Deutschland in Lagern und haben es doch auf Umwegen nach Israel geschafft. Endlich konnten sie demütig und brav, also ehrlich, Geld verdienen um endlich das Haus zu bauen. Und wirklich: nach langen Jahren des verfolgten Lebens und des braven Verdienens wird der Bau verwirklicht: das gewünschte Eigenheim ist da, sie können einziehen, wie herrlich! Dann, plötzlich, hören sie ein Gerücht: der Erlöser sei gekommen, die Erlösung ist da – reine Wirklichkeit! Dann sagen die Beiden bei sich: Ach, wir haben doch wirklich immer Pech!

 

Der Witz ist eigentlich sehr ernst: wer bei sich noch selbst Pläne hat, selber tun und verwirklichen will, der braucht keinen Erlöser, der stört nur und muss auch gut verdrängt werden. In der obigen Ankedote wird das Kommen des Erlösers als „Gerücht“ wahrgenommen und der Ernst liegt dann auch darin, dass der „Erlöser schon gekommen ist“ – er „ist“ schon gekommen und er „wird“ auch kommen, das ist etwas, was der horizontale Verstand nicht zusammenbringt, weil er nur in Zeitlichkeiten rechnet. Das Kommen des Erlösers ist jeden Augenblick volle Realität, der Erlöser suspendiert ja gerade alle Zeitlichkeit und hebt sie auf (zu sich). Mit dem Pläne schmieden ist es also „jetzt“ ganz ernst, weil der lebendige Gott „gegenwärtig“ ist. Wenn aber der Erlöser „da“ ist, dann ist die Vollendung „da“, wie am 7. Schöpfungstag, dann sind die eigenen Pläne Hochmut oder Zeitvertreib, eigentlich sinnlos – weil: was gibt es Besseres als Erlösung? Höre ich plötzlich auf mit dem Pläne schmieden (ich höre also auf mir Sorgen zu machen), erlebe ich eine ganz andere Dimensionalität von Wirklichkeit, ich sehe: jeder Tag bringt völlig Verschiedenes, mal dies, mal das – immer kann es anders sein und doch kann ich gelöst und sicher sein: denn der Erlöser weiß es schon und misst mir zu mein tägliches „Brot“. Warum also Sorgen und Ängste? Genau das ist der Punkt, an dem die Verbannung auf-gelöst wird, denn der Erlöser „löst“ sie auf, wer sich sorgt und ängstet und Pläne macht, der lebt in der Verbannung, der verfällt dem täglichen Ansturm der medialen Drohungen und es war noch niemals ein Zeitalter, in dem so viel angedroht wurde wie jetzt. Unser Zeitalter ist „besessen“ von Angst in allen Bereichen.

 

Wenn Gott sagt: es ist „gut“ und sogar „sehr gut“ und damit ausspricht: es ist vollendet, wie auch der Herr am Kreuz aushaucht: Es ist vollbracht! – dann gibt es doch keinen Zweifel mehr, dann ist Vollendung Realität, und zwar in dieser zerbrochenen Welt, in dieser jemeinigen gebrochenen Existenz. Das „Tun umsonst“ ist jenes Tun, das keine Eigen-Pläne mehr schmiedet, weil es dem Großen Plan Gottes ent-sprechen will. Ent-Sprechung heißt übersetzt: Antwort geben. Ich antworte dann dem lebendigen Gott und danke ihm dafür, was er mir je jetzig zuschickt, nicht mehr, nicht weniger: sondern immer „ganz erfüllt und vollendet“. Dann ist jeder Augenblick ein Segen und Grund zur Freude. Das kann der Pläne-Schmieder freilich nicht sehen und so ist ihm auch sein Leben oft ein Jammertal, das es zu verbessern gilt. „So wie es jetzt ist, hier und heute“ – so ist es „sehr gut und vollendet“. Und die Leute schreien: aber das stimmt nicht, der dort ist schwer erkrankt, jetzt sind die Kriege, die Inflation steigt ins Unermessliche, wir werden am Ende alle umkommen und tausend Sorgen mehr. Wie kann man da sagen: jetzt sei alles vollendet, sehr gut? Man wird sagen, das ist reiner Zynismus! Die Mentalität des „Tuns umsonst“ kann dementgegen nur Freude und Friede sein und zwar Freude zu jeder Zeit. Wenn man jetzt sagen würde: Herr, ich danke dir für diesen Krieg in der Ukraine und bin schon gespannt, was für ein Segen daraus der Welt erwachsen wird! – da würde man sofort mit Fluch und Bann belegt und zwar aus allen gesellschaftlichen Kreisen. Freude und im Frieden sein: das ist angesagt im „Handeln umsonst“, gerade im Angesicht einer katastrophalen Welt. Die Jammerei über die Katastrophen-Welt ist eigentlich gesehen ein Eingeständnis der un-erlösten Seele, die von Erlösung nichts haben und wissen will. Die Welt im Tun-umsonst ist auch keine mehr der Erholung: die Begriffe Erholung, Pension, Ruhestand, Wohlgefühl und Entspannung gib es einfach nicht im Wörterbuch Gottes, es sind Erfindungen des existenziellen Planungsbüros. Das Tun-umsonst kennt auch kein „Müssen“ mehr: wir müssen es in diesem irdischen Leben nicht „gemütlich“ haben, Gemütlichkeit (Behaglichkeit) ist kein Existenzial-Ideal, aber wir sollten jederzeit „große Freude“ haben. Alle Dinge des Lebens darf man haben, aber man sollte sie „so“ haben, dass sie einen nicht „haben“, also mich nicht „anrühren im meinem Wesen“, dann kann ich sie freudig benützen, werde aber nicht vergiftet, kann sie auch lassen und loslassen, wenn es sein soll. Das Entspannungsfeeling ist eine Unmöglichkeit der Schöpfung, die Wellnessmentalität gibt es eigentlich „nicht“. Der Heilige Sonntag ist Zeit „jetzt und hier“ – also Tag des Lebens. Wenn ich von Montag bis Samstag Geld mache, Gewinne, am Sonntag dann vielleicht mehr oder weniger fromm in den Gottesdienst gehe und danach mit dem Motorrad  stundenlang herumirre, es kann auch ein Rennrad sein, dann bin ich eigentlich ein Heuchler, denn die Grundmotive meines Lebens sind: Genuss, Hochgefühl, irdisches Zeug. Wenn die Dinge oder Zustände über mich Macht gewinnen, dann werde ich krank, unfrei, aus-sätzig (der Aussatz hat ja mit der Konzentrierung meiner seelischen Kräfte auf das nur Äußere zu tun). Das „unreine“ Leben veräußert sich pausenlos, ist verloren im Augenschein, wohnt in der Ver-Äußerung, es wohnt im Aussatz. Man kann sich selbst lebenslang belügen und hinters Licht führen und die Anderen auch, es gelingt zwar nicht gänzlich, doch berauschen kann man sich sehr lange Zeit und über Jahre hinweg. Doch Gott kann man nicht belügen, er kennt alles, jede Regung: ihn anzulügen ist sinnlos, man kann Gott nicht zum Narren halten und bei sich entscheiden: den Großteil der Woche lebe ich nach meinen Plänen, und für die 3 Rosenkranzgebete spiele ich „fromm“, vielleicht geht sich noch eine Heilige Messe aus – im Alltag aber plane ich nach mir, rege mich über alles und jedes auf, jetzt über die Inflation, lebe dann für die Dinge des Alltags, für mein Wohlergehen  und sagt sich dann: gut, in der frommen Andacht halte ich mich jetzt von all den Aufregungen des Alltags fern! Das geht nicht, das ist wesentlich Lüge, eine Form der schweren Schizophrenie: man bürgert sich in einer Gespaltenheit ein und zerbricht daran. Vielleicht aber hat diese Form der Schizophrenie noch das Gute der Irritierung bei sich: das Heilige stört den selbstgemachten Zirkel der Erholung, denn das Heilige hat hier keinen irdischen Grund. Und so hat man sich bei Zeiten das Heilige abgewöhnt, redet auch nicht mehr darüber und versteht es auch nicht mehr. Wo der Mensch so weit entfernt im Aussatz lebt, scheint eine Umkehr zu Gott kaum mehr möglich zu sein, ein Wunder müsste geschehen: und tatsächlich, diese Wunder geschehen doch. Es liegt die allergrößte Gefahr darin, den ontologischen Zirkel (Differenz) mit Betäubung zu schließen. Dann ist man eigentlich kein Mensch mehr, sondern einer jener Toten, von denen es heißt: lasst die Toten ihre Toten begraben! Im Aussatz zuhause zu sein heißt: sich von den Dingen auffressen lassen, es zulassen, dass die Umstände und Schein-barkeiten Regierungsgewalt über mich erhalten; das lasse ich zu, diese Sklavenschaft. Sich nicht mehr vom ersten Anschein (der Scheinbarkeit oder bloßen Äußerlichkeit) vergewaltigen zu lassen, darin liegt die Freiheit des Menschen, hier nicht mehr mitzuspielen. Das „Tun umsonst“  - das ist das Wesentliche im Zyklus: Heilige Maria – Mutter Gottes. Immer wieder soll dies zur Sprache kommen; es bedeutet die „Ein-Stellung“ gegenüber dem Himmel, Gott gegenüber und führt zur Täterschaft: Ich tue es, weil ich weiß, dass es gut ist. Ich will das Gute tun, und mehr noch als verlangt wird – dann geschieht etwas durch die Geschichte hindurch, etwas, das durch alles hindurchdringt, das die Naturgesetzlichkeit „aufhebt“, geradezu hinaufhebt in den Himmel, also durchbricht. Es nimmt dann lebendige Form an: der Mensch lebt nicht vom (irdischen) Brot allein. Das „Tun umsonst“ hat Abstand genommen (ist nicht mehr eingenommen, belagert, ist frei): gut, es gibt die Dinge und Annehmlichkeiten, aber irgendwie weiß ich, darin liegt es nicht. Wenn es so weit kommt, ist es schon sehr geheilt. Vielleicht kommt man dann dazu, nicht mehr für sich selbst anzuhäufen, sondern dem Anderen „gut“ zu sein – das wäre sehr, sehr viel, einfach so: dem Anderen „gut“ sein, ihm Gutes wünschen, auch wenn dieser Andere ein Bösewicht ist. Erlösung: weiß man darüber, will man das überhaupt? Und wenn man darüber wüsste, lehnte man sie ab? Das wäre zwar eine Katastrophe – aber möglich ist das, vielleicht sogar sehr wirklich. Ist es möglich: Angst vor der Erlösung? Wenn die Erlösung „da“ ist (und sie ist es), dann würden wohl alle Eigen-Pläne sinnlos werden, Erlösung wäre Störfaktor: Erlösung, meint man so, sei zwar gut, sie war einmal vor 2000 Jahren oder sie wird einmal kommen: aber bitte nicht jetzt! Das ist die Stimme des Großinquisitors: Geh weg, komm nie, nie wieder – komm´ uns nie mehr zu stören (in unseren Plänen)!

 

Erlösung ist etwas völlig Überraschendes, mit dem man nie „gerechnet“ hätte, ein Blitzschlag, unberechenbar: plötzlich ist sie da und so wie man es sich nie vorgestellt hatte. Im deutschen Wort Er-lösung liegt das Lösen, das Entbinden (Entbindung ist ja auch die „Geburt“) – ein neues Leben kommt ins Seyn. Im Lösen liegt auch das Los-lassen, es „gut sein lassen“, also der existentielle Abstand im Horizontalen. Der Erlöste verlässt die horizontale Welt und so erst wohnt er recht „in ihr“, er ist in (von) dieser Welt und zugleich dennoch nicht von ihr. Das Nicht-mehr-Wohnen-in-der-Welt ist die handelnde Zuspitzung in der „Tat umsonst“. Es geht nicht darum, 4500 Bücher zu lesen oder immer nur weiter zu fragen, es geht nicht um Diskussionen, um sinnliche Berauschung sowieso nicht: das Wort „Gottes“ ist am Kürzesten, das heißt: es gibt da keine Diskussionen, es fordert die „Tat umsonst“, das Handeln umsonst im Angesicht des Letzten Gottes (Heidegger), im Angesicht des Letzten Gottes findet sich der Sich-stellende, der lebenslang auf der Flucht war und seine vielen Götzen angebetet hat, jetzt aber, im Angesicht des Letzten Gottes, zeigt sich der All-Einige, der Einzige oder auch wahre Gott, er ist der „Letzte“: die Flucht hat ein Ende gefunden. Die Lösung als Er-lösung besteht also im Tun. Eine einzige Tat umsonst, die dann andere Taten zur Folge hat – darum geht es.

 

Es ist gibt hier auf Erden „keine Zufälle“ oder Beliebigkeiten, das ist eine Lüge. Alles was je jetzt geschieht und begegnet hat tiefen Sinn, ist zugelassen von Ewigkeit her. Jede Tat, die ich hier und jetzt begehe, ist unheimlich wichtig. Welches Buch ich gerade z.B. lese, das ist kein Zufall, es hat eine tiefe Bedeutung, warum ich jetzt gerade das Buch von Ferdinand Ulrich: Gabe und Vergebung – lese. Warum das, warum jetzt, was soll es mir sagen, in meiner Situation? Warum denke ich gerade jetzt an einen längst Verstorbenen, was ist der Sinn, warum der gerade – warum kommt er mir jetzt, zu dieser Stunde, sagen wir um 15 Uhr, in den Sinn? Warum nicht 9 Uhr vormittags? Abgestumpft und tot sein hieße: ich frage gar nicht mehr nach dem „Sinn des Augenblicks“ (ich schlafe zeitlebens dahin).

 

Wer kann mit der Gleichung: Essen = Vollendung etwas anfangen? Essen ist uns Genussmittel, sehr wichtig für uns, immer hat man Lust auf Essen und es schmeckt herrlich – ist das der Sinn von Essen? Essen ist aber mehr als Genuss: wir essen die Medien, unsere Gedanken, die Meinungen, Verurteilungen und man muss schon sagen: wir essen das nicht nur, sondern wir „fressen“ es auf. Der ständige Handy-Gebrauch ist heute so ein Fressen wie irre. Was nehme ich also auf (esse ich) in meinem Dasein? Das ist entscheidend, denn das wird verstoffwechselt – und das Essen von Gedanken ist weit wichtiger als die Aufnahme von Speisen; wie nähre ich also meinen Geist: mit Blödsinn oder mit Heiligkeit! (ganz entscheidend) Und es ist sehr, sehr wichtig: wie und was „esse“ ich, vor allem „geistig“; was kommt mir in den Sinn, das ist ganz entscheidend, viel wichtiger als Bio-Gemüse. Beim „Opfern“ z.B. denkt man immer: ich gebe etwas, spende € 80,-- oder opfere Zeit für Andere. Das echte Opfer spricht aber vom Näherkommen meiner ganzen Existenz zu Gott; dann ist es nicht mehr die Frage, „was“ ich gebe, sondern „wer“ gibt sich da hin (wieder die Was- und die Wer-Frage), „wer“ ist es, der sich Gott schenkt: bin ich das? Das ist dann der Sprung von der Ding-Ontologie in die Existenzial-Ontologie, nicht als ein Fach, sondern als „Intimität mit Gott“.

 

Oben war vom Was-Sein und vom Wer-Sein die Rede, eine wichtige Unterscheidung. Die Wer-Frage frägt letzten Endes, also wenn man regelrecht am „Ende“ ist mit seiner Existenz: nach dem lebendigen Gott – Herr, ich kann nicht mehr – hilf´ Du! Dann ist eine unerklärliche Überzeugung da, dass der lebendige Herr da ist, dass ich bekenne: Herr, Du bist es! Die Wer-Frage ist immer „persönlich“, sie versteht sich immer nur im personalen Einsatz, die Was-Frage dagegen suspendiert meine Persönlichkeit, sie versachlicht zum „Thema“, das mich zwar interessieren kann, aber es muss mich nicht mehr berühren, die Was-Frage schließt Intimität aus, sie hält dann auch den lebendigen Dreifaltigen Gott auf Distanz. Die Was-Frage, kann man sagen, hält das lebendige Leben auf Distanz, lässt es nicht heran in die eigene Herz-Mitte. Wer immerzu „Was“ frägt, das ist jener Mensch in uns, der es nicht ernst nimmt mit den zugeschickten Augenblicken, mit den Widerfahrnissen des Lebens: man nennt das leider nur Schicksal  - aber es ist „Schickung“, Vorsehung, Gnade. Nur nimmt man das nicht ernst, weil man das Leben immer nur als Spiel der Generalproben ansieht: dementgegen ist aber immer Uraufführung, dieser und jener „Augenblick“ kommt nie mehr wieder, er wird leider verschleudert, wenn seiner nicht gedacht wird, also die Frage gestellt wird: Großer Gott, was hat das jetzt in diesem Augenblick zu bedeuten? So meint man, es wär egal wie man handelt und tut, wie man denkt, wie man isst (die ganze Welt isst man), es wäre meine Freiheit als Beliebigkeit, so wie es mir passt und gefällt. Man vergisst die jederzeit geschickten Augenblicke, sie sprechen nicht mehr, sagen nichts mehr vom Schöpfer, derart ist man wirklich der „Taubstumme“, der frohgemut sein eigenes Leben beschleunigt, nur um nicht in die In-Frage-Stellung zu kommen. In der toten Was-Frage lässt es sich gut hausen, da ist es schon bequem, da braucht es auch keine Intimität, da bekennt man zu allen Gelegenheiten: interessant, ein interessanter Fall ist das, das könnte man sich näher anschauen. Die gesamte Welt ist dann ein interessanter Fall, den man immerzu aus der Ferne besprechen kann: persönliche Betroffenheit ist dazu nicht nötig.

 

Am Ende macht man sich „diese Dinge“ nicht mehr bewusst: im heutigen Menschen lebt eine galoppierende Inflation des „Wortes“; man redet dummes Zeug ohne Unterbrechung, weil man es eben ohne Bewusstsein tut. Aber jedes ausgesprochene oder schon gedachte Wort ist gewaltig, ist Gewalt-Tat. Man macht sich nicht mehr bewusst, was man im alltäglichen Leben tut, so wie man sich vieler Dinge nicht mehr bewusst ist. Man kann das auch nicht Blödheit oder Dummheit nennen, vielmehr ist es eine sehr ernste „geistige Erkrankung“.

 

Wenn einer so tut, hat er den „lebendigen Gott“ gekündigt, suspendiert, für den toten Menschen ist eine menschliche Begegnung z.B. bloßer „Zufall“, es hätte auch nicht sein können, denkt der bei sich, die Dinge um einen herum sagen nichts mehr als: „bloßer Zufall“. Mit dieser Haltung „lebt“ man eigentlich nicht mehr, denn jede Schickung, jeder Augenblick könnte nicht sein, wenn Gott es nicht zu ließe, gewollt hätte. Kann ich diesem göttlichen Anspruch ent-sprechen (also ant-worten); wäre das der Fall, dann wäre nichts mehr selbst-verständlich; ich müsste immerzu erstaunt sein: wieso dieses jetzt und hier und warum ich darin, was hat es zu bedeuten?

 

Wer nicht mehr "so" mit Gott intim ist, der ist der "Verbannte", er zeigt sich geradezu im Prunkgewand der Äußerlichkeiten und glänzt im Spiegelschein. Es ist der Mensch in uns, der sich prächtig ent-wickeln will  und in seiner Lebens-jagd (die oft Gier ist) verliert seinen Ursprung in Gott. In der Verbannung leben bedeutet daher: Gottes Wort "sagt mir nichts mehr" - es ist genauso "äußerlich" wie die Alltagssprache; das Wort ist da wie tot, rein "zufällig", kommt und geht und hätte auch anders sein können. Im Außen sich zeigen und verlieren heißt auch: sich veräußern, sich also "verkaufen", ein gutes Geschäft machen. Es ist kein Zufall, dass der Herr die "Geldwechsler im Haus Gottes" vertreibt, denn die Kalkulationen und Berechnungen des Kaufmannes in uns selbst töten die Initmität mit Gott, lassen sie gar nicht zu. Erst wenn der Kaufmann in Konkurs geht, rausgeschmissen wird aus der Seele, erst dann wird es aucu keine Zufälle mehr geben, sondern das Staunen über den Schöpfer und seine Schöpfung.

Wenn das Äußere ungemein dominant auftritt und der Motor der Entwicklung nicht mehr zu bremsen ist: dann leben wir in der Verbannung. Und dieser Motor der Entwicklung läuft ungebrochen dahin: heute redet vom Wirtschaftswunder nach dem 2. Weltkrieg, das uns den Wohlstand gebracht hat.

Eigentümlich ist, dass das vielleicht eine sehr arge  Bestrafung sein könnte: in der bloßen Entwicklung die ontologische Differenz zu schließen, den Schrei Gottes: Adam, wo bist Du? - nicht mehr zu vernehmen.

 

Darüber soll im nächsten Zyklus die Rede sein, davon, dass es „keine bloßen Zufälle“ gibt!

 

(Weiterführung)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

 (XXIII)

Λήθη IX    Erlösung VII     (Pfingsten 2022)

 

Der Gelähmte

 

Im Heiligen Evangelium nach Markus heißt es in den Übersetzungen im Kapitel 2: Und es versammelten sich so viele Menschen, dass nicht einmal mehr vor der Tür Platz war; und er verkündete ihnen das Wort.

 

Diese Stelle erinnert sofort an das Heilige Evangelium nach Johannes, an den Johannes-Prolog: im Anfang war das Wort!

 

Weiter heißt es beim Heiligen Markus: […] Da brachte man einen Gelähmten zu ihm, von vier Männern getragen.

 

Zunächst: Das „Wort“ (lógos) verkündet der Herr. Verkünden heißt im Griechischen ἀπ-αγγέλλω, darin liegt der Engel, der Bote, der die Botschaft überbringt. Der „Bote Gottes“ ist jener, der den Weg bereiten wird (vorbereiten wird) – mach´ dir also keine Sorgen um deinen eigenen Weg, er ist schon zu-bereitet, her-gerichtet (also auch gerichtet, repariert, in Ordnung gebracht, vom Engel Gottes). Ich denke bei mir: wenn mein Lebens-Weg schon „repariert“, in Ordnung gebracht ist, das könnte ich im ersten Moment gar nicht begreifen, denn in mir sind ja diese Schuldgefühle, Fehler, Schwächen, Sünden – diese ganze Sündenlast: alle Gebote habe ich ständig übertreten, bin geschieden, stolz, hochmütig, eitel usf. Wenn das hochkommt, dann ist doch klar: ich habe es sicher nicht verdient, die Erlösung, denn: ich bin ein Judas, ein Verräter. Könnte doch dieser Verbrecher in mir sich durchringen: ich Sünder, ich habe sie am meisten verdient, Deine Erlösung, oh Herr! Der verlorene Sohn in mir kehrt zurück, und genau das ist das Unglaubliche: dass der Vater nicht einer einzigen Verfehlung oder Sünde gedenkt, sondern ein Hochfest feiert, das begreift der horizontale Verstand nicht, denn per Gesetzmäßigkeit müsste der verlotterte Sohn, der ich ja bin, in Ewigkeit verworfen werden, aber nein, der Vater der Lichter feiert ein Hochfest für mich elenden Sünder: wer kann das begreifen, wer kann das annehmen? Mein Weg – jeder Weg – ist bereitet, her-gerichtet, schon „gerichtet“ (repariert) – oder man könnte auch sagen: geheilt! – ohne meine Eigenleistung, ich müsste es halt „annehmen können“, einfach „JA“ sagen (so einfach wäre es). Ich müsste mich durchringen und bekennen: JA, ich bin so ein Sünder, ich bedarf Deiner Erlösung, oh Herr! (Und dann ist es vollbracht, dann ist die Erlösung da!)

 

Der Heilige Johannes der Täufer ist so ein Engel, der den Weg bereitet. Ihn anzurufen ist absolut verlässlich: denn er wird den Weg bereiten in der Zeitlichkeit für die Ewigkeit. Das heißt es: den lógos verkünden. In den Übersetzungen heißt es: er verkündet ihnen das Wort. Wenn man das liest oder hört, so in einer Lesung, überhört man das, fängt nichts mehr damit an, versteht „sofort nach Außenschein“ und das „Sogleich-Verstehen“ ist schon eine Art „Lähmung“ (das Schon-Verstanden haben im Sogleich-Hören), eine Unbeweglichkeit im Geist. Das Sogleich-Verstehen (nach Erstbegegnung mit dem Wort und dabei stehen bleiben) ist schon die „Lähmung“ und ein anderes Wort für Lähmung könnte „Schläfrigkeit“ sein, müde sein des Lebens, es ist einem dann am Ende „egal“ (in Wien sagt man: es ist mir Wurscht). Im Hebräischen liegt im Wort „Verkünden“ das Gedenken, das Er-Innern (sakar), ins Innere gehen. Wer also er-innert, (im Inneren bleibt), „zuhause“ bleibt, nicht wegläuft nach den äußeren Dingen, im Inneren bleibt (in der Stille), der ist „offen“ für die Verkündigung des Herrn. Wenn der heilige lógos verkündet wird, dann sind die Engel am Werk, sie bringen Nachricht zu uns, winken als Wegmarken, deuten uns den Weg, den wir gehen sollten (und den wir oft aus Eigeninteresse ablehnen). Eigeninteresse macht blind und lahm. Das Wunder der Schöpfung liegt im lógos, im Wort, wie es banal heißt und wenn es unser Herr ist, der da verkündet, dann ist jedes Wort „Goldes Wert“, geläutert im Feuer des Heiligen Geistes – jedes Wort der Heiligen Schrift ist daher „Goldes Wert“, niemals Zufall oder einfach so dahergeredet, sondern „Einfall der Engel“ (Verkündigung). Wenn der Herr das Wort (den lógos) verkündet, dann schickt er uns jetzt seine Engel, die Boten, jene heiligen Geister, die uns bewegen, überzeugen, Einsicht nehmen lassen: ein unglaubliches Ereignis geschieht da (mitten in der Zeitlichkeit, der Vergänglichkeit). „Verkündigung“ ist im Wesen eine unglaubliche Gewalt-Tat, eine Verlebendigung des Wortes (lógos).

 

Die „Heilige Schrift“ ist diese Verkündigung, in jeder Heiligen Messe wird dieses „Wort Gottes“ verkündigt und manchmal bemerke ich: wie sehr wird dieses Wort heruntergeratscht wie ein Zeitungsbericht, wird das Heilige Wort nicht einmal zur Kenntnis genommen – weil auch der Vor-Leser (der Lektor) schläft und gelähmt das Wort Gottes liest. Mir ist das heute sehr bewusst geworden: Christi Himmelfahrt. Wer nicht selbst wahrhaft „ergriffen“ ist, der kann das Wort Gottes gar nicht verkündigen oder eine Lesung (wie es heißt) „lesen“. Das „Lesen“ ist ein Sammeln (légein) und nur der Gesammelte wird es wahr verkündigen können. Das spürt man dann auch. Und der Priester sprach dann von der Freude, dass wir uns freuen sollten: und er sprach auch über die Depression in den Kirchenbänken, die doch sichtbar ist – wo ist da diese göttliche Freude? Nietzsche hat das bemerkt: erlöster müssten sie mir aussehen, diese Christen! Auch in den Kirchenbänken sitzt die „Lähmung“.

 

„Lähmung“ also: ein Gelähmter kann sich nicht mehr bewegen, er ist „starr“, eingefahren, stur: nur „dieser“ Weg und sonst nichts. Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht! Das ist Lähmung. Der Lahme (das kommt von Lähmung) kennt nur seine eingekreiselte Welt, er sieht nur Dinge, die er sich selbst in seiner eigenen Welt zumutet, er verlässt die Grenzen seiner eigenen berechneten und kalkulierten Welt nicht, traut sich nicht. Nach Hegel sit es der „abstrakte Mensch“, der da ganz unbeweglich ist, jener Mensch, der den konkreten Bezug zur Welt verloren hat – weitergeführt: der den konkreten Bezug zu Gott verweigert. Es ist dann ganz, ganz eng in so einer Welt ohne Hinauf-sicht. Der derart Gelähmte ist zugleich „taub-stumm“, nicht mehr offen für das Wort; er kann in sich nicht mehr zu-hören und so hält er eigentlich nur mehr Monologe. Die Lähmung ist also eine Fixierung, eine Einbahnstraße die, zur Gewohnheit geworden, als solche nicht mehr bemerkt wird. Subjektiv kann man sich sehr „frei“ fühlen, unbelastet und doch besteht diese geistige Lähmung. Meistens spielt zugleich die Angst dabei eine große Rolle, die Furcht, nicht mehr in der eigenen fixierten Gewohnheit (Wohnung) bleiben zu können. (Ich kann darüber schreiben, weil ich selbst ein Betroffener bin).

 

Starrheit ist ein heute weit verbreitetes Symptom geistiger Krankheit: man hat so seine fixen Überzeugungen und Verurteilungen, frisst sich satt am Urteil der Medien, plappert das nach, was die veröffentlichen (ratscht unreflektiert nach). Hinter jeder Fixierung lauert die Angst, es könnte doch „anders“ sein als man es sich so einbildet. Die starre Seele hat immer einen übervollen Terminkalender, die Tage des Lebens sind geplant bis zum Sterben, das mittlerweile auch „geplant“ wird. Es werden auch die Gefühle geplant, die Stimmungen werden sogar vorausberechnet. Man kann das heute gut beobachten: ein Begräbnis soll dann stimmungsvoll sein oder eine Hochzeit – da gibt es dann die entsprechende Musik dazu und man ist dann berührt, so hofft man doch. Starrheit ist zugleich die Enge (Eng: Ang:  Ang-st) nicht mehr über den eigenen Tellerrand blicken zu können oder auch zu wollen. Der notorische Vielredner ist schwer erkrankt, es treibt ihn zum Plappern um des Plapperns Willen, er kann es sehr schwer aushalten einmal nichts zu sagen, denn die Gefahr der Stille liegt in der Möglichkeit, sich existentiell völlig verzettelt zu haben. „Lähmung“ ist dieser Zustand der geistigen Bewegungslosigkeit, es gibt keine andere Welt mehr als jene, die ich mir zurecht gebastelt habe oder die ich medial konsumiere. Die Wahrheit sagt dann: auf diesem Herzen liegt ein Deckel! Der Gelähmte, das zeigt sich weiter unten, ist wesentlich der Akteur, der pausenlos Aktive, der immer und überall tun muss, der auch Rettungspläne zur Welterlösung entwirft usf.

 

Der Gelähmte liegt horizontal auf seinem Bett fixiert: das Vertikale ist ihm unmöglich, der Schöpfer ist ihm (wenn überhaupt) ein Konstrukt der als-ob-Option, Glaube ist ihm bloße Option, Beliebigkeit, ins Privatvermögen gestellt (jeder wie er will und mag) – Glaube ist Privatsache (heute die gängigste Lüge). Irgendwann kommt dann das horizontale Leben ins Schleudern, das bemerkt jeder und es ist ein unerfindliches Wunder, dass das Horizontale die Verbarrikadierung beginnt wegzuräumen, abzudecken, Licht hereinzulassen (von oben her geschieht das, wie beim Heiligen Markus zu lesen ist). Das ist per Naturgesetz eigentlich nicht möglich und doch geschieht dieses Wunder, dieser göttliche Ein-Fall oder Überfall (von oben), dieser Einbruch von oben. Man lese nur Francis Thompson: Der Spürhund Gottes! – nach allen Versuchen (Versuchung) des horizontalen Absolutismus kommt es „dennoch“ zur Umkehr, zur metanoia. Eigentlich unverständlich, aber es geschieht. Aus dem bloß Horizontalen kann das nicht kommen, denn das Horizontale ist in sich das End-lose „Immer-weiter-so“. Der Mensch ist also wesentlich nicht aus dem Affen ableitbar, auch wenn die Biologiebücher anderes verkünden: Das Vertikale ist Einbruch in das Horizontale, aus diesem aber nie ableitbar. Wir Gelähmten wissen sehr gut, dass das mit unserem bloß horizontalen Leben nicht „stimmt“, dass die geschlossene ontologische Differenz nach Gruft riecht. Und dann gibt es eben Augenblicke, da einem das voll bewusst wird mit dieser Lüge. In diesem Augenblick (kairós) beginnt das Leben „lebendig“ zu werden, denn der Herr sagt zum Gelähmten: Deine Sünden sind dir vergeben!

 

In diesem Augenblick geschieht die Wende, die Umkehr: der Gelähmte ist „frei“, befreit zum lebendigen Leben, Gott ist keine als-ob-Option mehr, sondern: Wahrheit, Weg und Leben. Der Gelähmte steht dann auch „unverzüglich auf“ – nimmt sein ganzes bisheriges Leben, das ihn gefesselt hatte auf sich (sein Bett), nicht mehr die Fesselung lähmt ihn, sondern er ist jetzt frei zu „gehen“, vor aller Augen, er ist kein Gezwungener mehr, der nach Plan kalkulieren muss – er muss von nun an auch nicht mehr die Zeit vollplappern, das Dach nach oben hin ist abgedeckt, der Blick ins wahre Leben er-öffnet (das ist die Heilung). Alle Sünden sind dem Umgekehrten (metanoia) vergeben  - wie dem verlorenen Sohn. Der Herr interessiert sich gar nicht für unsere Sünden, er will einzig die Umwendung, die Hinwendung, darin liegt die ganze Kraft seiner Erlösung – und die der meinen. Von nun an ist er ein „Neuer“, die bekannten Sünden sind ihm vergeben, auf ewig vergessen, weggewischt.

Kann man das annehmen? Das ist die einzig entscheidende Frage. Der Gelähmte erfährt sich dann „frei“ von seiner eigenen Beurteilung, er urteilt nicht mehr, anders gewendet: er versagt sich sein Urteil deshalb, weil für Gott nichts unmöglich ist. Was per Naturgesetz verurteilt werden sollte (wie die Ehebrecherin oder der Sünder), das geht jetzt nicht mehr, denn für Gott ist Maria Magdalena „geheiligt“. Das kann der menschlich horizontale Verstand nicht fassen, eine Dirne sei eine Heilige, eine vollkommen Besessene (7 Dämonen, das ist die Vollzahl) sei eine Heilige? Das geht für den Horizontalen nicht, das bringt er nicht zusammen. Der horizontale Mensch lebt fortwährend im „Entweder – oder“; entweder Leben oder Tod, entweder Sünder oder Heiliger, beides zusammen geht nicht, das Leben schließt den Tod aus, der Tod das Leben. Dass das Leben den Tod heiligt ist unmöglich; so spricht fortwährend zeitlebens der Gelähmte. Der Gelähmte, heißt es beim Heiligen Markus, sei an sein Bett „gefesselt“, also an jenen Zustand, der ihm sehr vertraut ist, an die eigenen Maßstäbe und Ideen, die dann auch Eigenschaften werden. Der Geheilte aber ist dann nicht mehr fixiert auf seine Eigenschaften, er ist es jetzt, der sie tragen kann und nicht mehr tragen mich meine Eigenschaften. Angst ist so ein gefesselter Zustand in uns, jeder weiß, dass die Angst lähmt. Auf einmal bemerkt man bei sich: die Angst ist weg, ich kann mich plötzlich frei bewegen, auch in Situationen, die mir früher unmöglich schienen. Der Geheilte ist nicht mehr gefesselt an Raum-Zeitliches, es mag zwar da sein, auch manchmal berückend, doch nicht mehr bestimmend. Die Erfahrung des lebendigen Herrn ist zugleich die Entmachtung des horizontalen Absolutismus. Jeder Absolutismus hat das „Muss“ an sich: so und nicht anders, jetzt und sofort. Man kann diesen eigenen Absolutismus schon ein wenig aus der Ferne betrachten und das heißt zugleich, Abstand davon nehmen, nach und nach gelingt das immer mehr, verliert der Absolutismus seinen Zugriff.

 

Ein anderer Aspekt derselben Lähmung betrifft das Auf-essen der medialen Welt, sich der Suggestivkraft der Medien uneingeschränkt aussetzen. Wie sehr nehme ich die virtuelle Welt der Vergänglichkeit ernst? Wie esse ich sie: hastig, ohne Ende, im Übermaß, nur mehr darauf fokussiert, alle Sorgen drehen sich nur mehr um dieses Futter? Gut, es gibt diese Welt und in ihr viel Schlechtes, Böses, man droht jetzt mit Atomkrieg, überall „warnt“ man: vor Corona, Affenpocken, Atomkrieg, Weltuntergang, Krebsdiagnose – endlos lang die Drohungs-Kette. Corona ist zur Zeit kein Thema mehr, man könnte dankbar sein, aber nein: schon wieder droht man die Fallzahlen im kommenden Herbst an. Man kann eigentlich in einer Welt der ständigen An-Drohung nicht gut überleben, würde man diese Welt als einzige wirklich ernst nehmen, man müsste im Dauer-Rausch dahinvegetieren. Und fast sieht es danach aus: der Dauerrausch als Zustand der Betäubung rund um die Uhr. Was ist da am Werk? Sehr klein und eingeschüchtert wird da die Seele im Karussell der Drohungen, verkümmert und versteckt: das einmalig Ewige kann sich da kaum zeigen. Wir sind dermaßen eingeschüchtert von den Medien, von den Drohungen, dass man sich selbst das Drohen angewöhnt hat, es als eine Art Normalität ansieht, das gehört dazu, dieses Spektakel: es könnte dies passieren, es könnte jenes passieren, wir müssen aufpassen, wir müssen dies und jenes tun und immer auf der Hut sein. Wäre es für einen Augenblick möglich, alle Bedrohungen wirklich vergessen zu können: der zeitlebens Eingeschüchterte würde augenblicklich Drohungen erfinden müssen, er kann gar nicht anders als mit Drohungen zu leben, es ist ihm zur zweiten Haut geworden.

 

Für den bloß Horizontalen ist Ewigkeit eine horizontale Option, eine Wahl der Beliebigkeit, ein Aufputz der Vergänglichkeit. Dass die Seele aber un-sterblich ist inmitten der Kriege und Drohungen, dass das die ewige Zusage und keine Option ist, das will im Horizontalen nicht aufkommen, die Sorgen, Nöte und Ängste verdecken das und vom eigenen Sterben will man schon gar nichts hören – das verdrängt man immerzu, setzt sich pausenlos Masken auf und plappert besinnungslos daher: ein un-endlicher Rausch des Zudröhnens. „So ist es und nicht anders“: das ist die Mentalität des Gelähmten; eine andere Sichtweise wird nicht zugelassen, diese univoke Mentalität ist allüberall am Werk. Univok leben ist nur möglich als Vereinseitigung, es ist eine Form der „fixierten Überzeugung“. Spricht man diese Menschen daraufhin an, z.B. auf die Heilige Gottesmutter Maria – dann „wissen“ die schon, wissen Bescheid, haben Meinungen, unverrückbar, müssen die dann auch verteidigen. Ewigkeit und Gott sind für den univoken Menschen als-ob-Optionen oder gänzlich gestrichen. Mit Sakramenten kann so einer nichts anfangen, die sind dann lächerlich, besonders gilt das für das Sakrament der Versöhnung, der Heiligen Beichte. Was soll man auch beichten, wenn ohnehin alles klar und eindeutig ist? Oder: das Sakrament der Heiligen Taufe gehört traditionell noch dazu, aber vielfach nicht mehr – ich lasse mein Kind später selbst entscheiden, heißt es. Jemand, der keinen Millimeter von seinen selbstgeschnitzten oder nachgeplapperten Überzeugungen abrücken kann, der ist, kann man sagen: besessen, er ist ganz „zu“, versperrt, völlig dicht. Dieser Zwang zum Univoken, zur eingebildeten Sicherheit des Wissens ist die schwerste aller geistigen Krankheiten. Der „so“ Besessene ist in seiner Art dann dahin gekommen, Ewigkeit und Gott aus rein irdischen Maßstäben heraus zu messen und zu beurteilen, so wie man dann auch Menschen von Ferne beurteilt und abmisst.

 

So geht er auch mit der Sprache um: eben bewusst-los, selbstverständlich, angelernt – versteht sich von selbst. Heute denkt man, dass Besessenheit ein Spektakel wäre, wie ein spektakulärer Unfall auf der A2. Vielleicht gibt es das auch, ich weiß es nicht. Viel häufiger ist diese Form der Besessenheit im Sinne der „Unbeweglichkeit“, dieser tödlichen Eindimensionalität. Eindeutigkeit „schreit“ danach zu einem Ende zu kommen, zu einer Definition, zu einem Aussagesatz und sei er nur nachgeplappert: Hauptsache ist: es ist kein Spielraum mehr für In-Frage-Stellungen derart, dass mein Existenz-Vehikel bisher völlig auf einer Irrfahrt wäre. Das kann sich der Eindimensionale nicht leisten, da geht er unter, da könnten Fragen auftauchen, auf die es keine „eindeutige Antwort“ mehr gibt, man müsste dann die eigenen Fixierungen aufgeben und vielleicht eingestehen, dass der bisher immer als „böser Nachbar“ Bezeichnete wesentlich ein ganz Anderer sein könnte. Dass man sich so verzettelt hat im eigenen Leben, das kann der Eindimensionale (Besessene) nicht aushalten. Univok (besessen) leben heißt zugleich un-glücklich sein; man sieht es den Gesichtern an, besonders wenn sie meinen, man sähe sie nicht. Es ist ein „verzweifelter Ausdruck“ da, die Augen sind wie tot, eben „leer“. Depression ist heute, sagt man, Volkskrankheit Nummer 1. Verständlich: wenn meine Seele nur am Vergänglichen hängt, dann kann man nur depressiv sein. Das Böse kann immer nur Zeitliches anbieten, mit großem Glanz und Hokuspokus. Das Böse kann aber in sich nichts Ewiges, Göttliches anbieten, das ist unmöglich.

 

Und jetzt kommt die Begegnung mit dem „lebendigen Christus“ und nur diese Begegnung ist machtvoll, Lähmung und Besessenheit aufzulösen. Das äußert sich in der Wende, nicht mehr die irdischen Maßstäbe messen die ewigen, sondern Ewigkeit trägt Zeitlichkeit: das ist die Wende. Fortan gilt auch nicht mehr: entweder-oder, sondern: sowohl-als-auch. Und fortan wird das Sterben hier kein Ver-enden mehr sein, sondern der Tod ist von der Ewigkeit her getragen: nicht mehr Leben oder Tod, sondern „Leben und Tod“. Die Heilung der „Lähmung“ also ist die Lösung aus den starren Formen, die Einsicht: es ist viel, viel mehr als sich hier nur äußerlich zeigt. Die Formen wechseln augenblicklich, zeigen sich jetzt so, dann anders, nichts Beständiges, Bleibendes. Die Formen tun auch „weh“, ungute Wort-Formen sind tödlich, verletzen, schlagen Wunden, bleiben lebenslang hängen: man wird dann mit der Zeit un-verzeihlich, kann nicht mehr vergeben. Vielleicht die größte Tragödie: nicht mehr vergeben zu können, mit dem, der einem Wunden schlug, nichts mehr zu tun haben wollen. Es scheint wie eine Gesetzmäßigkeit zu sein, die zunehmende Unverzeihlichkeit, man sieht es einem an, die verhärteten Züge, das Nicht-können und so wird es dunkler um einen, sucht sich nicht mehr, bis einer stirbt und man denkt dann: jetzt ist es vorbei, nichts mehr zu machen. Und das stimmt aber nicht, immer ist etwas zu machen, und zwar „umsonst“: das Gebet für den Verstorbenen, die Bitte um Vergebung: Glaube – Hoffnung und Liebe sind doch immer (jederzeit) im Zeitlichen möglich. Man spürt das am „Verhalten“ der Menschen, also daran, woran einer sich an-hält und man kann schon sagen: wer sich nicht an der Ewigkeit an-hält, der muss sich an der Vergänglichkeit anhalten, an der eigenen Meinung, am Sand, der ihm durch die Finger rauscht und da ist man verloren, wird depressiv und verbittert, sehr verloren. Wo die Seele ihren „Halt“ findet, so wird auch ihre Ver-Haltung hier sein: ist es das bloß Horizontale, dann werde ich eben zeitlebens sehr aufgeregt sein müssen, sehr zornig: denn es geht sich ja nie aus hier, immer pfuscht etwas dazwischen, jetzt wieder dieser russische Präsident, der die ganze Welt ins Chaos stürzt, so liest man das und glaubt daran, oder mein Arzt verkündet mir Schreckliches, dass es mit mir zu Ende ginge – und ich glaube daran usf. Ich habe einmal erlebt, bei einem frisch Verstorbenen, dass da die Anwesenden sagten: das hätte er sich nicht verdient, so ein elendes Sterben. Der Tote war in kürzester Zeit an Krebs gestorben. So ein Dahinvegetieren hätte er sich nicht verdient. Man sah auch die ratlosen Gesichter, was soll man denn dann noch anderes sagen. Ich betete dann den Rosenkranz, es schien mir wichtig zu sein: Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes – Amen! Dass die Seele heimkehrt zum Vater der Lichter, das versteht die horizontale Seele nicht mehr, kann es nicht glauben und so sagt man halt irgendetwas wie: hat er sich nicht verdient, so ein Sterben! Ist die Ewigkeit uns nicht zugesagt, von Ewigkeit her – ist die Seele denn nicht un-sterblich? Verdienen kann man sich das eigene Sterben sowieso niemals, es kommt doch gewiss, so oder so. Man redet dann dementgegen auch von einem „schönen Sterben“, dann, wenn einer friedlich einschläft, nicht leiden muss, die Augen zu macht und aus.

 

Ja, sagt man, das war ein schöner Tod, so was hätte ich auch gerne: einschlafen und aus. Aber was ist mit all den Toten vor meiner Zeit und nach meiner Zeit? Wo sind sie? Ist alles weg, nichts mehr da, für immer und ewig! Wo bin ich in 50 Jahren? Die Zeit hier geht vorüber, schneller als man glaubt, es ist schon später als wir denken. Man sieht das auch kommen, sieht es sehr klar, oft nur für Augenblicke, dann wird das gut verdrängt – nur nicht zu viel sich damit abgeben. Der Kommentar: das hätte er sich nicht verdient könnte auch ganz anders ausfallen: jetzt lebt er in der Ewigkeit, es ist nicht aus oder Ende, der Tod ist eine Tür zur Ewigkeit. Schön dahergeredet, wird man sagen, das kennen wir schon. Man könnte durchaus auch überzeugt sein: der Ewige Schöpfer tötet doch nicht, vernichtet nicht – das geht nicht, die Auferstehung von den Toten ist doch kein Appendix zum Wohlgefühl hier im bloß Horizontalen!  - oder ein Sprüchlein für schlechtere Tage. Die letzten Worte des Credo sagen es doch ausdrücklich oder sagt man das Bekenntnis ohne Glauben? Der Glaube hat keinen Beweis mehr nötig, das ist eben die Gewissheit des höchsten lógos. Wenn der Messias lebt, dann jederzeit, also auch in meiner Zeit von Ewigkeit her zu Ewigkeit hin, er heilt dann die er-krankte Seele, das ist gerade die „Norm-ale“ Seele, jene, die zur „Norm“ (norm-al) erstarrt ist, die nur mehr horizontale Maßstäbe gelten lässt, der Messias bricht die festen (normalen) Formen auf, gibt den Blick zur Ewigkeit frei. Die Begegnung mit dem lebendigen Herrn „heilt immer“; physisch kann das hier nichts weiter bedeuten, ich kann physisch dennoch, wie man sagt, erkrankt sein – viel wichtiger ist aber die Gesundung der Seele, das ist ausschlaggebend: von Ewigkeit her zu leben, also „Angst-los“. Der Himmel (die Ewigkeit, das Seyn in Ewigkeit), das ist doch das Ziel der irdischen Existenz oder sollte es sein – von dieser ewigen Perspektive her relativiert sich doch alles irdisch Vergängliche, erst von hier her ist es möglich „menschlich zu leben“. Die Begegnung mit dem Tod löst  horizontal Beklemmung aus, man ist dann wie hilflos und stammelt besinnungslos. Man zählt dann noch die eigenen Jahre, wie lange noch, wie wird es enden? Angst spricht so, denn jederzeit ist Ende – man weiß es doch nicht, man vertröstet sich mit Quantität, krallt nur am Hiesigen.

Aber: Man lebt doch vom Himmel her, aus Ewigkeit: nur kann man das nicht so ernst nehmen, man lächelt dann ein wenig darüber bei sich selbst, hält sich für unrealistisch oder sogar unheroisch. Woher kommt das Depressive, Traurige, Melancholische – es sind diese Anpassungsschwierigen an Ewigkeit in Welt. Der Heiland ist da, aber er wird nicht ernst genommen, vertrieben, weggejagt: man hält das für Frömmelei und fühlt sich sehr gescheit dabei, oder wie es in der Schrift heißt: man hält sich die Ohren zu!

 

Für den horizontal Erstarrten ist das Un-Mögliche einfach nicht möglich, ewiges Leben eine reine Träumerei, Realitätsflucht. Aber erst wenn das Un-Mögliche da sein darf, anwesen darf, erst dann hat das Leben seinen „vollen Sinn“. Die Seele, die „glauben“ darf, ist auserwählt, begnadet, gesegnet – denn der Glaube ist die Überzeugung von der Ewigkeit hier im Zeitlichen, der Glaube durchbricht also die Gesetzmäßigkeit und Starrheit der Fixierung. Die Gnade beginnt zu herrschen wenn die Gesetzmäßigkeit ihre Absolutheit verliert. Wenn einer „begnadigt“ wird, dann hebt sich Gesetzmäßigkeit auf: denn per Straf-Gesetz müsste dieser Mörder z.B. hingerichtet werden. Dann erbarmt sich der Herrscher und setzt dieses Strafgesetz für den Delinquenten außer Kraft. So auch Gott: er setzt die Gesetzmäßigkeit der Angst und Sorge einfach außer Kraft, sie haben plötzlich nicht mehr den gewohnten Zugriff auf eine Seele, eine andere, göttliche Kraft setzt diese irdischen Mächte außer Kraft. Treue, heißt es, sei das gleiche Wort wie Glaube und wiederum das gleiche wie Amen. Wer glaubt, der ist „treu“ und besiegelt diese Treue: So ist es – so sei es! Das ist der Sieg des Glaubens! Der Himmel kommt nicht nach dem Sterben (das tut er gewiss zwar  auch) – der Himmel „west in Ewigkeit“ und das ist nicht vorstellbar, aber der Treue im Glauben „weiß“ es mit dem Wissen des Wortes und das ist das Ewige Wort, das Heilige Wort. Wenn ich nicht mehr davon hören und wissen will, dass die Erscheinungswelt aus der Ewigen Schöpfung im Vater stammt, dann bin ich „un-treu“, losgelöst vom Ursprung. Intimität kann man nicht er-zwingen, das geht nicht. Es ist erstaunlich, dass man heute über Ewigkeit schweigt, man redet nicht mehr darüber, das gehört sich nicht, die Anderen werden dann verstimmt oder böse, zornig. Oder: man begegnet den „Fixierungen“ mit Fragezeichen, sagt dann: es könnte auch ganz anders sein, es muss nicht so sein wie es aussieht oder scheint. Man spricht gegenwärtig von der Schrecklichkeit und Boshaftigkeit der Welt; mag sein, dass es sich so darstellt  - warum aber spricht niemand von der Herrlichkeit der Ewigkeit, vom ewigen Himmel? Die ewige Seele kann umgekehrt nicht vom irdischen Menschen verärgert werden oder böse sein um ihn, vielleicht sagt sie: Schade, leider – der horizontale Mensch traut sich nicht zum Glauben durchzustoßen. Die ewige Seele hat auch keine Aggressionen, das geht nicht, sie ist ja im Himmel zuhause. Es kommt dann noch, dass der Gelähmte eigentlich keine Zeit hat, es läuft immer schneller und alles muss sehr rasch passieren. Der Gelähmte kennt also die Ewigkeit nicht, weil er bloß in der Zeitlichkeit gefangen ist. Und doch ist ständig die Ewigkeit anwesend, auch wenn ich nichts davon hören will – beweisen lässt sich das nicht und wie wunderbar ist es, dass man Ewigkeit nicht beweisen kann. Denn das eröffnet erst das Handeln „umsonst“. Immer, wenn die Ewigkeit in die Zeitlichkeit einbricht ist „End-Zeit“, dann hört es auf mit dem Absolutismus der Zeitlichkeit, dann geschieht epoché (Husserl) – die horizontale Zeitlichkeit büßt ihre Vergewaltigung ein, man bemerkt: das trägt eigentlich nicht – meine Heimat ist im Himmel. Wie das sein wird, der Himmel? Zum Glück kann man das nicht wissen, also planen und überblicken oder berechnen – das wäre schrecklich, dann könnte man Ewigkeit manipulieren. Nein, Ewigkeit ist nur zugänglich in der Freiheit zur absichtslosen Intimität. Man weiß es sehr gut bei sich: eigentlich läuft es „nur“ horizontal gelebt schief, es stimmt hinten und vorne nicht mit meinen Planungen, mein Planungsbüro meiner Existenz ist längst insolvent, aber man konserviert die Leiche, oft dann lebenslang. Wer auf bloße Zeitlichkeit setzt, wird Kopf-los, verliert die Orientierung, verzettelt sich maßlos: die Zeitlichkeit ist end-los, sie fließt dahin und bleibt nicht: es geht irgendwohin und am Ende angelangt fleht man: betäubt mich bitte!

 

Getauft sein besagt: Gott in der Zeitlichkeit begegnen, jeden Tag, jeden Augenblick. Im 6. Kapitel des Römer Briefes des Heiligen Paulus spricht der lógos von der Taufe auf Jesus Christus, dass wir, die Getauften, auf seinen Tod getauft seien – das heißt: auf die Auferstehung von den Toten. Getauft sein heißt: ich verlasse die endliche Welt des horizontalen Absolutismus und das ist doch schon gewissermaßen ein „Sterben“, ein Loslassen der fixierten Ansprüche, die keine Absolutheit bei mir mehr geltend machen können: weil die Wohnung im Himmel bereitet ist. Die Intention des Christen ist die Ewigkeit im Himmel und damit relativiert sich alle Zeitlichkeit. Mit dem Tod tritt tatsächlich eine „Vollendung“ ein: jetzt ist nichts mehr zu tun, zu machen, es liegt jetzt alles in des Schöpfers Hand, es hat ein absolutes Ende gefunden. Der „Getaufte“ hat diese rein horizontale Welt der Zeitlichkeit schon verlassen, er ist ihr schon gestorben, eine Realität, die er gar nicht mehr abstreifen kann – aber er muss sie „einholen“, „einfangen“ – sie wahr werden lassen. Einmal, heute, morgen oder übermorgen, wird dann auch unser Leib hier enden, aufhören, dann wird aber nur restlos eingeholt, was in der Taufe schon in Vollendung durchgebrochen ist: die Auferstehung von den Toten. Der Tauf-Tag ist der eigentliche Tag der Freude und der Feier und der Sterbetag ebenso, denn hier erfüllt sich dann restlos, was schon volle Realität in der Taufe war und ist.

 

Es heißt in den alten Reden: die Engel hätten nur einmal die Wahl gehabt, dann müssen sie handeln wie sie handeln müssen, daher ist für die gefallenen Engel kein Heil mehr. Hat sich ein Engel entschieden, gilt das in Ewigkeiten. Der Mensch dagegen kann „wählen“ und die gefallenen Engel neiden es uns, dass wir „umsonst handeln“ können, entgegen aller Festlegung der Naturgesetzlichkeit. Der Engel hat gewissermaßen kein Wahl mehr, er hat sich einmal fest-gelegt und so bleibt es dann in Ewigkeit. Der Neid der gefallenen Engel zielt auf den Menschen, der in der Wahl der Tat steht und verhasst in Ewigkeit ist dem dunklen Engel Maria, die reine Jungfrau: denn sie wählt, sie spricht das reine JA ein für Alle Mal. Das kann der gefallene Engel nicht ertragen, das erträgt er nicht, davor muss er weichen. Kein Geschöpf auf Erden ist so in die Freiheit der Wahl gestellt wie der Mensch: Ebenbild Gottes. Das ist uns je jetzt aufgetragen, hier und jetzt! Der Mensch als Geschöpf Gottes ist geheiligt im Handeln „umsonst“: er kann dem berechnenden Kaufmann in sich kündigen, er kann dem Maschinisten in sich kündigen und kann „trotzdem, dennoch, entgegen“ aller Berechnung  für Nichts handeln (kein Eigennutz mehr). Kein anderes Geschöpf ist in diese Möglichkeit gestellt. Es ist die Krönung der Schöpfung: umsonst in der Wahl zu handeln – wir haben kein Roboter-Dasein, automatisiert zu handeln ist nicht schwer, es geht von selbst. Gott, den Schöpfer, zu loben und zu preisen, auch wenn mir physisch Ärgerliches entgegen kommt: das ist ein reines Wunder, da muss der ganze Himmel staunen, das geht sich per Naturgesetzlichkeit nie aus; daher kommt der Neid, dass der schwache Mensch Kraft der Gnade: trotzdem „JA“ sagen kann!

 

Einzig der Mensch ist in dieser Lage: das Leben, das Leiden, zu tragen „umsonst“, in seiner höchsten Möglichkeit sagt er „JA“ zu diesem Leben, seinem ihm zugeschickten Leben, bejaht es und „leidet es gerne“ (trägt es gerne). Per Naturgesetz und menschlichem Hausverstand ist das unsinnig, irrsinnig. Dennoch geht er kraftvollen Schrittes, keiner kann sich das erklären. Das sind die Heiligen! Daher ist jede Sekunde im Leben ungeheuer wichtig, denn was jetzt, in diesem Augenblick geschehen kann, wie ich handeln kann, das kommt nie mehr wieder, es ist dann vorbei: ich sehe dann, ich habe den Augenblick nicht geheiligt (wenn ich nicht umsonst handle), sondern verschleudert. „Tun umsonst“: was ist dieses Tun? Das Tun ist immer ein Hand-eln (darin die Hand liegt) – das Existieren ist grundlegend immer ein Hand-eln und Tun (man muss dabei gar nicht aktiv sein). Man stellt es sich so vor: zuerst denkt man nach und dann handelt man! Aber es sollte anders sein. Wie sollte es sein? Nicht was der Mensch denkt oder spricht bringt die Entscheidung, sondern sein Hand-eln und Tun (ohne Eigenmotiv, umsonst). Dass der Mensch der Täter umsonst sei. Dass man in jeder Situation immer (auch wenn es un-möglich scheint) seine eigene Hand hin-hält, reicht, das ist entscheidend! (gerade dann, wenn es mein eigener Nachteil sein wird) Und die Umstände, in die  man sich gestellt sieht, sie fragen ständig an: wo bist du jetzt – was wirst du jetzt tun – wie wirst du es tun? Du kannst es niemals im Denken oder Wissen einfangen und dann erst tun. Der Mensch hat als einziges Wesen die Fähigkeit „entgegen aller Berechnung, Kalkulation und Naturgesetzlichkeit, entgegen aller rationalen Überlegung, entgegen allem Gefühl willentlich „trotzdem und umsonst“ zu handeln, auch wenn ihm das selbst „irre“ vorkommt. Er kann also seine eigene Natur durch-brechen, er kann also Taten „tun“, bei denen er seine Natur(gesetzlichkeit) opfert. Daher ist das Tun umsonst immer Opferung. Per Naturgesetz kann ich diese oder jene Menschen nicht leiden, die haben mir auch zugesetzt und das Zorn-Gefühl in mir steigt schon hoch, wenn ich die nur sehe. Das geschieht per Naturgesetz in mir. Ich muss dem aber nicht nachgeben, ich könnte für meine Peiniger sogar beten; das wäre schon Gnade – aber möglich wäre das.

 

Das „ist“ das Handeln und Tun umsonst. Es ist un-erfindlich, niemals berechenbar, es geschieht dann, wenn der Heil-land unsere Lähmung jetzt und hier „heilt“! Es ist immer dann dieses Handeln umsonst, wenn man mit Paradoxa konfrontiert wird und nun sieht der ganze Himmel zu und hält den Atem an: was wirst du jetzt tun, in dieser Situation, die dir da entgleitet? Tust du dann dennoch, obwohl du keine Lösung voraus-weißt? Tust du aus einem inneren Überzeugt-zeigt sein, dass es schon gut sein wird, obwohl die Umstände eine ganz andere Sprache sprechen? So ist das Handeln „umsonst“ ein Handeln aus „Glaube, Liebe und Hoffnung“, in diesem Augenblick verlässt die Seele die bestimmenden Parameter der horizontalen Logik, sie verlässt auch gewissermaßen den berückenden (verführerischen) Augenschein, der unentwegt flüstert: nimm mich, ich bin es! Du musst eben nicht wollen, dass alles „stimmt“, dass es nach deinem Plan rund läuft, dass es perfekt ausgeht – das eben gerade nicht. Das Tun „umsonst“ hat keine Aussicht mehr auf Belohnung, sie hat der Eigen-Belohnung gekündigt (also der Sucht nach Befriedigung). Dein Handeln soll also von ganz woanders her gelenkt sein: und dieses „Ganz woanders her“ findet man gerade im unerfindlichen Vertrauen zum Schöpfer: ER weiß es schon, ich muss es nicht mehr wissen und kann es auch nicht, ich muss nicht mehr klassifizieren nach gut und böse, das lasse ich lieber, enthalte mich (faste). Das Handeln und Tun umsonst bestätigt die Vollendung der Schöpfung: es bezeugt, dass an dieser Schöpfung alles „sehr gut“ ist; man könnte eigentlich „ruhen und stille sein“, wie am 7. Schöpfungstag es ja auch geboten ist. Wenn jedes Eigenmotiv (Egoismus) gestorben ist, dann kann die Seele endlich „ruhen“, dann tut sie nur mehr „umsonst“, sie hat keine Eigenziele mehr, sondern steht „ledig“ (Meister Eckhardt; das ledige Gemüt). Denn: wenn etwas voll-endet ist, fertig, sehr gut, was sollte man da noch hineinpfuschen, fuhrwerken: die einzige angemessene Tat wäre ein unentwegtes Danken (der Ge-Danc). Und jetzt sagt man: Schön geredet, aber da ist doch das große Unglück: Corona, Krieg, Krebs, Umweltverschmutzung, Armut überall (vor allem die geistige, aber von der redet niemand) – was ist damit, das fordert doch zum Handeln heraus? Hier gibt es nur eine Antwort und die ist, kann man sagen, über-logisch: wenn es im Schöpfungsbericht heißt, dass alles „gut und sogar sehr gut ist“, dann „ist“ das auch so (obwohl augenscheinlich alles anders aussieht). Dann können nur der „Glaube“, die Hoffnung und die Liebe durchbrechen: trotz der Wirrnis festzuhalten an der Vollendung. Hier liegt der Ursprung des Handelns „umsonst“: es ist vollendet – aber ich sehe horizontal nur Verwirrung, Krieg und Leiden. Würde ich die Vollendung der Schöpfung auch sinnlich und horizontal erfahren, irdisch: ich könnte mich zurücklehnen und nichts mehr tun, das wäre die Folge. Und weil ich das Unglück der Welt sehe, so werde ich doch eingreifen wollen, helfen, spenden, Gutes tun usf., oft aus einem schlechten Gewissen heraus. Und sicher, das ist alles gut und dennoch kann das Motiv völlig der „Lähmung“ entsprechen. Denn: Gott „ruht“ am 7. Schöpfungstag, es „ist“ vollendet. Wie „ist“ es um diese Ruhe und Stille, um diese volle Endung (da nichts mehr gemacht werden muss noch kann)! Die Alternative zum Tun ohne Selbst-Nutzen ist dann jenes Tun, das man uns von Kind an beigebracht hat, das wir wie selbstverständlich übernommen und eintrainiert haben: es ist das Tun zu meinem Wohl, zu meiner Zufriedenheit, zu meiner Erholung, zu meinem Gewinn und Reichtum, zu meinem Wohlergehen. Man sagte doch immer: aus dir wird etwas werden, du wirst Ansehen haben wenn du studiert hast, Geld machen, Häuser bauen, Familien gründen, Urlaub machen, Freizeit gestalten, ausspannen, Rennrad fahren, gut essen, eine gute Pension haben usf. Tu also alles, wenn es einen Nutzen für dich hat, dann ist es sinnvoll, es muss „nützlich“ sein – wenn etwas keinen Nutzen bringt, dann tu das nicht. Das ist jene „Doktrin“, die wir eingehämmert bekommen haben und die wir uns gegenseitig einhämmern. Das gilt auch für die sogenannten Gläubigen: es ist dann schon „nützlich“ zu beten, so könnte man doch den Vater im Himmel günstig stimmen (als ob der Vater auf dieses Tun angewiesen wäre). Beten hat einen zweck-losen Sinn, wenn ein Eigenmotiv dahinter steht, dann steht die Kosten-Nutzen-Rechnung dahinter und damit der Egoismus – zu meinem Vorteil bete ich, vielleicht auch deshalb, dass ich dereinst in den Himmel komme und nicht in die Hölle; so betet der Gelähmte.

 

Die Kosten-Nutzen-Rechnung: wir tun nur dann etwas, wenn es uns nützt, wenn ich etwas davon habe. Da kommen dann diese Gedanken: was habe ich davon, was bringt es mir, davon habe ich nichts, das ist für mich sinnlos, usf. Wer der Kosten-Nutzen-Rechnung bei sich kündigt, der steht plötzlich „ledig“, er hast sich auf-gegeben und zwar in dem Sinne des Hinauf-gebens, er überlässt es nun dem Vater der Lichter, ER weiß es schon, ich muss es nicht wissen (eine unglaubliche Entlastung eigentlich), ich muss es nicht berechnen. Die Seele findet sich dann vor eine Wahl gestellt: kann ich dem Vater der Lichter ganz vertrauen obwohl ich es nie im Wissen einfangen kann? – oder verlasse ich mich lieber doch auf mich und meine Berechnungen, wage ich also den Schritt in die „Freiheit von mir“ (weg von meiner selbstgeschnitzten Oberhoheit)? Die Wahrheit, dass die Schöpfung „in sich schon absolut vollendet ist“ [ist – nicht wird] (und nicht verbessert werden kann), wird geradezu nur Kopfschütteln hervorrufen: denn überall ist es im „Argen“ – und das stimmt schon auch (wenn man in die Welt sieht). Trotz des Bösen in der Welt: die Schöpfung ist „fertig, absolut gut“: dann, von dieser Perspektive her, gilt es: zu arbeiten für das, was mir täglich in meinem Umfeld zukommt, Gutes tun und nicht zurückblicken, gut handeln und versuchen, so gut es geht, zu helfen, mehr zu helfen als erwartet wird, mehr zu tun als mechanisch erwartet wird, im Stillen (das kann z.B. ein Gebet für den Anderen sein). Es ist die Armut und Kleinigkeit, die Bescheidenheit des für gering abgeschätzten Augenblicks, der aber in sich „geheiligt“ ist. Man bemerkt bei sich: ich selbst muss gar nicht die Schöpfung oder mich selbst erlösen (und kann es auch nicht) – ich „bin“ erlöst und also kann ich „ruhen in der Erlösung“. Dann verliert aller Aktionismus seine Wirkmächtigkeit. Sich reduzieren auf die schon seiende Vollendung der Schöpfung heißt im Grunde „Fasten“: es liegt darin das Bekenntnis zum Schöpfer, das Erstaunen vor seiner Allmacht, es ist zugleich diese „Ruhe“ am 7. Schöpfungstag, da nichts „mehr zu tun“ ist, denn alles ist schon getan. Diese „Reduktion“ auf Vollendung ist zugleich Rückkehr und Umkehr (Armut, wie sie auch Meister Eckhardt in seiner Armuts-Predigt trifft). Sich von hier her be-sinnen „relativiert“ jeglichen Aktionismus und weist ihn in die Schranken, den privaten wie den gesellschaftlichen, den politischen wie auch den kirchlichen. In dem Augenblick, da man Gott aus dem Blick verliert, beginnt die ruhelose und aktionistische Wanderung der Seele: sie tut dann immer schon viel zu viel nach ihren eigenen Plänen weil sie die Vollendung in Gott verdrängt hat. Das ist auch der Fluch, der auf Kain liegen wird, also auf uns: ruhelos und unstet zu wandern, immer Programme haben zu müssen, Verbesserungen, humanitäre Hilfsprogramme, ein endloses Herumwerkeln das am Ende doch tödlich sein wird. „Hüte ich – oder jage ich“ – es ist diese Grund-Haltung, je nachdem; das Hüten ist ein Loslassen und Empfangen können der vollendeten Schöpfung und dann auch das Danken dafür (es braucht da zum Glück nicht mehr meine Programme), das Jagen dagegen ist am Ende eine Tod bringende Hetze, verirrt und verängstigt, ruhelos und unstet, erschöpft und depressiv.

 

Der „Gelähmte“, und davon ist ja hier die Rede, ist im Wesen „dieser aktivistische Jäger“ (fast ein Widerspruch, oder?), der ruhelos Jagende, der vor lauter Aktionismus sich selbst belügt, dass er ja aktiv sei, handle, tue, verändere und nie und nimmer „gelähmt“ (passiv) sei. Aktionismus ist aber identisch mit „Lähmung“, deshalb, weil Gott nicht mehr der Ewige Schöpfer sein darf. Im Paradies, kann ich mir gut vorstellen, gibt es überhaupt keinen Aktionismus, hier erfährt und weiß es dann jeder, was das ist, das „Handeln umsonst“.

 

Dieses „Handeln umsonst“ kann man nicht „erjagen“, man kann es aber „hüten“.

 

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

 

(XXII)

Λήθη XIII    Erlösung VI     (Pfingsten 2022)

 

Wort – Sprache - Gedanc

 

 

Gedanke: darin liegt die Dank-Sagung, der Dank. Denken ist eigentlich: Dank-Sagung. Denken ist gewalt-tägig, es erschafft eine immense Welt, massiv in ihrem Auftritt. Im Gedanc schafft sich Welt, ereignet Tat-kraft, zeitigt sich Täterschaft. Im Schuldbekenntnis wird zuerst der „Gedanke“ bekannt, die Werke zum Schluss. Eucharistie besagt: Dank-Sagung, eine nicht überbietbare Weise der Wortung, eine höchste Intimität im Zeitlichen mit dem Schöpfer. Es ist sehr ernst, das Denken. Was und wie wir denken, wie es in uns „denkt“, welche Gedanken in uns herum-geistern, das ist keine Kleinigkeit, das hat unglaubliche Konsequenzen, hier ereignet sich „alles“, Himmel und Hölle. Am Ende (und das ist immer „im Anfang“ – je jetzt) sind nicht wir es, die da Gedanken machen und haben, sondern wir finden uns ein in den Gedanc, der uns auch fesseln kann, der die Macht hat zu „binden und zu lösen“. Man sollte daher auch nicht – wie es leider Mode ist – Abkürzungen verwenden: man sagt Uni und nicht mehr Universität usf. – man sagt Johannes und nicht mehr: der Heilige Johannes (wenn überhaupt). Sprache und Wort sind wie tot, sagen uns kaum noch etwas, wir sprechen nicht mehr eigentlich: man benützt die Wörter wie selbstverständlich zum Austausch, weiter nichts. Darüber ließe sich einiges sagen. Ich lasse das jetzt.

 

Man hat es längst vergessen: es ist der „Geist“, der alles Leben in sich enthält, entlässt, birgt und auch verdirbt, denn es sind auch Geister, die ins Verderben führen. Realität (darüber ließe sich Wichtiges sagen) entbirgt sich aus Geist und ohne Geist wäre nichts. Ich bin überzeugt, dass das Menschliche jederzeit geneigt ist: zu diesem oder jenem Geist und immer wenn es zu Gott führt, dann sind sehr dicht die Heiligen im Hintergrund am Werk, befördern und befeuern unsere Weg-Marken, Winken uns entgegen. So ist es auch mit den Dämonen, die uns jederzeit „engen“ und „ängstigen“. Die wahre Wirklichkeit liegt daher im „Wort“, im Gedanc (darin der Dank). Danken und Denken sind im Wesen „dasselbe“ und es wäre gut, das einmal sehr ernst zu nehmen, das Wort, das Denken und das Danken – viel mehr ernst zu nehmen als den äußeren Augenschein.

 

Man stelle sich nur vor: ich denke da etwas und indem ich es denke nimmt es sogleich Form (Wirklichkeit) an, wird massiv, ist Schöpfung im Wort (so spricht man doch auch vom Gebirgs-Massiv, staunend stehen wir davor, so auch vor dem Wort Gottes: heiliges Massiv). Das hat unglaubliche Konsequenzen: denke ich schlecht über einen Anderen, dann hat das schon unglaubliche, massive Konsequenzen, viel realer und wirklicher als sinnliche Erfahrung. Mysterium: das Unaussprechliche! Die Formen, der Aus-Druck könnte man auch sagen, erzählen immerzu vom Mysterium. Die Formen sind daher immer „wesentlich“: jede Form hat etwas zu sagen, zu bedeuten, nichts ist daher belanglos oder langweilig, alles hat tiefe Bedeutung. „Um zu tun – damit getan werde“: irgendwo war die Rede, dass das Werk der Schöpfung in sich vollendet „ist“ (nicht wird) – und also könnte jedes Tun Heiligung bedeuten; in der Schöpfung ist „heiliges Handeln“ immer angesagt, weil sie vollendet und „sehr gut“ ist. Heiliges Handeln ist „heiles (und ganzes) Handeln“ – es erklärt nicht, sondern „tut umsonst“, erst im Umsonst-Tun bezeugt sich heiliges Handeln. Heiliges Handeln hat kein Eigen-Motiv mehr, es tut: weil es tut, es liebt: weil es liebt!

 

Opfer heißt: Verloren-gehen, ich gebe mich hin, gebe meine Selbstgenügsamkeit auf, beendige meinen Ruhe-Zustand: was auch immer jetzt geschehen mag, ich gehe jetzt diesen Weg von dem ich nicht weiß (Wissen), wohin er mich bringen wird: Gott weiß schon und so ist es gut. Jede „Tat“ des Menschen (jede) hat unermessliche Konsequenzen, bis zu einem unübersehbaren Ende. Erlösung (man versteht das heute nicht mehr): ist die Grundlage der Welt, dass sie dennoch Bestand hat. Am Freitag-Nachmittag geschieht dieses Opfer Gottes: alles, restlos, wird geopfert, damit Erlösung sein kann – Gott selbst opfert sich! Das je „Jetzt“, dieser Augenblick je jetzt, hier und da, er kann nur sein, weil Gott sich selbst opfert – immerzu. Ich erinnere eben die Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts, an die noble Gesellschaft z.B. am Semmering, die großen prächtigen Hotel-Bauten, an das Riesenhafte, an das sogenannte „schöne Leben“, die Literatur, die Musik, die Wochenend-Gesellschaft, die Psychoanalyse, das Wohlgefühl, gerade hier begann auch der Zeitvertreib, die Genuss-Welt kam hoch, das Gefühl: jetzt haben wir doch das Paradies auf Erden. Man wurde sehr, sehr selbstzufrieden, selbstgenügsam, zumindest in den oberen Schichten und die unteren sehnten sich noch mehr nach dieser Selbstzufriedenheit.

 

Dann „passierte“ plötzlich dieser grausame 1. Weltkrieg, am Höhepunkt dieser Selbstzufriedenheit, da man die „ontologische Differenz“ sehr selbstüberzeugt geschlossen hatte. So ist auch unser Zustand jetzt, Mai 2022.  Und so war es doch auch in den dreißiger Jahren, dieser rasante wirtschaftliche Aufschwung, Arbeit plötzlich für alle, Sozialleistungen, mag ging dem Wohlfahrtsstaat entgegen – auch im Osten war diese Doktrin: Sozialstaat am Werk – und dann wieder die Vernichtung im Weltkrieg. Nach dem Krieg  - bis heute – erleben wir wieder, zumindest in der westlichen Welt aber auch in Fernost – diesen imposanten Weg zum Paradies auf Erden; überall ist das am Werk und wieder wird die Vernichtung folgen. Warum eigentlich? Es liegt sicher nicht an der Dummheit, sondern an der Vermessenheit des horizontalen Absolutismus. Und so tickt es doch auch in unseren kleinen Existenzen: die wohlverdiente Pension wäre dann so ein endlich verdientes „Paradies auf Erden“ – aber die Vernichtung (mein Sterben) kommt dennoch (man sucht sie halt so gut wie möglich zu verdrängen). Der Wohlfahrtsstaat ist wesentlich Lüge und Ablenkung, weil er ein Paradies „hier“ vortäuscht: wenn aber der Schöpfer sich selbst „opfert“, dann liegt darin die Nüchternheit des Opfers auch für mich: hinter dem horizontalen Absolutismus liegt die Ewigkeit, der Himmel, sagt man (und versteht es nicht mehr) – opfern hieße dann recht verstanden: aufhören damit, den horizontalen Absolutismus anzubeten, also auch damit endlich aufzuhören, sich „aufzuregen“. Opfern hieße dann, dem „Wesentlichen näher kommen“ und das geht nur, wenn ich das Un-Wesentliche los-lasse.

 

Himmelfahrt Christi – heute, jetzt, feiern wir das: der ewige Sieg ist errungen, der Himmel (die Intimität [Nähe] zu meinem Schöper) – „ist“ da. Wenn man „umsonst handelt“: da kann man ein starkes Gefühl dafür bekommen, ganz in der Nähe bei Gott zu sein: denn der Schöpfer gibt und gab Alles wie für Nichts, er verlangt keine Gegenleistung, er ist kein Kaufmann und handelt nicht: quid pro quo. Das Tun „umsonst“ ist großartig, besonders dann, wenn alles hier dagegen spricht und vielleicht auch noch Fußtritte erhält und dennoch wünscht man dem Anderen das Beste. Nach Naturgesetz hätte der dann Strafe verdient oder Retourkutsche oder Rache oder sonst was, aber nein: ich schenke mich dir trotzdem, einfach umsonst, sogar wenn es mein Nachteil sein sollte. „Das“ erst ist eigentlich „menschliches Handeln“ – das Handeln als Kaufmann dagegen ist sehr tierisch, noch  nicht eigentlich menschlich, sehr un-frei und gebunden – nach Naturgesetz. Wer „tut umsonst“ tut es im Verborgenen, ohne dass man es bemerkt und Applaus erhält. So erst ist das Handeln frei von Ansprüchen und Erwartungen.

 

Man sollte sich daher immer beim Anderen bedanken wenn man von sich etwas gibt, ganz entgegen der gewohnten Intention: ich danke dir, dass ich dir das schenken darf. Denn gewöhnlich erwarten wir den Dank vom Beschenkten und da liegt schon Berechnung und Falschheit und Stolz darin. Ich darf dich beschenken: danke dir dafür! Das Danken und Lieben: sie sind wesentlich ein „Leiden“ (und das bringt der heutige Gehrin-Zustand nicht mehr zusammen). Es ist gut beobachtbar: am Leiden „scheiden sich heute die Geister“. Meister Eckhardt sagt einmal: das Leiden sei das „schnellste Tier, das uns zur Vollendung brächte“ (frei übersetzt). Das Tierische ist wie ein „Trieb“, ein ungeheurer Andrang, dem man nicht standhalten kann oder nur sehr schwer.

 

Interessant: das Leiden wäre dann der schnellste An-Drang zur Heiligkeit, zur vollendeten Glückseligkeit. Im Leiden geht das sozusagen „Ruck zuck“ – freilich dann, wenn das Leiden „geheiligt“ ist. Und geheiligt ist nur das „empfangene“ (und nicht das selbstgemachte) Leiden. In diesem Sinne ist das Leiden immer zuinnerst ein „Lieben“, ein Empfangen können, eine richtige Leiden-schaft, ein augenblickliches Dank-Gebet über die erfahrene Widerfahrnis. Auch das gilt dann: erst das erfahrene Leiden kann geheiligt werden, großspurig von Ferne über Leiden daherreden bedeutet nichts. Ich verstehe das Leiden aber auch in dem tiefen Sinne der Geworfenheit (Heidegger): geworfen in mein So-Sein, ich konnte es mir nicht aussuchen sondern bin aufgerufen es zu bestehen, es zu "heiligen". Das gelingt nicht mehr aus mir, sondern nur mit dem Erlöser, dazu ist er Mensch geworden. Der recht verstandene „Leidende“ ist jener, der geradezu „voll zulangt“, in vollem Ausmaß annimmt, alles als Gabe Gottes empfängt: das ist der „Leidende“. Wenn man das von dieser Perspektive her betrachtet, so hat der „heilig Leidende“ kein Froschperspektiven-Leiden mehr, also unsere Tränen-Mentalität, der Heilige im Leiden kann nicht depressiv sein, sondern er singt und lacht immerzu, ist frohgemut: weil er doch nur eines vermag: voll zulangen, voll zugreifen, voll empfangen und er weiß dann: sehr gut ist es so! (6. Schöpfungstag)

 

Das Leiden der Menschheit ist zugleich auch und zuvor schon das Leiden Gottes selbst, er leidet mit uns alles und duldet alles mit, kein Leid ist ihm fremd. Die größte Gefahr des Existierens liegt in der Versuchung zum Schließen der ontologischen Differenz und das gilt auch für die „als ob“ Existenz, die zwar zugibt, dass die irdische Welt nicht alles sein kann, dass es schon einen Gott geben könnte usf., aber im Grunde zählt dann doch nur das Irdische und so baut man lebenslang weiter an seinem eigenen irdischen Tempel, bis der dann doch zusammenkracht. Das „goldene Kalb produzieren“ heißt den Kreis der ontologischen Differenz schließen: für so einen Menschen gibt es dann kein Geheimnis oder Mysterium mehr, alles ist erklärbar und berechenbar; dann ist das Paradies auch hier und jetzt und wenn nicht heute dann eben morgen. Bei genügend „horizontalen Mitteln“, so überzeugt und belügt man sich, wird es hier horizontal absolut gelingen. Der Gedanke, dass da etwas nicht stimmen könnte, wird verdrängt und vernichtet, am Ende gekreuzigt. Mit dem Produzieren „aufhören“ weil ja alles schon vollendet ist: was wäre dann noch zu tun? Das eben ist der Kampf, der zu kämpfen ist. Dann heißt es: wer „glaubt“, hat keine Eile mehr! Die Tatsache, dass man etwas in sich aufnimmt, das vorbeizieht, das ist schon „Tat“.

 

Darum: was nehme ich auf, was „esse“ ich – worum bekümmere ich mich, wonach giert mir, was bereitet mir Sorgen, worum ängstige ich mich? Z.B. ängstige ich mich zeitlebens um die Meinung der Anderen über mich – das „esse“ ich, nehme ich auf und verstoffwechsle es. Es kann eine Art Besessenheit sein und es macht unrund, belagert mich. Plötzlich ergibt es sich, dass die Meinung der Anderen über mich nicht mehr wichtig ist, es ist ihr Problem, nicht meines. Da hat sich dann Entscheidendes ereignet. Die Sprache spricht: selbst wenn der Mensch sogenannte Dummheiten äußert, aus-spricht, hat er in diesem Moment Kontakt mit anderen Welten, bei Dummheiten eben mit dämonischen Mächten und Geistern, die dann durch ihn hindurchsprechen. Essen ist daher nicht nur „Essen“, Nahrungsaufnahme zum Fortbestehen des Körpers, alles dagegen, was und wie es uns begegnet und unsere Aufmerksamkeit erregt, ist Nahrung, Essen. Ist dieses Zu-mir-nehmen „nervös“ (getrieben), kann ich die Dinge auch „seyn“ lassen oder muss ich nicht ständig herumwerkeln, aktiv sein, verändern, umändern. Kann die Große Gelassenheit sein: ich lasse den Dingen ihr Seyn. Wenn es „wahr“ ist, dass die Schöpfung in sich „vollendet“ ist, dann ergibt sich: die Schöpfung und alles in ihr lässt sich gar nicht verbessern, das Werk der Schöpfung ist das Wunder der Vollendung. Daraus ergibt sich: Schöpfung kann man nur empfangen und aufnehmen, also in gewisser Weise „konsumieren“ (aber nicht konsumieren in einer aggressiven Weise). Die schon vollendete Schöpfung erklingt in einer vollendeten Melodie uns zur Freude, uns zum Genuss und zwar in einer los-lassenden Haltung: immer, wenn eine Haben-Mentalität hereinspielt, entsteht Miss-Klang. Der „Wein“ ist ein gutes Beispiel: er ist Zeichen der Heiligung oder des Rausches, je nachdem. Die Dinge nicht mehr haben müssen sagt: ich kann sie los-lassend genießen, zur Freude, zum Dank, zum Staunen, aus Ehrfurcht. Die Ehrfurcht, heißt es, ist der Beginn aller Weisheit. Ehrfurcht singt: nichts was ist, ist selbstverständlich, sondern durch und durch „erstaunlich“ und das gilt von jedem Augenblick. Nicht mehr „eingreifen müssen“ in die waltende Vollendung bezeugt die metanoia. Es wird dann stiller und friedlicher um eine Seele, man kann dann mehr „gewähren“ lassen und findet sich in Gelassenheit wieder. Man kann plötzlich Dinge akzeptieren, die man früher nicht sein-lassen konnte, aus Furcht oder aus Angst, nach und nach „hört man auf“. Das „Auf-hören“ ist schon im Deutschen ein Wunder der Sprache (speculativ): der, der auf-hört, der hört hinauf zum Vater der Lichter, er konsumiert nicht mehr horizontal, sondern nährt sich aus der Quelle aller Lichter: er hört dann auch auf mit dem bedrängenden Tun-müssen. Der Geheilte „muss“ nicht mehr, sondern erfreut sich an der Beschenkung.

 

Es „seyn-lassen-können“ ist absolutes Zeichen des „Heiligen Geistes in Welt“, denn per Gesetz ist so etwas „un-möglich“, per Gesetz muss man ja eingreifen, Profit machen, expandieren, etwas aus sich machen, Titel bekommen, etwas darstellen, Leistung bringen, schön sein, erfolgreich sein, ein gutes Zeugnis bekommen usf.

 

Ich bringe da ein Beispiel aus dem Jahre 1963, es handelt sich um das Unglück im Vajont-Tal. Geologisch und per Naturgesetz „wussten“ die Verantwortlichen schon Bescheid, dass das nicht gut gehen würde mit dem Stausee, dass die Berg-Flanke des Monte Toc instabil sei. Venedig sollte mit Strom versorgt werden, man sah schon die Kassen klingeln, der Profit. Freilich, man argumentierte „pro“ Bevölkerung: endlich haben die Arbeit für Jahre, in Longarone war die materielle Armut zuhause, aber plötzlich sahen die Leute: Arbeit, Gewinn, Geld, Ende der materiellen Berg-Armut – und so ging man an den Bau. [Heute, Mai 2022: man baut den "Tunnel durch den Semmering" - die Natur wehrt sich, sendet Zeichen, man verlängert schon die Bauzeit um 2 Jahre, Geologen haben gewarnt, das Gestein sei instabil usf, es ist die gleiche Situation wie 1963 im Vajont].

 

Die Jungen in Longarone wurden „reicher“, Autos wurden gekauft, man konnte reisen, endlich das Vergnügen, das Leben genießen, Wünsche gehen in Erfüllung – wirklich erfahrbar: das Paradies scheint sich aufzutun. „Monte Toc“ heißt im Friulanischen übersetzt: „morsches Stück“ – instabil, der ganz Hang. Dennoch baute man und hernach gab es immer wieder Zeichen des Unglücks – man sah das, verdrängte es aber. Der Mensch „greift ein“ wider aller Zeichen, er fuhrwerkt „dennoch“ und die Katastrophe kommt am 09.10.1963, um 22:39 Uhr rutscht der Monte Toc in den Stausee: mehr als 2000 Menschen finden den Tod. Vor Mitternacht geschieht das, es ist jene Zeit, in der der Mensch meint, das Paradies sei horizontal zum Greifen nahe, Hybris, Hochmut, es ist die Expansion der Werkmöglichkeit, man könnte auch sagen: der Wohlfahrtsstaat verwirklicht sich. Die Bauern im Vajont wussten dagegen vom „morschen Stück Berg“, die waren auch skeptisch dem neuen Reichtum gegenüber, die Jungen, die Generation meiner eigenen Eltern, die waren begeistert und hielten das Alte eben für rückständig. Die Katastrophe kam gar nicht über Nacht, sondern es dauerte Jahre, es gab immer wieder Zeichen der Mahnung, der Berg schrie, aber man wollte es nicht hören. Nichts hat sich da verändert: heutzutage „baut“ man Betonklötze gerade so, wie es Profit bringt, obwohl alles dagegen spricht (zu viel Grundwasser z.B. jetzt bei uns in Mödling), man baut dennoch. Und dann läuft die Maschinerie, die Hybris erfüllt sich fast wie per Gesetz. Wir wissen um unseren ungesunden Lebensstil, aber wir tun weiter und zwar noch rascher und eiliger, wie wenn es etwas zu verlieren gilt. Diese ver-irrte (irre) Schnelligkeit! Wie wenn man durch Schnelligkeit die Dummheit und Blödsinnigkeit verbergen könnte! Eingreifen um jeden Preis: ins eigene Leben, das Leben der Anderen, in Gesellschaften, in Staaten - immer dieses Eigen-Tun-Müssen.

 

Ohne Gott leben wollen: man weiß es ganz bestimmt in sich: das führt ins Unglück, das führt mich ins Verderben. Aber man "tut" das, man lebt ohne Gott dahin obwohl man es bestimmt "weiß" in einem Wissen, das tief verborgen - in jedem von uns - liegt. Man baut dann lebenslang an der "eigenen" Staumauer (wie im Vajont) und es kommt dann zur Katastrophe.

 

Oben war von der Vollendung der Schöpfung die Rede und dies verlangte doch ein „Nicht-tun“, damit gibt man das willkürliche Handeln auf, nämlich aus Ehrfurcht vor dieser Vollendung. „Sich nicht mehr selbst einmischen“ ist eine Möglichkeit, die per Gesetz un-möglich scheint und erst hier beginnt das „freie Hand-eln“. Es geht also um den Abstand zwischen Himmel und Erde in der Sprache. Die Sprache „spricht“ (Heidegger) – sie sagt uns zu, sie setzt uns zu (heute zwar nicht mehr, dennoch ist es so). „Schaffen“ ist also nicht ein Machen, sondern Schaffen bedeutet: zurückfinden in die Schöpfung, zum Ursprung, zum Vater aller Lichter. Erst hier beginnt die Kreativität: in diesem Handeln als Umkehr.

 

Sprache und Wort: was sind sie? Es „formt sich“ jederzeit ein Bild in uns (durch Sprache und Wort) – im Wesen ist die Sprache Schöpfung Gottes, sein Selbst-Gespräch: Gott „spricht“ und es „ist“. Seyn ist Sprache Gottes und so ist auch unser Sprechen wesentlich göttlich, Akt der Ewigkeit. Sprache ist nie „nur so“, Gelerntes oder Angewandtes: nein, Sprache spricht damit ich ihr ent-spreche und die Ent-sprechung ist immer Antwort.

 

Eine Behauptung: Schöpfung „ist“, damit das Geschöpf um-kehrt, sich zum Schöpfer zurück-wendet. In jedem Fall der Schöpfung (gemeint ist auch der ruinöse Fall) ist die Schöpfung geborgen in Gott. Auch wenn sich die Menschheit vernichtet, so ist sie dennoch geborgen in Gott, nichts entgleitet ihm. In der Schöpfung liegt daher kein Automatismus, Gott ist kein Maschinist: es gibt die Freiheit „Nein“ zu sagen und das „Sagen“ ist im Grunde ein „Wollen“. Wer nicht Gott „will“, der will das Nichts (Kardinal Sarah). In dieser Option liegt die ganze Würde der Schöpfung, dieser Spiel-Raum der Freiheit erst macht uns Menschen zum Ebenbild Gottes. Hierin liegt auch der ganze „Ernst“ der Tat, meines Handelns, denn die Schöpfung ist kein beliebiges Spiel, sondern immer Ur-Aufführung (es gibt einfach keine Als-ob-Proben in der Schöpfung) – jede Tat ist immer Vollzug der Konsequenz der Tat. So sind wir immer „Täter des Wortes“ (mit allen Konsequenzen).

 

Die Müdigkeit im Menschen ist die Schläfrigkeit seiner lieblosen Spiele in der Arena des Lebens ohne Konsequenz. Ein Gedanke: unsere Heilige Jungfrau und Gottesmutter Maria – sie hätte auch „Nein“ sagen können, ich glaube, diese Option hatte sie unbedingt, diese Freiheit zum „Nein“ und der Sieg liegt gerade in dieser Freiheit auch zu diesem Nein „nein“ zu sagen: Mir geschehe! – diese „Ja“ ist heilsgeschichtlich universal, absolut. Man muss das tief begreifen, zulassen. In jenem Augenblick hat sich die gesamte Schöpfung für immer und ewig Gott zugewandt – an diesem „JA“ ist nicht mehr zu rütteln. Die Freiheit der Tat enthält die gesamte Schöpfung, entscheidet gewissermaßen über Heil und Unglück der Gottferne. In dieser Freiheit der Tat liegt die „Tat umsonst“, sie ist höchste und intimste Tat (Handlung). „Umsonst“ hat kein Motiv mehr, ist gesäubert von Eigennutz, rein von Perspektive, arm von Wohlgefühl, überhaupt ledig von Gefühl. „Umsonst“ weltet im Irrsinn der Umstände und bekennt: dennoch, trotzdem, umsonst! Und so wird Gott Mensch, geht mit mit seiner Schöpfung, in dieser ganzen Freiheit des „Umsonst“, in diesem Wagnis der ewigen Verbannung (Freiheit).

 

Dass eine einzige Seele „umkehrte“, darin liegt die Rettung der gesamten Schöpfung. Umkehr ist eigentlich nicht zu begreifen, sie liegt außerhalb der irdischen Maßstäbe. Eine „einzige Seele“ erhält die gesamte Schöpfung, denn der Schöpfer müsste doch unsere Welt hinwegfegen, zurücknehmen, so weit hat sie sich von ihm entfernt. Diese „einzige Seele“ ist die „heilige Seele“, es ist die Seele jetzt in mir selbst, die zur Heiligkeit aufgerufen ist: zum Handeln (Täterschaft) umsonst, für Nichts! Diese heilige Seele lebt ganz im Verborgenen, im Geheimen: es sind dann die Heiligen, die das auch nach Außen tragen, bezeugen, Zeugnis geben. Das Handeln umsonst rechnet nicht mehr mit sich selbst, es opfert sich und schenkt sich hin: in der Täterschaft zur höheren Ehre Gottes und im Dienst am Nächsten. Es geht darin um nichts anderes als um die Wahl, mir selbst eine Welt zu bauen oder die Welt zu „empfangen“. Der Mensch ist alle Augenblicke in diese große „Wahl“ geworfen: der Sündenfall ist „jetzt“, ich habe die Wahl: Gott, zu deiner Ehre oder ich wähle „mich“ – je nachdem.

 

Was und wie man etwas hier tut, wie man handelt, das hat immer etwas Unabänderliches: es ist die Konsequenz der Handlungen. Man hört das nicht gerne, weil man sich mit der „als-ob-Option“ betäubt, mit den endlosen Generalproben. Das Tun-umsonst hat keine Legitimation im Horizontalen, es folgt keiner irdischen Logik mehr. Es ist sehr ernst darum, kein Spielchen: dass Seelen umkehren, heim-kehren, das ist der größte Weg, das größte Wunder auf Erden. Es ist die Frage, warum diese Welt noch existiert, warum besteht sie überhaupt noch; jedenfalls waltet darin keine Gesetzmäßigkeit, keine Logik der Naturnotwendigkeit. Existiert diese Welt deshalb, weil noch „ein“ Gerechter, „ein“ Heiliger ist, der „umsonst“ (also göttlich) handelt? Die Treue umsonst handelt in jedem kleinsten Augenblick der Erzitterung im Existieren, das heißt im „kleinsten Augenblick“ (den wir oft missachten oder gar nicht beachten) – hier entscheidet es sich: es sind die Kleinigkeiten des Alltags, in denen der Augenblick geheiligt wird oder auch nicht, je nachdem! Denn wir wissen nie genau (und das ist doch sehr gut so): was bringt mir der nächste Augenblick: Krieg, Krankheit, Leid, Verlust, Ärger usf. – aber ich gehe mit, dennoch, trotzdem – ich tue das Unerwartete, das ich von mir oder das Andere von mir nicht logisch erwarten. „Euphorie“ ist eine Gefährlichkeit: es ist die Geschichte vom vollkommenen Glück im irdisch Vergänglichen. Euphorie singt jederzeit: dieses noch und dann ist alles geglückt! Den Weg der Entwicklung gehen: Genuss, Zufriedenheit – es nur „hier“ gut haben wollen, es selber einrichten wollen – oder: Tun umsonst, nicht mehr zu meinem Wohlgefühl. In der Mechanik leben ist wohl der Tod der Seele: mechanisch handeln wir in allen unseren Vorstellungen und Berechnungen. Der Mechaniker kommt nicht damit zurecht, los-zulassen, sich der göttlichen Führung preiszugeben, er muss selbst rechnen und kalkulieren. Der Rausch ist im Wesen die Berauschung am Wohlgefühl: es in diesem Zustand vollends erreicht zu haben, das Versprechen des Horizontalen scheint eingelöst – besser geht´s nicht, fühlt man – es könnte immer „so“ weiter gehen. Aber das tut es nicht, es kommen Alter, Krankheit, Verderben. Man merkt: ich habe auf Sand gebaut, alles vergeht, alles Windhauch, nichts bleibt hier. Wenn man dies bemerkt, dann ist man „wach“, aus dem Rausch erwacht. Die Verführung der weltlichen Dinge zieht dann nicht mehr ganz, man weiß: das ist nicht Alles. Es geht also darum, die selbstische Planungshoheit über sich selbst zu verlieren: einen dramatischen Verlust auszuhalten. Wenn man „dies“ schon bemerkt hat, dann blickt man auf das Mysterium, dann kann die alte Welt nicht mehr vollends überzeugen, es geht dann nicht mehr.

 

Der Verlust des Glaubens bringt die „Lähmung“ nur für diese vergängliche horizontale Welt zu leben: immer und immer weiter so. Die Lähmung besteht gerade darin, nicht mehr mit dem Schöpfer verbunden zu sein. Das Paradox der subjektiven Freiheit: alles ist mir möglich ist im Wesen eine Lähmung; das führt dann auch zu massiven Depressionen und Ängsten, die man berauscht verdrängen muss. Keiner spricht mehr über den „Glauben“, auch jene nicht mehr, die es wissen sollten. Die Erfahrung unserer geistigen Obdachlosigkeit ist immens, man spricht nicht mehr über Gott und über den Heiland. Wir sind „so“ aufgewachsen, als sei der Glaube eine fromme Option, etwas für Alte. Gelähmt sein heißt: unbeweglich (fixiert) sein. Wenn sich eine Seele auf etwas „fixiert“ (festlegt), dann ist sie gelähmt und wenn sich die Seele nur mehr auf Zeitliches oder Vergängliches, auf Vergnügen und Genuss, auf Urlaub und Pension, ein gutes Konto usf. fixiert, dann ist sie sehr gelähmt, un-frei und schwer krank. Die gesamte Medienlandschaft lädt ein zu „Fixierungen“, schon allein die Schlagzeilen und Bilder flüstern: so ist es und nicht anders.

 

Warum erzählt man nicht mehr vom lebendigen Gott, warum gehört sich das nicht? Ist es nicht unsere Verpflichtung, das 1. Gebot, das allererste?

 

Gelähmt sein: was hat es damit auf sich?

 

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

 


 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXII)

Λήθη XII    Erlösung V     (Auferstehung im Herrn 2022)

 

Vollkommenheit im Wort

 

1949 ver-dichtet Paul Celan „Nachts, wenn das Pendel der Liebe schwingt…“ – es  ist seine Zeit im Exil, er „flieht“ über Ungarn, Wien nach Paris. Die „Flucht“ ist unsere – wir fliehen immerzu. Die „dritte“ Strophe singt: Was sich nun senkt und hebt, gilt dem zuinnerst Vergrabnen: blind wie der Blick, den wir tauschen, küßt es die Zeit auf den Mund“.  In diesen Jahren ist Celan mit Ingeborg Bachmann intim. „Herz-Zeit“ nennt sich dieser Brief-Wechsel, Austausch der Intimität. Vor Jahren las ich diese Schrift und ich empfand eine großzügige Zurückhaltung bei Paul Celan, ein unglaublich geduldiges Warten auf die „intime Antwort“, auf das Echo aus der Stille. Es kam nicht, es antwortete nicht. Und so "verlor" man sich.

 

Die Intimität Gottes ist uns angeboten, aber wir antworten nicht! Es ist gut, wenn man das deutsche Wort Liebe mit „Intimität (Nähe)“ über-setzt, so bemerkt man eher, wie weit man sich vom Ursprung in Gott entfernt hat. „Vollkommenheit im Wort“ meint Vollendung und es ist das Drama unseres Geschicks in der Zeitlichkeit, dass wir mit der Vollendung „nicht intim sein wollen“. In der „Dichtung“, weiß man, ist jedes Wort Offenbarung und so ließe sich jetzt Wesentliches in der Dichtung von Paul Celan sagen, über den „Kuss auf den Mund in der Zeit“ (in den Wassern  der Zeitlichkeit). Das Küssen ist wesentlich ein "Besiegeln", ein Zeichen der Hingabe wie beim Essen, die Speise wird aufgenommen, zer-bissen, ein ganz intimer Vorgang. Die Zeit auf den Mund küssen: es gibt zwar die Irrfahrten auf den Wassern der Zeit und dies alles ist "sehr intim" und am Ende (im Anfang) auch gut, sogar "sehr gut" (also keine Welt-Verachtung). Der Kuss ist Zeichen der äußersten Hingabe, auch der Judas-Kuss, so sehr, dass jener Kuss die Leidenschaft auf das "nur" Hier und Jetzt äußert (ver-äußert). Jener Kuss verfestigt sich nur auf die Äußerlichkeit, eben auf die Ver-Äußerung und das ist dann auch der "Verrat".

 

Der Zyklus „Heilige Maria – Mutter Gottes“ fügt sich nun dem lógos im Kapitel 21 und 22 der Heiligen Offenbarung des Johannes, er spricht von der „Vollkommenheit der Schöpfung“. Gerade jetzt „muss“ man von dieser Vollkommenheit sprechen, von diesem „Göttlichen Kuss auf die Zeit“, muss bezeugen den Austausch der Intimität. Die „Heilige Schrift“ endet in diesen beiden, letzten Kapiteln. „Gerade jetzt“ meint unsere Zeit hier und jetzt, meint alles, was hier jetzt geschieht, was sich ereignet. Der Göttliche Kuss auf die Zeit ist das Zeichen, dass die "Zeitlichkeit" gesegnet ist, daher ist keine stoische Weltverachtung angesagt zugleich aber auch keine Zeit-Vergötzung (Judas), die nicht los-lassen kann.

 

Im Anfang ist die Schöpfung vollkommen und im Ende ist sie es auch: auch in unserer End-Zeit, in der wir jetzt mitbekommen, dass alles der Vollendung zugeht, der Vollkommenheit, dass das Zeitliche ein Ende finden muss. So möge es gelingen, das zur Ruhe Kommen in diesen unruhigen, kriegerischen Zeiten, ein wenig davon zu sagen: von der ewigen Vollkommenheit der Schöpfung, der Offenbarung des Heiligen Johannes, von der Ver-Dichtung in der Intimität und das ist doch zugleich das, was das Wohnen im „Gebet“ meint: die Liebe.

 

(Weiterführung)

 

 

 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XXI)

Λήθη XI    Erlösung IV     (Auferstehung im Herrn 2022)

 

Auferstehung: Vom Handeln umsonst – für Nichts

 

Das Handeln „umsonst“ ereignet sich nicht um des Lohnes Willen, äußerer oder innerer Lohn, der Lohnarbeiter in uns wird dabei begraben. Für den rationalen Menschen geschieht das  dann, wenn sogar augenfällig Sinnloses getan wird (das nichts mehr einbringt, wenn dabei nichts herausschaut). Auferstehung kann nicht „hier“ in der Zeitlichkeit sein: der Höhepunkt des Lebens, so wird es meistens verstanden, liegt vielleicht in der Zukunft, also in Zeitlichkeit. Mit diesem horizontalen Prinzip muss man brechen, es sehr relativ setzen. Es ist dies zugleich die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben hier, von diesem „alten Menschen“ ( Röm 6,3) in uns, der danach verlangt, das Vergängliche immerzu zu halten, man will es nicht aufgeben und es immerzu auskosten, so, als wäre dies Alles. Der „alte Mensch“ soll sich nur um diese Welt hier kümmern: fressen, saufen, Mehr und Mehr, Lust und Laune: alles für den Augenblick (Rausch der Sinne), Krieg führen, expandieren. Der „alte Mensch“ (Paulus) ist jener, der die Horizontalität anbetet und in vieler Hinsicht verspricht ihm die Entwicklung Ankunft und Erlösung, Rausch der Befriedigung, erreichtes Ziel „hier“, dazu gehört auch die Mentalität des Machertums.

 

Diesem „alten Menschen“ sterben verlangt eine Entscheidung und wenn diese Entscheidung nicht in voller Klarheit getroffen wird, hat man seine Seele losgelassen in diesen Rausch des horizontalen Absolutismus. Der Weg der Nüchternheit, der Weg der Loslösung von diesem Absolutismus ist der Weg der „Umkehr“, und diese Umkehr geht nicht ohne Grund-Entscheidung. Jener Welt und der anderen Welt zugleich dienen, das geht nicht. Dieses Absterben verlangt zugleich die Suspendierung der Zeitlichkeit in dem Sinne, dass ihr nicht mehr absolute Dignität zugesagt wird. Die sterbende Haltung ist im Grunde der Anblick der eigenen Sterblichkeit und nicht mehr das Verdrängen des Todes (davon wird unten die Rede sein: Elia erscheint der Witwe von Zarpath und diese Witwe ist jene Seele, die sich keine Illusionen mehr machen muss, die also das Sterben nicht mehr verdrängen muss). Es kann also hier im Vergänglichen keinen „Kompromiss“ geben, entweder „stirbt die alte Welt“ oder eben nicht. Umkehr ist wesentlich „kompromisslos“, wer umkehrt und es ernst meint, der muss umkehren mit „allem“ was er ist und hat, nichts darf er in der „alten Welt“ zurücklassen. Und die „Gewohnheit“ in der alten Welt tut ihres schon dazu, dass man das Gewohnte nicht aufgeben will, es willentlich los-lässt und es sein lässt damit. Aber genau das ist eben verlangt und so ist es doch, dass im Angesicht des Sterbens der Mensch meistens „sehr nüchtern“ wird darüber und ihm klar wird: ich war eigentlich immer dem horizontalen Absolutismus verfallen.

 

Dem „alten Menschen absterben“ hat aber noch eine ganz andere Dimension: sie liegt in der Sprache und im „Wort“. Einfach gesagt: wenn man etwas „sofort“ meint zu verstehen, dann ist das immer auch ein Hinweis darauf, in der bloßen Äußerlichkeit zu wohnen, in der bloßen Worthülse und im eigenen Verständnis. Heidegger hat in den frühen zwanziger Jahren in seinem Werk: Ontologie – Hermeneutik der Faktizität die Existenz in Vorhabe, Vorsicht und Vorgriff verortet. Er nannte das die „Vor-Struktur des Daseins“, man könnte auch hier sagen: jede Existenz lebt in der „eigenen Sprachverwirrung“ und es wird darauf ankommen, diese „einklammern zu können“ (epoché). Warum? Weil wir uns mit unseren ge-machten Worten oft und oft etwas vor-machen (das Machertum). In der Sprach-Verwirrung leben wir und in Gesprächen mit den Anderen wird das spürbar: der versteht mich nicht, stellt sich unter dem Gesagten etwas ganz anderes vor usf. „Weil wir uns etwas vor-machen“ hieß es. Einmal sagte mir ein Pater der Passionisten, man lebe so dahin, fühle sich wohl, trinke Kaffee und alle „sei gut“. Damit ist sehr Tiefes gesagt: Wir wollen jederzeit unser eigenes Leben „rosarot und lieblich“ färben, fein soll es sein, rund und das höchste Ziel wäre es dann, dass wir hier im Vergänglichen „rundherum zufrieden“ würden, vielleicht noch ein kleines „Wunder vom Himmel“, eine Erscheinung, dann wäre alles ganz toll „hier“ – dann ist der Kreis der ontologischen Differenz wirklich geschlossen, dann gibt es keine wirklichen Fragen mehr, die über das Vergängliche hinausgingen. Heidegger – in diesem blödsinnigen Spiegel-Interview (im September 1966) -  (blödsinnig, weil der Reporter Augstein gar nicht wusste, was er fragte) – sagte dann das bekannte Wort: nur ein „Gott“ kann uns noch retten.

 

Ich möchte hier das Wort von Heidegger selbst sprechen lassen:

 

Wenn ich kurz und vielleicht etwas massiv, aber aus langer Besinnung antworten darf: die Philosophie wird keine unmittelbare Veränderung des jetzigen Weltzustandes bewirken können. Dies gilt nicht nur von der Philosophie, sondern von allem bloß menschlichem Sinnen und Trachten. Nur noch ein Gott kann uns retten. Uns bleibt die einzige Möglichkeit, im Denken und im Dichten eine Bereitschaft vorzubereiten für die Erscheinung des Gottes oder für die Abwesenheit des Gottes im Untergang; daß wir im Angesicht des abwesenden Gottes untergehen“ (Spiegel Interview, September 1966).

 

Tiefes wäre hier anzumerken, vielleicht gelingt es demnächst hier einiges anzumerken. „Bereit sein für den „einzigen“ Gott – denn: nur noch „ein“ Gott, der Eine, kann uns retten. Bereitschaft aber ist Demut, Mut zur Wahrheit, Mut zum Empfangen-können. Und Παρασκευή ist doch die Vor-Bereitung die „Bereitung“, die Zu-Bereitung, die Gaben-Bereitung für den Tag des Herrn und das ist doch der immerwährende Oster-Sonntag. Im „Angesicht des abwesenden Herrn gehen“ – so verstehe ich das Hinabsteigen in den tiefsten Seelen-Grund unserer Existenz. Davon soll in einem anderen Zyklus die Rede sein.

 

„Trotzdem, umsonst, für Nichts“ im Angesicht des abwesenden Gottes wandeln, denn der ab-wesende Gott ist der „lebendige Gott“, der Auferstandene. Im morgigen Evangelium wird vom Heiligen Thomas berichtet, dem Zwilling, der es sehr schwer hat mit dem „abwesenden Gott“ und der dennoch durchbricht: Mein Herr und mein Gott! Dem Heiligen Thomas wird also die Gnade zuteil, für Nichts, umsonst und entgegen aller Rationalität der Wahrheit teilhaftig zu werden: Du bist es, mein Herr und mein Gott! Alle Umstände (die innerlichen wie die äußeren) sprechen dagegen: trotzdem offenbart es sich ihm, ist Elia zugegen, ist er erschüttert vom auferstandenen lebendigen Gott. In diesem Augenblick (es ist eine Ewigkeit) ist ihm sein alter Mensch gestorben und von nun an lebt er, „weil er stirbt“, und er stirbt, „weil er lebt“. Die Katastrophe des 2. Weltkrieges hat nichts in den Seelen bewirkt (so denke ich jetzt bei Heidegger weiter) man steuert dann auf die 68-iger Revolution zu und heute, in unserer Zeit, jetzt, ist „wirklich alles erlaubt“. Der Mensch lebt heute so, als wäre „diese Welt“ seine Geliebte, sein Ein und Alles: wir raunen, alles ist gut, alles sollte doch versöhnlich und gut sein (sehr weinerlich), es sollten doch hier Recht und Ordnung herrschen, wir sollten uns doch alle „lieblich Freund“ sein. Der Schmutz, das Böse, der Krieg, das Unschöne, das Irre, das Abstoßende, das Kränkende, das Irritierende – das alles sollte doch wegen der anzustrebenden Friedlichkeit der rosarot gefärbten Welt ausgemerzt werden. Man bemerkt das gerade jetzt in den „Westlichen Re-Aktionen“ auf den Krieg im Osten. Der Westen begehrt auf, fordert die Schönheit und Reinheit des Humanismus und verurteilt die Bestialität des Krieges. Kaum einer traut sich noch zu sagen: der Westen führt auch „Krieg“, sehr sogar, es ist sogar ein sehr „losgelassener, frei-gelassener Krieg, Seelen tötender Krieg“, sehr subtil, die Pornographie des: alles ist möglich und erlaubt!

 

Früher noch, ich weiß es aus eigener Erfahrung: da bekam man noch handfeste Prügel (wenn man schlimm war), eine Tracht Prügel, dann war das Gewitter vorbei. Es gibt aber eine viel schmerzlichere Tracht Prügel, die sich nach außen hin schön und zahm zeigt, vordergründig versöhnlich, aber innerlich „tötet“: Ablehnung z.B. ist viel schmerzlicher als körperliche Gewalt, Unverzeihlichkeit ist tötender als körperliche Tat. Wenn eine Seele „innerlich“ eine andere ablehnt und verurteilt, dann ist das viel tötender als äußerliche Gewalt, so schlimm sie auch erscheinen mag. Wir streben die „Welt der Behaglichkeit, des Wohlgefühls, der rosaroten Brille“ an – in allen Bereichen, rundherum soll es uns hier und jetzt „wohl“ ergehen! Daher meidet man die ehrliche Konfrontation, das gehört sich nicht.

 

Wir erleben dieser Tage (und das meint eigentlich die letzten Jahrzehnte) eine ungeheure Dürre, eine angeschwollene Normalität, der das Mysterium abhanden gekommen ist. Der normale Gang des Lebens bleibt ohne Mysterium, ohne Dank und wenn gedankt wird, dann nach äußerlicher Manier: kurz angebunden und eigentlich bindungslos. Das Mysterium aber ist die Quelle in Gott, die Seele lebt nur aus dieser Quelle, ist sie nicht mit dieser Quelle vereint (intim), ist sie tot. Es ist auch eine Erfahrung: immer dann, wenn man meint, „jetzt hätte man es“, jetzt ist das Geheimnis gelüftet oder jetzt hat sich das irdische Leben in der höchsten irdischen Potenz vervollständigt: immer dann „stirbt“ es in einem. Der Herr am Kreuz verspricht dem Dysmas nicht irdisches Behagen, der Tod rollt grausam über Dysmas hinweg. Der linke Schächer und alle anderen Spötter schreien: zeig´ doch hier (in der Zeitlichkeit) deine Wunder, dann werden wir glauben! Wir suchen Gott in unseren Nöten, meistens wenn wir Angst haben, eben in der Not. Ist die Not weg, dann suchen wir auch nicht mehr, dann ist es rund, bis die nächste Not kommt usf. Immerzu bitten wir Gott: Herr, nimm´ mir diese Not, dieses Elend, diese Krankheit, zeig´ es hier, in dieser Vergänglichkeit – halte noch lange fern den Tod von uns allen. Am Oster-Sonntag dann die „Auferstehung“ von den Toten, aber die hat man schon wieder vergessen, denn: wo ist sie denn, diese Erlösung „hier“ – ich erfahre sie nicht, es bleibt aus, dieser eingebildete Rausch an Ekstase von Rundherum-Glückseligkeit. Bildet man sich Erlösung so ein? Erlöst sein will man schon gerne haben, aber immer ohne Karfreitag, das vergisst man so schnell. Und dann ereignet sich doch ganz „plötzlich“ das Unglück: äußerlich oder innerlich, Niedergang, vielleicht Krankheit, nach aller Einsicht und eingebildeten Erlösung. Es kommen schreckliche Enttäuschungen und am Ende doch der verdrängte Tod. Man versteht das alles nicht mehr. Und der Erlöser selbst, der Messias, auch er stirbt in dieser Katastrophe: Karfreitag. Nach dem Hochgefühl kommt der Tod, die Ernüchterung, die Verzweiflung. Man sucht Schuldige, kommt damit nicht klar. Der auch mit Gott Intime erfährt die Nahrung des Himmels: und doch stirbt es in ihm, immer wieder das Verlassen müssen, immer wieder diese Enttäuschungen, dieses irdische Unglück.

 

Ein Toter liegt „horizontal“, nichts zeigt nach „oben“, wie einer, der schläft, der Körper liegt ausgestreckt nach dem Horizontalen, verfallen dem horizontalen Absolutismus. So „tot“ geht man durch´s Leben und Jahre lang regnet es nicht mehr, eben „Dürre“. Das „Brot-Wunder“ ist doch stets da und wenn es einer beachtet, dann dankt er dem Gott dafür. Und doch steht der Tod vor der Tür, jeden Augenblick: mitten im Brot-Wunder. „Erlösung“ muss am Ende selbst den Tod überwunden haben, darf nicht die Augen vor der Härte des Todes schließen und insgeheim beten: verschone mich Herr noch lange vor dem Sterben, mit dem Tod soll es lange noch Zeit haben! Denn der Herr selbst stirbt, geht in den Tod und „stirbt“ doch nicht, er kommt wieder, ist „jetzt da“ und alles was war, das hat er doch wieder, die Jünger, diese Welt, die Fische, die er sich von den Jüngern braten lässt und isst usf. Er ist der Auferstandene Herr, der uns zusagt: Du wirst den „Tod“ nicht schmecken, er wird auch über dich rollen, hinwegfegen, doch wirst du ihn nicht „kosten“.

 

„Und die Frau sprach zu Elia: Nun erkenne ich, dass du ein Mann Gottes bist, und des HERRN Wort in deinem Munde ist Wahrheit.“ (1 Kön, 17, 24).

 

Immer wenn Elia kommt, ins Bewusstsein kommt, dann bringt er die Erlösung, die „Wahrheit“: dass der Tod „überwunden“ ist durch unseren Herrn besiegt. Fassen kann man die Auferstehung von den Toten nicht, aber eine „sichere Ahnung“ davon ist tief spürbar, eine tiefe Freude darüber und eine unverrückbare Verlässlichkeit, die vor dem eigenen Sterben nicht mehr davonlaufen muss. Für diese Seele stirbt der alte Mensch in der Verfassung: Leben oder Tod und lebt der „Neue Mensch“ bewohnt vom Heiligen Geist: Leben „und“ Tod – und so wird man den Tod nicht schmecken.

 

„Des Herrn Wort ist Wahrheit“, heißt es oben: in aller Dunkelheit ist hier das Licht, im „Herrn Wort“, im Göttlichen lógos.  

 

 

(Weiterführung: Im Angesicht des Todes: das Griechentum im Existieren)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XX)

 

Λήθη X    Erlösung III     (Auferstehung im Herrn 2022)

 

Das leere Grab und die Auferstehung von den Toten

 

 

„Wisst ihr denn nicht, dass wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? (Röm 6,3).

 

Heute (und das Heute  ist immer Oster-Sonntag), im ewigen Jetzt, beteten wir mit dem Heiligen Paulus dieses in der Oster-Nacht. Der Heilige Paulus war zugegen als wir diese Lesung hörten. Frage: hörten wir? Es ist die einzige Lesung aus dem Neuen Bund, das heißt: ein ewiges Versprechen, eine „Erfüllung“, die anwest und nie mehr vergeht. Der Heilige Paulus sagt uns zu: getauft auf Seinen Tod! Wir verstehen das schwer, wir hören das in dieser Lesung jetzt, aber wir sind dabei abwesend, wie wenn es uns jetzt nicht anginge. Und das ist doch so: wir hören die „Worte Gottes“ und sind dabei ganz ab-wesend, gar nicht dabei, mit irgendwelchen Blödsinnigkeiten beschäftigt usf., zumindest was mich betrifft. Was heißt: auf Seinen Tod „getauft“ sein? Wenn am Herr-lichsten Licht-Tag des Ewigen Lebens, am Oster-Sonntag, diese eine Lesung aus Röm 6,3 gelesen wird, dann ist das der Höhepunkt unseres Daseins – und das ist der „Tod“. Es heißt dann weiter bei Paulus: „Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde.“

 

Es klingt hier wie eine höchste Verheißung: der gänzlich Freie ist der Gestorbene! – und Paulus sagt uns zu, kurz zuvor, es sei „unser alter Mensch“, der da gestorben sei in der Taufe auf unseren Herrn Jesus Christus. Eigentümlich: Wir sprachen „heute“ alle gemeinsam die „Tauf-Erneuerung“, wir bekannten „bewusst“ den Tauf-Bund – sind wir uns aber dessen wirklich „bewusst“? – (auf den Tod in Jesus Christus vermählt zu sein?) – wir sprachen diese Gebets-Formel; war unser Sprechen nur „Formel“, reine Äußerlichkeit, Wort ohne Herz-Wärme? Was nun folgt,  sind Gedanken in unserem Sterben, vom „leeren Grab“ und von der „Auferstehung der Toten“. Wenn heute, am hellichsten Oster-Morgen vom Tod die Rede ist, dann darf man nicht mehr „schweigen“ vom Tod, der Tod ist dann, recht verstanden, der „Höhepunkt“ unseres irdischen Daseins. Davon soll nun die Rede sein! Tod: Höhepunkt unseres irdischen Daseins? (Da muss man eigentlich „schlucken“, denn der Tod vernichtet ja gerade das, was ich lebenslang „gebaut“ habe).

 

So will ich nun dem „Wort“ folgen, das sich mir zu-spricht und darin liegt schon: Sehn-Sucht! Ich bekenne gerne, dass ich ein „Süchtiger“ bin, vielleicht sind wir Menschen alle die „Süchtigen“, oft und oft im Vergänglichen süchtig verloren, das kenne ich auch, sehr sogar. Wer noch „süchtig“ ist, der ist aber sehr gut gestellt: denn er „sucht“ noch, der Süchtige ist im Wesen ein Suchender, einer, der sich nicht mit dem tagtäglich Andrängenden zufrieden gibt. Philosophisch gesprochen ist ein „Süchtiger“ jener, der die ontologische Differenz nicht schließt und das heißt: der für das Mysterium noch „offen“ ist. Verloren ist jene Seele, die sich so im Irdischen eingelebt und eingekreiselt hat, dass sie sich „rundherum behaglich“ fühlt, sie hat ihr oberstes Ziel im Zeitlichen erlangt und bleibt nun zufrieden bis sie verendet (die Endzeit-Pille). Im Süchtigen aber bewegt sich noch das „Suchen“ und nur wer „sucht“ (also Süchtiger ist), der wird auch finden. Klar, dass es verkehrtes Suchen gibt, also horizontales Suchen im Vergänglichen, die Sucht nach dem Materiellen, dem Vergänglichen usf. Tot, und vom Tod soll jetzt die Rede sein, bedeutet im Grunde: nicht mehr „suchen“, es aufgegeben haben zu suchen, sich abgegeben haben mit den Zuständen, resignieren, apathisch sein, gelähmt und taub-stumm sein – das ist schon „tot“ sein, nicht mehr „suchen“, nicht mehr „Süchtiger“ zu sein. Fulton Sheen hat mich in manchen tiefen Gesprächen darauf aufmerksam gemacht. Ich muss hier einmal sagen, dass mich oft und oft sehr heilige Seelen besuchen, sie unterhalten sich innig mit mir, die besten Gespräche habe ich mit jenen Seelen, die für den äußeren Anschein längst gestorben sind, aber der „Geist“ ist ewig, unsterblich – ein Gottes-Beweis, den man erfährt und den man auch nicht erklären muss. Der „Süchtige“ ist also gut gestellt, vielleicht muss er nur ein wenig sein Lebens-Ruder korrigieren lassen, dann würde er wahrhaft an Fahrt gewinnen. Im vorigen Zyklus war vom Unvermögen des „Empfangens“ die Rede, es hieß: die Vollendung ist da, aber man greift nicht zu! Auf die Spitze getrieben würde es sogar bedeuten: ich erfahre jetzt großes Leid, körperlich oder seelisch und wäre in dieser Situation zugleich überzeugt: „so stark und mächtig liebt mich mein Gott!“ Klar, das bringt der horizontale Verstand nicht zusammen – denn das Leid (und wer leidet nicht?) drängt hier immer zur Resignation, zum Zweifel, zur Depression. Wer spricht eigentlich vom „seelischen Leid“, das im Wesen doch viel tiefer geht als körperliches? Wer nimmt es noch ernst, dass „Seelen verloren“ gehen, wer versteht das noch? Nicht empfangen können und wollen: was wäre es, wenn eine Seele sich aufschwingt „alles“ dankend zu empfangen, so grauslich es auch für das horizontale Bewusstsein zunächst aussehen mag? Wer in diesem Sinne nicht Empfänger sein kann oder will, der „verweigert“ sich. Es heißt, die Hölle sei jener Zustand, in dem es nur noch Fragen gäbe: aber keine Antwort mehr! Warum, weshalb, wozu: unentwegtes Fragen, ein Spiegelkabinett der Fragen, ein Irrgarten ohne Ausweg, also ohne „Antwort“. Die Seele, die nur frägt, sich also pausenlos aufregt über die schlimmen Zustände, ist wie erschlagen: er-starrt. Anders gesagt: die Seele ohne Mysterium ist toten-starr geworden, leblos, wie ein Toter leblos daliegt. Wer schon einmal einen Toten gesehen hat, der bemerkt was es heißt: tote, leblose, starre Form. Und so leblos und tot kann auch die Seele sein, starr vor Berechnung, starr vor lauter Kalkül, abgestorben in ihren Träumen, abgestorben in ihrer verweigerten Sucht nach dem Unmöglichen, tot vor lauter Fragen ohne Antwort. Und „so“ tot sein, das ist doch die Unfähigkeit, Empfänger zu sein, also einer, der „fängt“, zulangt, zugreift: weil alles geschickt und geschenkt ist, der also „dankend zulangt“, sich dem verdankt, dem er „ge-eignet“ ist (Heidegger). Der Eigner, sagt man, ist der Eigentümer und die Schöpfung ist doch das Eigentum Gottes, ihm ge-hört alles, nur will man das nicht „hören“.

 

Die tote Seele ist wie „gebannt“: sie ist fixiert in einem Reich des Leblosen, vegetiert, ein Fluch lastet auf ihr, sie vegetiert wie außerhalb des Heils. Immer dann, wenn es im Leben „rund und glatt“ läuft, von Erfolg zu Erfolg, ein Mehr zu Mehr, es end-los „so“ sein könnte und es auch Fragen gibt, die sich aber als Scheinfragen zeigen, weil sie mit Scheinantworten vernichtet werden, dann ist man schon „gebannt“, lebt in der Verbannung. Der Verbannte ist in sich auch unfähig (starr) dem Anderen, der sein potentieller Feind sein mag, zu vergeben: so hat man seine eigenen fixen Vorstellungen vom Anderen, man kennt ihn vom Hören-sagen und das genügt dann auch schon um ihn in die eigenen Vorstellungen hineinzufixieren, abzuurteilen. Die tote Seele kann erfahrenes Unrecht, das ihr passiert, nicht verzeihen und das äußert sich dann auch eben „äußerlich“, man sieht es den Menschen an, wie fixiert und zerfressen sie an der eigenen Unbeweglichkeit (Unverzeihlichkeit) zu Grunde gehen. Wer kennt denn schon den Anderen wirklich, wir kennen uns doch selbst nicht einmal wirklich. Fest-machen heißt verschnüren, es eng machen, es so fixieren, dass anderes gar nicht mehr möglich sei. Für die tote Seele ist die „Unmöglichkeit“ gerade das Unmöglichste, das darf und kann nicht sein und real schon gar nicht. Dass der Diktator aus Nordkorea ein Unmensch sei, das liest und hört man uns so plappert man das nach, fixiert sich darauf und hat ihn zu Tode gebracht in der eigenen fixierten Vorstellung. Was wissen wir schon von ihm, was ihn bewegt, welche Geschichte er hat, was er träumt, wonach er sich sehnt, vielleicht betet er gerade für mich, was weiß ich schon darüber? Es könnte doch sein, zumindest könnte ich das wünschen, dass es so sei und wenn „ich“ das schon wünsche, wie viel mehr wird Gott, der doch wirklich alles weiß, ihm das wünschen? Und so ist es doch mit allen Dingen: was wissen wir denn schon, sehr wenig.

 

Nur das Unmögliche lässt sich alleine „wissen“ in einer Art von Wissen, die hier im Horizontalen wirklich un-möglich ist, es ist wie jener „Friede“, von dem es heißt, dass ihn die „Welt“ nicht geben kann. Glaube – Hoffnung und Liebe: sie alleine sind „gewiss“, weil sie hier un-beweisbar sind und das ist das Verlässlichste der Unmöglichkeit, die Garantie des „Umsonst“, darin liegt der „Durchbruch“ durch alle Berechnungen hindurch und durch alle Ungerechtigkeiten, die man im Leben so erfahren muss. Unverzeihlichkeit z.B. ist wie ein ehernes starres Gesetz: der hat mich z.B. betrogen oder mir Unrecht getan und wirklich, so war es auch. Nach Gesetz hat er meine Abneigung verdient, lebenslang, ich habe da ein Recht auf Unverzeihlichkeit, denke, das ist schon Recht so. Und dann frisst sich das wie ein Wurm lebenslang hinein in die Seele, wie zerfressen. Es wäre wie ein Wunder, könnte die Seele hier „vergeben“, „verzeihen“, die Logik der Unverzeihlichkeit „umsonst überspringen“: das wäre eine „Gewissheit“, die „sitzt“, eine Verlässlichkeit, die sich zur Gänze in ihrem „Umsonst“ im Akt der Tat „erfüllt“. So ist es mit Glaube – Hoffnung – Liebe (Intimität): der Akt des Umsonst-Tuns, des Für-Nichts hat alle Berechnung hinter sich gelassen, über-sprungen, hat kein Gespräch mit dem, was man gesunden Rationalismus nennt, das „Umsonst tun“ ist fähig, dem Widersacher zu verzeihen, ihn aus der eigenen Fixiertheit frei zu geben. Es klingt sehr seltsam, ist aber wahr: nur das Un-Mögliche ist das Gewisseste und was wäre „unmöglicher“ als das Umsonst, das Für-Nichts, hier scheitern alle Berechnungen, haben keinen Zugriff mehr, das ist die „Freiheit der Seele“, sie ist wirklich in der Lage, sich aus den Niederungen der Fixiertheit zu erheben.

 

Fixiertheit ist immer an den Augenschein „gebunden“, an den äußeren und an den inneren, an die Vorstellungs-Welt, wie sie uns erscheint. Und man ergreift die Bilder, wie sie kommen, man greift zu, pflückt sie nach Lust und Laune, wie sie auftreten und abtreten. Die Frage: es könnte auch ganz anders sein? – stellt sich da gar nicht. Der Diktator aus Nordkorea (alleine diese Formel) ist schon eine Fixierung, eine Festlegung, die tötet. Fixiert ist man dann immer auf „Beweise“ und so kommt es laufend zu Unterstellungen. Der Augenschein der Äußerlichkeit ist eben immer „sehr verlockend“ anzusehen, man pflückt gerne diese Frucht und wie oft bilden wir uns ein, dass diese vermeintlichen Beweise Geltung erfahren – dann „sitzt“ das Urteil: Du bist ein Ehebrecher – Ende und aus. Die Formel ist gefunden, es ist bewiesen, da gibt es nichts mehr zu rütteln. Steinigung war und ist ein grausames zu Tode bringen, und immer wieder sind wir es selbst die „steinigen“: das „steinharte Urteil“ bringt den Anderen zu Tode. Alleine was und wie wir denken, welcher Geist in uns hausen darf, das ist entscheidend, bevor die äußere Tat kommt, ist die „innere“: die äußere Tat ist immer nur Ausführung der inneren. Und es ist schon klar, dass die Fixiertheit (das Starre des Todes) im Wesen Beziehungs-losigkeit bedeutet. Der Beziehungs-lose will es nicht „anders erfahren“, er will keine Beziehung aufnehmen, nachfragen, zuhören, zur Geltung kommen lassen, Wachstum ermöglichen. Im Wort Be-ziehung liegt ja schon das „Ziehen“, das Gezogen werden, das Mysterium der Begegnung. Beziehung gibt es nur in der Begegnung, wenn keine Beziehung da ist, ist alles tot. Das Wort „unmöglich“ meint nicht resignierte Depression, sondern das Gönnen  der Eröffnung der Sehnsucht bei sich selbst. Das „ewige Leben in Gott“ fängt nicht nach dem Sterben hier an, danach (so die Vorstellung), ewiges Leben ist immer da und Ewigkeit ist nicht Un-endlichkeit. Von „Zeitlichkeit“ (oder Endlichkeit) ist heute selten die Rede, für die Meisten ist das gar keine Frage, sie leben dahin und es ist gut für sie. Es heißt einmal: jeder Moment (Augenblick) ist für das Jetzt der letzte Moment (Augenblick). Das „je jetzt“ erfahrene Jetzt lebt am absoluten Scheitelpunkt seines letzten Momentes. Und so heißt es, dass das Jenseits „ein personales Gegenüber sei“, keine Verlängerung der Endlichkeit, sondern: ein „Gruß von Ewigkeit“! Das "einander Grüßen" verträgt keine Reflexion (Abständigkeit), es ist ein un-mittelbares „Gönnen“!

 

Freiheit – davon meint man, man verstehe sie schon, die Freiheit: die Freiheit ist unsere Möglichkeit zum Wagnis des Vertrauens oder auch nicht – frei bin ich, zu wählen: „umsonst“ zu handeln oder mit Kalkül – je nachdem! Diese Freiheit „umsonst“, ohne Berechnung, unterscheidet die Maschine vom Menschen. Unsere Seele ist daher im Wesen „diese Freiheit“, das höchste Gut. Wären wir nicht „frei“ in diesem Sinne, so wären wir Roboter und führten eine Programmierung aus, es liefe alles nach Plan und es wäre sehr, sehr langweilig. Ich kann aber der Logik des Kalküls, der Maschinerie widerstehen: „umsonst“ – „für keinen Ertrag“ – „für Nichts“. Entgegen aller vernünftigen rationalen Kosten-Nutzen-Rechnung kann ich handeln, aus „Freiheit“.

 

„Auferstehung von den Toten“: das Samenkorn, in die Erde gelegt, stirbt! Aus seinem Sterben kommt aber die Frucht! Alles hier wird immerfort in die „Erde begraben“, unsere Vorfahren, wir selbst und unsere Kinder. Immerfort das Begräbnis und immerfort die „Frucht der Auferstehung von den Toten“ – es bleiben keine Worte, das zu beschreiben.

 

Das leere Grab und die Auferstehung von den Toten

 

So ist dieser Zyklus überschrieben: Wir „wissen“ alle – jeder von uns „weiß“ und zwar Alles! Diese Allheit im Wissen liegt oft vergraben und vergessen und immer wenn eine Seele sich „sehnt“, sich „süchtig empfindet nach Ewigkeit“, so antwortet sie diesem vergrabenen Wissen, obzwar sie das gar nicht so mitbekommt. Das tut nichts! So lange eine, nur eine einzige Seele auf Erden, süchtig nach dem Umsonst in der Intimität der Liebe existiert, ist die Leere des Grabes Auferstehung von den Toten.

 

 

(Weiterführung: Das Leben Jenseits dieses Lebens)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XIX)

 

 Λήθη IX    Erlösung II  (Karwoche 2022)

 

Jesus Christus, Sohn Davids: Du aber lässest den Angriff unerwidert.

 

 

„Aufgabe“ ist ein tiefes Wort, es klingt darin Mehrfaches an: in der Mitte steht der Sinn des vollständigen Aufgebens, des Sein-lassens. Aufgabe lässt es sein mit der eigenen Verteidigung, solange einer noch „verteidigt“, Argumente für und wider sucht, solange hält er dem wahren Licht nicht Stand, er erwidert ständig den Angriff und angegriffen ist man doch im Materiellen und im Zeitlichen von allen Seiten, das muss nicht nur ein letzter, vernichtender Angriff (der eigene Tod) sein, dort wird es dann eben ganz dicht. „Aufgabe“ meint zentral: Dienst, Wache, halten, bewahren, hüten. Das deutsche Wort Aufgabe klingt zunächst eher depressiv, es wird bloß auf den Verlust geachtet und dann mag man das nicht mehr, die Aufgabe, weil man eben den Verlust immer angebetet hat. Deshalb sollte man den Verlust durch etwas Besseres, das Beste, ersetzen, dann ist das Loslassen fast ein Kinderspiel. Wer ins Über-zeitliche hineingeht und von dort her „wacht“ (Wächter, wie lange noch die Nacht), der kann hier ruhig los-gelöst sein, am Ende sogar die Angriffe unerwidert lassen: Angriff, ich habe kein Gespräch mehr mit dir!

 

„Überzeugen“ wollen, das geht nicht, die beste Predigt kann nicht überzeugen, es ist darin ein „Zwang“ spürbar, die Anderen davon unbedingt in Kenntnis zu setzen wie es mit der Wahrheit zugeht, am Ende wird dieser Zwang zur Aggression: dass die Anderen immer noch nicht begriffen hätten. Überzeugend kann nur das stille Wachstum in einem selbst sein: dann wird es sich schon zeigen zu seiner Zeit, an diesem Ort, in jenem Augenblick. Man sollte sich wie ein Weizenkorn in der Erde begraben lassen, es wird dann schon keimen und wachsen, zwingen kann man das nicht und dem Anderen anbeweisen, dass mein Wachstum das Beste sei, ist Dummheit, führt zu Aggressionen. Ein Zeichen des Wachstums wäre es: ich habe immer weniger das Bedürfnis hier anerkannt zu werden, recht zu bekommen und ich muss auch die anderen nicht mehr überzeugen, mundtot machen. Es genügt wirklich: selbst „überzeugt“ zu sein, das reicht – alles andere überlässt man dem Schöpfer, der es schon reparieren wird. Es kommen also alle Dinge hier zu Stande, weil der Heilige Geist am Werk ist, sie ver-ursacht, zur Sache des Anfänglichen gebiert. So „ist“ die Welt wie sie „ist“, es hat alles einen tiefen (unverständlichen) Sinn, das alles hier ist heilig und es soll so sein: zugelassen aus der Ewigkeit. Darüber könnte man „still“ werden, diese unglaubliche Barmherzigkeit. Das Werk des Heiligen Geistes nicht „ernst“ nehmen bedeutet in einer Welt des „Als ob“ leben, davon war schon die Rede. Es ist eine Pseudo-Realität, diese „Als-ob-Welt“, sie glaubt nicht wirklich an das, was ihr doch als Wahrheit aufscheint, sie nimmt es nicht für bare Münze, sondern denkt bei sich: es ist ja noch Zeit, ich bin noch jung und gesund, diese Wahrheit mit dem Herrn klingt ganz gut, aber eigentlich bedeutet sie mir nichts, der Kirchgang am Ostersonntag gehört dazu, das ist Pflicht und dann ist es auch schon gut. Der Mensch der „Als-ob-Welt“ redet sich immerzu etwas ein (wir bilden-ein, Ein-bildung, Fest-legung) und zwar deshalb, damit "Man" der Wahrheit nicht Rechenschaft ablegen muss, dann würde "Man" (Heidegger) ernst machen müssen“ und da ist doch das Dahinschlummern im eigenen Saft bequemer. Für die Als-ob Existenz ist der Glaube eine „Option“ geworden, wenn überhaupt.

 

Option kann aber der Glaube niemals sein, dazu ist es zu ernst, das ist kein Spiel der Möglichkeiten mehr, hier versagt jedes Spiel. Es ist hier der Augenblick wie im Sterben: da habe ich auch keine „Option“ mehr, so gewiss und ernst ist es mit der Wahrheit in Gott, da gibt es keine Option. Man kann das „Heilige Wort“ nicht reformieren oder nach Belieben „meinen“, je nachdem, je nach Stimmung usf. Daher sind alle äußerlichen Reformen Abfall (wortwörtlich), aber auch Abfall (Sturz, ruina) aus der Intimität mit Gott. Diese alleinige Wahrheit in Gott ist so nahe und ernst, dass ich meine Hände nicht rühren könnte, wäre ER nicht der Anwesende alle Augenblicke. So „ernst“ ist es! Die lebendige Wahrheit zur Option machen heißt sie „töten“, die Wahrheit wird gekreuzigt, sie ist ein Skandal für die Als-ob-Welt, die sich ständig suggeriert: es ist ja noch Zeit, alles ist möglich und festlegen muss man sich doch nicht! Der „Ehebruch“ mit Gott geschieht hier: IHN nicht ernst nehmen heißt, mit ihm kein Gespräch haben, denn die Option ist immer „stumm“, unfähig zur Ansprache, die Option ist verloren in die Härte der Äußerlichkeit (das kalte, versteinerte Herz). Die verlorene Seele lernt erst das wahre Sprechen im „Bekenntnis“, Augustinus zeigt das in seinen „Confessiones“: da ist dann spürbar „Intimität“. Für die „Als-ob-Welt“ ist das heute peinlich geworden, man schweigt darüber besser, man geniert sich. Vom „Schämen“ wäre Tiefes zu sagen, denn es „schämt“ sich jede Existenz hier im Exil und je intensiver eine Existenz vor Gott flieht, desto größer ist die Scham. Vor dem Sündenfall ist Nacktheit, aber kein Schämen. Nach dem Sündenfall ist das „Erkennen“, das „Wissen wollen“ und dann zeitigt sich die Scham. Sich schämen“ bedeutet eigentlich: ich muss mein Leben jetzt konstruieren, es selbst in die Hand nehmen, viel Zeug akkumulieren, protzen, glänzen, tüchtig sein, ein Star sein, einmal berühmt sein, erfolgreich sein usf. – die „Scham“ muss dann auch (wie beim Sündenfall) bedeckt werden, und das Bedecken ist eben die Anbetung der Äußerlichkeiten, der Glaube an das nur Handfeste (das Massive der Sinnlichkeit). Je mehr einer in der Äußerlichkeit (im eidos) wohnt und zuhause ist, desto mehr wohnt er in der „Scham“, desto ferner ist er seinem Ursprung, seinem Gott und Schöpfer. Von daher kommt es, dass wir nicht mehr einander „ansehen“ können, wir verstecken uns immerzu und lügen uns vor, machen uns einander immer vor, ein Versteckspiel ohne Ende. Man merkt das im Daherreden miteinander: es gibt eigentlich nichts mehr zu erzählen, was auch, die Chroniken des Alltags sind langweilig (small talk), aber man ratscht weiter, pausenlos redet man sich tot und hat eigentlich nichts zu sagen, aber man ratscht weiter, "Man" erträgt es nicht, diese Stille, das Nicht-reden-müssen: was sollte man denn sonst tun, so quatscht man sich halt an aber man bemerkt: eigentlich müsste ich still sein, ich habe nichts zu sagen. Aber wir quatschen wie Besoffene, besinnungslos nur um des Quatschens Willen. So halten wir der Wahrheit nicht Stand. Der Sich-Schämende muss seine „Blöße“ bedecken oder zudecken, er darf sich dem Anderen nicht „nackt“ zeigen obwohl er doch nackt (ganz bedürftig) ist (wir alle sind doch "nackt", aber zugeben will es keiner) – und die eigene Nacktheit, diese Arroganz des eigenen Stolzes darf man jetzt nicht mehr zeigen, da geniert man sich, man muss „potent“ scheinen. Adam in uns hat die Intimität mit Gott aufgegeben im Sinne der Ab-Wendung von Gott. Gott-verloren eben: daher das besinnungslose Daherquatschen. Scham ist immer ein Anzeichen eines Miss-Verhältnisses, in der Scham spüren wir: da stimmt etwas „grundsätzlich“ nicht und zwar etwas existentiell Fundamentales.

 

„Sich schämen“ ist aber in anderer Richtung gesehen zugleich ein verlässlicher Weg-Weiser zum Ursprung zurück. Das Gleichnis vom „verlorenen Sohn“ (darüber hat Ferdinand Ulrich tief gedacht in: Gabe und Vergebung) erzählt von unserem tiefen Schämen und von der Erlösung aus unserer Scham. Man kann es auch anders sagen: Wer Gott verleugnet, der „muss“ sich immerzu zeitlebens schämen. Das Schämen hört augenblicklich auf im Augenblick des ehrlichen Bekenntnisses: Mein Herr und mein Gott, ich habe mich gegen DICH versündigt, ich bin nicht mehr würdig dein Sohn zu sein! Wer also im Sakrament der Vergebung Nachlass der Schuld erfährt, der ist nicht mehr einer, der sich immerzu schämen muss. Die bekannte Schuld ist die Erlösung aus der Scham.

 

Die „Vergebung der Schuld“ ist zugleich in einer noch anderen Hinsicht das Offenbar-werden der Vollendung des Seyns. Man versteht es sehr schwer und doch ist es wahr: die Schöpfung „ist“ vollendet, es muss nichts hinzugefügt oder weggenommen werden. Schwer ist das begreiflich, vor allem im Hinblick auf die zeitlichen Wirklichkeiten, die wir gegenwärtig erfahren (Kriege, Corona, usf.). Auch die Erlösung muss nicht „geleistet“ werden, sie ist in Vollendung da, präsent – umsonst geschenkt.

 

Selma Meerbaum-Eisinger dichtete einmal: Tragik

 

Das ist das Schwerste: sich verschenken
und wissen, daß man überflüssig ist,
sich ganz zu geben und zu denken
daß man wie Rauch ins Nichts zerfließt;

 

Der Sinn dieser Ver-Dichtung ist dem ver-äußerten Menschen zugesprochen, das ist jener Mensch, dem der „innerliche wie abgestorben“ ist. „Umsonst“ scheint es zu sein: zu beten, einem unsichtbaren Gott zu huldigen, die Gebete werden nicht erhört, niemand antwortet, die Kriege nehmen zu, Corona setzt uns zu, usf. Das logifizierte kalte veräußerte Wissen um des Wissens Willen erkennt wirklich: es ist überflüssig, umsonst, der Gott zeigt sich nicht, keine Antwort, leer, wüstenschwer, wie Rauch, der ins Nichts zerfließt – man kann es gleich bleiben lassen, es hat ja doch keinen Sinn, man betet jahrelang und alles wird noch schlimmer und dann kommen vielleicht noch schwere Krankheiten dazu.

 

Dennoch, trotzdem (es so leer scheint): sich verschenken, umsonst, für Nichts (und dieses Nichts ist ja nur das Echo jener Realität, von der wir so meinen, dass sie die einzige Wirklichkeit wäre). In der Katastrophe wendet es sich aber, wie καταστρέφω sinngemäß meint: sich umwenden, besser: sich zurück-wenden. Das Leben wird immer hier „katastrophal“ sein, allein schon dadurch, dass alles vom Tod überschattet liegt. Das ist aber kein Grund zur Depression, denn der Erlöser ist ja gerade in unsere Katastrophe gekommen um uns aus ihr herauszufischen. Wer aber den Erlöser nicht mehr kennt, mit ihm nicht mehr intim ist, für den bleibt tatsächlich nur mehr die Katastrophe über und das ist dann wirklich „sinnlos“.

 

Nötig, wirklich nötig ist zu sagen: die Erlösung „ist“ da, sie war nicht nur einmal und sie wird auch nicht nur in Herrlichkeit kommen, sondern sie „währt“; unser horizontaler Zeitmaßstab zerbricht daran, kann es nicht fassen. Diese „Vollendung“ kann man nur empfangen, da ist nichts zu machen oder zu leisten oder zu tun. Vielleicht liegt die Wurzel aller Aggressionen (der inneren und äußeren Kriege) gerade darin, dass wir nicht gelernt haben „voll zu empfangen“, Empfänger zu sein. Wir wollen schon empfangen im Sinne: das will ich haben, diese Dinge usf. Aber wir wollen nicht „Vollendung“ empfangen, damit kann man nichts anfangen, das ist etwas für Frömmler. Es werden Tage kommen, da können wir nichts mehr selbst tun, das sieht man ein: es geht nicht mehr, dann, wenn es zum Sterben geht und man bemerkt, jetzt wird es ernst, nichts Horizontales kann mehr helfen, jede Flucht ist sinnlos. Vielleicht könnte einem da aufgehen, dass gerade hier die „Vollendung“ sehr nahe ist: man müsste nur auf-geben, an-nehmen, wie der rechte Schächer. So nah ist das Himmelreich, in nächster Nähe liegt es, in diesem Augenblick scheint es herein. Der „reine Empfänger“ der Gabe tut nichts mehr von sich aus: er tut, indem er dankend empfängt. Für „dankend“ könnte auch „ehrfürchtig“ oder „staunend“ stehen. Da muss man sich fragen: wenn diese „Vollendung der Schöpfung“ schon da ist und anwest, warum empfängt "Man" dann die Schöpfung nicht und Vollendung meint: jedes Seiende ist schon in seinem So-sein vollendet (es kommt aus dem Ziel auf das Ziel hin zu).

 

Wir gehen „im Schöpfer“ auf den Schöpfer zu. Vieles liegt freilich noch im Argen, das ändert aber im Wesen nichts daran, dass jedes Seiende schon vollendet ist. In der Vollendetheit liegt auch die einmalige und nicht ersetzbare „Würde“ der Seienden. Die Achtung vor der Schöpfung hat hier ihren Ursprung: jedes Geschöpf muss man achten und sich selbst zuerst als Geschöpf der höchsten Vollendung.

 

Acht-ung: der achte Tag (den es hier im Horizontalen eigentlich nicht geben kann). Wir tun lange Zeit Dinge, die wir nicht verstehen, wir tun sie aber, haben aber keinen Sinn darin. Erst im Rück-blick zeigt sich das Wesen, das Bedeutsame, die Ansprache, der man damals nicht ent-sprechen, nicht ant-worten konnte. So bleibt man in der Zeitlichkeit, ist auch wichtig, aber doch zugleich nicht mehr alles, der Körper, das Umhüllende, es bleibt, spielt aber nicht mehr die zentrale oder einzige Rolle.

 

Die körperliche Erscheinung hier ist etwas Heiliges, ein göttliches So-Sein, staunenswert und man sollte ihr nur mit Ehrfurcht begegnen, Körperliches sollte aber niemals unser Verfügbares sein, mit dem ich machen könnte was ich will. Zugleich sind Zeitlichkeit und Räumlichkeit eigentlich Illusion. Das Leben „für immer geben“: das ist Erlösung. Zeitlichkeit und Räumlichkeit (Trennung) überwinden, Einswerdung im  Heiligen Geist aller Zeiten.

 

„Erlösung“ ist dieser Zyklus überschrieben und es ist wesentlich, dass die Erlösung keine Erfolgsgeschichte im weltlichem Sinne sein kann, sie ist weltlich gesehen ein „Drama“, Erlösung hat keinen äußeren Erfolg, Erlösung ist einsam und verlassen – so wie unser Erlöser. Erlösung bedeutet: der Kreis des Irdischen schließt sich nicht mehr, das Feuerwerk des Horizontalen „ist es nicht“. In der Sprache der Philosophie heißt das: die ontologische Differenz bleibt „offen“: der Seele wird ihr Taubstummes genommen: der Erlöste „sieht“ den Stern im Haus des Brotes: Bethlehem. Dieses „Sehen“ kann und will man nicht mehr beweisen oder anerklären, es ist „da“ und so ist es „gut“, sogar "sehr gut", wie es am 6. Schöpfungstag heißt, nur einziges Mal in der Schöpfung, da der "Mensch" geschaffen ward.

 

Die Seele, die sich nur im Horizontalen eingerichtet hat, ist (ihr selbst nicht klar) in der Angst heimisch geworden, sie wird von Angst „bewohnt“: sie hat unterzeichnet: ich will auf immer hier bleiben – der Tod soll lange nicht kommen und wenn, will ich bewusstlos verenden. Da liegt die Wurzel aller Angst, aller panischen Angst! Angst ist der Preis dafür, dass sich die Seele von ihrem ewigen Ursprung in Gott losgesagt hat.

 

Sprache, heißt es einmal, ist eigentlich ein „Singen“, eine Melodie und die Melodie ein Lied. Der Rhythmus des „Liedes“ ist unerfindlich von Gott vorgegeben, so auch der Rhythmus des So-seins, der Seienden, der ta onta. Empfangen die Seienden die Melodie, singen sie „schön“, weichen sie ab, existieren sie „taubstumm“ weil sie ihre eigenen Wege gehen, dann vernimmt man hässliche Dissonanzen. Man hört dann allüberall „Falsches“, Missklang und weiß: es „stimmt“ innerlich nicht mehr, man hat sich „geistig aufgehängt“, hängt verbindungslos zum Ursprung, die Melodie ist zerbrochen. Das Singen der Sprache ertönt im „Wort“ und das Wort, so bei Johannes, ist „Fleisch geworden“ – die Melodie Gottes ist aber in der äußersten Entfremdung (Gott-Ferne) noch vernehmbar, ein stillster Anklang: das ist dann Erlösung, wenn die ewige Melodie aus unerfindlichen Gründen „vernehmbar“ wird. Die äußerste Gott-Ferne ist die Hölle und es ist das 4. Wort Jesu am Kreuz: Eloi, Eloi, lema sabachtani! Der auferstandene Herr geht für mich in die letzte Hölle und fortan gibt es sie eigentlich nicht mehr, diese Hölle, denn sie ist vom ewigen Licht vernichtet - aber nur für den, der in seinem ganzen So-Sein (Herzen) bekennt: Mein Herr und mein Gott! Die 4, das habe ich glaube ich von Friedrich Weinreb gelernt, der mich doch sehr oft jetzt besucht und es sehr gut meint mit mir, ist die Zeitlichkeit in ihrer äußersten Entwicklung und Auftürmung: dann kommt etwas ganz Anderes, und das ist die "Auferstehung" unserers Herrn und auch unsere eigene.

 

Und "dass" der Klang Gottes (das Heil) in der äußersten Gottes-Ferne (und das ist doch wohl die Hölle) noch vernehmbar werden kann, das ist jener Dank, den wir unserem Herrn Jesus Christus doch schulden.

 

Der Göttliche lógos hat diese äußerste Entfremdung durchschritten und damit „ein für Alle Mal“ geheiligt – das ist der Oster-Sieg, das feiern wir am kommenden Sonntag. „Über“ Erlösung kann man eigentlich nicht sprechen, dazu ist es viel zu ernst, als wäre das eine Option unter anderem, eine Beliebigkeit. Wenn ich spreche, so singe ich eigentlich, jeder spricht auf seine Weise und wir spüren, dass unser Singen im Wort oft viel, viel schöner seyn könnte, wenn es dem Maß und der Melodie der Schöpfung entsprechen könnte. Am schönsten ist der Gesang wohl dann, wenn alles Gesagte als einmalig und eindeutig [nicht das kalte Univoke] (sondern als einmalig Geschenktes) ge-dichtet wäre. Die Melodie Gottes ist immerwährend, man müsste nur ein-stimmen, dazu müsste man zum Hin-hören geneigt sein.

 

So liegt aller Anfang der Sprache im Wort des Hörens. Es ist der „Hörende“, der wahrhaft zu sprechen vermag. Es beginnt alles im „Wort“ und alles hört im Wort auf (hin-auf-hören): das „Auf-hören“ (Hinauf-hören) als die ewige Ansprache verstanden.

 

Erlösung ist „so“ ernst, dass man ihr erst begegnen kann im „Enden hier“. Das Ende „hier“ ist der sichere Tod und das wird zeitlebens vehement verdrängt. Weil man sich dem Sterben nicht stellt, es verdrängt, weil es für den horizontalen Menschen unerträglich ist, so lebt man doch fortwährend in seinem Betäubungsrausch mit einer Beklemmung. Das ist so, wie wenn einer totkrank dahinvegetiert, er fühlt es, dass er totkrank ist, aber die Diagnose vom Arzt  will er nicht hören. Wer seinen eigenen Tod verdrängt, weil er nur hier „sein will“, der stirbt den totsicheren Tod, der verliert sein ganzes Leben, wie es in Matthäus 16,25 heißt.

 

Viel schlimmer als der physische Tod ist der "geistige": Tot sein hat von dorther seine Dramatik: tot ist der Mensch "nur", wenn er "geistig" tot ist, wenn er die "Intimität mit seinem Schöpfer flieht"! Wer "in Gott" lebt, der kann "ruhig" sterben, weil er "lebt".

 

Wir werden den „Tod“ nicht schmecken, weil ER, der Herr, unser Vor-Gänger in Ewigkeit ist. Der Vor-Gänger nicht verstanden der damals war, sondern jener, der je "neu" voran-geht und mir voraus-geht: der Herr.

 

Aber, wir sind die „Abgelenkten ins Äußere“ (in die Äußerlichkeiten) – dennoch und immer wieder. Und das ist auch das Leid des Gekreuzigten: in Gethsemane weiß er: die Menschen messen mich mit dem Maß ihrer äußerlich irdischen, zeitlichen und vergänglichen Maße, sie sind blockiert, ganz und gar gefangen und be-hindert (durch den Hinderer, Satan) in dieser Welt, die ihnen für „alles“ gilt. Und Sein Leid ist, dass auch die ganz Nahen, die Intimen, es nicht verstanden haben, die mit IHM auf Du und Du waren – sie fliehen. Flucht bedeutet: ich will in meiner trunkenen Ruhe nicht gestört werden, den Alltagstrott weiter veranstalten, immer weiter so und so fort! Mein Leben steht jeden Augenblick vor dem Tod: nicht erst in 30 Jahren, jetzt ist es soweit. Bin ich bereit? Das ist die einzige entscheidende Frage, vor der es nicht zu fliehen gilt! Das „Lamm“ erobert die Welt der Gesetzmäßigkeit, es beherrscht die Welt der Triebe durch Gelassenheit, durch Sanftmut, durch seine Hingabe: das Lamm lässt an sich passieren was ihm auch geschehen mag, es nimmt daran keinen Anstoß: wenn das Lamm geschlachtet wird, bezieht es „seelenruhig“ seine Position. Das Lamm hat den horizontalen Absolutismus überwunden, es regiert in seinem an ihm Geschehen lassen.

 

Nur Irdisches, Zeitliches, Materielles kann man „verkaufen“. Ewiges kann man nicht verkaufen, da sieht man sofort, dass da kein Handel sinnvoll und möglich ist.

Was heißt es also, alles nur als Äußerung, als Äußerlichkeit zu erfahren und zu bewerten (als bloße Zeiterscheinung, die auf- und abtritt) – so, als wäre alles geschichtlich, historisch? Über die Wahrheit in Jesus gibt es eigentlich keine Diskussion aus der Ferne (Veräußerung, Äußerlichkeit) und jede Diskussion ist doch fern, veräußert, hier findet der Verrat und Verkauf statt. Äußerlichkeit ist distanzierte Geschäftemacherei, nur ein kaltes Herz erwärmt sich zum Schein an seiner eigenen Kalkulation. Der Auserwählte ist jener, der immer die Aus-Wahl hat: auserwählt sind wir Menschen alle. Man will im eigenen Lebenstrott nicht an Ewigkeit, also an das Ende „hier in dieser Welt“ erinnert werden. 

 

Das „Man“ muss Jesus hassen, wir hassen ihn, weil er unsere irdischen Maßstäbe völlig relativiert, da kommen einem dann Aggressionen, das will man nicht hören.Wir hören es immer wieder und verstehen es sehr schwer: Jesus, der Sohn Gottes, trägt für uns alle, für mich und dich: die Krankheiten, die Sünden, den Tod. Wir tun uns schwer damit, wenn wir das lesen und hören. Was meint das eigentlich: Jesus hat für mich gelitten, meine Sünde getragen? Wir fragen nicht mehr nach, es kommt nicht mehr zur Intimität mit Jesus: weil die Äußerlichkeit alles überschattet. Wir dürfen aber „überzeugt“ sein davon, dass alles Leid und Elend hier nicht das letzte Wort haben – so dunkel und grausam es kommen mag, das allerletzte Wort der „Auferstehung von den Toten“ hat den Sieg über Tod und Lüge errungen. „Wissen“ lässt sich das nicht mehr, aber „glauben“, Glaube, der alle Gewissheit übersteigt, besiegt hat. In Matthäus 28,7 heißt es: Er ist von den Toten auferstanden.

 

Es ist Wort Gottes, eine höhere Dignität und Zusage gibt es für uns Zeitliche nicht. Wer „treu“ und standhaft bleibt, der findet in sich keine höhere Gewissheit als diese. Für die in der Wahrheit Wohnenden „gibt es darüber gar keine Diskussion“, das wäre in sich schon Untreue. Und so zeigt sich dann auch in der Offenbarung des Heiligen Johannes das „Himmlische Jerusalem“ nach aller Schlacht in unserer Zeitlichkeit. Die Auferstehung von den Toten, das Ewige Leben bei Gott, das ist jene Zusage an uns, die wir ja unvermeidlich durch den Tod hindurchgehen „müssen“. Wir sollten anfangen, das sehr „ernst“ zu nehmen: Jesus hat den Tod „ein für Alle mal“ besiegt, und das ist: für alle Zeiten,  das ist  auch meine und deine Zeit jetzt. Es ist wirklich des „Aufmerkens würdig“ (merk-würdig): das Wort Gottes „endlich“ (in unserer Gebrechlichkeit, in der Zeitlichkeit und Vergänglichkeit) sehr, sehr ernst zu nehmen, also diese sicherste Zusage an Intimität, die sich gar nicht mit zeitlichen Maßstäben messen lässt. Der einzige Maßstab, der dieser göttlichen Zusage würdig ist, ist das armselige „Umsonst meiner Intimität“. Armselig kann man übersetzen mit „ledig“. Das ist der Sinn vom „ledigen Gemüt“ (Meister Eckhardt): es ist so losgelöst vom Eigenen, dass das Wort Gottes in ihm Fleisch werden darf, „lebendig anwesen“ darf. „Armut der Seele“ ist das Zulassen der Lebendigkeit des Wortes Gottes und das ist zugleich auch die „Zucht des Geistes“, das „Treu sein“.

 

Über das „Heilige Wort“ kann man nicht diskutieren, es gibt da keine „Option“: es ist rein wahr in seinem lógos. Das „Himmlische Jerusalem“ ist die sicherste Zusage, das „Messianische Jerusalem“ und Messias heißt doch übersetzt: Rettung und Heil herrschen (trotz allem Umsonst zeitlicher Begebenheiten) jetzt schon. Der Ausdruck „ein für alle Male“ wird in der Heiligen Schrift nur für den Tod, die Auferstehung und die Himmelfahrt verwendet (so Jean Corbon). Als vergehende bleibt die Zeit eine Gefangene des Todes; ist sie aber befreit, so vergeht sie nicht mehr: Kreuz und Auferstehung vergehen nicht (das ist der Sinn des: „ein für a(Alle) Mal), das auch sehr personal verstanden werden sollte. Der tote Mensch ist der Mensch der Option, vielleicht aber bemerkt er schon den „Hebräer“ in sich, den Anwesenden von Jenseits her, der mächtiger als alle Zeitlichkeit in seinem lógos auftritt. Sie erkannten doch den Auferstandenen am „Brot brechen“, er teilt sich mit und Erkennen meint hier nicht mehr rational wissen, sondern „Intimität“, Erkennen heißt hier absolute „Nähe“, eben Intimität, das ist das „höchste Wissen“. Mit-teilung sagt: ich teile dir das ewige Leben in meinem Wort mit: das Brot des Lebens (Eucharistie).

 

Wenn du jetzt „treu“ bist, dann bist du zurückgekehrt in das Haus des Vaters, dann darf der ewige lógos in dir Wohnung nehmen, dann darf die Heilige Schrift in dir „heilig“ sein in dieser Gewissheit der Intimität:

 

Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt (Matt 28, 20).

 

 

 

(Weiterführung, „Das leere Grab und die Auferstehung von den Toten“)

 

 

 

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XVIII)

 

Λήθη XIII    Erlösung

 

 

Er-lösung: los-gelöst, leicht und licht. Es heißt, alles, was in der Zeit erscheint, könne dies nur, weil es schon von Ewigkeit her gemeint ist und Bestand hat. Das wesentliche Seyn ist immerwährend anwesend, im Verborgenen. Und dieses Innerste „irritiert“, es stört den Rausch der Sinne; lieber hat man seinen eigenen lebenslangen Rausch der Vorstellungen, man will sich nichts sagen lassen und wenn, dann soll es so gesagt sein, dass es möglichst meiner Vorstellung entspricht. Erlösung liegt in der „Geduld“. Es „dulden“, dieses alte Wort meint: es „ruhig“ herankommen lassen, gelassen sein im Vertrauen, dass „alles gut gestillt ist“. Es heißt: haben wir nur „einen einzigen Satz“ der Heiligen Schrift in dieser Gelassenheit empfangen, so haben wir die „ganze Schrift“ verstanden. Also muss man sich in „Geduld“ üben, das ist: in völliger Gelassenheit darauf, dass der Schöpfer es „schon vollendet hat“! Wie wäre es, wenn wir doch vollends gelassen der Vollendung bei-wohnen könnten? Das wäre Vertrauen in unseren Gott, der doch alles in seinen Händen schon vollendet hat!

 

Die große Täuschung liegt in der Zeitlichkeit, die von Ewigkeit nichts mehr will. Wenn man sagt, die Zeitlichkeit will von Ewigkeit nichts mehr „wissen“, so stimmt das auch in gewissem Sinne, das „Wissen“ über Ewigkeit ist letztlich ein Einfangen in horizontale Logik, ein Gefügig machen des Mysteriums: das muss man immer berücksichtigen. Zeitlichkeit hat es so „an sich“, es immer irgendwie „wissen zu wollen“ (Baum der Erkenntnis). Wenn die Zeitlichkeit von Ewigkeit nichts mehr will, dann ist sie verloren und verliert sich immerzu in die Schwere der Äußerlichkeit. Äußerlichkeit meint: was im Alltag so herankommt an Geschehnissen, das wird prompt für Wahrheit gehalten, man frägt gar nicht mehr, ob das, was da kommt, Wirklichkeit ist, so auch bei den „Wörtern“, die „Man“ dann immer schon verstanden hat. „Umkehr“ (jetzt in der Fastenzeit, Zeit der Umkehr) geschieht augenblicklich, in dem uns jedes Geschehen entgegen-kommt: hinter jedem Augenschein, hinter jeder Äußerung (Äußerlichkeit), steckt „mehr dahinter“, nicht quantitativ sondern im Sinne einer Wirklichkeit, die Staunen lässt. Heute zählt sehr viel der Körper, das äußerliche Bild, eine ganze Industrie hängt daran. Aber die ganze „Öffentlichkeit“, die gesamte mediale Welt, ver-äußert sich, zeigt bloß ihr „Äußeres“, so, also ob das Alles wäre. Solche Äußerlichkeit kann in sich gar nicht dazu neigen, „innerlicher“ zu sein, denn das Äußere muss sich permanent ändern, schnell zeigen, verschwinden, damit das nächste Äußere aufblitzen kann – Tag und Nacht geht das so. Wir alle leben in dieser Veräußerung, in dieser Äußerlichkeit, sie ist uns zum normalen Leben geworden. Unter „Veräußerung“ wird auch ein Verkauf verstanden: ich veräußere z.B. ein Grundstück. Der Verkauf weist schon hin auf den „Verrat“ (Judas in uns). Reine Äußerlichkeit ist jener Sinn, der die Körperwelt, das Anstoßende, zum alleinigen Götzen erhebt. Dazu gehört auch, dass man das Materielle sehr, sehr wichtig nimmt, alles Glück hängt daran (viel zu haben). Je mehr ein Mensch im Äußersten der Veräußerung heimisch wird, desto entfernter ist er von seiner göttlichen Quelle: ein Verbannter, ein Exilierter. So (rein veräußert) zu sein ist dann nur mehr „maschinell“, die Existenz ein „Maschinist“ und Maschinen sind doch „tot“, sie funktionieren gut, machen mit, führen aus wie man sie programmiert und sind in allem Getriebe doch sehr „tot“. Wenn einer meinte: diese Maschine „lebt“, dann wissen wir: der solches sagt, der spinnt! Wir sind solche „Maschinisten“ geworden, die sehr gut funktionieren und brav mitmachen (siehe Corona Krise) und wir belügen uns dabei mit der Überzeugung, doch sehr „lebendig“ zu sein.

 

Der „reine Maschinist“ ist der Endpunkt, man kann sagen, der „Tiefpunkt“ der Verlorenheit des Menschen. Schon in Gesprächen des Alltags ist das ja bemerkbar: man plärrt sich an, veräußert seine eigenen Worthülsen, die man selber nicht mehr versteht und verschwindet bevor der Andere auch nur nachfragen könnte, Gelegenheit hätte. Die "Monadologie" von Leibniz müsste man auf diese äußerste Entfremdung hin neu lesen. Vielleicht verseht man auch dann, dass Seelen „verloren“ gehen, weil sie in der Veräußerung so „heimisch“ geworden sind, dass sie völlig davon überzeugt sind: das sei der Höhepunkt des Lebens. Dann wäre die Betäubung vollkommen, der Rausch ein Lebensrausch ohne Ende – un-endlich; und das ist doch am Ende die „Hölle“, denn in einer solchen Welt herrscht nur mehr das Quantitative, das Zählen und die nackte Zahl ist „kalt“, hier friert es, man existiert in der Eiswüste, blickt sich von Ferne „stumm“ an und wirft alles weg, weil es im Moment nicht nützlich ist.

 

Aus dieser „Verirrung“ kommt die Verirrung niemals mit eigenen Mitteln heraus; allein, dass man die Verirrung „bemerkt“ muss schon verwundern. Wir alle wissen, was eine Lüge ist – woher aber dieses klare Wissen um Lüge? Mit lügnerischen Mitteln kann sich die Lüge doch nicht aufdecken. Man kennt den Satz von Spionza: sic veritas norma sui et falsi est. Es ist also eine „Wahrheit“ immer schon an-wesend, die Norm ihrer selbst und des Falschen, eine Verlässlichkeit, die die Verbannung in der äußersten Ferne der Äußerlichkeit niemals zu Stande bringen könnte: ein Blinder kann doch keinen Blinden führen – sie fallen doch alle in die Grube.

 

Der Maschinist (wir alle) wäre absolut verloren, weil wir so los-gelöst (absolutum) dahintümpeln und könnten niemals umkehren, hätten gar kein Verständnis dafür, wären doch lebenslang besoffen, ausgetilgt, tot. Das heißt es: verbannt zu sein! Das Existieren im Tiefkühlfach der Existenz ist uns normal geworden und es müsste schon etwas „Absolutes“ hereinbrechen, uns „aufzutauen“. Dieses „Absolute“ wäre dann ein Etwas, das mit den horizontalen Maßstäben inkompatibel sein muss: per definitionem.

 

Im Tiefkühlschrank zu vegetieren heißt: bloß „hier“, im Zeitlichen leben zu wollen, dieses Vergängliche absolut setzen. So wird man vielleicht 90 oder 100 und lebte doch nur „animalisch“. Wer diese Zeitlichkeit nicht überwindet, der lebt als Toter, der unterschreibt sich selbst die Urkunde des Todes – längst bevor er so verendet. Die Bilderwelt der Zeitlichkeit ist eine Illusion und man sollte sie nicht so ernst nehmen wie sie sich an-prostituiert. Vielleicht wäre es dann gut, wie der alte Husserl das meinte mit seiner epoché: einklammern, eine Klammer setzen gerade dort, wo es sehr hektisch und bedrohlich wird, da sollte man einen Umweg machen. Wer also immerzu laut und lauter „bellt“, der hat sicher eine große Not, aber das kann man dann ruhig „einklammern“. Unsere Zeit gibt sehr viel Gelegenheit zur epoché, die Zeitlichkeit selbst sollte man einklammern, das wäre sehr heilsam. Man bemerkt dann: ach, die Zeitlichkeit, sie ist ja wirklich nicht alles! Das Sich-lösen von der Zeitlichkeit (Äußerung, Äußerlichkeit) bedeutet eigentlich: sich von der Bindung im Körperlichen lösen, sich von der Bindung im Augenschein des nächsten Moments lösen, sich von der Bilder-Welt des Medialen lösen. Hier liegt ja auch die Quelle des „verfluchten Urteils“: urteile ich nach dem Augenschein, dann ver-urteile ich Zeitliches, manifestiere es als Absolutes, das es aber niemals sein kann, ich lasse dem Zeitlichen und Vergänglichen eine Würde zukommen, die doch nur dem ewigen Schöpfer zukommt.

 

Er-lösung könnte dann heißen: sich von der verengten Bindung an Zeitlichkeit lösen lassen, sich lösen vom bloßen Augenschein, dahinter blicken, „mehr sehen“, als sinnlich zu sehen ist., das Geheimnis in allen Dingen auf-decken. Es ist in allem Erscheinen etwas Absolutes anwesend, nicht die Außenschale verdient Beachtung, sondern das Wesen, das Innerste, das Mysterium, das sich verborgen zeigt. Dieses Innerste sollte man nie „relativieren“, es ist überdauernd anwesend bestimmend, dagegen alle Außenschale relativ zum Innersten bleibt. Das Innerste (das Göttliche) ist demnach auch das Lebendigste, das Intimste, jede Relativierung wäre Abtöten, wegdrängen, kreuzigen. Je lebendiger das Innerste sich zeigen darf, je lebendiger ist der Mensch.

 

Und jetzt eine Einsicht, die auf den ersten Blick als Behauptung dasteht: das Seiende kann nur Existieren, weil der Erlöser anwesend ist (nicht nur war sondern „ist“). Die Menschen können nur existieren, weil Erlösung herrscht, sie könnten weder atmen noch sonst irgendwie sein, sie würden zusammensacken oder implodieren: seiend sein wäre nicht möglich. Die Bedingung der Möglichkeit des Existierens ist das absolute Sein des Erlösers in der Erlösung. Die Seienden sind auf ihn, den Erlöser hin geschaffen, hier liegt aller Sinn des Existierens: das Worum, Wozu und Weshalb. Erlösung kann daher nie etwas Innerweltliches sein, Zeitlichkeit kann sich zwar mit Zeitlichkeit betäuben, aber niemals aus der Zeitlichkeit herausfischen, er-lösen.

 

Daher kommt der Erlöser in reiner Gnade, ist er von der Jungfrau Maria im Heiligen Geist geboren, vom Erzengel Gabriel verkündet. Erlösung kann man daher nur „empfangen“, man kann sie nicht „machen“. Darin liegt auch der Sinn der „Heiligen Liturgie“. Heiligkeit bricht ein, kommt sozusagen von „oben“, von „jenseits“, bricht den Anspruch der Zeitlichkeit auf Absolutheit. Man kann daher Heiligkeit niemals mit irdischem Maß messen. Aber mit Jungfrau, Engel oder Heiligem Geist kann der zeitliche (gehinderte, behinderte) Verstand nichts anfangen, das entzieht sich der Verständlichkeit und daher versteht man nichts mehr vom „Heiligen Wort“ (der Schrift). Daher bleiben so viel der Heiligen Messe fern, weil die gefeierte Liturgie für den äußerlichen Menschen sehr langweilig sein muss, Zeitvergeudung. Der Erlöser ist nah im Zeitlosen, im Ewigen, das gerade nicht nur „nach der Vergänglichkeit“ kommt, sondern jetzt schon „anwest“ in Herrlichkeit. Die Verherrlichung vollzieht sich also in „Mächtigkeit“, die Vollendung vollzieht sich auch „jetzt“, sie kommt nicht nur irgendwann dann einmal. Diese „Mächtigkeit“ ist eine so unglaubliche Wirklichkeit, dass das verengte zeitliche Spektrum der menschlichen Wahrnehmung es nicht fassen kann: man könnte sagen, es ist die Offenbarmachung des Un-Möglichen im zeitlich Möglichen, der Einbruch der Ewigkeit in die Vergänglichkeit. Erlösung geschieht immer dann, wenn ein Äußerstes der Veräußerung erreicht ist, ein Endpunkt, und zwar gilt das für alle Zeiten ein für alle Mal. So kann man sagen, dass die „Gottverlassenheit“ diesen fernsten Abfall im Menschen darstellt, dieser Schlaf im Tiefkühlfach der Eindimensionalität.

 

Vor Jahren viel mir das Buch von Fulton Sheen in die Hände: Aufstieg zu Gott. Darin zeichnet der Erzbischof von NewYork in großen Linien die „Spur des Egoisten“. Ich erkannte mich selbst dabei bis ins letzte Detail, so, als wäre das meine Autobiographie. Gegen Ende des Buches bringt Sheen den „Spürhund des Himmels“, ein Gedicht von Francis Thompson. Dramatisch wird darin verdichtet wie Gott gnadenlos die verlorene Seele verfolgt bis sie sich endlich „ergibt“, „aufgibt“ (Aufgabe / speculativ) und eingesteht: Ist meine Finsternis am Ende nur der Schatten seiner zärtlich ausgestreckten Hand?(S. 286).

 

Was möchte ich sagen? Das Leben ist viel zu wertvoll und es sollte nie verloren gehen. Man darf nicht „schweigen“ darüber, die Wahrheit muss „erzählt“ werden, wie brüchig auch immer. In meinem Leben waren es bisher immer die Bücher, die mich geleitet haben und ich kann nur danken für diese Führung, die eigentlich nicht „logisch“ ist. In jedem Buch „haust ein Geist“ und ich bemerke jetzt, dass immer die „guten Geister“ führend waren. Da sind zunächst die Philosophen, Heidegger war ein intimer Wegweiser und doch spürte ich: da liegt es nicht. Und dann kommen Begegnungen, die rückblickend sehr überraschend sind. Da spürt man schon die Führung, die Hin-führung.

 

Es zählt hier auf Erden wirklich jeder „Augenblick“, man sollte den Augenblick nicht versäumen und immer die Gelegenheit aufgreifen, offen und ungeschützt davon  erzählen, sich nicht mehr verstecken, wie es ja unsere Gewohnheit von Kindheit an ist. Am Ende bleibt der „Dank“ einer schon vor-bereiteten Spur endlich intim zu werden. Was oder wie die Menschen über einen denken oder urteilen, das ist ganz unwichtig, wenn nur das Wesentliche „erzählt“ und gesagt und bezeugt wird. Und das Wesentliche ist Gott, der Schöpfer. Jeder von uns „weiß“ das  - er spürt das unmittelbar, und er schämt sich dafür: darüber kann man nichts sagen, da muss man stille sein, vom Schöpfer reden, das geht nicht usf. Heute „outet“ man jeden Blödsinn, macht die Dummheit öffentlich. Gott, unseren Schöpfer, zu verschweigen, nicht mehr darüber zu reden, das ist identisch mit der Angst vor Gott. Die Angst vor Gott drängt uns in die Anbetung der Vergänglichkeiten.

 

Was wollte ich eigentlich sagen? Es zählt jeder Augenblick hier, denn jeder Augenblick „hier“ erzählt die Ewigkeit und man darf sich niemals schämen (es ist eine heilige Pflicht) die Ewigkeit zu ehren, ihr verpflichtet zu sein, unserem Gott ganz hingegeben zu sein. Das ist dann auch zugleich das Wunder der Heiligen. Heilig sein: mir scheint es hieße ganz „arm“ (Meister Eckhardt) zu sein, restlos bedürftig. Gott segnet jedes So-sein, das ist  die „Art und Weise“ des je jeweiligen Seins, meinSein.

 

Sich nicht mehr „verstecken“ bedeutet auch: sich dem Gegenwind aussetzen, der Härte des Widerspruchs, der Verspottung, am Ende der Hinschlachtung. Die heimgekehrte Seele „dankt“, denn sie hat den Quell ihres Seins gefunden und so ist sie nicht mehr Gram der Unbill, die ihr entgegenschlägt, die heimgekehrte Seele ist dann vielleicht sogar dazu be-freit, ihren Feinden das Beste zu gönnen.

 

Jeder Augenblick hier ist es wert, von Gott zu sagen: alles andere ist unwichtig. Wir tun das heute nicht mehr, es ist unschick, gehört sich nicht, es ist peinlich geworden von unserem Schöpfer zu sagen. Das „Man“ in uns versteckt sich lieber alle Augenblicke hinter sehr vielen Blödsinnigkeiten wie Adam, der sich „unter den Bäumen des Gartens“ nach dem Fall versteckt. Das Versteckspiel ist unser Leben geworden von dem wir meinen, dass es sehr real und gesund sei. Wir verstecken uns permanent (ohne Unterlass) unter dem Augenschein, unter dem Wachstum des Fortschrittes, unter dem Expertentum, unter dem, was so öffentlich und medial herankommt.

 

Je „lauter“ es so schreit, desto „ängstlicher“ ist es.

 

Gott aber ist „so“ ausgesetzt, dass er wartet immerzu, er wartet auf den kleinsten Wink einer Seele, auf die leiseste Rührung, er wartet darauf, dass eine Seele „irre“ wird an dieser Welt, erschöpft am Boden liegt nach aller Flucht und bei sich bemerkt: Du bist es, mein Herr und mein Gott! Mir scheint, dass unser Schöpfer jede Seele in einer unfassbaren Symphonie erschafft, ein Zusammenklang in Ewigkeit, jede anders und doch „eins“. Die heilige Symphonie der Seele liegt lange verschüttet, keiner er-innert sich mehr wirklich daran wie das war und doch weiß jeder darum.

 

Heidegger hat tief gespürt, dass vor allem das neuzeitliche Denken in das „Tiefkühlfach“ führt.

 

Das Heilige Wort in der „Heiligen Schrift“ muss man sehr ernst und genau nehmen und zwar im Sinne der „Intimität“ – nicht im äußerlichen Sinne, das führte nur zum Fanatismus oder Fundamentalismus. Die Wahrheit der „Heiligen Schrift“ liegt in der Intimität, es ist eine Herzens-Angelegenheit – und zwar ganz persönlich.

 

Erlösung – und darum geht es doch in diesem Zyklus – könnte auch sein: es stimmt schon zur Gänze so wie es kam, wie es ist und kommen wird: es klingt alles zusammen, eine Symphonie eben, auch wenn es im ersten Augenschein gar nicht danach aussieht. Und je weniger es danach aussieht, desto unfassbarer ist der Schöpfer in seiner mir zugeschenkten Symphonie, desto ehrfürchtiger könnten wir antworten.

 

Die „kommende Welt“, von der beim Heiligen Johannes die Rede ist, sie ist nicht jene aus der Froschperspektive der Zeitlichkeit „gerechnete“, das Kommen des Herrn „ereignet“. „Staunen“ z.B. wäre so ein Kommen der Ewigkeit, Inne halten, wäre auch so ein Kommen, Gelassen sein, auch so ein Kommen, Vertraut sein und intim sein, das wäre auch so ein Kommen des Herrn.

 

Die Scham ablegen, sich „outen“: dass Gott, der Schöpfer, doch alles umfängt – das wäre auch ein Kommen der Neuen Welt. Erlösung ist jeden Augenblick: kann und will ich dem Stand halten?

 

Davon muss man doch sagen, oder? Es geht doch um alles. Wenn eine einzige Seele „umkehrt“, dies als Wahrheit bemerkt – so ist die ganze Welt gerettet, so wichtig ist der „rechte Augenblick“ – kairós.

 

Wenn Du, Leser, dem Erlöser begegnest, dann gibt es keine Krankheit mehr. Aber nur, wenn Du es „ernst“ nimmst. Dann müssten alle Mitmenschen, auch die ganz unguten und lästigen, nicht mehr gefährlich sein, man könnte sie sogar in Frieden lassen, ihnen auch das Beste gönnen.

 

Liebe ist ein sehr verkitschtes Wort, es könnte aber anzeigen: Du Anderer, in dir plagt sich doch auch so eine Seele wie in mir, da sind wir doch nicht verschieden in diesem Plagen, da ist eine Einheit in der Zerbrochenheit. Ich nehme das „ernst“ hieße dann: ich verurteile dich nicht mehr, jetzt nehme ich das ernst, in diesem Augenblick. Dann geschieht und ereignet Erlösung!

 

Wer also die Erlösung annimmt, der „schlägt nicht mehr zurück“! Er will nicht mehr Recht haben und gibt mehr, als von ihm verlangt wird, viel mehr, sogar sehr viel mehr!

 

Und von daher: dieser Einsatz ist doch alles Wert, oder? – dass wir die „Erlösten“ schon sind durch unseren Erlöser. Das ist es, was wir alle Augenblicke gestillt sagen sollten.

 

(Weiterführung)

 

 


 

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XVII)

 

Λήθη XII

 

VOM SINN DER ZEIT: das „letzte Kind“ II  (Ostern 2022)

 

 

In der Aufgabe (speculativ) kommt die Existenz zum Enden. Erst wenn die existentiellen Ressourcen „hier“ völlig erschöpft sind, passiert die Innerung. Was sich einmal, so sagen wir es doch, hier ereignen wird, das Verenden, das ist im Geist schon geschehen. Zeitlichkeit ist oft die Illusion einer eingebildeten Beständigkeit, horizontaler Absolutismus. Der Geist zeigt die wesentliche Dimension und Geist, das ist doch das „Wort“, der lógos und der lógos „erzählt“ doch die wesentliche „Geschichte“. Das Reden, Sprechen und Sagen berichtet im Wort von der wesentlichen Geschichte. Das Missverständnis ist freilich, dass nicht wir es sind, die da sprechen, sondern dass das „Wort spricht“. Das Wort spricht in seiner Zu-Sage. Da ist wichtig, meine ich halt, zu verstehen: nicht wir sind der Sprache mächtig, sondern die Sprache sagt sich uns zu, je jeweilen. Solange man vor lauter Angst der Illusion verfallen ist, es könnte sich doch irgendwie „hier“ noch ausgehen, solange wird man den Ruf des Wortes nicht vernehmen können, kann Rettung nicht sein. Und soll überhaupt „Rettung“ sein? Solange die Erfahrung (hier) nicht gänzlich zu Ende ist (das Ende der Zeitlichkeit hier), solange kann das Jungfräuliche, der Durchbruch ins Neue Leben nicht sein. Das Neue ist keine Erfahrung der Endlichkeit. Im Hebräerbrief ist von dieser „Hoffnung“ die Rede, „…ein Zutage treten von Tatsachen, die man nicht sieht.“ Dieses Nicht-mehr-sehen-können meint ein Verzichten auf Berechnung und Kalkulation, der Hoffende hat kein Kaufmanns-Herz mehr in sich, er rechnet nicht mit Gott, sondern „glaubt“. Das Kaufmannsherz ist zugleich jenes der gesetzmäßigen Rangordnung, es ist das Leistungsherz. Gesetzmäßigkeit „rechnet“ auf, klagt an, bringt unter Zwang und Leistung: wenn du dies oder jene tust, dann wird dir vielleicht vergeben! Eifer-Sucht z.B. kann doch nur sein, weil die Seele neidet, be-neidet und Neid ist doch nicht umsonst eine der Todsünden: wer in seinem Herzen „neidet“, der „gönnt“ nicht, der schränkt ein, legt Maß an, berechnet: zahlt sich das aus für mich, oder, was muss ich leisten, damit das oder das sein könne? Dass einer Alles bekommt, das ganze Himmelreich und sich nicht dafür anstrengt im Sinne der Leistung, der Arbeit, des Ehrgeizes, das kann das Gesetz nicht akzeptieren: und zwar „per Gesetz“ nicht.

 

In der „Gestimmtheit“ liegt doch die Stimmung und in dieser die „Stimme“. Jesus, der Heiland, ER, der alles heilt, er sagt uns zu: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Aber wir zucken hier mit den Schultern, als ob das eine beliebige Option wäre! Was ist da eigentlich los, warum nehmen wir die „Wahrheit“ nicht auf? Was ist das? Wie abgeschnitten von der Quelle, aus der doch alles lebt, warum immer diese Fixiertheit auf Zeitlichkeit, auf den Götzen Augenschein, auf das Brot dieser Welt? Fixiertheit auch auf das elende: ich weiß schon! Zu Existieren im: „ich weiß schon“ – ist elend, sicher sehr langweilig, das Leben wird in einer bloßen Vorstellung zu Tode gebracht. Und sollte das Zeitliche dann nur mehr „alles“ sein, spielt das Wahre dann nur mehr eine Nebenrolle oder gar keine mehr? Alles was in der Zeit geschieht hat doch nicht seine erste Ursache „in der Zeit“. Ein „reines Wunder“ wäre etwa, dass einem die „Einsicht“ kommt wie absolut gültig das Mysterium waltet, wie die Einsicht in die Unwissbarkeit die Linearität der Zeitlichkeit entthront. Ein reines Wunder hier: mit seinem gesamten Arsenal an Erklärungen und Antworten hier zu scheitern, wenn man das sein-lassen kann, weil das „Verborgene“ den Zuspruch unsererseits erhält. Es müssen alle Vorstellungen wirklich scheitern und versagen: erst dann wird Rettung sein. Es heißt doch 365 x man in der Heiligen Schrift: Fürchtet euch nicht! – für jeden Tag gilt das, hab´ keine Angst mehr um das, was da in der Zeitlichkeit herankommt: im Anfang ist es schon „gesegnet“, auch wenn sich alles in mir dagegen wehrt.

 

Es ist ein Segen, wenn alle „Vorstellungen“ versagen, erst dann betritt man den „Heiligen Boden“, auf dem man ja schon immer steht, was erst viel später wahr-genommen wird. Die Verlässlichkeit liegt schon im „Wort“, in der Sprache liegt der Grund, der lógos. Daher kommt alle „Aufgeregtheit“ immer zu spät, kann nur immer nach-äffen, was schon „gut und gesegnet“ ist, es meldet sich dann in der ewigen Verlässlichkeit: Gelassenheit! Es war schon so „sehr gut“ wie es kam und gekommen ist, mit allen Schwierigkeiten und Problemen, mit allem Weltereignis, das oft sehr grauslich ist, wie wir es eben in diesen Tagen erleben. Man sagt dann: aus der Distanz kann ich das gut sagen: der Krieg in der Ukraine sei nicht so schlimm usf. – nein, das ist wirklich sehr schlimm, sehr böse, ein Unrecht und ich weiß nicht, wie ich dann täte, wenn es Österreich beträfe, mich unmittelbar, wenn die Bomben mein Haus zerstörten: bin ich dann auch gestimmt: Herr und Gott, alles ist gut, denn deine ewige Vorsehung hat alles gesegnet? In Joh 9,4 sagt der Herr: Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat; es kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann. Solange es „Tag“ ist, ist es „hell, licht und leicht“ – kairós, der mir zu-geneigte rechte Augenblick! Wenn sich alles (wirklich alles, auch Kriege, Ungerechtigkeiten, meine sonstigen gewohnten Vorstellungen, meine Vorstellungen überhaupt) den mir gewohnten Vorstellungen und Denken „entziehen“, dann wird es „Tag“, hell, licht und leicht. Die „Rettung der Welt“ liegt nicht in der Vollendung der Vergänglichkeiten hier, der Herr rettet den „rechten Schächer“ nicht mit Weltlichkeit und Glückseligkeit in der Zeitlichkeit hier, sondern mit dem „Versprechen der Ewigkeit“: und nur das ist unumstößlich.

 

Das „Wunder“ (die Gnade) ist doch, dass wir, die wir in der „Nacht“ dahinleben (in der niemand mehr etwas wirklich erkennt und tun kann), „herausgezogen werden“ – man weiß gar nicht mehr wie. Wenn das Mögliche hier zu Ende geht: dann leuchtet erst das „Un-Mögliche“ auf und rettet, es ist eine tiefe Überein-Stimmung, aber man lässt los, davon zu „wissen“. Das Heil-sein muss nicht mehr Gründe suchen, es muss nicht mehr argumentieren, es versteht schon die Schlichen der Zeitlichkeit, die Bedrängnis, die eigene und die der Anderen, es kann die Nacht kommen – und sie kommt – aber sie frisst einen nicht mehr auf, denn das Werk ist „am Tag vollbracht“, in der Klarheit des Heiligen Geistes, der herabkommt jeden Augenblick: wenn man das zulässt.

 

„…er weiß jetzt (und hier) von Gottes Lenkung in jeder Sekunde“.

 

Das Un-Mögliche als Intimität wollen (Wille) ist die Ein-Sicht, dass ich immer schon auf „Heiligem Boden“ stehe, wohne. Das „letzte Kind“ ist jenes, das „ewig“ getragen ist in der Zeitlichkeit, jenes ewige Kind, das alles Bittere erträgt und erlöst. Die Welt bleibt die Welt, aber sie ist dann die „erlöste“ Welt, vom Bann der Zeitlichkeit und der Schwerkraft des Augenscheins erlöst. Was ist Zeitlichkeit schon, wenn sie uns Ewigkeit und Seligkeit versprechen mag: doch ein Trug, eine Seifenblase, ein böser Rausch, ein böser Traum. Nein, Zeitlichkeit, ich habe mit dir kein Gespräch wenn du deinen Schöpfer, unseren Herrn und Gott verleugnest! Nein! – ich habe mit dir keine Diskussion, kein Gespräch – so muss die Versuchung der Zeitlichkeit weichen, sie hat da keinen Auftrag mehr. Und es ist doch jede Versuchung – ausnahmslos – kontaminiert, vergiftet mit Zeitlichkeit. Im Zug der Zeitlichkeit will man es immer „wissen“, es muss zuvor im Wissen gewusst sein, dann könnte man vielleicht handeln! Dieses Wissen aber ist im Grunde „reine, logifizierte Berechnung“, am Ende kaltes Kalkül: dient es mir oder schadet es mir? So ist das „letzte Kind“ zugleich jenes vom „Ende der Zeit“. Das „letzte Kind“ in uns glaubt umsonst, es liebt umsonst, es gibt umsonst, es hängt sein Herz nicht mehr an Zeitlichkeit und ist voller Freude des Gebens, weil es nur empfangen kann, nichts festhält, schon gar nicht sein vergängliches Leben. Wenn sich in der Zeitlichkeit die Sinnlosigkeit meldet, dann bekennt erst recht das „letzte Kind in der Krippe“: trotzdem, dennoch, auch wenn alles hier nach Umsonst aussieht!

 

Das ist das Wagnis des Glaubens: entgegen aller menschlichen Logik der Berechnung ist die Seele völlig überzeugt, geführt von ihrem „Herrn und Gott“ – einerlei was da auch kommen mag, wie grauslich das auch sein mag. Diese Liebe ist „verrückt“, kann man sagen, denn sie folgt dem horizontalen Maßstab nicht mehr, sie hat kein „Gespräch mehr mit dem Satan“. Das Wagnis des Glaubens stellt sich endlich dem Kreuz, es nimmt die eigene Sterblichkeit dankend an, lehnt sich nicht mehr auf dagegen, weil die Seele „unsterblich“ ist. Sie muss der Zeitlichkeit nicht mehr huldigen, der Götze Zeitlichkeit ist ihr machtlos geworden. Dann wird es dieser Seele Gewissheit (das ist nicht Wissenschaft), dass der Erzengel Gabriel, die Kraft Gottes, in nächster Nähe segnet. Der Heilige Erzengel Gabriel ist die Kraft Gottes, die alle Zeitlichkeit in die Ewigkeit hin durchbricht. Er ist jener Bote Gottes, der uns die Gelassenheit im Sturmwind der Zeiten „umsonst“ schenkt. In der „Ewigkeit“, die allein herrschend ist, gibt es keine Alternativen mehr oder Zeitlichkeiten, hier hat die Zeit ihr Grab mit ihrer ängstigenden Not und ihr absolutes Ende: die in sich verkrümmte Zeitlichkeit „scheitert“ an der Ewigkeit Gottes. In „Ewigkeit“ gilt nur die „Liebe umsonst“, die am Ende (im Anfang) siegt: das ist nicht mehr zu wissen oder zu beweisen und doch die „einzige Gewissheit, die es gibt“! Die „Sprache spricht“, der lógos spricht und wir sollten das wirklich viel ernster nehmen, wir Exilierten – (einmal, aus den Jahren zuvor):

 

Das Schreiben war bloße Möglichkeit, entblößt, entkleidet, zurecht gezimmert. "Wie immer?" Ein kurzes, verhaltenes, kopfgesenktes, kaum aufblickendes, zelebriertes Nicken. "Kompakt", dachte er, die Hand, wie sie dasteht, aufgegangen, ohne Riss, geschmeidig, ein Guss, wie kühle Milch den Becher füllt. So war es bei ihm nie. Das ist eine Lüge. Es war zwar wesentlich angeschmiegt wie Milch und Becher, aber schwer geschmeidig, verlangsamt: gezielt ein Tropfen Harz, noch flüssig, zäh und klebrig, Richtung zeigend; Tendenz: Stillstand. Dampfend der Betrieb, das war zeitweilige Lebendigkeit, zeigt sich so oder anders aber immer irgendwie, nicht nachgedacht, kompakt eben. Auch wenn Gott erkannt ist, bleibt er der Unerkannte (E.Coreth, 543). "Unbekannt" muss es heißen, das ist noch nicht oder muss sein: das Erkannte. Sympathisch, das  letztere. Bekannt sein, das war freilich eine Aufgabe, nicht für die Vielen, die Kompakten, während sie den großen Becher automatisiert in Position brachte. Nein, nein, nicht brachte und auch nicht in Position, es war ja kompakt, automatisiert, elektrifiziert, pulsiert. Aber das Erkannte eben das Unbekannte? Und das unverrückbar? Das ist doch der große, weiße Becher, aus dem ich trinken werde, jetzt eben erkenne ich. Unbekannt? Wie ist das möglich, das Unbekannte zu erkennen? Nach dem großen Verdrängen, dann die Bekanntschaft.

 

Wie wenn es gestern wäre, wie wenn es jetzt wäre: und die „Bekanntschaft“? Die Bekanntschaft ist die Ansprache in der Intimität, das Ernst nehmen des „Wortes“, das Wohnen im „letzten Kind“. Das Wohnen im letzten Kind ist eigentlich Bewohnt sein vom Heiligen Geist, leben in der Verbergung des Mysteriums, Anklang der Stille, Hören auf die Herkunft, wohnen aus der Ewigkeit: darin seyn (Inter-esse). Wird die „ewige Wohnung“ nicht mehr behaust, wird zwangsläufig (Zwang, Enge, Angst) die Ewigkeit durch Zeitlichkeit ersetzt, der Augenschein führt dann Regie, am Ende zählt dann nur mehr die „Veräußerung“ (der Verrat). Man bemerkt das heute augenblicklich: die Äußerlichkeiten werden hoch gepriesen und angebetet, was die Medien eben  zuspielen, das kommt mit dem Anschein „Ewigkeit“ daher, so, als ob das Daherkommende ewige Dauer und Wichtigkeit hätte. Die Sprach-Verwirrung hat einen Höhepunkt erreicht, wo man merkt: wer ist noch Empfänger des Wortes? Selbst die Priester sind kaum noch „Hörer des Wortes“ (K. Rahner). Die Maschinerie der Veräußerung überhitzt, läuft auf Hochbetrieb, Tag und Nacht und immerfort. Zugleich ist auch der ewige lógos am Werk,  stillt ohne Unterlass, aber der Verwirrte kann nicht mehr hören, er ist gehindert und so sagt er es dann auch: ich bin verhindert, habe keine Zeit jetzt, muss wichtigere Dinge erledigen (was eigentlich?). Das „Man“ (Heidegger) in uns beschäftigt sich dann halt mit ganz interessanten Dingen so zum Zeitvertreib, aber Erdbeben (Matt 27,51) der Seele sind nicht mehr: Wahrhaftig, das war Gottes Sohn!

 

Selbst seine Nächsten, die Jünger, sie können ihn (die Ewigkeit) nicht verstehen, wie wir, die Exilierten, Ihn nicht begreifen können und dem Zeitmaßstab verfallen sind. Wenn die Wahrheit in die Welt kommt und die Welt taub-stumm für die Wahrheit geworden ist, dann ahnt man etwas von der Einsamkeit Jesu in seiner Stunde am Ölberg. Damals ist „heute“: wer kann schon mit der „Ewigkeit“ etwas anfangen, da scheitert doch die zeitliche Logik. Aber, vielleicht fängt die Ewigkeit mit uns etwas an! Und so gibt es zu allen Zeiten diesen Durchbruch der Ewigkeit in die Zeitlichkeit, die Heiligen zeugen davon. Jesus sieht, dass diese Welt ihn nicht verstehen kann (taubstumm, blind, gelähmt, gehindert, verhindert), weil sie dem Äußeren (Zeitlichkeit), als wäre dies „alles“, verfallen ist. Wer setzt dieser „Krankheit zum Tode“ (Kierkegaard) ein Ende? Zeitliche Verfallenheit kann nicht mit Zeitlichkeit erlöst werden, den Gefangenen kann man nicht mit Ketten befreien. Erlösung kann daher nur durch den Tod hindurch geschehen, durch meinen, durch deinen. Das, wovor sich der Gefangene am meisten fürchtet, das ist mein Tod und der deine. Der Herr geht aber hier  voran, er ist der ewige Vor-Gänger: er spricht uns zu: hab´ keine Angst vor deinem Sterben, der Tod „erlöst“ von aller Zeitlichkeit hindurch in die Ewigkeit. Der Herr verspricht: fürchte dich nicht vor dem Tod, er ist dein Tor zur Ewigkeit -  er sagt es nicht nur, sondern geht voran! Es ist Gottes Wort, es gilt unumstößlich! Und das ist doch das Überzeugendste, dass der Herr nicht Monologe von Ferne hält, Abhandlungen über den Tod notiert, so aus der sicheren Ferne: ich doziere euch jene Wahrheit der Ewigkeit, die ihr in euerer gefangenen Zeitlichkeit – so als wäre dies „Alles“ – niemals finden könnt. Der Tod jagt dem Gefangenen der Zeitlichkeit Angst ein weil er fürchtet, dass alles, was er im Horizontalen aufgespeichert hat, verlieren wird – weil er so daran hängt, als wäre das Alles. Alle Zeitlichkeit und mit ihr all meine Erfahrung hier, das alles wird aber der Ewigkeit anvermählt sein, nichts geht verloren, aber alles ist (dann) (und jetzt zugleich) „ganz und heil“. Der Tod ist doch zugelassen, der Reiniger, er ist der Erlöser von aller absoluten Zeitverrantheit und Verirrung und so wesentlich „gut“.

 

Die engsten Jünger um ihn bekennen: Wir wissen nicht, wovon er redet (Joh 16,18). Und so ist es mit uns hier und heute, mit uns Exilierten. Und kurz zuvor sagt er doch: Meine Kinder! (Joh 13,33).

 

Wer sagt: Meine Kinder! Das sagt doch nur das absolute Wohlwollen, die Gutheit! Mein „Kind“ bist Du: wohin auch immer Du dich verirren wirst: Du bleibst mein Kind, ich bin dir treu, ich bin dein Vater – auch wenn du untreu wirst!

 

Die „verirrte Zeitlichkeit“ kann Ewigkeit nicht glauben, sie müsste sich selbst einklammern, relativieren, in Bedrängnis kommen. Die Gefahr für die versuchte (Versucher) Äußerlichkeit ist groß wenn die Wahrheit mit Macht auftritt, es geht um ihren Verlust des Allmachtsanspruches „alles zu sein“. Der Herr „ringt“ mit unserem Blind und Taub sein: als er die Jünger mit dem Tod konfrontiert, da reagiert doch alles Veräußerlichte in uns: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen! (Matt 16, 22).

Die veräußerlichte (verkaufte) Seele reagiert instinktiv abwehrend auf ihr Ende, daran will sie gar nicht erinnert werden: das soll Gott verhüten! Die verkaufte Seele ist Meister im Verdrängen, der Tod solle nicht sein, das Leben hier solle gefälligst ohne Ende so weitergehen. Wir sind am Wesentlichen „gehindert“: an der Wahrheit, dass die Zeitlichkeit eben nicht alles ist, dass die wahre Heimat die Ewigkeit ist. Der „Hinderer“ (der der Satan heißt) lenkt uns permanent von dieser Quelle allen Seyns ab. Petrus habe eben nur „Menschliches“, Zeitliches im Sinn – er kann so  (bloß horizontal dimensioniert) Jesus gar nicht verstehen, der hier von der wahren Heimat (Ewigkeit, Himmel, unsichtbare Welt) spricht im Durchgang durch unser Sterben. Das Ende hier ist der Tod, aber mit dem Tod fängt erst das wahre Leben an. Für diese Botschaft sind wir blind, taub, das wollen wir nicht hören. „Vernichtung“ ist heute zum Normalzustand geworden: wenn ich sage und behaupte: so ist es nicht! – das ist schon Ver-Nichtung! Im Exil existierend ist es sehr, sehr „eng und begrenzt“, da geht einem die Luft zum Leben aus, man kann dann die Anderen nicht leben lassen und von der Wahrheit will man nichts hören und sehen. Wenn dann einer von „Himmel und Hölle“ spricht, da fallen gleich die Rollbalken herunter: eben „Ver-Nichtung“! Man kann das ewige Wort nicht mit zeitlichen (kausalen) Maßstäben messen oder in die nur allegorische oder symbolische Ecke hinein-vernichten. Mit dem Unsichtbaren tut man sich dann sehr schwer. Für den, der nur die „sichtbare Welt“ akzeptieren kann, für den ist die unsichtbare Welt bloße Einbildung und unter „Einbildung“ weiß man auch nicht mehr so recht, was das besagen soll.

 

Der Mensch der absoluten Zeitlichkeit hat die Ewigkeit veräußert (verkauft, verraten), dieser Fall fällt dem Schwergewicht zu Folge: es ist dann alles sehr schwer und schwierig, dunkel, überall sind dann Schwierigkeiten, die es wegzuräumen gilt. Es fehlt dann die „lichte Leichtigkeit“, das Leicht-werden und Aufsteigen ins Unsichtbare (Wesen). Wer den Himmel verkauft, der hat es tatsächlich sehr schwer im Horizontalen und am Ende ist er selbst der „Verkaufte“. Existieren in der Zeitlichkeit besagt auch: wir entkommen der Ein-Bildung nicht, jederzeit bilden wir „ein“, stellen uns vor (oft und oft auch davor) – es wird darauf ankommen, welches Bild wir einbilden, fest-setzen: dass wir im Bild-nis und Gleichnis Gottes geschaffen sind oder meinen wir, die Wirklichkeit sei eben nur die sichtbare Welt und alles andere bloße Einbildung (Fantasie)? Im Bildnis und Gleichnis Gottes eingebildet sein hieße dann: nichts ist verlässlicher als der Wille Gottes, man kann alles ruhig IHM überlassen: denn alles hat er „sehr gut“ geschaffen. Es hieße zugleich, dass ich mir nicht Bilder und Götzen schaffe, meine Fixierungen gar nicht zulasse, dass die Schöpfung ihren Schöpfungs-Wert: Geschaffenes zu sein – nicht dadurch verliert, dass ich sie trenne vom Schöpfer und so absolut setze. Dann verkaufte ich mein Erstgeburtsrecht, veräußerte es an Äußerlichkeit, an Vergänglichkeit, erliege dem Anschein der Erscheinungen.

 

Das „Kreuz“ ist unser aller irdischer Weg bis zum Tod – zugleich aber der Weg in die Erlösung über den Tod hinaus. Hier hört alles Vorstellungsvermögen auf, hier endet alle Zeitlichkeit und es beginnt etwas völlig Neues, hier nicht Sein-könnendes, denn die Ewigkeit hat nichts von Zeitlichkeit an sich. Wer sich daher „selbst verleugnet“, der sieht ein, dass das endliche Leben hier niemals Absolutheitsanspruch hat, es begehrt oft diesen, aber das ist eine Lüge. Sich selbst verleugnen heißt im Grunde dieser Lüge der Zeitlichkeit eine klare Absage erteilen. Hier vergeht doch alles, es ist wirklich nicht mehr „hier“, alle Augenblicke meines Lebens sind doch vorbei und doch zugleich „ewig eingesammelt“ in jener Ewigkeit, aus der ich nie herausfallen kann. Herausfallen kann die Seele nur dann, wenn sie Ewigkeit verweigert und Zeitlichkeit absolut setzt und das ist dann auch in letzter Konsequenz die Hölle: wer nur mehr die Zeitlichkeit hier hat und anbetet, der hat dann auch mit seinem irdischen Leben „alles“ verloren, der ängstigt sich dann wortwörtlich zu Tode.

 

„Sich verleugnen“ besagt den absoluten Anspruch der Endlichkeit auf Absolutheit verleugnen und das Kreuz auf sich nehmen heißt dann, die ganze Zeitlichkeit hinaufheben in die Ewigkeit, leicht und licht werden lassen (dieses Lassen ist eine Passivität, ein beruhigtes, stilles Geschehen-lassen, ein Herankommen-lassen des Vollendeten in der Zeitlichkeit).Am Überzeugendsten geschieht das dann, wenn alle „Äußerlichkeit“ (Zeitlichkeit) dagegen spricht. Das Kreuz Christi hat wesentlich nicht mit Trauer zu tun, sondern mit „heller, lichter Freude“. Verstehen kann das der zeitliche Verstand nicht, das kriegt er nicht zusammen.  Wer seine ganze Sehnsucht an Vergänglichkeit hängt, wird bitter enttäuscht sein: am Ende verliert er sein ganzes Leben. Und wenn ein (unser) Gott am Kreuz stirbt, dann wendet man sich ab, das kann kein Gott sein. Sie damals, die Jünger und wir jetzt, seine Jünger hier, wir „hören“ es nicht mehr: dass er nach drei Tagen wieder-kommt, dass der Tod nur ein Durchgang ist.

 

Oben war von der Ein-Bildung die Rede, dass diese immerzu geschieht in uns. Das Bilder-Verbot (2. Mose 20,4) ist eigentlich die Anfrage an uns, nach unserem restlosen Vertrauen in unseren Schöpfer: und dann wird es die Stimmung schon zeigen, ganz von alleine. Mach´ dir kein eigenes Bild hieße dann: vertraue „blind“- „restlos“, vertraue "umsonst", dass alles schon gesegnet und sehr gut ist!

 

 

(Weiterführung)

 

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(Ostern 2022)

 

 

Seyn: das immer gegenwärtige Seyn; es ist das Ewige Herein-blicken in Vergangenheit, Zukunft und Gegenwärtigkeit.

 

Im Band 65 der Gesamtausgabe von Martin Heidegger steht das Wort in der IV. Fuge "Der Sprung" Folgendes: „Dies verlangt die Verhaltenheit als Grundstimmung, die jene Wächterschaft im Zeit-Raum für den Vorbeigang des letzten Gottes durchstimmt“ (S. 248). In dieser IV. Fuge im „stillsten Werk“ von Heidegger, weil es das „nackte“ oder „tränenreichste“ ist, wird das „Seyn“ bedacht, nicht in einer Reflexion oder mit dem Willen, eine Definition zu bringen. Das „y“ im Seyn (Hölderlin) ist eben die Bereitschaft zum Fragwürdigsten, die Bereitschaft zum Staunen über das, was man so ohne Bedacht „Wirklichkeit“ nennt und es auch schon unbedacht „schon immer verstanden hat“. Was meint: Verhaltenheit – was Grundstimmung – was Wächterschaft – was Zeit-Raum – was Vorbeigang – was „letzter Gott“?

 

Haben wir die Kraft zum Stand-halten, zum Aufenthalt? Und was bedeutet da jetzt: Heilige Maria, Mutter Gottes?

 

SIE und das Seyn? Wie geht das zusammen, was heißt das und warum jetzt der Band 65, der im Untertitel spricht (Vom Ereignis)? Die Klammer ist nicht zufällig, sie bedeutet ein Sich-abschließen und einschließen, ein Sich-zurück-ziehen und dadurch ein Abstand gewinnen. Wann immer Seyn mit „y“ geschrieben wird, da wird einem selbst die Wirklichkeit „frag-würdig“, da kommt es zu einer Krise, da bleibt kein Stein mehr auf dem Anderen.Was folgt ist ein Zwiegespräch, ein Dialog mit IHR, unserer Gottes-Mutter, denn SIE hat alles gesagt und ausgesprochen, daher ist es sehr ratsam, mit IHR in erster Linie zu sprechen, SIE weiß Bescheid und SIE gibt immer Antwort über das, was Wirklichkeit, was Wahrheit, was Seyn ist. Die Frage nach dem Seyn stellen gibt zu: ich kann es nicht fassen, ich habe es nicht in einer Definition. Übersetzt: was Wirklichkeit ist, das wissen wir eigentlich nicht und „wissen“ es doch. Man bedenkt es oft und oft nicht: was wir aussprechen, das ist eine Festlegung! Wir reden so unbeschwert daher, aber das Reden ist ein Fest-legen, ein Fixieren, ein Sagen: so und so ist es und nicht anders! Es gibt ein leeres Wissen und ein Wissen vom Höchsten, diese Differenz ist sehr wichtig. Gratia: Gnade – umsonst! Seyn = umsonst. Dass das Seiende an-west, ist umsonst: wir haben es nicht gemacht oder hergestellt. Man muss das still bedenken: Seyn kommt mir zu, einerlei wie ich mich verhalte oder was ich leiste. Das ist ein „Wissen“ vom Höchsten, man kann das nicht auf eine Formel bringen. Wenn das WORT spricht (und WORT ist immer WORT Gottes), dann verwandelt das Wort, es spricht sich uns zu, es gibt sich und verschenkt sich. Wenn das WORT spricht, findet Begegnung statt. Der Gegner ist immer Person, mir gegenüber, personal. Begegnung muss immer „personal“ sein, sonst ist keine Begegnung.

 

Das WORT sprechen lassen: Im Anfang war das Wort. Es heißt bei Johannes: Alles ist durch das Wort geworden. Gott sprach: und es „ist“ – es ist im Seyn. Lógos heißt im Griechischen auch Wort. Wo spricht das Wort, welche Ortschaft? Und WORT ist alles was es gibt, Seyn: in allem, was begegnet, da liegt der lógos darin: es liegt dann an uns, den lógos zu empfangen, ihn aufzunehmen. Der heutige Tag ist „ewiger“ Tag: im Wesen hat er keine Zeit, er spricht je jetzt und sagt sich mir zu, spricht mich an: merke ich auf? Da spricht einer vom Jakobus-Brief, warum betrifft mich das jetzt, was bedeutet das? Oder diese Begegnung heute – warum? Seyn spricht mich ohne Unterlass an – antworte ich überhaupt oder gehe ich taubstumm vorbei?

 

Dieser Prolog des Johannes: wir müssten hier aufmerken. Das WORT: das Wort sprechen lassen, es lieben, es sich uns zusagen lassen.

Das Wort trägt den ganzen Sinn. Man bedenkt es viel zu wenig, oder besser: man merkt nicht darauf auf, wie wesentlich das WORT vom Seyn spricht: das WORT „ist“ Realität, also reinste Wirklichkeit. Was und wie wir denken, das ist etwas sehr Wesentliches, womit wir uns beschäftigen, das ist die Hauptsache, welche Gedanken wir fassen, das alles hat immense Bedeutung, denn darin spricht sich Realität aus. In Lukas 1,38 sagt Maria ihr JA – man kennt das, hört das und versteht auch mehr oder weniger die Bedeutung. JA ist hier reinste Realität, ein Wort aus der Ewigkeit in die Ewigkeit gesprochen, dieses JA ist „immerwährend“ – eine Entscheidung, die immer Gültigkeit hat, nie vergeht – so real ist das WORT. Wenn ich über einen anderen urteile: der Idiot! – dann gilt das mit derselben Wucht und Wirklichkeit – das Wort Idiot ist in voller Wucht Realität, der andere darin verurteilt und diese Verurteilung „trifft“ ihn massiv; das zeigt sich dann auch. Man kann hier einmal überlegen, wie oft wir schlecht über andere denken und wie die sich dann auch so zeigen. Gleiches gilt, wenn ich Anderen das beste Wünsche, wenn ich gut über sie denke, sie segne oder für sie sogar bete: das hat immense Auswirkung. Daher ist eine Verurteilung nie eine Kleinigkeit, jedes Wort kann tödlich sein, vernichten, zerstören. Wir müssen also in erster Linie sehr, sehr sorgsam umgehen mit dem Wort, denn es spricht sich einem jedem von uns zu.

 

Der Herr wird im Hebräischen mit Sein (Seyn) wiedergegeben (Weinreb) – das immer gegenwärtige Seyn, das Immer-da-sein: Er war, Er ist und Er wird sein: das ist Seyn, der Herr – die Seynsfrage stellen bedeutet also die Frage nach dem herrschenden Herrn stellen und dieses Seyn ist unabhängig von unserer Zeitlichkeit, jenseits davon aber immanent. Immanent heißt: in unserer Wirklichkeit erscheinend. Im Seyn sein heißt: er-scheinen, da-sein, sich äußern, sich ver-äußern, nach außen gehen, sich aus-wirken. Wenn das Seyn herrscht (also der Herr), dann ist Seyn schon immer ent-äußert und das erleben wir als uns zukommende Wirklichkeit. An dieser Stelle muss man fragen: was bedeutet es, wenn ich spreche, etwas aus-spreche? Längst bevor ich also etwas lautlich artikuliere, äußere, spreche ich schon und definiere und lege fest. Dasein ist ohne solche innere Reflexion nicht möglich. Immerzu legt es sich in mir auf die eine oder andere Weise „fest“. Es gilt daher zunächst, diese Verkrustungen und Festlegungen in uns selbst aufzulockern, zu hinterfragen, aufzulösen – das Wort zum Sprechen zu bringen, an-zufragen. Das Seyn herrscht und be-herrscht unser Leben. Wie gehe ich damit um, beherrscht zu sein, ausgeliefert zu sein, überwältigt zu sein? Ständig stehe ich wesentlich in meiner Ohn-macht, der ich mein Sein verdanke. Wir nehmen dieses Seyn gedankenlos hin, selbstverständlich wie das Ein- und Ausatmen. Seyn ist gratis und hier kann man sehen, dass das Wichtigste im Leben nur „gratis“ gegeben wird: man kann es nicht kaufen und leisten.

 

Was hat das alles mit MARIA zu tun, mit der virginitas foecunda (Ulrich)? Sie ist der lebendige Tempel des Wortes, sie ist ja die Gottes-Gebärerin, in ihr „herrscht das Wort“, das Fleisch geworden ist, in ihr ist es „zuhause“ – SIE ist die ewige Heimat des Wortes im Anfang. Im 1. Kapitel des Jakobus-Briefes ist von diesem WORT die Rede, es heißt in Vers 18: Aus freiem Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit geboren, damit wir gleichsam die Erstlingsfrucht seiner Schöpfung seien (EH).

 

Im Griechischen steht für Erstlingsfrucht ἀπαρχή, αρχή ist der Anfang von archomai, anfangen, beginnen. „Im Anfang, im Beginn“ – es ist der Auferstandene Herr selbst, der ganz licht vor Gott, selbst Gott ist. Im „Anfang“ – das ist nicht gemessen an unserem Zeitverständnis, es ist ein ewiges, absolutes Beginnen, Anfangen – je neu – immerzu, ohne Ende, ohne Beginn in unserem Zeitverständnis. Der Anfang „währt“, er „dauert“. Wir sollten so ein „Erstling“ sein, die Krönung der Schöpfung, das Ebenbild Gottes von Ewigkeit her und in dieser Ewigkeit geborgen. „Durch das Wort der Wahrheit geboren“ – man bemerkt, das ist etwas anderes, das geht nicht „hier“ durch Natürlichkeit. Das „Wort der Wahrheit“: Gott spricht und es „ist“ (Wirklichkeit). So „wahr“ ist das Wort Gottes: es spricht – und es „ist“. Man kann die Heilige Schrift nicht wie einen Bericht lesen aus längst vergangenen Tagen: Wort Gottes ist immer jetzt an mich gerichtet, Offenbarung in meine je jetzige Situation. Ich kann nur daraufhin fragen: Was willst Du, Großer Gott, mir jetzt damit offenbaren? Vielleicht warten die Frommen auf Offenbarungen, auf Erscheinungen usf., auf Lourdes oder Erscheinungen der Heiligen. Auf das kommt es aber nicht an, denn der Herr offenbart sich immerzu, aber wir sind blind und stumm und taub. Die ganze Schöpfung ist WORT Gottes, nicht nur das Schriftwort. Wenn das so ist, dann hat jedes Ereignis göttliche Dimension, trägt etwas Ewiges in sich, es gibt keine Zufälle, nur den Zu-Fall: das mir Zu-Geworfene. Es kommt darauf an, dass ich „Fänger“ (Rilke) bin. Der Empfänger fängt das ihm je Zugeworfene, es ist ihm Voraus. Seyn, kann man sagen, ist uns immer einen Schritt voraus und so sind wir die Nachhinkenden, oft auch die Verirrten. Das im voraus Gehabte trägt etwas Losgelassenes in sich, etwas Erlöstes, denn es wird sofort klar, dass man das Seyn nicht bestimmen oder lenken oder überholen kann. Spätestens hier könnte man sehr gelassen werden, weil Selbstermächtigungen immer aussichtlos sind – das merkt man doch. Jeder von uns hat also, wenn man so will, Privatoffenbarungen, jeder ist „gelenkt und geführt“.

 

Die Frage ist: kann ich das bemerken, kann ich da auf-merken, fühle ich mich angesprochen, gemeint? Die Dinge kommen nicht blind daher derart, dass sie auch nicht sein könnten. Man hat in unserer Zeit den Sinn dafür verloren, das Sensorium für das Mysterium. Das hängt mit dem Überfluss zusammen, mit dieser tödlichen Quantifizierung: das Mehr und Mehr und Mehr, das Austauschen und Austauschen und Austauschen. „Wegwerf-Gesellschaft“: so wirft man sich auch selbst weg, achtet sich selbst nicht, misst sich selbst keine wahre Bedeutung zu, die nie Selbstermächtigung ist, sondern Mut zum Empfangen können. Heißt: jeder Augenblick ist absolut wertvoll, ist Geschenk, frägt: siehst Du mich? Man kann den Anderen nie überzeugen durch Reflexion, das geht nicht, ist sogar sehr verführerisch, ablenkend. Wir gehen Wege und geben Zeugnis: das ist alles.

 

MARIA ist Haus Gottes, ER wohnt in ihr, so ist auch die Kirche (Maria) das Haus Gottes, darin wir wohnen. Und hier herrscht das ewige Seyn. Hier hat die Angst keinen Erfolg mehr, denn, warum sollte man sich vor der Ewigkeit fürchten? Oder, ob Hilfe kommt? Sie kommt doch, ganz gewiss ist sie schon da, nur ich kann sie (noch) nicht sehen. Bevor ich auch nur um Hilfe bitte, ist sie auch schon erfüllt. Man sagt: wer betet, der ruft Gott an, also ein Anruf. Wenn wir schon hier irgendwen anrufen, dann sind wir meistens überzeugt und gewiss, dass der Andere abhebt und hört. Jedenfalls meistens ist es so. Im Moment des Anrufens zweifeln wir auch meistens nicht an unserer Tätigkeit, sondern sind völlig überzeugt. Anders aber oft im Gebet, das ja auch ein Anrufen ist und da rufen wir nicht irgendwen an, sondern den Schöpfer selbst. Und wie sehr zweifeln wir da, nehmen den Anruf gar nicht so ernst, sind auch gar nicht davon überzeugt, dass ER abhebt und hinhört.

 

Und da muss man sich fragen: was ist da am Werk, wer oder was „hindert“ mich hier völlig überzeugt zu sein, warum kommt da ein Zweifel auf? Das ist eine tiefe Frage und der Satan heißt in der hebräischen Überlieferung der „Hinderer“. In uns selbst ist also diese Versuchung am Werk, Gottes Wirklichkeit nicht so ernst zu nehmen. Wir spüren das beim Beten: da bitten wir meistens den Herrn um dies und das und während wir so beten „nehmen wir das nicht so ganz ernst“, wir glauben eigentlich nicht daran, dass der Herr unsere Wünsche erfüllt. Und doch ist nichts realer als dies: dass der Herr alles Wünschen schon „erfüllt hat“, er hebt ab, er hört mich – viel realer noch als der Andere im Telefongespräch hier. Wenn ich den Herrn bitte: segne, Herr, diesen oder jenen! Dann „ist“ er schon vom Herrn her gesegnet: „so“ real ist die Wirklichkeit Gottes. Es nicht so ernst zu nehmen bedeutet eine „Schwäche“ in uns, ein Halbschlaf, ein Dahindämmern, ein Gehindert-da-sein.

 

Das Wort „trotzdem“ zeigt: gegen alle Logik und Verstand: „ja“ – kein Argumente mehr, sondern ein „Tun trotzdem“. Gottes-gebärerin bedeutet eigentlich: Seyn geben, Wirklichkeit geben, wollen, dass Wirklichkeit (unsere) sei – trotz allem, trotzdem! Das Wort „sprechen“ heißt: gebären, auswirken, „sein lassen“ – im Seyn selbst liegt also eine ungeheure Positivität. Dass etwas „ist“, enthält das absolute Wohl-Wollen Gottes, der Wille Gottes liegt im Seyn. Seyn kann man auch mit „Wirklichkeit“ übersetzen und die Frage nach dem „Sinn des Seins“ (Heidegger) ist ja die Frage nach dem Sinn der Wirklichkeit, die uns oft sehr unsinnig vorkommt. Die Frage nach dem Sinn von Sein meint auch: ist die Wirklichkeit für mich überhaupt frag-würdig, geht sie mich an, bedeutet sie mir etwas. Nicht als theoretische Frage sondern als „Erkennen“. Das tiefe Erkennen in uns ist ein „vertrauendes Hin-nehmen, An-nehmen“ – also ein „Nehmen“. Man weiß: Adam „erkannte“ Eva. Dieses „Erkennen“ ist im Wesen ein Danken, ein Sich Anschmiegen an das gegebene Seyn, es dankend an-nehmen, aufnehmen. Die Frau nimmt den Mann auf, der Mann nimmt die Frau an: das ist „tiefes“ Erkennen. Wenn der Mensch das Seyn „erkennt“, so nimmt er es dankend an und auf, er führt keine rationalen Analysen „vorher“, er logifiziert nicht, sondern ist dicht be-geistert vom Seyn, Seyn überrascht ihn je neu in „Dichtigkeit“ – ein Wunderwerk. Der erlöste Mensch ist daher immer der „Täter“, denn das Tun ist die Kraft, die Äußerung, der Wille, das Sich-zeigen.

 

Das Nur-reflektieren ist eine schwere Erkrankung der Seele, eine Totgeburt, kann man sagen, etwas, das nicht zur Welt kommen will; sehr krank derjenige, der „weiß“ und nicht Täter ist der erlösten Tat!

 

„Tun“ hat daher keine Zeit zur Argumentation, darin keine Dauer, darin keinen Aufenthalt. Die Überlegung z.B., was es mir einbringt, das kennt das Tun nicht. Die Tat des Täters ist immer Vollzug der Tat, sie rechnet nicht, die Tat, sie hat keine Zeitspanne, daher ist die Tat im Wesen Liebe, Hingabe, Begeisterung. Wenn man liebt, will man immer „nah“ beim Wesen sein, sich darin aufhalten: Handeln umsonst, Handeln um Nichts. Dieses Handeln umsonst entspricht nicht mehr der Logik des Kalküls; ist eigentlich nicht mehr rational zu begreifen, es handelt, dieses Tun, abseits der Norm, ist also ab-normal. Woher stammt also dieses Handeln umsonst – warum gibt es das und warum verstört es so?

 

Ver-Zwei-flung, sagt man, sei Zerrissenheit, ein Hin- und Her-gerissen sein in einem Grund-Riss: nicht ganz da und nicht ganz dort, ein ganz da sein wollen und es doch nicht vermögen, die Rechnung geht ja nie ganz auf: man ist also in einer Dualität aufgespannt, die man nicht abschütteln kann. Man versucht das zwar, aber es gelingt eben nicht. Wer also „umsonst“ handelt, der ist be-gnadet, er zeigt der nützlichen Logik die kalte Schulter. So ist gerade auch das Gebet „umsonst“ das reinste. Wir handeln „trotzdem“ umsonst: trotz aller Niederlagen und Katastrophen in und um uns. Da betet einer jahrelang um Gesundheit, aber er bemerkt: er bleibt krank und wird sogar kränker. Gott, scheint es, schweigt, das Gebet wird nicht erhört, sagt man sich. „Trotzdem“ in dieser verheerenden Lage zu beten, das erst ist der Schritt aus dem Gefängnis der Kosten-Nutzen-Rechnung – und so in allen anderen Dingen.

 

Wir können absichtslos handeln umsonst und jedes Mal, wenn dies geschieht, über-schreitet (durchbricht) der Mensch das horizontale Gefüge. Man sagt z.B.: diese Sache sei „zweck-los“, „sinn-los“. Das hat etwas Großes, das Zweck-lose: die Tat ist dann durch und durch be-geistert, es sind alle guten Geister versammelt, die Gnade erscheint und wirkt sich aus. Entgegen aller sogenannten vernünftigen Einwände: trotzdem. Um nichts sich z.B. wehrlos machen heißt auch: sich angreifbar machen, sich aussetzen aber keinen Anstoß mehr nehmen. Am Äußeren keinen Anstoß mehr nehmen (auch an den Äußerungen) heißt nicht, dass man sie für wertlos hält, nicht ernst nimmt, im Gegenteil, es bedeutet aber: der äußere Schein ist mir nicht Motor meiner Handlungen und Re-Aktionen. In der Welt der Gesetzlichkeit kann nur das Gesetz-lose frei handeln, das umsonst Geschenkte: und das ist die Seele. Weil sie frei ist, kann sie auch „nein“ sagen und „trotzdem“ tun. Weil es niemals gelingen wird, den tiefsten Sinn in eine Formel zu pressen, die noch gefunden werden will und weil der ganze Sinn „hier“ nicht erfüllt werden wird: deshalb ist das „Tun umsonst“ hier etwas Heiliges. Das Umsonst-Handeln verstößt gegen die Gesetzlichkeit, verstößt gegen das Wert-Nutzen-Kalkül, es handelt wider die Norm und wird verachtet werden.

 

Verborgenheit: Λήθη / nistar: mit der Verborgenheit tut man sich schwer, denn man will ja immer „wissen“, es begreifen, eine Definition haben – dann, meint man, ist man „sicher“. Heidegger, weiß man, rührt an die Wahrheit als „Un-verborgenheit“. In der Spannung von Ἀλήθεια und Λήθη halten wir uns auf, da ist unser Aufenthalt und Wohnort. Die Versuchung, die große, liegt darin, diese „Aufgespanntheit“ nicht aushalten zu können, ihr zu erliegen, entweder in einer Flucht in eingebildete absolute Fantasien (Stoiker) oder in einen wahnsinnigen Materialismus/Empirismus (es gibt keinen Gott). Ulrich verstand das als die Versuchung zum Schließen der ontologischen Differenz in eine „handhabbare Formel“. Die „Spannung“ aushalten heißt aber dementgegen: ich halte mein Nicht-Wissen, meine Nicht-Definition über DICH, Herr und Gott, aus, ich halte es aus, dass es so ungereimt zu- und hergeht in dieser Welt, in diesen Kriegen, in diesen Krisen, in mir selbst und ich sage DIR offen: trotzdem, trotzdem bist DU mein Herr und mein Gott, Anfang und Ende, ich halte deine Verborgenheit (Λήθη) aus, ich halte dein Schweigen aus, die Leere, in der keine Antwort kommt, die Stille, in der mein Rufen zu DIR dringt. Ich halte es aus und ich danke DIR: denn DU bist da: tu es là! – DU west an. Ἀλήθεια wird seid Heidegger mit „Wahrheit“ übersetzt, aber die Frage ist freilich: Wahrheit?

 

Bei Johannes 18,38 steht das Wort: Τί ἐστιν ἀλήθεια – Pilatus will also mit dem Herrn „diskutieren“ was Wahrheit sei, er will es theoretisch durchexerzieren. In der gesamten Philosophie geht es um diese Frage nach der Wahrheit und es gibt zahllose Definitionen. Man kann 80 Jahre seines Lebens mit Definition zubringen und sich dabei „gut fühlen“.

 

Wie antwortet der Herr auf die Frage des Pilatus nach der Wahrheit? Mit ganzer Wucht, mit ganzer Kraft, mit aller Entschiedenheit, mit aller Liebe – ja, mit aller „Wahrheit“: denn er antwortet „nicht“ im herkömmlichen Sinn. Der Herr lässt sich auf keine Diskussion über die Wahrheit ein, denn das Diskutieren und Argumentieren ist „Hinderung“ des Tuns der Wahrheit, und darauf allein kommt es an: die Wahrheit zu „tun“. Der Herr, kann man sagen, antwortet mit seinem „blutigen Kreuzweg“, den er nicht argumentiert (in der Sicherheit des stillen Kämmerleins) – er „tut“ die Wahrheit, er schweigt daher, antwortet Pilatus nicht mehr rational und mit bloßen Worthülsen: er antwortet mit seinem „erlösenden Tun“! Τί ἐστιν: was ist… - die Was-Frage will es im Wesen „wissen“, es ist immer die Frage nach der Definition. Und wenn ich die Definition „habe“ und „weiß“, dann endlich habe ich den Goldschatz gefunden. Das aber ist eben die große Versuchung. Der Pilatus in uns selbst frägt immerzu: Τί ἐστιν – und so suchen wir lebenslang nach Definitionen, die überzeugend sind und wenn man die hat, ja dann kann man auch „handeln“, vorher nicht.

 

Jesus zeigt vor Pilatus das „wahre“ Handeln: er geht, er tut – er lässt sich nicht auf Argumentationen ein, auf Diskussionen, weil er weiß: man kann bis zum St. Nimmerleinstag diskutieren und keinen Finger rühren. Man wird daher die Menschen niemals durch Argumente überzeugen können. Jesus „antwortet“ Pilatus auf seine Frage: Τί ἐστιν – mit der restlosen, überzeugenden (blutigen) Hingabe: Tat des Täters. Dass gerade Pilatus Τί ἐστιν – die Was-Frage stellt, das ist kein bloßer Zufall. Der Herr antwortet uns: er „tut“, er diskutiert nicht. Bist du bereit, mit mir jetzt zu beten und nicht darüber zu diskutieren? – das ist die Frage und sie kann nur im „Tun“ entschieden werden, nicht im Diskutieren.

 

Wann immer einer frägt: Τί ἐστιν? – so fehlt in diesem Fragen das Persönliche, mein Engagement spielt keine Rolle, in solchem Fragen kann ich meine Person auslagern, abstellen. Die Was-ist-Frage streicht das Persönliche durch: wenn ich frage, was ist das, das Göttliche? – da merke ich, dass ich da keine Rolle dabei spiele, mein Einsatz ist egal. Wenn ich aber frage: „wer“ bin ich für Dich, Gott, oder „wer“ bist DU für mich? – dann merkt man sofort: Gott ist DU, ist Person und er frägt nach mir als Person. Jede Tat, jeder Schritt: alles kann geheiligt sein. Wird das, was uns jederzeit umgibt und begegnet, zum Schöpfer zurückgebracht – also „gedankt“ – handle ich „umsonst“, ohne Eigenabsicht. Den Augenblick heiligen ist die umsonstige Tat im Leben aus dem Mysterium. Das Mysterium leitet dann die Tat. Jede Tat (so oder so) ist wesentlich geführte Tat.

 

Es heißt: nur der Mensch unter allen Wesen unter der Sonne ist „in der Lage, umsonst zu handeln“ – das können selbst die Engel nicht, denn die Engel kennen (wissen) den ganzen Sinn, daher ist ihr Handeln unmöglich im Sinne des „Umsonst“: die Engel tun was getan werden „muss“. Wie immer ein Engel handelt, er handelt, weil er alles weiß: handelt (entscheidet) er gut, dann in Ewigkeit gut, handelt (entscheidet) er böse, dann in Ewigkeit böse. Die Entschiedenheit der Engel ist daher „absolut“ und unveränderlich.

 

Die Größe des Menschen aber liegt gerade in diesem „Umsonst“ (tun, handeln): ich kenne den genauen Plan nicht, ich weiß die Vorsehung Gottes nicht genau, ich kann sie nicht in einer Definition klar darlegen, ja, alle Fakten der Realität sprechen eine andere Sprache, Gott scheint vollends verschwunden (Psalm 22), ich habe kein Engels-Wissen: aber meine Herzmitte ist „trotzdem“ zu DIR entbrannt, Herr und Gott – ja, es herrscht Krieg allüberall – aber trotzdem bist Du mein Herr und Gott: ich liebe Dich für Nichts, ich liebe DICH über alles ins Leere, weil ich eben nicht weiß: dennoch und trotzdem bist DU der HERR!

 

Diese Haltung geht gegen jede Vernunft und Kalkulation, sie ist gewissermaßen irr-sinnig! Ich glaube, Hans Buob sprach einmal in einem Vortrag über Vinzenz Palotti: Herr, du bist der Narr deiner Liebe! Ja, diese Liebe umsonst ist „närrisch“ – Narr der Liebe, lieben entgegen aller vernünftigen Logik, das ist „närrisch“ – trotzdem „JA“ sagen (Frankl) – ich verstehe nichts, HERR, mein ganzes Leben begreife ich nicht, warum das und das und warum jetzt dieser Krieg (Ukraine)? Warum meine Krankheit, warum mein Leiden? Ich verstehe es nicht – aber ich muss es auch nicht „wissen“, muss das Mysterium des Seyns nicht zu Ende bringen in einer tödlichen Definition: denn ich weiß, Herr, dass alles bei DIR gut ist – ich muss es nicht „so“ wissen in einem blutleeren Wissen, aber ich „weiß“ es im höheren lógos meines Glaubens.

 

Möglich, dass die Engel nicht in der Lage sind, sich „hin-zugeben umsonst“, diese höchste Potenz menschlichen Daseins, diese Hingabe um-sonst, diese Hingabe für Nichts – das „entbrannte Herz für Nichts“ – für Dich, verborgener Gott, dieses „reine Licht der Liebe – MARIA“ – dieses: reine JA. Man versteht jetzt auch den absoluten Hass gegen MARIA, es ist spürbar, dass in MARIA Wirklichkeit ist, was kein Engel je erreichen könnte. Daher wird Maria auch in der Lauretanischen Litanei als „Königin der Engel“ angerufen. Man versteht das erst von hier aus. MARIA versteht ja auch nichts, sie frägt: „wie“ soll das geschehen? Man kann sagen: MARIA steht völlig „un-wissend“ da – aber ihre Herzmitte ist mit irr-sinniger Liebe, mit irr-sinnigem Vertrauen erfüllt und entbrannt zu ihrem Herrn und Gott.

 

Diese Fähigkeit der „Großen Liebe umsonst“ (MARIA), die haben die Engel nicht und vielleicht neiden es die bösen Engel, die gefallenen, uns armseligen Menschen diese Fähigkeit zum „Umsonst lieben“! Hier liegt vielleicht der Ursprung der Eifersucht. Die Welt von Mordechai: die Welt der Düfte – die Welt des Haman: die Welt des Geschmacks. Wenn die Welt des „Geschmacks“ zugrunde geht, wird man bitter oder traurig, ist betrübt, wird depressiv, weil man so sehr am Geschmack hängt. Die Welt der Erlösung liebt dagegen das Kommende, den Duft, den Weihrauch: der zum Himmel steigt. Wissen und es erkennen, dass die Schöpfung in sich „vollendet“ ist (nicht zu verbessern, geht auch nicht) heißt: „ruhen“.

 

Der Mensch dieser Welt kann daher nur eines tun: „handeln umsonst“ (für nichts), weil Gott sich verborgen hält. Man kann Gott nicht wissen oder berechnen oder mit ihm handeln: mit ihm rechnen. Daher ist das berechnete Tun das Gegenteil des „umsonstigen“. Daher spricht der Erlöste in seinem Herzen: Herr und Gott, ich rechne nicht mit dir – denn DU bist ja Alles! Die Form gilt gemeinhin als das Wesentliche, die Äußerung gilt mehr, als das Verborgene, Stille, das Wahrnehmbare gilt. Im Augenblick, da sich die Äußerlichkeit lossagt, verselbstständigt und prostituiert, in diesem Augenblick wird der Tempel zerstört. Die große Freiheit unserer Seelen besteht gerade darin, „umsonst“ zu handeln, weil es mir nichts einbringt und ich „trotzdem“ handle: weil der Mensch Gott und die Anderen umsonst lieben kann.

 

Das Mysterium der Tat

 

Jede Tat des Täters – wie sie auch geschehe – trägt ein innerstes Mysterium, etwas Göttliches, Ewiges. „Auf dass gehandelt werde…“ – so glaubt der Mensch oft, er sei selbst die Ursache seines Handelns, er könne da autonom sein. Aber das ist eben ein großer Irrtum.

 

 

(März 2022)

 

Es heißt, man solle sich hüten, mit dem „Heiligen“ nur ein Spielchen zu treiben, das Spiel: „als ob“ (es also nicht so ernst zu nehmen). Trunken ist der Mensch der giert nach Welt, nach Fortschritt, nach dem letzten Stand der Dinge, die morgen schon wieder alt aussehen: Trunken der Mensch, der so giert, dass er nie satt ist, weil er leer ist. So glaubt man absolut an den Augenschein, ist berauscht von Äußerlichkeit und Formenwechsel, genießt das Kommen und Gehen. Für unsere Welt des Todes ist das Mysterium (das Geheimnis) nicht möglich. Man muss eben alles wissen und bloß legen, unsere Welt ist eine prostituierte, tote Welt: alles wird angepriesen und ge-outet. "Mysterium" (Heidegger, Gelassenheit) in diesem Sinne der Verschweigung und Verbergung wird geflohen. Man ist wirklich überzeugt davon, dass der horizontale Absolutismus verwirklichbar sei: dass das absolute Glück hier (auf Erden, in meinem Leben) verwirklichbar sei – es dauert halt nur: aber es ist „hier“ erreichbar, hier, in meiner kurzen Zeitspanne: 80 oder 90 Jahre – aber hier und jetzt und sofort! Das ist die große Lüge, die wir uns – jeder von uns – selbst vor-lügen, wir glauben an diese Lüge, wollen in diesem verlogenen Augenblick von "Ewigkeit" nichts wissen, wir töten im Glauben an den horizontalen Absolutismus die "Ewigkeit" in uns und damit unterschreiben wir die Angst in uns, die uns treibt und voranpeitscht. Aber dann, „plötzlich“ (wie ein Wunder) geht diese „große horizontale Rechnung nicht auf“ – und sie geht nie auf, weil sie bloße Weltrechnung war, und das war immer so mit den rein irdischen Rechnungen: gerade da, wo man meinte: Jetzt ist Alles erfüllt – jetzt ist alles erreicht! – da zeigt sich die „Krise“, das „Wunder“: es gibt noch etwas „Anderes“ – unsere irdische Vergnügungssucht ist nicht alles. Dass in unserer Zeit und Welt „unsere eigene Rechnung“ nie vollendet aufgeht, das ist ein großes Wunder und eigentlich nicht verstehbar, auch nicht machbar. Ich denke, dass die ganze Himmlische Heerschar, alle Engel, staunen über die Seele auf Erden, die sich da um-wendet, zurück-blickt und ein-blickt, eine Einsicht nimmt und erkennt: das alles „hier“ ist eben nicht alles! Der Heilige Paulus bekennt einmal: ein Bote Satans quäle ihn. Er flehte den Herrn an: nimm von mir diesen Boten! Paulus erkennt genau seine Laster und vermutlich ist er einer, der  - wenn diese Qual aufhörte – sehr, sehr überheblich geworden wäre, eingebildet und stolz auf seine Offenbarungen. Die „Gnade“ solle ihm genügen, das unverrückbare tiefe Vertrauen: dass hier und jetzt „Gnade herrscht“! Vielleicht hat Paulus auch so einen Anflug immer wieder, dass die Rechnung "hier" schon aufgehen werde, zumal mit solchen Offenbarungen. Alle sind wir gefährdet, immer wieder „versucht“, die ontologische Differenz zu schließen, „selbst reich“ zu sein vor der Schöpfung, es schön ab-zu-runden hier auf Erden und den Herrn so nebenbei einzubauen für mein Wohlgefühl. Vielleicht muss man einmal sehr, sehr dankbar werden dafür, dass unsere Rechnungen eben „nicht aufgehen“ – Deo gratias! Es heißt in einer alten Überlieferung, dass der Mensch, dessen Wünsche allesamt "jetzt" erfüllt werden – hier auf Erden – dass dieser Mensch ein „Toter“ sei.

 

Das „Scheitern“ an den eigenen Maßstäben ist im Grunde ein großartiges Geschenk, es ist sicher ein Engels-Bote, der die Nachricht übermittelt: sieh´ nur hin, sieh´ an: dein Leben ist ein Irrtum, deine Planung, eine Fehl-Planung – es gibt noch etwas viel Wichtigeres, das Wesentliche, unseren Herrn und Gott und Erlöser. Es gibt eine unermessliche Schönheit, die „hier“ ganz verborgen aber zugleich damit „unverborgen“ ist. Zugleich verborgen „und“ offenbar - ein JA und NEIN zugleich, das geht in der klassischen Logik nicht, Leben und Tod in Einheit, das geht in dieser Logik des "entweder oder" nicht: das kann der Verstand eben nicht für wahr halten. Léthe und alétheia wesen dementgegen aber in einer Einheit an: der verborgene Gott ist zugleich der ganz un-verborgene. Man kann daraus entnehmen, dass gerade da, wo Gott vollends „verschwunden scheint“, wo nur mehr Irrtum und Lüge herrschen, ja alle Katastrophen, die man so erlebt, wie jetzt gerade, sich verdichten, dass da die Gegenwart Gottes ganz „offenbar“ ist. Nicht weil die Lüge das „Wahre“ wäre, sondern weil sich Gott gerade in der „Armseligkeit“ zeigt, dort, wo alle menschlichen Gründe und Vorstellungen zusammenbrechen und einstürzen. Gerade da, wo ich nichts mehr „verstehe“, wo der Zweifel ins Unermessliche wächst: da ist die Nähe Gottes – kann man sagen: un-vermittelt da, da braucht es keine Vermittlung mehr, da entblößt sich die Verborgenheit in aller Unverborgenheit. Für den menschlichen Verstand ist das nicht mehr nachvollziehbar. Zu „sehen“ ist das nur für den Glauben, der Glaube be-währt (be-wahrt), be-wahr-heitet sich geradezu darin, im Irr-sinn „da-zu-sein“, Stand zu halten, aus-zu-halten. Der Glaube hält im Irr-Sinn (in der Verirrung und Verbannung) aus – er hält es aus, keine Argumente mehr zu finden, er sucht sie auch nicht mehr: die Argumente der horizontalen Freunde (Hiob) zeigen sich als kraftlos. Werden diese horizontalen Argumente absolut genommen, zeigen sie sich in ihrer ganzen Hässlichkeit. Und „Argument“ ist hier nicht beschränkt auf Logik, sondern das gesamte Leben, die gesamte Existenz, wird „argumentiert“ in dem Sinn, dass immer Gründe und Ziele, Vorstellungen und Entwicklungen „maßgebend“ sind. Das „Umsonst“ ist dem Argument im allumfassenden Sinn widerlich, das Argument hasst das „Umsonst“, es führt Krieg dagegen und wird es kreuzigen. Zum Argument des Lebens gehört auch die „Verbesserung“, die Entwicklung überhaupt, das Neueste (Modell), die Aussicht auf Zukunft, da wird dann alles „besser sein“.

 

In der Technik zeigt sich das besonders, diese Versuchung: ja wenn… ich nur das allerneueste Handy, ja dann… - und so in allen Dingen der horizontalen Argumente. Aber die „Wahrheit Gottes“ lässt sich nicht verbessern, sie ist auch nicht argumentierbar, sie ist "vertikal" und punkt-genau, gleich "Null" - sie trifft absolut, daher ist hier kein Raum zum "Räsonieren" oder "Spekulieren", die Wahrheit Gottes „steht un-verrückbar fest“. Es ist geradezu in der Philosophie um die Argumente zu tun, man kennt diese Wahrheits- und Gottesbeweise in der Metaphysik. Man kann sich da einmal fragen: ja wenn, wenn ich diese Argumente verstanden und begriffen habe, ja dann… - dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen: dann „habe“ (willhaben) ich es „erreicht“. Und darin genau liegt die Hybris, dass man „es hier und jetzt schon vollendet haben könnte“ (wollte), diese Versuchung zum horizontalen Paradies. Diese Versuchung ist überall am Werk: gesellschaftlich, privat, politisch, ökonomisch, philosophisch, esoterisch, religiös. Solange ich noch in diesem Sinne „haben will“, solange ich noch an-ge-reich-ert bin, also reich, auch die Wahrheit haben will, solange ist mir Wahrheit keine Offenbarung, kein Geschenk, kein „Umsonst“. Das große Wunder liegt gerade darin: Wahrheit offenbart sich von sich her wenn ich alles „fahren lasse“, wenn ich nicht mehr haben muss, sondern „Seyn“ lassen kann (ich lasse es sein und gebe es auf).

 

Dann „plötzlich“ (Paulus) spielt sich mir zu, was ich nie erwartet habe, worauf ich nicht gebaut habe, was ich mir nicht vor-gestellt habe, was sich ganz „umsonst“ einstellt. Vertrauen ist Vertrauen nur, wenn es „umsonst“ geschenkt wird. Ich vertraue (horizontal gesehen) ins Nichts, das meint: ich vertraue DIR, großer Gott – ich weiß nichts, ich stehe ledig und ich will auch nicht mehr „wissen“ – ich lege es nicht mehr auf meine Vorstellungen an, das alles lege ich in Deine Hände und ich danke DIR, großer Gott, dass Du „trotzdem“ da bist, gerade in der Wüste meiner Vorstellungen. Wenn dieses Vertrauen „umsonst“ stark wird, ist es mit dem „Als-ob-Leben“ vorbei: es gibt im Grunde keine Proben oder Generalproben im Leben: Leben ist immer und jederzeit „Uraufführung“

 

Es ist eine große Lüge, wir belügen uns selbst damit, wenn wir uns einreden: ja dann einmal, später vielleicht, das hat noch Zeit, das ist nicht so wichtig, so ernst muss man das nicht nehmen, ich hab´ zwar Fehler – aber Sünde? – nein, man muss das alles nicht so genau nehmen und: man hat ja noch Zeit… - die Uraufführung des Lebens, die kommt nach vielen, vielen Proben.

 

Diese Art von Lüge „verseucht“ die gesamte Existenz, dieses Gift kontaminiert unsere gesamte Verfassung, denn: Leben ist „jetzt“ Uraufführung, dieser je jetzige Augenblick kommt nicht mehr, er spricht Ewigkeit und in der Ewigkeit „gilt“ Ewigkeit, da gibt es kein „Als-ob“, kein Schielen zur Wahrheit so nebenbei. Der „Als-ob-Mensch“ wartet immerzu, oft ein Leben lang und am Ende hat er „umsonst“ gewartet.

 

Einmal dichtete es in mir:

 

Das Warten

Mein Leben lang: Mein Warten war,

Worauf? – Ich wusst´ es kaum.

Im alten Garten, weißes Haar,

Gekrümmt an meines Lebens Saum.

Sah´ meiner still geweinten Seele Land,

Und sah´ des Todes Schatten Hand.

 

Ich ahnte: links und rechts von mir,

Davor und auch dahinter: hier,

Da war ich krank in allem Lächeln,

Ein oberstes Gebot: Nie schwächeln!

Zu allen Lügen da und dort,

Ein feines Lächeln hebt mich fort.

Ertrag mit Stolz, mit Herz aus Stahl,

Du kannst nicht wählen, hast keine Wahl.

Und mit der Zeit, Du wirst es sehen,

Du liebst dann auch dein krankes Gehen.

Du bist dann stolz und mild gefroren,

Im „Warte-zimmer“ schon geboren,

Hast nach und nach Dich selbst verloren.

 

Denn Warten? Worauf, wie, auf wen?

Hast Beine, sind zum selber gehen!

Nicht an der Grenze sitzen, nein,

Und sich nicht sagen: Es ist fein!

Schreib´ Deine Verse ohne Blick,

Zurück, zur Seite – ist Geschick!

 

Denn morgen schon ist es sehr spät,

Ein einzger Blick, der mir verrät:

Das Warten war umsonst und leer,

Dein Herz gepflastert, lügenschwer.

 

 

 

Das Gedicht „Das Warten“ spricht im letzten Vers dieses „Umsonst“. Es meint jetzt aber Mehrfaches: Umsonst habe ich immer zugewartet, gehofft, dass es hier schon vollendet sei – es ist dieses unersättliche noch und noch und dann ja dann… Wer so immerzu wartet, der wartet wirklich vergebens, der wartet auf die Verwirklichung seiner eigenen Eingebildetheit, die freilich immer enttäuscht werden wird und dann sagt man sich resigniert: es war umsonst und leer, das Herz war immer zu-gepflastert mit eigenen Wünschen, Motiven, Lügen, mit dem: noch das und das und das noch…

 

Wenn in diesem rein irdischen Streben etwas Absolutes liegt, wenn das absolut gesetzt wird, dann ist die Gefahr sehr groß, dass man seine Seele tatsächlich verliert. Wer also hier „ent-täuscht“ wird, der darf sich sehr darüber freuen, denn das Vergängliche darf nicht mit Unvergänglichem verwechselt werden, die vergängliche Form nicht mit dem unvergänglichen Wesen. Wenn man so weit kommt, die eigenen Vorhaben loszulassen, nicht an ihnen zu hängen im Vertrauen darauf, dass es „gut“ ist und werden wird, dann bricht dieses „andere Umsonst“ hervor: umsonst zu leben heißt dann: vertrauend darauf bauen, dass der Herr es besser weiß, dass es gut ist, dass es nicht auf meine Absichten und Vorhaben ankommen wird. Dieses „andere Umsonst“ ist immer geschenkte Gabe, Verzicht auf die eigene, oft sehr kleine und enge Welt meiner Beschränkungen.

 

„Für nichts“ lebe ich dann: es lebt sich ohne „wenn…dann“, ohne „um…zu“. Der Lebensweg geht dann „ohne Blick“ (blind vertrauend kann man sagen) zurück, zur Seite – ist "Geschick" (zu-geschickt, auf den Weg gegeben / auf-gegeben). "So" seiend steht man mitten in der Dichtigkeit des über-lieferten Seyns, nimmt keinen kognitiven Versicherungsplatz ein, man hält sich nicht auf in der sicheren Entfernung weil man meint, man müsse es „zuvor sicher wissen“ und dann erst könne man handeln. Es könnte sein, dass, wer sich zu sehr und zu viel nur in Gedanken bewegt, dass der ganz „gelähmt ist in seinem Handeln“, richtig blockiert. Viele Krankheitsbilder und Störungen, die man heute gerne ins Psychologische unterbringt, haben viel tiefere Ursachen. Man ist „besessen“ z.B. von einer fixen Idee: nur so und nicht anders und man handelt dann so und nicht anders. „Besessenheit“ ist eine schwere Krankheit des Geistes und man könnte einmal darüber nachdenken, wie sehr wir uniformiert denken, univok unterwegs sind, ganz „besessen“ von Eindeutigkeit und Definition, ganz besessen von dem Anspruch, es ganz genau „wissen“ zu müssen (ein Muss, ein Zwang) und wie sehr diese Zwänge „lähmen“ können.

 

 

Der „Als-ob-Mensch“, der wartet eben auch und man könnte ihn fragen: und dann und immer weiter fragen: und dann? So kommt er im Gespräch auf den Punkt: dann sterbe ich! Und man könnte weiter fragen: und dann? Da könnte er antworten: es war alles „umsonst“ – und das ist in der anderen Hinsicht sehr wahr und tief: denn er bemerkt dann in einer freigebenden Tiefe: es war ja ganz umsonst, dass ich mir Sorgen machte, ganz umsonst war die Angst, mir fehlte dieses Grund-Vertrauen, dass das Seyn ja „herr-scht“  und dass der Herr „umsonst“ da ist: umsonst geschenkt, gratis. Und wenn das Seyn, der Herr, herrscht, dann herrschen Gnade und Vergebung. HERRschen heißt im Wesen: Alles überragen! „Diese“ Freiheit gibt´s nicht zum Kauf, für keine Leistung: sie ist Gabe der freien umsonstigen Liebe.

 

Ja, wenn ich das nur begriffen hätte und der Herr fragte mich jetzt:

 

siehst Du, das bin ich, Dein Herr und Gott und jetzt muss ich dir sagen, am Ende deines irdischen Lebens angelangt – du darfst nochmals dein Leben leben, von Anfang an, ich gebe dir die Chance noch einmal. Und ich sage dir: es wird genauso wieder kommen wie es gekommen ist, nichts wird anders sein, alle Vorkommnisse, die du erlebt hast, die kommen genauso wieder, auch alle Krankheiten und unschönen Dinge. Deine Kreuze, die da kommen werden, die nehme ich dir nicht ab, die musst DU tragen, du darfst sie jetzt aber, so wie dein ganzes Leben, „umsonst“ tragen: also ohne Berechnungen anzustellen, ohne Angst haben zu müssen, deine Seele kann be-freit diese Kreuze tragen weil sie weiß, dass ich, dein Herr und Gott, sie mit dir trage und dieses Wissen kommt aus dem tiefen Geheimnis, nicht aus einer kleinlichen, kaufmännischen Reflexion. Du warst immer Kaufmann, immer hast du gerechnet ob es sich ausgeht! Das war deine immense Sorge. Aber ich war immer da und sagte dir immerzu: sei unbesorgt - Alles ist schon erfüllt und vollendet - sei also un-besorgt!

 

Diese neue Freiheit kannst du aber nur „umsonst“ bekommen, das ist die Bedingung, du musst alles los-lassen an Berechnungen und logischen Winkelzügen und das wirst du auch tun, jetzt, wo es so weit gekommen ist mit dir, denn es ist dir klar geworden: die Weite Gottes ist uner-messlich, sie lässt sich nicht „messbar“ machen und berechnen. Dieses Geschenk der Gabe der Freiheit  gebe ich dir „umsonst“ und nur „umsonst“ und ich nehme von dir nichts, rein gar nichts an Gegenleistung dafür an, einzig deine „befreite Freude“ ist mir angenehm, zu sehen, wie du be-freit von Angst und Schrecken, befreit von Leistung und Druck, befreit von aller Sorge durch dein Leben gehst, wieder bis zum Ende im Anfang: und da werde ich wieder stehen und dich anblicken und fragen: wie war dein neues „Leben umsonst“? Was wirst du dann sagen?

 

Danke, mein Herr und mein Gott, umsonst habe ich empfangen, umsonst habe ich gegeben. Du bist „umsonst“ da, Herr, aber ich habe es in meiner kleinen Lebensberechnung nie be-griffen, du bist zum Greifen nah, und ich irrte umher und suchte in der (gedanklichen) Ferne, aber du bist doch der Nahe und Nächste,  ich stand  mir selbst im Wege mit meinen Rechnungen und Überschlägen. Wie Hiob muss ich Dir sagen: Herr, jetzt erst hat mein Auge dich geschaut!

 

Mein Leben ist „jetzt“ Ur-aufführung (nicht irgendwann) und immer klopft der Herr an und frägt "jetzt": wirst du „umsonst“ leben? Es ist eine Frage oder besser:  „die“ Frage von Ewigkeit her an uns und diese Frage „muss“ beantwortet werden. Und weil das Ewige in uns keine Zeitlichkeit kennt, so ist diese Frage immer „jung“ und „anfänglich“, eben „jungfräulich“!

 

Diese Frage aus der Tiefe des Zeitlosen nimmt uns gänzlich in Anspruch: kein „als ob“ mehr, keine Generalproben mehr – „jetzt“ ist Uraufführung.

 

 

(Weiterführung)


 

 

Μυστήριον

(Ostern, 2022)

 

„Man“ re-agiert: das Man (das mitgerissene Ich in uns) re-agiert, es ist aufgescheucht, erregt, wir erleben das dieser Tage: überall wird re-agiert. agere: das Tun, das Machen: Hauptsache ist: es wird etwas „gemacht“. Der eine überfällt den anderen (Krieg in Europa), die anderen sind dadurch aufgescheucht: wunderbar: denn Hauptsache ist ja, dass „gemacht“ wird, dass getan wird: im Namen des Rechts, im Namen des Friedens, im Namen Gottes, im Namen der Menschenrechte, im Namen des Lebens!

 

Wer denkt da im Namen des Lebens an die jährlich über 100 000 getöteten Leben, die nicht zum Leben zugelassen werden? Wo sind da die Proteste?

 

Das „Man“ (Heidegger, Sein und Zeit) regiert, es gibt den Ton an. Dieses Man hat keine Stille in sich, es kann in sich nicht inne halten und un-aufgeregt sein, das Kennzeichen des Man ist die Aufgescheuchtheit und das prompte Re-agieren: also agieren, Tun im „Reflex“ – das heißt: Tun ohne Gelassenheit. Man sagt, es sei jetzt „Krieg in Europa“ – ja, es ist Krieg. Aber es war „immer“ Krieg, zu jeder Zeit war Krieg. Der Krieg im Äußeren ist ja Spiegelbild des Krieges „in uns“ selbst. Im Wesen des Krieges steht die „Vernichtung“, das Ausgelöscht werden: man hört es überall: das muss unbedingt verhindert werden. Die Drohungen – gegenwärtig – drohen mit Vernichtung, mit Auslöschung.

 

Und es „zeigt sich uns jetzt sehr offenbar und sogar äußerlich“ (Krieg in Europa, Ukraine / Russland / Europa sagt man): aber das ausgelöscht und vernichtet werden betrifft ja eigentlich mich selbst, ich bin ja immer bedroht mit Vernichtung, der Tod ist mein Bruder, er begleitet mich ja jederzeit und spricht mir zu: ich bin da, auch wenn du mich lebenslang vergisst und verdrängst. Das, was sich jetzt so dramatisch im Äußeren zeigt, das zeigt sich mir jederzeit gegenwärtig: und jetzt re-agiert man mit Sanktionen: das können wir nicht hinnehmen, die Vernichtung ist ein Skandal, man muss das stoppen.

 

Man spürt das jetzt sehr: dieses „Über-re-agieren“, diese Aufgescheuchtheit, als ob es auf Blut und Boden etwas „hier auf  Erden“ zu verteidigen gäbe! Man spürt diese aufkommende „Enge“, und E(A)nge = Angst. Daher werden Sanktionen und Programme, Friedensprogramme und Abkommen getroffen. Das „war“ in der Corona-Krise ebenso der Fall!

 

Man merkt auf: da ist dieselbe Angst am Werk, dieselbe Enge: Hauptsache ist, es wird re-agiert und es werden Programme entworfen, Hauptsache ist: es wird agiert! Die Corona-Krise ist heute schon wieder von vor-gestern. Man spürt das jetzt: denn die neueste Krise, das ist jetzt der „Krieg in Europa“. Man könnte aufmerken: Hauptsache ist: es gibt Krisen, Schlagzeilen, Programme, Abkommen: Hauptsache ist: es wird etwas getan, es wird etwas entworfen, ist ganz egal, was es ist: man bettelt um die Aktion, um das Programm, um den Entwurf. Der Aktionismus ist heute der sehr gut getarnte „Irrlehrer“ (Offenbarung des Heiligen Johannes), der uns verführt und UNS antreibt mit-zu-machen.

 

Der Haupt-Feind aber all dieser Irrungen ist die „Stille“, das Mysterium, die Gelassenheit, der völlige Frieden (Esther) in aller Aufgescheuchtheit.

Sie, "Esther - Maria" - Sie ist der Hauptfeind aller Aggression! Da liegt große Gefahr darin: man sage heute einmal: sei un-besorgt in der heutigen Gefahr, in diesem Krieg, Gott lässt es zu und so ist es absolut „gut“. Man wird gehenkt ob dieser Aussage: denk doch, diese vielen Flüchtlinge, diese Opfer und Toten, diese Verbrechen usf. – du Un-Mensch!

 

„Man“ (Heidegger)  muss also in unserer Zeit „sehr aufgeregt“ sein, aktionistisch. Mir fällt das  auch in den Heiligen Messen auf: der Herr ist ja da – es „herrscht“ die Gnade. Und dennoch wird viel geredet, viel zer-redet, sogar sehr charismatisch, aber am Ende: es war „aufgeregt, erregt“ – das stille Vertrauen wurde durch Worte verscheucht (oder durch Programm, je nachdem). Der Priester re-agiert, er „nimmt zum Anlass“, nimmt Anstoß usf.

 

Aber wenn das „Wort“, der Herr,  herrscht und alles be-herrscht: dann ist ja schon alles gut und muss nicht von uns erst gut ge-macht werden, denn unser Machen ist ja Zeugnis des Unvertrauens, wenn der Herr herrscht, dann gibt es eigentlich nichts zu korrigieren, dann kann man das Wort sagen und es „ist“ schon gut.

 

Wo, frage ich mich, zeigt sich noch dieses „Vertrauen“ in diese Stille? Kommen wir also zusammen und seien wir „still“ im Angesicht des Herrn: stille sein – das ist Vertrauen, absagen dem Aktionismus, absagen dem Programm, absagen der Aufgescheuchtheit – das wäre Gebet.

 

In allem äußeren Krieg zeigt sich ja nur unser innerer Krieg: der äußere Krieg wird nur besiegt in der „inneren Stille“, im Sich-einfinden und endlich „Ruhe geben“. Gott gebe, dass dies geschehe!

 

 

Amen!

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

 

(Fortführung, Ostern 2022)

 

Der endliche Absolutismus „ist“ gebrochen und das ist eigentlich die Frohe Botschaft. Der „Sieg“ ist errungen, durch unseren Herrn Jesus Christus. In dieser jetzigen Welt sieht freilich alles anders aus – und es sah gestern und vorgestern, das heißt in allen Weltaltern, immer „anders“ aus. Die Geschichte im Horizontalen – die Geschichte der Entwicklung – kennt die Sprache der Erlösung nicht, sie ist ihr fremd. Es ist ein deutliches Kennzeichen: wenn die Kräfte des Irdischen anwachsen ins geballte Immer-so-weiter ohne Ende (ohne Ende scheinbar, also un-endlich; das Un-endliche darf nicht mit dem Ewigen verwechselt werden) – un-endlich bedeutet irdischer, endlicher Absolutismus – dann ist „Erlösung“ bereits geschehen und da (ganz im Verborgenen, ganz in der Verbergung).

 

Die Potenz zum Irrsinn ist die Bestätigung, dass der Erlöser gekommen ist, die Verrücktheit der Welt kann sich dann nur mehr auslaufen in ihrer eigenen Vernichtung, in der Potenzierung "666" horizontal: der Satan weiß um diese „Besiegelung“ und er kann sich nur mehr uni-formieren, aufmarschieren, un-endliche Feuerwerke veranstalten, aber sein eigenes Ende ist ihm gewiss. Die Gier nach dem immer Neuen, Besseren, das ist so eine Sprache und Logik die anzeigt: Erlösung ist geschehen, nicht weil in dieser horizontalen Anzeige die Erlösung läge, im Gegenteil, sondern weil der potenzierte Irr-Gang, diese maßlose Aufgescheuchtheit und Angst, von einer „Irritation“ zeugt: es ist etwas in unserer verirrten Welt "dramatisierten Welt", das uns nicht zur Ruhe kommen lässt, gerade da, wo es „perfekt“ zu gelingen scheint, wo man meint: jetzt „hätte“ man alles erreicht, gerade hier tritt die „ewige Irritation“ auf.

 

Der Geist des endlichen Absolutismus weiß Bescheid, er weiß, dass er „besiegt ist“ und dieses Wissen als Faktum erzeugt un-endlichen Hass, der sich dann eben im Irr-Sinn ausläuft: in der Multiplikation ohne Ende. Man bemerkt das schon im Gang durch den Supermarkt: es müssen 156 Käsesorten da liegen. Der endliche Absolutismus kann seine ewige Kapitulation eigentlich nicht ertragen, er muss sich einigeln, potenzieren, vervielfältigen ins Irrsinnige, in den Rausch, in den Karneval des Irrsinnigen, in das Geplärr der uferlosen Prostitution: immer neu, immer anders, immer schillernd – farbenprächtig. Dieser Karneval zeugt von „Irritation“, ist aber (er selbst ahnt es nur) die Bestätigung der Erlösung und er hasst sie, die Erlösung, und dieser Hass ist eben dieser Aufmarsch, das Laute, das immer Wechselnde. Wenn die Welt der irrsinnigen Entwicklung bei sich bemerkt, dass da etwas nicht stimmt mit ihr selbst (und das ist schon die Irritation), dann will sie das nicht wahrhaben, sie will in ihrem „Immer-so-weiter-wie-bisher“ am Leben bleiben, sie will nicht auf-geben, lieber den Kopf in den Sand und nur weiter so.

 

Wenn das geschieht, dann kann der schon erlöste Mensch nicht durchbrechen, sich nicht erheben, die Horizontale verlassen, die 6 der endlichen Entwicklung geht „immer nur weiter so“: 6 – 6 – 6 – ins Endliche ohne Ende. Das Wachstum ohne Sinn ist dann Programm, Hauptsache, es geht „blind“ (taubstumm) weiter so. In der Medizin wird heute gesagt: Leben retten, Leben sichern, Leben verlängern – um jeden Preis! 110 Jahre alt werden – und das gesichert für jeden von uns – aber was dann? Das spürt man diese Hochleistungsmaschinerie am Werk, Wachstum ohne Sinn, einfach so und nur weiter so. Mit „Hochdruck“ wird allerorts gearbeitet um des Arbeitens willen, man muss doch tun, entwickeln, planen, Sorge tragen (wie gut das klingt).

 

Aber diese Rechnung geht eben nicht auf, da ist immer diese "ewige Irritation" im Spiel: da hockt wer bei der Eucharistischen Anbetung und vergeudet Zeit, er verschwendet sie: was bringt das schon, da könnte man doch Sinnvolleres tun, den Anderen helfen usf. Hintergründig kennt man dieses irritierende Gefühl, dass da etwas „nicht stimmt“ in diesem ganzen Welt-Entwicklungs-Plan, jeder von uns kennt das und wer es bei sich leugnet, der kennt diese Stimme sehr genau. Es ist lästig, dieses Gefühl, und es muss vernichtet werden. Die Größe, die Zahl, die Expansion, der Progress, das Wachstum grenzenlos, die Planbarkeit, das Programm usf. diese Entwicklungen müssen bis zum Äußersten gehen, die In-Formation muss rund um die Uhr geschehen. Der Mensch ist überfressen vor dröhnender In-Formation, das ist: Gleichschaltung: wer „dieses A“ sagt, der muss unbedingt „dieses B“ sagen, so und nicht anders.

 

Immer wenn es sich so tosend „losgelassen“ zuspitzt, wie gegenwärtig, wo man merkt: alle Kräfte der Erde versammeln sich in Uni-Formation, in Gleichschaltung der In-Formation, wo das Rasende immer rasender wird, wo der Lärm ins Unermessliche schreit, da wächst die Gefahr, aber sie kann eben nur an-wachsen, weil „Erlösung absolut anwesend ist“ - und, das ist ganz entscheiden: schon "geschehen ist - unverrückbar"!

 

Der Karneval des Todes dieser Welt  ist der uneingestandene Kniefall vor usnerem Erlöser, usnerem Herrn Jesus Christus.

 

Das versteht man schwer, ist auch nicht zu begreifen, es ist ein Mysterium unserer Heils-Geschichte. Überall wo das Toben sich besinnungslos ermächtigt, da spricht dieses Toben (das Böse): ich weiß, dass ich verloren habe, dass ich besiegt „bin“, durch dich, Erlöser, das, was ich jetzt noch tun kann ist: ich will das Toben im Irdischen zur Vollendung bringen, das ist das einzige, was ich noch kann – denn deine Erlösung kann und will ich nicht annehmen – so die gefallenen Engel, so der Fürst dieser Welt.

 

Man kann es schwer verstehen, dass das Heil der Krankheit voraus-geht! Das erste ist das Heil, die Erlösung, mag auch Krankheit kommen wie sie will, mag Zerstörung und Gewalt da sein – das Heil ist im „Voraus“ da. Es kommt nicht die Krankheit zuerst und dann die Gesundheit, es ist umgekehrt!

 

Möglich, dass unser Schutz-Engel jener Störenfried ist, der alles sieht, unsere ganze Entwicklung mitgeht, der immerzu „schweigend“ anwesend ist, der Irritierer, der uns dann ganz unwillkommen ist wenn unsere Pläne aufzugehen scheinen. Dann hassen wir den, der uns da irritiert und stört: der muss weg. Es ist die Stimme in uns, die sagt: dein ganzes Lebens-Spiel ist fruchtlose Spielerei „als ob“, Expansion als Zweck, wohin eigentlich?

 

Zwischendurch eine Bemerkung: die folgenden Texte sind immer überschrieben: Heilige Maria – Mutter Gottes. Das ist kein Zierde oder ein Belieben. Im Ave Maria beten wir  in jedem Gesätzchen: Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes – Amen!

 

Alle hier versammelten Texte sprechen von unserer Gottes-Mutter, SIE ist ständig anwesend, hintergündig „da“, präsent. Auf den ersten Blick wird das nicht ersichtlich und das ist sehr gut so – denn das Mysterium liegt im: ich verberge mich!

 

Was immer in unserer Welt „umsonst“ geschieht, das entzieht sich aller Berechnung: denn das Umsonst tut weil es tut, es liebt weil es liebt, es gibt weil es gibt. Ich gebe Dir einfach: ich stelle dafür keine Berechnung an oder fordere Gegenleistung, nein, ich tue umsonst. Das Umsonst kann man daher nicht berechnen, es kommt einfach so weil es kommt. Man kennt das Wort: „Gott ist tot“ – Gott „schläft“, d.h. er reagiert nicht auf meine Gebete, er erhört mich nicht und in dieser Welt, so der Augenschein, regiert doch der Zufall, das Gesetz, die Willkür, das Elend: wo bist Du, Gott, warum schweigst Du? Und wirklich: für den Menschen des horizontalen Absolutismus ist Gott tot, es kann nicht anders sein, denn der Sinnen-Mensch, der sich bloß auf Äußerlichkeit und Form fixiert, der kann das Mysterium nicht „sehen“, er geht ja nur „natürlich“ in der Welt umher, das Über-Natürliche ist ihm fremd.

 

Man kann es sehr einsehen: Gott ist tatsächlich „tot“, er rührt sich nicht: ich nehme nichts wahr von ihm, er zeigt sich mir nicht in einem Wunder usf., seine Sichtbarkeit in unserer Welt ist wie ausgelöscht. Der Augenschein, die Sinnlichkeit, das Argument: all das zeigt doch, dass Gott „tot“ ist. Aber diese „Tatsächlichkeit“, dieser Augenschein: das sagt uns, dass wir selbst die Toten sind, weil wir so sehr am Augenschein, an der Sinnlichkeit, am Argument, an der Entwicklung und am Wachstum hängen – nur dieses gilt und überzeugt uns.

 

Die Entwicklung der Welt geht ins Übermaß, das sieht man und schaut auch zu und erwartet auch hier und jetzt: die Großartigkeit des endlichen Absolutismus, das Wohlgefühl ohne Ende, man erwartet den Rausch des Absoluten hier auf Erden, jetzt, in meinem So-sein: das Glück, wofür es sich ausgezahlt hat ein Leben lang zu schuften: man wartet auf das große Ereignis „hier auf Erden“! Und wenn schon der Gott nicht hier erscheint, dann schaffen wir uns selbst dieses „großartige Gefühl und Ereignis“ – wir machen es uns, wir er-schaffen es!

 

In der Welt des „Umsonst“ hat der Kaufmann keinen Aufenthalt; er müsste ja zu-Grunde gehen mit seinen Geschäften. Do ut des ist im Reich Gottes unmöglich. Wer sich aus der Welt der Geschäftemacherei zurückzieht: und auch mit Gott machen wir ja meistens Geschäfte (quid pro quo) – der tut eigentlich Buße. Buße hat also in erster Linie nichts damit zu tun, dass man mit Trauergesicht herumläuft, auf diese oder jene Dinge verzichtet aber sonst bleibt alles beim Alten. Der Büßer lässt die Geschäftemacherei sein, er gibt das Rechnen auf, die Dinge der Welt haben in der Buß-Haltung keinen absoluten Zugriff mehr zu meiner Herzmitte, die Augen blicken „nüchtern“ nach der Welt, aufgewacht. Die gesamte Existenz wird in der Buße um-gekehrt. Die bessere Übersetzung für Buße ist das griechische metanoia: Umkehr, Wendung, Einkehr. Die Seele lässt ihre gesamte Kaufmanns-Mentalität los und „rechnet“ nicht mehr mit Gott und schon gar nicht mehr mit den Welt-Dingen, weil Gott sich der Seele zeigt, offenbart (Hiob im Wettersturm).

 

Am Aschermittwoch ist es Brauch: das Aschenkreuz. Asche auf sein Haupt streuen bedeutet, dass die Seele hier auf Erden schon so lebt, als ob das Ende schon gekommen wäre. Heidegger sprach einmal in „Sein und Zeit“ vom „Vorlaufen in den Tod“. Ein Sinn dieses Vorlaufens war, wie mir scheint (obzwar nicht dort so ausgelegt), der, dass nichts hier auf Erden den Tod je überholen könnte, hier scheitern alle endlichen Glückseligkeiten, die man sich so zusammenträumt. Wenn der Schleier unserer Illusionen „zerrissen“ wird, also alle farbenfrohe Äußerlichkeit ihren Absolutismus verliert, dann ist die metanoia am Werk. Das merken die irdischen Kräfte und zittern, weil sie gerade dabei sind, ihren absoluten Status zu verlieren. Dieses Dasein „hier“ ist eben nicht alles und wird es für Alles genommen, ist man verloren. Zu merken, dass horizontales Dasein nicht alles ist, ist ein reines Wunder. Das Augenfällige, der Augen-schein, der so oft absolut daherkommt und uns sehr betrügt (trügt), der „zerreißt“ im Angesicht des Todes und man bemerkt bestürzt: das alles war Windhauch (Kohelet). Auch alle Aufregung und Angst kommt dann an ein Ende und man bemerkt wieder: das alles war nur Windhauch.

 

Zeit der Umkehr ist Zeit des Los-lassens: man wird gelöst von den Anhänglichkeiten, gelöst von der Erdschwerkraft: im Los-lassen klingt die Lösung, die Er-lösung an. Hier liegt die Wende, die Umkehr, hier zeigt sich der Erlöser als armer Bettler, der von dieser Welt nichts gibt, nichts zu geben hat (Bettler ist), aber alles von Ewigkeit her „umsonst“ schenkt – das ewige Leben, das es hier nicht zu kaufen gib. Das Los-lassen ist ein passives Geschehen-lassen und damit höchste Aktivität: es geschieht mir, es ereignet sich mir: ein Geschehen an mir, ich selbst habe es von mir aus nicht mehr im Griff.

 
(Weiterführung)

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(III)

 

Man sagt, dass das „Wort“, also der lógos, weiblich sei. Man sieht die Berge, das Ge-birge: und das Gebirge „birgt“ etwas Wesentliches. Sich „lieben“ heißt eigentlich in Sehnsucht fragen: Wer bist DU? Das Frauliche, das Weibliche: bringt zur Welt, lässt erscheinen: offenbart, gebiert! Das Weibliche ist voller Optimismus: es spricht jederzeit: trotzdem will ich „zeigen“, trotzdem will ich offenbaren. Denn das „Wort“, der lógos, kommt nur durch SIE, MARIA. Sie offenbart uns, zeigt uns den Erlöser. Es ist die Frage der „Über-Brückung“ und es heißt, diese werde geschehen durch das „Umsonst-Handeln“.

 

Umsonst-Handeln birgt (Ge-berge) ein Geheimnis: es ist das Unmögliche! Und vom „Unmöglichen“ soll nun die Rede sein.

 

Intimer Kontakt mit unserer Welt heißt: vom Horizontalen „Alles“ erwarten, nichts mehr glauben, nichts mehr hoffen, nichts mehr lieben, das ist „intim“ sein mit dem Augenschein, mit der Äußerlichkeit, Begegnis mit dem Massiven der Aufgewühltheit (das nur ein Äußeres ist). Intimer Kontakt mit unserer Welt ist im Wesen: Un-Frieden, Un-Ruhe, Un-Geist!

 

Wenn Gott, unser Schöpfer, sich „entäußert“, also hin-gibt, her-schenkt, sich umsonst gibt, der Vater aller Dinge und Gewalten: herabsteigt in unsere irdische Irrnis, das ganz Heilige verlässt, damit Welt „sei“ – und zwar: freiwillig, das ist: „umsonst“ – das meint: er, unser Schöpfer, schenkt sich uns hin, uns, den Geschöpfen – da muss man inne halten! Was bedeutet das - unser Schöpfer schenkt sich "umsonst"!

 

Es bedeutet: sich mit sich selbst „aus-einander-zu-setzen“. Diese Auseinandersetzung ist „Fasten“: man wendet sich mit dem Herzen, also mit der eigenen „Hingabe“ von allem ab, was die Welt an Freuden und Genüssen und Entwicklungen als „absolut erstrebenswert“ vorgaukelt – als ob es die wahre Wirklichkeit wäre. Diese Abwendung ist aber keine Verachtung oder Weltflucht. Wenn ich nur auf äußere Dinge, z.B. Süßes usf. verzichte, dann verzichte ich eigentlich nicht, sondern „betöre“ mich, schmeichle mir: bei gleichbleibender innerer, Welt-verlorener Gesinnung und Haltung.

 

Wahres Verzichten bedeutet dementgegen: meine gesamte Existenz wird „anders“ ausgerichtet. Ich vertraue meinem Schöpfer in all meinen Wegen hier auf Erden – und nicht mehr mir selbst: das ist wahres Fasten! Gibt es etwas in mir, was mich noch hin-reißt, horizontal gemeint, was mich hier noch betört, was mich anreizt, wofür ich horizontal lebe und sterbe? Gibt es noch so etwas?

 

Dann „gärt“ noch etwas in mir, es will mehr werden, „bläht sich auf“, will groß werden, will sich zeigen und outen, will Geltung, Belohnung, Applaus, anerkannt sein: das alles ist „Sauerteig“ in mir, der immerzu „mehr“ werden will. Wer in sich diese Strebungen sieht und durch-schaut und ihnen in ihrem Wesen eine Absage erteilt, weil er die Täuschung klar erkennt, der „fastet“, der gleicht einem „Bettler“, der aus sich selbst heraus nichts mehr hat und „will“ und nur mehr „Empfänger“ sein will. Hier liegt das Wesen der „Armut“ (Meister Eckhart, Armutspredigt): die erste Seligpreisung des Herrn spricht von dieser Armut des Herzens, der Armut der Seele. Diese „arme“ Seele ist die wahre Schönheit, der Glanz der Keuschheit, der höchste Sinn der Vereinigung. Wer das verstehen kann, der versteht auch das Gelübde der „Keuschheit“: keusch zu sein heißt in erster Linie: ich entsage und verbiete meiner Seele, dass sie sich mit den vergänglichen Dingen vermählt, in sie hinein sich verliert. Eine „keusche“ Seele entsagt dem Trieb des Immer-weiter so und immer-mehr und mehr, sie entsagt dem Aufreizenden der Konsumwelt, die immer dem Neuesten der Entwicklung hinterherläuft. So entsagend ist die Seele „schön“ vor der wahren Wirklichkeit des Herrn. Die Entsagung, das Fasten, ist kein Verzichten aufgrund des Verzichtens; das wäre Hochmut und Stolz. Die „schöne Seele“ verzichtet, weil sie die wahre Schönheit gefunden hat: den Herrn, sie hat etwas Besseres gefunden als den Anreiz der Äußerlichkeit, als den Augenschein, die schöne Seele hat die „Wahrheit“ gefunden: besser noch: die Wahrheit hat die Seele „wach-geküsst“.

 

Dieses „Geschehen“ geschieht mir, es ist also keine Aktion in mir und von mir aus: im Los-lassen und in der großen Gelassenheit „passiert“ das. Wenn heutzutage über den Zölibat diskutiert wird, über die äußere Form, dann ist das ein Kennzeichen unserer un-geistigen Zeit. Diese Diskussion liefert sich der Äußerlichkeit aus, also der gerade herrschenden Meinung, die heute schon wieder von vorgestern ist. Zum Zölibat sind wir alle aufgerufen, ausnahmslos, denn es geht darin um unser Seelen-heil: dass die Seele sich nicht verlieren möge und das tut sie, wenn sie ihr Heil in Vergänglichkeiten, im Augenschein, in der Entwicklung usf. zu finden meint und „nur darin“! Das betrifft alle Bereiche unserer Welt! Da wird z.B. etwas medial verbreitet, das nehme ich auf, glaube an das und schon bin ich verkauft, verbreite weiter und bin schon im Getriebe verloren.

 

„Sehr schön“, kann man sagen, die Seele, die es „ganz Gott über-lässt“, die ganze Welt-entwicklung ihm vertrauend in die Hände zurücklegt. Sie ist die ganz „reine und demütige“ Seele. Hier genau geschieht „metanoia“, Wende, Umkehr, Buße. „Abstand nehmen“ vom Glanz dieser Welt, vom Augenschein, vom Geäußerten: das heißt nicht Verachtung des Geäußerten, Weltverweigerung oder Weltflucht: die Dinge der Welt würdigen wir erst recht und wahr, wenn wir sie mit „Abstand“ an uns heranlassen: sie sind da zu unserer Freude oder sind sie nicht da, ist ebenso gut: die Freude ist das Wesentliche, ob die Dinge da sind oder weg sind: einerlei, es wird dafür Gründe geben, die ich nicht wissen oder einsehen muss. Abstand nehmen ist Ernüchterung, Erweckung, ein Aufwachen aus dem Konsumrausch: die sonst glänzende Umhüllung wird zurückgedrängt in ihrem permanenten Andrang und ihrer Anbiederung.

 

Husserl sprach einmal von der ἐποχή: Einklammerung – man kann auch sagen: Abstand nehmen, es nicht mehr so heranlassen. Im Zuge der ἐποχή klärt sich Vieles, wird ruhiger und gelassener – das ist Fasten. Wer sich von der Entwicklung und vom maßlosen Fortschritt, vom medialen Augenschein usf. nicht mehr berauschen lässt, nicht mehr trunken sein will (Wille) davon, der „isst das kärgliche Brot“ und wird dadurch vollends satt in einer Sättigung, die diese Welt nicht geben kann. Die Welt des Sauerteigs, die Welt der Aufblähung und Gärung, diese Welt verliert im Fasten ihre Schwerkraft. Was sonst so wichtig war, es wird immer unwichtiger, an erster Stelle freilich das Ego mit dem Anspruch: Ich will…! Aufgeregtheit und Aufgescheuchtheit sind immer verlässliche Boten, dass die metanoia am Werk ist.

 

Je stiller eine Seele wird, desto aufgeregter und aufgescheuchter kommt ihr die Welt entgegen, diese Seele wird förmlich ausgeliefert, mit Angst getränkt, aufdass sie ihre Stille verlasse und zurückkehre zu wohlgeordneten (wahnsinnigen) Entwicklung ins Maßlose. Die horizontale Welt (des Fürsten dieser Welt) bietet all ihren Zauber auf, um die Seele aus der Stille wegzulocken, denn hier besteht die größte Gefahr darin, dass die Seele „umsonst handeln“ könnte, ohne Verdienst und ohne Verlangen, ohne Bitte und ohne Begehr.

 

Die „arme Seele umsonst“ ist in ihrer Schönheit der Tod der horizontalen Berechnung und Kalkulation: diese freie Seele feiert den Schöpfer „umsonst“, sie will nichts mehr, sie begehrt nichts mehr: sie ist frei davon und so ehrt und preist sie den Herrn „umsonst“. Das ist auch die wahre Anbetung: umsonst. Möglich, dass der Mensch zu dieser höchsten Daseins-Form ins Leben geschickt wurde, dass dies sein Auftrag hier sei und kein Engel könnte dies: umsonst den Herrn anbeten, umsonst handeln, denn der Engel hat sich entschieden und er tut was er tun muss. Die Freiheit „umsonst zu tun“ – diese Freiheit hat nur der Mensch, absichts-los da zu sein für… den Herrn und die Anderen, das ist die Schönheit der Seele. Sicher werden die Stürme der Entwicklung draußen weiter toben, die Versuchungen werden herandrängen, die Kräfte der Erdgebundenheit werden alles aufbieten, um die Seele zurück zu reißen vom Mahl mit ihrem Herrn, vom abendlichen Mahl.

 

Gott, so heißt es, warte auf diese metanoia im Menschen und das sei die „einzige Sicherheit“, die es wahrhaft gebe: die freie Umkehr der menschlichen Seele. Das muss man tief betrachten, auf den ersten Blick eröffnet sich diese Wahrheit nicht. Absolut verlässlich ist also das Warten Gottes auf uns, die wir Sünder "sind". Es bedeutet, dass es nur eine einzige wirkliche Sicherheit für den Menschen gibt: das Warten Gottes auf uns und seine Zwiesprache mit uns. Sonst gibt es schlechterdings keine Verlässlichkeit und sollte eine sonstige angeboten werden, dann steht dahinter die Lüge. Jede metanoia bewirkt eine Erschütterung des gesamten Weltalls, das geschieht immer dann, wenn nur eine einzige Seele umkehrt und gerettet wird.

 

Es ist eben die Frage, ob wir auf-geben (Aufgabe im speculativen Sinn), Abstand nehmen, es „sein“ (Seyn) lassen! Das Seyn lassen können ist eigentlich ein absolutes Beruhigt-sein, eine Stillung und darin liegt „Stille und Ruhe“ – Geborgenheit. Wer in der Ver-Bergung zuhause ist, der „birgt“ sich darin, der ruht und ist ge-stillt. Diese „Stillung“ ist absolut! Absolutum: das Abgelöste, das Unumgängliche – es hat ewigen Bestand. All dies, was man nicht für möglich halten sollte, das eben hat wahrhaft „ewigen“ Bestand.

 

Wer mag das fassen?

 

„Stillung“ ist zugleich „Wehrlosigkeit“. Wehrlosigkeit: das meint, ich setzte nichts entgegen, ich wehre mich nicht, ich nehme keinen Anstoß, ich beuge mich nicht dem Aufruhr, ich lasse das Seyn strömen in einem absoluten Vertrauen, dass es schon „gut“ ist, dass das Heil schon wirkt und anwesend ist (auch wenn der Augenschein eine andere Sprache spricht).

 

Ohne Gegenwehr "seyn": der Herr in gat shemanim „Kelter der Öle“: Wehrlosigkeit: absolut (losgelöst von aller irdischer Belange) vertrauend: diese Wehrlosigkeit – ohne Gegenwehr sein – siegt, hat "schon" den Sieg errungen.

 

Die Wehr-losigkeit ist die „verborgene Macht“ im Tumult der Äußerlichkeiten: die Wehr-losigkeit ist die Einstimmung in die gesegnete Ohnmacht meiner selbst.

 

(Weiterführung)


 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(IV)

 

Wehr-losigkeit ist immer bedroht, sie gilt als Schwäche, weil ihr die Behauptung abhanden gekommen ist, auch die Verteidigung will sie nicht mehr, nicht mehr die Rechtfertigung. Sie ist gänzlich einverstanden mit dem Weg, der zu gehen ist und der auf sie zukommt oder mit dem „Kreuz“, das zu tragen ist (ohne Kalkulation). Sie dankt, weil sie nicht "weiß" und ist schwanger mit der Freude im Herrn. In der Wehr-los-igkeit liegt eine Los-lösung: die Welt-Dinge, diese gesamte Entwicklung, sie kommt wie sie kommt und steigert ihre Raserei ins Unermessliche, die wehrlose Seele wird auch überrannt von dieser Raserei, letzten Endes auch gekreuzigt. Verachtung, Verspottung, Verurteilung: das alles wird der wehrlosen Seele entgegenkommen, der Spott, schwach zu sein, nicht mehr potent am Leben der Stärke teilzuhaben, an der Entwicklung, an der Forschung mitzumachen, an diesem Leben der „Erfolgreichen“ mitzumachen. Daran verliert die „arme Seele“ nach und nach den Geschmack. Die Welt mit ihrer Lust und Laune, die Welt des Augenscheins und der Raserei: sie "schmeckt" plötzlich nicht mehr. Dann ist es Zeit anzuhalten, inne zu werden, still zu werden: denn Gewaltiges ist am Werk.

 

Die Welt "schmeckt" nicht mehr, sie hat ihre Anziehungskraft verloren. Das hat nichts mit Depression zu tun, vielmehr mit Freiheit der Seele. Diese Welt-Dinge sind da, aber sie verlieren ihre Überzeugungskraft, werden also "kraft- und saftlos".

 

Die „arme Seele“ verliert so ihre fixen Vorstellungen, sie kennt sich wahrhaft hier nicht mehr aus und will es auch nicht mehr, sie merkt auf: es könnte alles ganz „anders“ sein und so ist sie erfüllt mit einer „Himmlischen Freude“.

 

Es gibt eine Kränkung in der Seele und die kommt aus einer Verachtung: man erlebte vielleicht massiv, dass man nicht anerkannt wurde, die eigenen Leistungen wurden „schlecht“ benotet, meine Existenz wurde, gemessen am Standard, mit „nicht genügend“ beurteilt. Kränkung macht „krank“, die gekränkte Seele konnte in der Leistungswelt nicht mithalten, konnte den Standards nicht mehr entsprechen. Die Leistungsmaschinerie ist da gnadenlos und die verlorene Seele nimmt Maß an diesen Auflagen, sie sind ihr sehr, sehr wichtig für die gekränkte Seele und dann scheitert sie, wird daran krank an diesem Scheitern und ist schließlich „gekränkt“. Gekränkt kann daher nur eine Seele sein, weil sie Maß nimmt an den Auflagen dieser Welt, diesen weltlichen Standards, Maß nimmt am zur Schau Gestellten. Kränkung hat auch immer mit Ab-Wertung (mit Wertung) zu tun, der gekränkte Mensch hat dann keinen Wert hier auf Erden, er fühlt sich auch so: es sind die Anderen, die da entscheiden: du hast Wert oder eben nicht.

 

Wenn aber die Seele aufmerkt, dass es nicht die Anderen sind, die da ab-werten (die tun das sicher auch und sind oft Anlass), sondern dass in erster Linie „ich selbst es bin“, der da wertet und abwertet, und die Wertung "zu-lässt", dann wird einem klar, dass da etwas in mir ist, das sozusagen „frei“ ist von aller Wertung. Nimmt man das wahr, so sind die Anderen schon keine Monster mehr. An mir ist es also, die Wertungen zuzulassen oder nicht.

 

Die „Irritation“ am Höhepunkt meiner Fülle in Äußerung ist auch so eine Kränkung in meiner "alten Welt": es könnte jetzt der Himmel auf Erden hier sein, alle Voraussetzungen scheinen wirklich erfüllt: besser, sagt man, geht´s nicht mehr, so meint man: und dann der Glücks-Rausch, vielleicht noch eine kleine Verbesserung da oder dort, dann noch eine kleine Spende, damit das schlechte Gewissen schweigt, sicher, nur für Augenblicke. Oder noch ein Projekt, z.B. wie „plane“ ich mein Sterben, wo und wie soll es passieren? Gut, es gibt Krebs und andere Todesschatten, aber mittlerweile ist die Forschung großartig, man hat´s fast im Griff. Und trotz aller Glückseligkeiten diese elende „Irritation“ in uns. Da könnte man wütend werden, sehr zornig, weil man ahnt da etwas: vielleicht Lebenslüge? In allen Projekten der horizontalen Welt ist es niemals ganz aufgegangen, man hat das "horizontale vollendetete Glück" zwar immer gesucht und versprochen - aber es kam nie wie geplant: es scheiterete immer. Und man lügt sich weiter an: es wird schon, es kommt schon, es dauert noch ein wenig, wir stehen knapp davor: nur Mut - wir schaffen das! In aller Entwicklung wurde das nie erreicht, bis heute nicht! Und es ist die große Barmherzigkeit unserers Schöpfers, dass "unsere" Rechnungen eben scheitern.

 

Der horizontale Mensch aber denkt: Kann man diese elende "ewige" Irritation zu Tode bringen, sodass man sich sein eigenes ausgedachtes Spiegelkabinett ohne Ausgang errichtet? Also Freude, Zuversicht, Lebenskraft, ein Rausch ohne Ende (hier), ohne Ausgang eben? Denn der Ausgang, diese ewige Irritation, die lässt mein Spiegelkabinett nicht so erglänzen, wie ich es mir so gerne vorstelle, eben „perfekt“ sollte es "hier" sein. Aber diese ewige Irritation ist eben der Heilige Engel Gottes, der uns bewahrt, der diesen ewigen Ausgang bewacht.

 

Wird der "ewige" Ausgang nicht mehr sichtbar, dann droht höchste Gefahr; möglich, dass es das gibt. Und der „rechte Schächer“?

 

Der rechte Schächer wird am Kreuz zum „Säugling“, d.h., er ist vollends vertrauend hingewandt zum Herrn: da steht kein leeres Wissen mehr dazwischen, keine Vorstellungen kommen in die Quere. Anders gewendet: der gesamte Lebensspeicher an Wissen, Vorstellungen, Urteilen, medialer Verbreitung, Lebensplanungen und Projekten, alles willhaben usf. – es fällt vom „seelischen Säugling“ gänzlich ab, hat da keine Zugkraft mehr, es spielt keine Rolle mehr, denn die „Nahrung“ des seelischen Säuglings ist jetzt das Himmlische Brot. Der Herr verspricht Dysmas in jenem Augenblick der größten Gefahr nicht das irdische Glück, die vergängliche Horizintalität, also die Rückkehr in die alte Welt, im Gegenteil: er kommt elend am Kreuz zu Tode, aber im Himmel, so sagt man, ist er der erste Heilige. In jenem Augenblick am Kreuz bittet Dysmas auch nicht mehr um Erfolg auf Erden, um ein längeres Leben, sagen wir noch 15 Jahre mehr, er bittet nicht mehr um das Brot der Welt, sondern er „betet“ jetzt: gedenke Du meiner, Herr!

 

In der größten Gefahr "betet das Gebet", wenn alles zusammenbricht, das Elend aufkommt, die Verzweiflung durchbricht, alles "umsonst", sinnlos erscheint, dann gerade spricht das "Gebet": Herr, gedenke meiner! Im Gedenken liegt der "Dank" für alles was war, was ist und was kommen wird. Das Danken vor dem Herrn hat die Zeitlichkeit überwunden: es öffnet sich der Ewigkeit. Wenn alles sinnlos erscheint, das Gefühl durchbricht: alles umsonst! - dann bangen die Engel, der ganze Himmel ist in Aufruhr, also in größter Stille: Was wirst Du jetzt tun, Mensch der Verzweiflung? Wirst du ob aller Qual und Finsternis: "trotzdem JA sagen" - also "umsonst JA sagen"? Dysmas sagt ja und er "tut" es zugleich, sein Ja sagen ist zugleich "tun".

 

Dieses Denken ist ein Danken – Danksagung am Kreuz! Dysmas „fastet“ am Kreuz, er will kein Vergängliches mehr, völlig ernüchtert überlässt er sich als seelischer Säugling dem Herrn. Der linke Schächer wartet auf das Wunder hier auf Erden, er will sehen wie der Herr Wunder tut, er ist noch vollgestopft mit Sinnlichkeit, mit „Erwartung hier“, aufgebläht vom Sauerteig seiner horizontalen Vorstellungen. Sein Untergang hier auf Erden ist auch (wie bei Dysmas und dem Herrn) beschlossene Sache und es ist ihm nicht möglich in diesem Augenblick zu fasten, im Gegenteil, er ist weiter „trunken“ von Vorurteilen, vom Verurteilen, vom Hören-sagen, geblendet von Entwicklung. Dysmas stirbt wie der linke Schächer den Kreuzestod: er „fastet“ aber und dieses Fasten ist fast „unwirklich“ (un-glaublich) im Augenblick des Todes, eigentlich sinnlos für die Augen der Erfolgswelt: es ist wahrhaft „umsonst“. Man sagt, Dysmas hätte am Kreuz die Mutter Gottes angeblickt und sicher, im Anblick Mariens kam Dysmas dazu, den Herrn „umsonst“ zu lieben, „für Nichts zu lieben“.

 

In den letzten Texten war immer von diesem „Umsonst“ die Rede, genauer: vom Tun umsonst, vom Lieben umsonst. „Umsonst“ hat nichts mehr anzubieten, nichts herzuzeigen. „Umsonst“ ist ganz verborgen, ohne genannten Namen, Namen-los ist das Mysterium, es zeigt sich im Nichtigen, im Nutzlosen, im Armen, im empfangenden Bettler, in der Verbergung – im Ge-berge. Das „Umsonst“ kann der Entwicklungs- und Leistungswelt kein Anreiz sein, im Gegenteil. Das „Umsonst“ ist auch unfasslich deshalb, weil man es nicht mehr berechnen will oder kann, es ist ja ganz irrelevant für die Horizontale wo nur das Kalkulierte und Berechnete zum Fassen ist und relevant ist.

 

Das Schlimmste was je über eine Seele hereinbricht ist die: Gott-Verlassenheit, das ist äußerste Verzweiflung. Der Herr selbst geht durch diese Verlassenheit der „innersten Verzweiflung“. Diese „Verlassenheit“ ist äußerste Verirrung: tot sein in diesem Leben. Das bedeutet: endgültiger Untergang. Wenn eine Seele „nicht umkehrt“, geht ein ganzes Universum zugrunde, heißt es: „so“ ernst ist es. Irgendwer, ich weiß nicht mehr, sprach davon, dass wir uns so viele Sorgen machen um dies und das, aber das Seelenheil kümmert uns nicht. Jesus rief „laut“ heißt es bei Matthäus: "laut" rufen bedeutet: bis ans Ende unserer Seelen bangen! Eine Seele geht „verloren“, sie verliert sich vollends.

 

Zu-Fall? Man kann diesem Wort spotten: alles ist eben bloßer Zufall, ich habe diese Lebenskarte gezogen, eben reiner Zufall, es hätte auch ganz anders sein können. Oder: Zu-Fall: bis ins Kleinste hinein Vorsehung, Leitung, Führung: miseri-cor-dare! Dann bestehen die ehernen Maßstäbe dieser Welt nicht mehr absolut, der endliche Absolutismus ist ein für alle Mal gebrochen, der Fortschritt „erhängt“.

 

Im „Spiel“ weiß man, dass alles auch ganz anders sein könnte. Der „Spieler“ zeugt von großer Ehrfurcht: die Dinge kommen wie sie kommen, blinder Zufall? Wie das „Spiel“ ausgeht – wer weiß (Wissen) das schon? Wer aber jenes Spiel in Gottes großem Brückenbau (Rilke) mit-spielt, der weiß in einem „anderen Wissen“: alles hast Du gemacht, Herr und Gott, jede Faser der Schöpfung ist von DIR, nichts ist bloßer Zufall aber alles geborgen in Deiner großen Vorsehung.

 

In „diesem“ Spiel spielt der „gültig“ mit, der „umsonst handelt“.

 

Umsonst-Handeln ist hier auf Erden deshalb „göttlich“, weil es Gottes Art selbst ist. Der Herr kennt mich in und auswendig und die Engel raten auch: tu das nicht mit diesen Menschen, schaffe sie nicht, dieser Mensch wird dich enttäuschen, er wird DIR nicht „antworten“, er wird ein Abtrünniger! Und es stimmt nach unserer Gesetzlichkeit: der Mensch verdirbt doch alles!

 

Dann aber eine andere Stimme bei Gott: lass es geschehen – trotzdem – "umsonst" lasse es geschehen: man wird dir nicht antworten, das wird so sein, ja – denn die Gesetzmäßigkeit wird den Menschen knechten und unterjochen. Und Gott findet Gefallen an  der Stimme von "Anna" (hebr. Gnade). Die Liebe „umsonst“ ist stärker, sie trägt die Enttäuschung im Voraus, die ja kommt und zu herrschen vorgibt.

 

Alle Zeichen stehen auf  Weltuntergang, auf große Enttäuschung: trotzdem JA, auch wenn nichts dabei herausspringt an Gewinn - dennoch: Herr, ich lobe Dich und Deine große Vorsehung!

 

Und Gott, der Herrscher, er wartet und wartet immerzu, dass da eine Seele rück-antwortet, indem sie „umsonst tut“, so wie er, der VATER. Und Mirjam wird antworten, SIE wird alles tragen, alles Bittere der Zeit wird sie er-tragen. Wenn auch alles schiefgeht – und das tut es doch in gewisser Weise, das sehen wir doch überall – wenn alles nach „Vergeblich“ aussieht – und das tut es doch, oder? – so trägt SIE, Mirjam, MARIA,  dieses Bittere „trotzdem“, also „umsonst“. Sie trägt den Erlöser, der alles Bittere trägt, für uns, die Verbannten!

 

In der Aussichtslosigkeit und Niederlage, im Scheitern, in der Logik des: wir haben es ja immer schon gewusst (dass alles schief geht): gerade hier siegt die Liebe umsonst, das „JA trotzdem“.

 

In dem Augenblick, kann man sagen, da eine Seele „umsonst die Welt, Gott und die Anderen liebt“ – in diesem Augenblick ist die Welt gerettet. Es ist das größte Mysterium auf Erden: die Umkehr einer Seele. Der Umsonst-Handelnde hat alle irdischen Maßstäbe und Kalkulationen hinter sich gelassen, sie drängen sich zwar weierhin heran und umlagern ihn, er wird verspottet und verachtet werden und es werden Kriege kommen und alles geht gen Weltuntergang. Der Umsonst-Handelnde aber ist von Freude durch und durch „erfüllt“, trotz Untergang. Sein Herz hält er im Fasten, in der Nähe zu seinem Schöpfer, in allen Dingen: die mögen kommen wie sie wollen: er handelt „trotzdem umsonst, für Nichts“ – gerade in aller Bedrängnis.

 

Im letzten Kapitel (42) des Buches Ijob, im 5. Vers, steht das Wort:

„Wie so das Ohr hört, hab ich dich gehört / nun hat mein Auge dich erschaut! / Darum verwerf ich und bereue…/ bei Staub und Asche“.

 

Wie "so" das Ohr hört: vom Hörensagen, das heißt lediglich: von der Ferne, nur so im flüchtigen Aufnehmen und gleich Vergessen, in der blutleeren Kenntnisnahme, wie man tägliche Chroniken aufnimmt und gleich vergisst, weil die nächste Chronik schon wieder wartet. Nun aber das un-mögliche Wunder: mein Auge hat DICH geschaut, es ist mir so geworden, dass es DICH schaut – ich weiß nicht mehr, wie mir das geschah (habe kein Wissen darüber). Jetzt ist der Mensch bereitet zur Reue, die Wende, die metanoia – die Seele kehrt heim.

 

Paul Celan wusste um dieses Mysterium der Irritation, tief verborgen, ganz am Grunde unserer Seele, wacht unser Engel über uns, er verhindert die tödliche Einlebung in die Perfektion der bloß horizontalen Welt, seine Stimme hören wir oft im Scheitern, im Misslingen, in der Gebrochenheit, massiv in der Todesnot. Er, der Engel, kehrt bei dir ein. Es ist keine Leistung von mir, ich könnte es auch nicht verhindern: es ist "passiert", schon geschehen. Das "Lange" ist die Mitte, da der Himmel die Erde berührt: die Mitternacht. Wenn der Himmel die Erde berührt, hat die Zeitlichkeit ausgedient: Ewigkeit waltet. Das Dunkel ist das Mysterium, das Ermächtigende je neu Schaffende.

 

Mit Paul Celan möchte ich gerne zu Gast "seyn".

 

 

Der Gast
 

Lange vor Abend
kehrt bei dir ein, der den Gruß getauscht mit dem Dunkel.
Lange vor Tag
wacht er auf
und facht, eh er geht, einen Schlaf an,
einen Schlaf, durchklungen von Schritten:
du hörst ihn die Fernen durchmessen
und wirfst deine Seele dorthin. 

 

(Paul Celan, 1952)

 

 

 


 

Heilige Maria - Mutter Gottes

(V)

 

Λήθη

(Auferstehung im Herrn, Ostern 2022)

 

 

Wenn sich der Mensch von Gott wegwendet, dann verbirgt sich der Schöpfer. Ich wende mich weg von Dir, mein Schöpfer, ich wende mich dem Andrang zu und dem Augenschein dieser Welt, meiner Welt, in der ich jetzt lebe. Die Abwendung von unserem Schöpfer, der alles absolut herrlich erschaffen hat, ist kein nur „persönliches“ Delikt: Abwendung ist uns eingeprägt und über-liefert. In die Abwendung sind wir aus-geliefert. Abwendung liegt in dem, worein wir geworfen sind, wir finden uns, kann man sagen: in der Verlorenheit, in der Wegwendung, es ist unser Fleisch und Blut, unsere Welt-Verbannung: Erbsünde, heißt es. Geworfenheit in die „Fremde“.

 

Wir fangen an in dieser „Fremde“, in Ägypten beginnt unser Dasein und so meinen wir, dass unser Schöpfer bloß eine beliebige Option sei, dass er schlafe usf. Aber nicht Gott schläft, sondern wir sind trunken und schlafen immerzu, zeitlebens sind wir berauscht: ER ist der allzeit Wachende, aber wir sind müde, unserer Augen sind trunken und übermüdet und leer vor lauter Augen-Schein, Medienkonsum, vor lauter Flimmern der augenblicklichen Feuerwerke,  sind verstockt im Auffressen des bloß Heran-Kommenden. Schläfer sind auch oft die Intellektuellen, sie ganz besonders: die ja Bescheid „wissen“, ihre Wahrheit gefunden haben und darin „schlafen“.

 

Verbergung: Λήθη – spricht vom Mysterium, vom Geheimnis, das eben „verborgen“ waltet. Wenn Verborgenes „regiert“, dann ist der Mensch der rationalen Kalkulation immerzu „verstört“, er bemerkt die Irritation, aber er kann sie in seiner Logik nicht fassen: so wird er immerzu wütend, zornig, ungeduldig – er erfährt sich beleidigt, gekränkt und berechtigt zum totalen Rückschlag.

 

Was nun folgt ist „Zwiesprache“, Dia-log: wer sich in den Dia-log einfindet, der „liebt“ das Wort, der ver-dichtet den lógos, anders: er lässt sich vom lógos ver-dichten, führen, leiten. Der in der Zwiesprache „wohnt“, der trinkt aus der Quelle der Λήθη, der Verbergung: die Wissenden schütteln den Kopf, meinen, das sei Unsinn. Das ist gut so, denn es gehört dazu!

 

In der Λήθη zeigt sich das: „Lange vor Abend“ (Paul Celan) – was meint dieses „Lange“ eigentlich? Lange, das ist: längst – Lange „ahnt“ Ewigkeit, also Zeitlosigkeit.

 

Lange vor Abend, lange vor Nacht: das heißt: immerzu „anwesend“: während – was währt, vergeht nicht, es „dauert“, es „bleibt“. Diese Länge meint: immer während, ewig! Weit vorausgreifend möchte ich jetzt schon sagen: Erlösung „währt“, Erlösung bleibt: das Heil „herrscht“, es vergeht nicht: wenn aller Augenschein verschwindet, das Seyn, die Gnade, das Heil „herrscht“ – es verschwindet nicht. Das ist die einzige Verlässlichkeit und Treue, die für uns waltet. Das Ewige ist nicht Unendlichkeit, denn die Endlichkeit ist Zeitlichkeit, ein Kommen und Vergehen, Horizontalität und Un-endlichkeit ist ein „Immer-weiter-so und immer weiter so“ – ohne Ende; das aber ist nicht „Ewigkeit“, Ewigkeit hat eine ganz andere Qualität, sie durchbricht, kann man sagen, jederzeit, also alle Augenblicke, unsere Zeitlichkeit als Endlichkeit.

 

Wenn Zeitlichkeit oder Endlichkeit oder Un-endlichkeit „alleine“ als einzige Form der Wirklichkeit angesehen werden, dann ist das ein Götze, eine sehr bedrohliche Form der Götzenanbetung. Ein Kennzeichen dieser Götzenverehrung ist dann das „Distanzierte“, im Horizontalen (Zeitlichen) zählen dann nur mehr Distanzen, Entfernungen: man sagt, es war einmal, die Kreuzigung des Herrn war vor so vielen Jahren, der Bericht darüber ist zu lesen in… usf. So auch im eigenen Leben: als ich noch jung war usf. oder wenn ich dann alt sein werde usf. – man entwirft also Distanzen, Entfernungen, sagt: das war und das wird kommen.

 

Wenn man sich "so" erlebt, ist man nicht mehr ganz „dicht“. Die Dichte aber ist Nähe, je d(D)ichter sich ein Mensch erlebt, desto näher ruht er am Herzen Gottes, wird „Dichter“ des Daseins. Sein Leben erzählt dann in Vers-Form vom ewigen Dasein. Dichter und Lyriker sind wir alle, aber zeitlebens ist uns diese Quelle des lebendigen Wassers wie verschüttet. Horizontalität (Zeitlichkeit) ist uns allen so eingefressen, dass wir es als ganz normal ansehen zu sagen: das war einmal und das wird kommen oder so oder so ist es nun einmal! Eigentlich gesehen ist das ein tödlicher, distanzierter historischer Raubbau. Auch Hiob bekennt: nur vom „Hören sagen“ habe ich vernommen (also nur distanziert hat mein Auge dich von Ferne gesehen, aufgenommen wie einen Zeitungsbericht, nur rein äußerlich, dem flüchtigen Augenschein nach). So ist die horizontale Seele aufgespannt in Distanzen, in bloße Berichte verloren, in Fakten der Aneinanderreihung, in Monaden, die sich nichts angehen. Monaden verweigern Intimität.  Die Nähe ist geflüchtet, die Dichte entwichen. Das Gefühl der „Leere“ hängt im Wesen mit dieser distanzierten Horizontalität zusammen.

 

Der Mensch der bloßen Zeitlichkeit ist wesentlich leer und fern, er ist eigentlich gar nicht „da“, er hält sich immerzu irgendwo auf, entweder in der goldenen Vergangenheit oder im Schrecken der Zukunft: aber nie ist er „jetzt da“, in der ganzen Fülle da. Es ist schon an unserem Sprechen dieses Distanzierte: jedes Sprechen über… ist notwendigerweise distanziert, objektiviert – sehr entfernt dann. So kann man ja sehr beruhigt dabei sein in dieser un-persönlichen Form, da kann man alles bereden, gefahrlos, es muss mich ja nicht anrühren. Über Wahrheit z.B., da kann man lebenslang unberührt darüber diskutieren, was das sei, die Wahrheit. Da meldet sich Pilatus in uns, der den Herrn herzlos, kann man sagen, rein rhetorisch frägt: was Wahrheit? Pilatus will so aus der Ferne ein wenig darüber diskutieren, was das sei, die Wahrheit, der Herr aber, die lebendige Wahrheit ist „da“, in allernächster Nähe: aber wir wollen eben nur aus der Ferne ein wenig diskutieren, spekulieren, so zum intellektuellen Zeitvertreib. Der lebendige Herr ist jetzt (hier) auch da, während ich da schreibe und auch Pilatus: nichts ist da bloß historisch, vergangen, vorbei und der lebendige Herr, mit ihm kann man nicht diskutieren zum Zeitvertreib, mit dem lebendigen Herrn kann man sich nicht distanziert „aufhalten“ so nur nebenbei. Man spürt in der blutleeren Frage des Pilatus nach der Wahrheit die tödliche Aufgespanntheit unseres Existierens in Distanzen und Entfernungen. Pilatus wendet sich dann weg vom lebendigen Herrn: das ist eben der Gang ins Objektivieren, in die Sicherheit der Distanzen. Hiob ist es gewährt, in diesem Augenblick den "lebendigen" Herrn zu „schauen“ (keinen eingebildeten) – und es „reut“ ihn, es „rührt“ ihn an, dieses lebendige Schauen, diese Begegnung trifft ihn, geht ihn an: er kann jetzt gar nicht mehr „darüber“ reden oder so "distanziert" berichten. Er ist so betroffen von dieser Offenbarung Gottes, dass er die Zeitlichkeit durchbricht und eine tiefe Ahnung von Ewigkeit vernehmbar wird „in ihm“ (Intimität). Seine gesamte Existenz ist erschüttert, kommt in Bewegung, die alte Sicht auf Wirklichkeit sinkt in sich zusammen, sie verliert ihre Dignität. Hiob diskutiert hier nicht mehr, sondern bekennt: Ja, Herr, DU bist es, der lebendige Gott – du vermagst alles – DU bist die Wirklichkeit! Dieses Bekenntnis ist nicht mehr ein objektiver Bericht über Überzeugungen, die einer hat, sondern Ausdruck der tiefen lebendigen Begegnung mit dem lebendigen Gott. Pilatus kann dem lebendigen Herrn nicht Stand halten, er wendet sich weg, flüchtet in die Zeitlichkeit, denn er spürt: seine gesamte Existenz steht "jetzt" auf dem Spiel und er hat Angst, denn die Begegnung mit dem lebendigen Gott erschüttert bis auf den Grund. Auch meine Existenz steht "jetzt" auf dem Spiel (nichts ist da vorbei oder Vergangenheti).  Pilatus war nicht nur vor 2000 Jahren, das war er auch, entscheidend bleibt aber, dass das nicht bloß „vergangen“ ist,  jetzt „ist“ er da, in uns: wende auch ich mich weg, halte ich nicht aus, flüchte ich wieder in die vermeintlich als Wirklichkeit ausgegebene Zeitlichkeit, mache ich es mir wieder gemütlich in meinem distanzierten Wohnzimmer als Redakteur der bloßen Berichte?

 

Bleibe ich fern? Ferne ist somit Kennzeichen unserer Verlorenheit in Zeitlichkeit, Historisieren Ausdruck unserer Leere und Gebrochenheit. Ferne ist das Gegenteil von „Intimität“: ganz nah sein, am Herzen ruhen. Ewigkeit lässt sich mit anderen Worten sehr gut ausdrücken: Intimität, am Herzen ruhen, ganz nah sein bei…

 

Pilatus verweigert diese Intimität, bei Hiob bringt sie die Dignität der alten horizontalen Welt zum Einsturz. Wie sehr sind wir weit, weit weg, so weit, dass das Heilige Wort bloß eine Option sei, eine Möglichkeit, mehr nicht. Heute gilt: jeder wie er mag – das ist Privatsache, lass mir meine Freiheit ich lasse dir die deine! Das ist so eine Fluchtbewegung in die Ferne der Beliebigkeit, da kann ich mir mein Süppchen kochen und so weiter machen wie bisher. Eine andere Fluchtbewegung ist jene in die Ferne des „als ob“: ein Spielchen, das Leben auf Probe, die Uraufführung kommt irgendwann – nach Lust und Laune ausprobieren, nie „ernst“ machen, z.B. mit der Wahrheit, dass ich „Sünder“ bin, Schuld auf mich geladen habe.

 

Die Verlogenheit des Historisierens hat dann eine Ende, wenn ich „Fänger“ bin: der Herr „spielt“ mir alle Augenblicke meines Lebens zu und auf alle meine Fragen gibt er „sofort“ Antwort. Er antwortet ohne Unterlass, Tag und Nacht. Kann ich diese Antworten „emp-fangen“, Fänger sein des Wortes? Vielleicht dämmert es schon: da ist Dichte, Ver-Dichtung, Nähe, Intimität – eine ganz andere Qualität des Daseins.

 

Es heißt in der Andacht von der Todesangst Jesu an einer Stelle: Werft alle eure Sorgen auf ihn; denn er sorgt für euch.

 

Intimität ist vermählt mit Treue, mit Vertrauen – Intimität kann man nicht „wissen“, sie ist der logischen Wissbarkeit verschlossen, da ist kein Zugang. „Treu sein“ heißt intim sein, Nähe suchen, aus-ruhen in dieser Nähe, be-friedet sein. Die Ferne in uns ist unvermögend zur Treue, man könnte auch sagen: die Zeitlichkeit als solche ist unvermögend zur Treue, also zur Intimität. Zeitlichkeit kennt in sich keine Dauer, kein Verweilen, keine Ewigkeit: "untreu" ist die Zeitlichkeit und wer verloren ist an die Zeitlichkeit ist ebenso „untreu“, ob er es wissen mag oder nicht.

 

Intimität "...wirft ihre Seele dorthin" (P. Celan) - das Werfen ist wesentlich "los-lassen", es aufgeben zu kontrollieren, es nicht mehr wissen wollen. Meine Seele werfe ich DIR zu, Herr, ich lasse los, weil DU sorgst!

 

Viae Sion lugent: die Wege nach Sion trauern, weil keiner mehr da ist, der zur  Feier geht! – heißt es in dem gleichnamigen Kartäuserbuch. Das Klagelied des Jeremia ist der Ruf nach Intimität im Herrn, ER ist der Verlassene, ER ruft, aber wir hören nicht, weil wir in der Ferne sesshaft wurden: zum Festmahl gehen bedeutet: die Untreue ablegen, ant-worten nicht im äußerlichen Wort, sondern erfassen: das Wort spricht zu mir. Werft alle eure Sorgen auf ihn; denn er sorgt für euch. Bin ich da fern – dann geht es mich nichts an, bloßer Bericht, frommes Gebet, fromme Formel – dann bin ich „un-treu“. Dann ist das ein Gebet, ja, das kennt man, kann man hersagen, ist auch gut, schaden kann es nicht. Wenn ich im Wort Gottes „intim“ bin, darin wohne und mich aufhalte: dann „ist“ gesorgt, dann weiß ich: alles fügt ER mir zu. In dem Augenblick also, da Hiob Gott nicht mehr aus der Ferne „betrachtet“, in diesem Augenblick wird aus dem fernen „er“ ein DU: DU bist es! In der Ferne „wohnen“ bedeutet daher: a-personal wohnen, es geht mich im Grunde nichts an und so bedeutet es mir auch nichts. Ferdinand Ulrich (kann ich sehr empfehlen, seine Schriften) durchdenkt dieses A-Personale als „kalte Logifizierung“, unsere Welt und wir selbst in ihr, wir sind sehr frigide, kalt, ohne Herz, wir sind die, die immer schon Bescheid gewusst haben. Die Hölle ist vermutlich ein „Tiefkühlschrank“! Und nach der hebräischen Überlieferung ist es der Satan, der immer schon zu-viel kalkuliert und nachgedacht hat. Blutleeres (kaltes), bloß rationales Denken, ist auch so ein Fluchtweg in die Ferne und da muss es mich ja nichts mehr kosten, es muss mich da nichts mehr angehen.

 

Man sagt: Fasten sei wahr nur dann, wenn es mich etwas kostet – wenn es mir weh tut! Vielleicht wäre es jetzt einmal an der Zeit darüber in die Stille zu kommen: dass der Herr wartet auf mich und ich antworte nicht, weil ich immerzu mit mir beschäftigt bin und mit Zeitlichkeiten, also mit Äußerlichkeiten. „Schmerz“ ist wesentlich eine positive Nachricht: denn wenn es „schmerzt“, dann geht es an die Substanz, es geht hin zum Wesentlichen. Der Schmerz (die Klage, Jeremia) ist wesentlich Ruf nach Intimität, Schrei nach Nähe! "Schrei" ist ein Vollendetets  - des Herrn "Schrei" am Kreuz ist "absolute Intimität", da liegt keine Faser Zeitlichkeit dazwischen. So bedeutet auch der Schrei eines Neugeborenen "absolute Intimität", Ausdruck vollendeter Dichte.

 

Mater Dolorosa: Schmerzensmutter! Wie sehr sind wir fern von dem Sinn, dass der Schmerz Intimität sucht, Nähe bittet! (das Bitten – der Bettler) - so ist der "Schmerz" Ausdruck absoluter Nähe. Das Herze-Leid kennt man doch, oder wenn ein Herz "gebrochen" ist, das kennt man doch.

 

Vor Jahren schrieb ich einmal ein „kurzes“ Poem. Kürze meint jetzt: ohne Zwischenaufenthalt! Überschrieben mit: Vom Sterben her. Der Herr übergibt uns alle Momente das Beste vom Besten, kann man sagen, ein goldenes Paket. Wir aber schnüren unsere eigenen Pakete, verachten das geschenkte, öffnen es nicht, werfen es weg. Intim leben mit dem Herrn heißt: das Leben mit ihm teilen, es ihm schenken: denn er freut sich darauf und antwortet immerzu!

 

Die "Träne" im Schmerz ist die Rückkehr der Seele in die Intimität ihrer Herkunft. Der Täter dieser Tat ist der Dankende und die Träne Liebesgabe, Rückgabe, Rückantwort. MARIA ist die Mutter dieser Intimität mit dem Herrn, SIE ist die Besiegelung, dass alle Äußerlichkeit absolut erlöst ist, dass das Sichzeigen – mater / materia / Stoff / Äußerung – absolut JA sagt / gesagt hat.

 

So kann man sagen, dass die Zeitlichkeit in MARIA, der erlösten FORM, die „voll“ der Gnade ist, dem Schöpfer endlich rück-antwortet: Mir geschehe wie DU gesagt! Das Geschöpf, die Zeitlichkeit, die Vergänglichkeit antwortet endlich ihrem Schöpfer. Das kann der Satan nicht wahrhaben, in diesem Augenblick zittert der ganze Himmel – und er zittert „jetzt“ noch immerzu, denn es könnte ja geschehen, dass die äußere Form in uns, der Augenschein plötzlich NEIN sagt zur Form und bekennt: ich werfe mich nicht mehr nieder vor dir, mein Herz gehört nicht länger dir, Form und Anschein, Lust und Laune, Vergängliches, mein Herz gehört nicht länger dir, Zeitlichkeit und Weltlichkeit, mein Herz gehört nicht mehr länger dir, du Pläneschmieder in mir selbst.

 

Die „Träne“ kennt keine Zeitlichkeit mehr, in ihr besiegeln sich Nähe und Intimität, sie ist Dichtigkeit "als" Ausdruck: in sinu Jesu - die "Träne ruht am Herzen des Herrn" - die Träne bekundet: der Himmel hat "jetzt" die Erde berührt: die Träne ist die Rückkehr nach Sion.

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

Heilige Maria - Mutter Gottes

(VI)

 

Λήθη II

 

Intimität spricht "zu innerst", vom Augenschein am weitesten entfernt, vom Hören sagen un-beeindruckt, von der Darbietung des Karnevals der Wahrnehmungen ledig, das ist es, „intim“ zu sein. Intimität ist ohne Aufenthalt nicht möglich, Nähe (Intimität) verweigert in sich den Zustand der Raserei, des weit überzogenen Antriebes, der Unruhe. Das erste Opfer, es ist das ewig anfängliche (vor der Zeit), ist der Schöpfer selbst: ER opfert sich in seine Schöpfung. Das Tun dieser Opferung umfasst das Gesamt der Schöpfung, Anfang und Ende, der, der da opfert, ist der Vater selbst und er geht mit dieser Schöpfung mit, mit seinem Opfer, er verlässt sie nicht. Er sendet auch sein Liebstes in dieses Opfer, der, der sich selbst uns opfern wird. Schöpfung des Schöpfers bedeutet, dass jedes Opfer schon umfangen ist von Erlösung. „Um-fassend“ ist das Opfer des Schöpfers, es umfasst und unterfängt alle Zeitlichkeit.

 

Man tut sich schon sehr schwer mit dem, was „Opfer“ sein soll – es wird sich noch zeigen. Opfern aber heißt wesentlich: „intim“ werden, sich vom Augenschein der Zeitlichkeit zurückziehen in die Herkunft, zum Ursprung, zum Schöpfer.

 

Fastenzeit, Bußzeit: das ist wesentlich Zeit der absoluten Freude: näher zu Gott - näher zum Urspung!

 

Opfern hat viel damit zu tun: in die Nähe kommen, „leicht“ werden, bildlich gesprochen: auf-steigen, wie der Weihrauch es sehr gut versinnbildlicht. Leider wird unter Opfer meistens nur ein Verzicht gesehen: ich darf mir das nicht gönnen, muss es lassen. Dann ist die Haltung des Opferns negativ besetzt. Völlig anders aber, wenn man darunter die Haltung des Menschen versteht, die ein Näherkommen zu Gott intendiert. Dann blickt man nicht mehr in erster Linie auf das Verzichtbare, sondern auf IHN, den Schöpfer und der Sinn des Opfers übersteigt damit die gesamte horizontale Welt. Der tiefste Sinn der Opferung ist aber der, dass der Schöpfer selbst im Geschaffenen mit-geht und anwest, mitleidet und jedes Leid schon umfangen hat, unser aller Leid, ER selbst ist dem Opfer und dem Leid nicht fern: er hält es "aus" - trägt und unterfängt es - gerade dann, wenn ich nichts davon verstehe, begreife, wenn alles "umsonst" scheint.

 

Es ist wohl für den Herrn am Kreuz die tiefste Nacht: die Gott-Verlassenheit. Er selbst, Gott, geht in diese dunkelste Stunde, in die die menschliche Seele sich verlieren kann. Er, der eingeborene Gott, das Liebste des Vaters (die absolute Intimität, weil da nie Trennung war und ist) er geht in die Gott-Verlassenheit für jene, die sich so weit verirrt haben. Dort entzündet er ein ewiges Licht in dieser Hölle und fortan ist jede Seele gerettet, wenn sie zustimmen kann. Viele Katastrophen gibt es auf Erden und doch: die schlimmste von allen ist, dass die Seele ihr ewiges Glück „verweigert“. Es gibt seit dem Abstieg des Herrn in die Gottesferne keinen „Ort“ (Aufenthalt) der Seelen mehr, an dem Umkehr nicht mehr möglich wäre. Und doch: vielleicht ist so etwas möglich, dass die „Intimität mit dem Herrn“ bis zuletzt verweigert wird. Diesen Schmerz des Herrn in Getsemani kann keiner begreifen: er sieht alles schon, sieht uns stolze Verweigerer – und von Ewigkeit her sagte er dem Vater: ich gehe trotzdem, gerade für diese, für die Verlorensten. Es sieht unmöglich aus, dass die noch umkehren – lass´ mich dennoch gehen, Vater! Und der Vater lässt es zu, dass der Sohn zur Sünde wird, zum Abscheulichsten was es gibt. Er geht ihnen nach, diesen Seelen, die sich in dieses tiefste Dunkel verirrt haben.  Er trägt unsere Sünden bis an den Rand der äußersten Verzweiflung. Das kann man sich eigentlich nicht mehr verständlich machen.

 

Es heißt in einer alten Geschichte, dass die Engel den Schöpfer vor der Schöpfung geraten hätten, das mit der Schöpfung sein zu lassen, denn der Mensch werde sich so weit verirren, dass eine Umkehr un-möglich scheint. Und so Unrecht haben die Engel nicht. Vielleicht zögerte auch der Vater. Und dann heißt es, habe eine „weibliche“ Stimme ihm geraten: tue es „trotzdem“, wie „umsonst“ – ich gehe mit dieser verlorenen Schöpfung mit, begleite sie, bin ganz in ihrer Nähe, ganz "intim" mit ihr, ich weiß, sie werden es oft nicht annehmen können, es sieht alles nach „umsonst“ aus, ich werde dennoch alles Bittere mittragen! Diese Stimme ist jene der Mater Dolorosa, der Schmerzensmutter und SIE trägt ja Jenen, der ALLES getragen hat. Der Schöpfer hört auf Sie! Daraufhin geschieht Schöpfung: umsonst, trotzdem. Der Schöpfer handelt „umsonst“ in mehrfacher Hinsicht: es ist das größte Wagnis, das man sich denken kann.

 

Wird die abtrünnige Seele ihrem Schöpfer an-worten, wird die verlorene Seele „Intimität mit ihrem Schöpfer“ suchen wollen, wird die Seele in der Zeitlichkeit so frei werden, dass sie „umsonst handeln und lieben wird“ – für nichts? MARIA ist dieses Geschöpf, das „umsonst“ Ja sagen wird. Die ganze Sehnsucht des Vaters ist jetzt restlos erfüllt und im Sohn ist dem Vater gänzlich Genüge getan.

 

Im Ant-Worten liegt das "Wort" - und das "Wort" ist Fleisch geworden. Wort heißt im Griechischen lógos: das légein ist das Auf-lesen, das Sammeln. Auf-sammeln kann man nur das, was ja schon "da" ist - es ist eine absolut friedliche Haltung, das Aufsammeln des schon Anwesenden. Das legein ist im Wesen ein bloßes "Annehmen", Auffangen: Empfang - der Fänger antwortet im Dank.

 

Man muss es beachten: das "Wort" erzählt uns Alles und so ist die einzige Frage diese: wollen wir mit dem "Wort" intim sein?

 

Die „Fülle der Zeiten“ ist erreicht, wir leben jetzt im „Ende der Zeiten“ – in der Umkehr kann man sagen. Das äußerste „Vorlaufen“  wird Bekenntnis: die Tat jetzt „Handeln umsonst“, Handeln für Nichts! Wenn der Schöpfer für Nichts die Schöpfung ins Dasein ruft, so ist das ein göttlicher Akt höchster Freiheit. Wenn der Mensch im Bildnis Gottes wohnt, so ist die Seele im Irdischen unterwegs zu diesem Akt des Handelns „umsonst, für nichts“. Würde der Mensch ganz genau bis ins Letzte „wissen“ wie es kommt, was auf ihn zukommt, alle Umstände usf. – dann wären sein Handeln und Tun bloß „zielgerichtetes Darum“. Ich handle eben „deshalb, darum“ – das ist der Grund, warum ich so handle. Das Leben des Menschen wäre ein bloßes Programm, das er herabspulen sollte, sehr mechanisch.

 

Gottes Freude ist aber nicht die Mechanik, sondern das Wunder: un-mechanisch zu tun, frei zu sein vom Naturgesetz. Die „freie“ Antwort des Menschen, der auch NEIN sagen kann, diese Freiheit im Menschen kann erst ganz zufrieden stellen. Ein König, der nur geliebt wird nach Bedingungen, oder weil er gütig oder freundlich ist, oder umgekehrt, weil man Angst vor ihm hat: das alles kann nicht ausreichen. Wenn der Mensch mechanisch agiert, dann wird das für beide Seiten „sehr langweilig“ sein. Der Mensch täte das Gute, weil Belohnung in Aussicht ist – der Mensch meidet das Böse, weil er sich vor Strafe fürchtet usf. Das Handeln nach Absicht artikuliert also immer „meine Kalkulation“ mit ein, es geht mir im Handeln nach Absichten immer im „Grunde um mich selber“ und das ist am Ende reiner Egoismus. Ein Leben aber nach „Programm“ kann der Mensch eigentlich nicht ertragen. Und was wäre das für eine Liebe, die programmiert wird? Ein Gott, der programmierte Liebende schaffte ist eine Schreckensvision, eine Roboterarmee, die nicht einmal mehr JA sagen kann, weil sie nicht zum NEIN vermögend ist. 

 

Nein, es ist die „Liebe ohne Absicht“ der höchste Gipfel unserer Freiheit. Ohne Absicht handeln bedeutet, dass da mein Egoismus nicht mehr hereinspielt: ich liebe den Herrn weil er der Herr ist und nicht weil ich etwas von ihm bekomme. Diese Liebe ist ein „kindlich Spiel“, sie verfolgt keinen Zweck und weiß im Grunde nicht, was sie da tut – eben ohne Absicht. Die Seele selbst trägt dieses göttliche Antlitz der Absichtslosigkeit: für nichts ist sie geschenkt und nicht eher kann sie im Frieden sein als sie „tut für nichts“. Wer nur handelt nach Programm, für Lohn oder Strafe – der hat immer Absichten und will etwas erreichen oder vermeiden, je nachdem. Er gleicht dem Kaufmann, der Gewinn sucht oder Verlust vermeiden will. Dem seelischen Kaufmann sitzt wortwörtlich die „Angst im Nacken“, sie treibt ihn an zu tun aus „Berechnung“ – und die Rechnung muss aufgehen. Nichts ist der mit Absichtslosigkeit geschaffenen Seele so zuwider wie das Handeln nach Absicht, das Handeln nach Programm, das Handeln nach vermeintlichem Wissen, nach logischer Konstruktion. Das Kaufmännische in uns engt die Seele, sperrt sie ein, es nimmt ihr den freien Atem. Die einzige Absicht, die die Seele am Leben erhält, ist die Absichts-losigkeit, das Umsonst: die freie Freude am Seyn. Der absichtslosen Seele ist es möglich, alle Naturgesetzlichkeit und alles Logische, alle Planung und Berechnung zu durch-brechen, ganz anders zu handeln als man es für möglich gehalten hat.

 

Der Herr selbst gibt uns dieses Beispiel: der völlig unschuldigen Herr, der ohne Sünde ist, der jede nur vorstellbare Grausamkeit an Körper und Seele durchleidet, er, er hätte wohl alles Recht gehabt zur Verteidigung, zur Rechtfertigung – das würde man doch verstehen, oder, jeder könnte das verstehen.

 

Doch dann: gerade seinen Peinigern vergibt der Herr, betet für sie – er erntet nur Leid und Tod und Hass und Spott und Grausamkeit: und dann dieses nicht mehr verstehbare Handeln „für nichts“, er bekommt nur Hass dafür – er betet in diesem Augenblick für seine Folterer: wer kann dieses Handeln verstehen, es ist völlig wider unsere Natur. Wären wir an seiner Stelle: wie sehr würden wir fluchen, verurteilen, hassen, den Tod der Peiniger fordern usf. Hier zeigt die freie, reine, losgelöste Seele: sie handelt „umsonst“: einerlei wie man ihr begegnet, ob gut oder schlecht, ob liebend oder hassend – sie handelt wider unserer eingefressenen Naturgesetzlichkeit, durchbricht sie. Und wenn alle Naturgesetzte in jenem Augenblick zusammenkämen, zur Überlegung: Wie ist das nur möglich, dieses ab-normale Verhalten, das haben wir nicht erwartet – wer ist Dieser? Die ganze Erdentwicklung „horcht“ in diesem Augenblick auf, kommt gänzlich ins Stocken und muss bekennen: das ist un-verständlich, das ist nicht mehr zu begreifen, das geht gegen alle Gesetzlichkeit, diese Liebe ist „irre“, verrückt – diese Liebe ist „umsonst“!

 

Der Handelende umsonst tut nicht mehr aus Wissen, weil es ihm womöglich etwas einbringt: er handelt ohne-Wissen / un-bewusst aber sehr überzeugend. Man denke einmal nach: manche Heilige, wie Anna Schäffer, die leiden ein Leben lang, sind schwer krank, das Leid wird immer ärger – und sie beten und beten, ihr Beten wird immer „intimer“, obwohl das Leid größer wird. Eigentlich nicht zu begreifen, aber sie beten wahrhaft „umsonst“! „Um nichts“ heißt übersetzt: Gnade, Gunst (Weinreb).

 

In der Gnade handeln, das ist: „trotzdem“, „dennoch“ „wider aller Erwartung“, es sieht alles nach Untergang aus: „dennoch“ – alles Stimmen warnen und geben zu bedenken: „dennoch, dessen ungeachtet: das ist Handeln umsonst. Der Mensch im Umsonst wird von der Horizontalität sehr bedrängt, dennoch bleibt er davon eigentümlich unberührt, sein Handeln trinkt aus einer anderen Quelle, die dieser Welt fremd sein muss. So eine Seele sagt sich immerzu: wunderbar, es könnte auch ganz anders sein! Was der Augenschein so bringt, ist gut, aber es könnte ganz anders sein und ist bestimmt nicht Alles!

 

Es ist da noch eine andere Überlegung: man sagt, die Vollendung in der Schöpfung sei „da“. Vollendung: nicht dass die Endlichkeit schon die Vollendung wäre, das Heil der Vollendung ist „da“ meint: es leuchtet in aller Zeitlichkeit durch. Alle Zeitlichkeit ist ummantelt von Vollendung. An der Schöpfung des Schöpfers gibt es wesentlich nichts zu verbessern, diese Vollendung und Absolutheit ist freilich für den Augenschein nicht sichtbar und das Geschichtliche spricht oft nur eine ganz andere Sprache. Das Vollendete ist „da“ – auch wenn wir nicht sehen und verstehen: und so gilt es, sich diesem Vollendeten anzuvertrauen. Wenn das Allerbeste schon „umsonst“ anwest, dann steht es über dem Nützlichen um dem Maßstab des Vorteilhaften, es überragt alle unsere Erwartungen: es gilt nur, sich dem Besten nicht in den Weg stellen, sich „wehr-los“ machen dem Schöpfer und seiner Schöpfung: für nichts. Das Handeln umsonst ist die höchste Antwort des Menschen Seele an die umsonstige Gabe der Schöpfung. Wenn der Mensch im Bildnis Gottes wohnt, dann ist solch absichtsloses Tun „göttliches Tun“, denn der Schöpfer rechnet nie: wird es sich auszahlen, diese Geschichte mit dem Menschen? Er hätte gute Gründe, die Schöpfung zu unterlassen. Er tut sie aber „trotzdem“ – und immerhin sind es Engel, die ihm zum Unterlass raten. Anders auch noch: Umsonstiges Handeln handelt nicht mehr im „eigenen Interesse“, sich gänzlich „wehrlos“ machen lassen bedeutet auch, die ganze Wucht der Schöpfung und ihr Wesen heran-lassen: ich wehre mich nicht mehr dagegen, lehne mich nicht auf, sondern bin sehr überrascht über das, was sich da offenbart. Fasten ist wesentlich auch Zurücknahme der Beurteilungen nach dem Augenschein, wissen: es könnte alles ganz anders sein!

 

Die Weigerung nach dem bloßen Augenschein (dem Hören-sagen) zu urteilen, ist schon metanoia. Der Augenschein trügt und wie oft verfällt die Seele dem Augenschein, dem bloßen Herumgerede, der äußeren Wortform, dem Augenschein der Experten, der medialen Öffentlichkeit? Die Welt der Entwicklung und Öffentlichkeit wird sehr „nüchtern“ betrachtet, auch anerkannt – da ist keine Weltflucht, aber die umsonstige Seele bekennt: bestätigen will und kann ich das alles nicht – denn der äußere Schein trügt immer! Zeitlichkeit trügt immer und ich weigere mich, Zeitlichkeit mit Ewigkeit zu vertauschen, ich weigere mich, denn der endliche Absolutismus täuscht, lockt, verführt, berauscht. Wer nicht mehr handelt um Willen des Erfolges oder der Belohnung, der weigert sich dem endlichen Absolutismus zu huldigen, der unterwirft sich nicht mehr den Götzen Belohnung und Erfolg, Ansehen oder Applaus, langes Leben oder immerwährende Gesundheit, Wohlstand usf. die Seele ist erwacht aus diesem hellen „Rausch“ der Feuerwerke, die der Absicht allesamt entspringen. Angst z.B., ist immer „bedrohlich“, im Wesen der Angst liegt die „Drohung“: es könnte so und so ausgehen und sogar sehr schlimm!

 

Man bemerkt das heutzutage massiv: der Mensch der Gegenwart wird massiv von Drohungen eingeschüchtert -  er lässt sie an sich herankommen, nimmt sie auf, diese Drohungen und dann regieren jene das Handeln des Eingeschüchterten. Die Seele „umsonst“ sieht diese Drohungen, bleibt aber davon ganz und gar unbeeindruckt. Gedroht wurde doch immer, eingeschüchtert wurde immer, Angst und Drohung, das sind doch sehr nützliche Werkzeuge, die menschliche Seele in die Enge zu treiben, zu uni-formieren. Gelassen dann zu bekennen: gut, das gibt´s, diese Versuchungen zur Angst, zur Enge, zur Einschüchterung – lasse das aber nicht mehr zu, der Seelen Nahrung ist doch himmlisch und nicht irdisch. Für den Menschen, der ganz verbannt in den endlichen Absolutismus ist „droht“ es immer, er kann gar nicht anders als sich bedroht zu wissen: am Ende droht das Sterben und das muss man doch verhindern, wenigstens hinausschieben. Der himmlischen Seele dagegen „droht“ überhaupt nichts mehr, denn sie erwartet die „absolute Herrlichkeit beim Schöpfer“, die Begegnung mit ihrem Schöpfer. Wovor soll sie sich also noch ängstigen oder fürchten oder sich drohen lassen? Die Äußerung (die sich zeigende Form) ist dann gar nicht mehr so beeindruckend wie sie sich herandrängt: und je gewaltiger das Feuerwerk, desto armseliger der Inhalt. Hier könnte man beruhigt sagen: je gewaltiger und protziger die Drohung herandrängt, desto beruhigter kann die Seele sein. Wir werden daher „handeln“ – nicht weil wir reicher werden, oder wüssten, um des Wissens willen, oder mächtiger werden, nicht um Ansehen oder Applaus: wir werden tun, auch wenn es „umsonst“ ist: ja gerade weil es umsonst ist.

Zu „diesem“ Handeln ist die Seele gerufen: wenn alles schreit: es ist ja umsonst, zu nichts Nütze: gerade dieser Schrei ist Aufruf zur Tat „umsonst“.

 

„Umsonst“ zeigt wesentlich in das „Nutz-lose“, das für keine Zwecke Nützliche, man kann nichts damit anfangen, es taugt zu nichts, man kann es nicht verwenden. Der Umsonst-Handelnde ist ein Fremdling in dieser Welt der Nützlichkeit. Der Fremdling ist Unruhe-Stifter, er bringt Irritation in den glatten Ablauf der Planbarkeit. Irritation hat einen Namen: es ist der „Umsonst-Handelnde“, er stört den horizontalen Absolutismus dahingehend, dass er sich letztlich nicht absolut hier „einigeln“ kann.

 

Λήθη: die eigentliche Geschichte ist nicht die offensichtliche, sondern die „verborgene“, sie ist nicht sichtbar, aber durchgreifend und bestimmend. Das Verborgene tritt in die Un-Verborgenheit: a-letheia, Wahrheit, übersetzt man. Wahrheit verweist wesentlich auf Verborgenes, auf das Mysterium. Das eigentlich Wahre ist nicht das Sichtbare, sondern das Verborgene, die Verbergung.

 

Gott verbirgt sich!

 

(Weiterführung)

 

 


 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(VII)

 

Λήθη III

 

Gott verbirgt sich. Das war das letzte Wort. Der „letzte Gott“ (Heidegger) ist der Anfang: das Bekenntnis: Du bist es wahrhaft! Eigentümlich, der Denker der „Wegmarken“ war nicht in der Lage zu diesem Anerkennen obwohl er „doch“ vor dem Herrn in die Knie ging. Bei den letzten Denkern (die sind die Anfänglichen)  fällt diese „Scheu“ auf, vielleicht ein letzter Stolz: sich ganz los-zu-lassen ist ihnen „innerlich“ möglich, sie verstehen es vollkommen, aber irgendetwas „hindert“ sie. Sie, die ahnenden Denker, sie möchten wohl ganz im Herzen „ja“ sagen – aber sie denken in „ihrer“ Art weiter und weiter: und dann verliert es sich , läuft irgendwie „aus“ – manchmal ins Leere – in „gewusste“ Leere: in die Verbergung.

 

„Verbergung“ / Λήθη. Es geht hier nicht um Worte, bloße Begriffe und ihre Bedeutungen, die mögen vielfältig sein. Ein Kennzeichen unserer verlorenen Zeit ist die unglaubliche Inflation der Worte und Namen. Die Vielredner wechseln die Worte wie der Geldwechsler das Geld. Der lógos selbst kann im Inflationären, in der Raserei des äußeren Anscheins, nicht mehr offenbar werden: einfach gesagt: das „Wort“ wird nicht mehr „geliebt“. Es ist klar, dass man sich doch beim „Geliebten“ (einerlei was es sei) mindestens aufhalten mag, aufmerksam ist. Wenn ich mit Worten bekenne: Ich liebe dich über alles, verzeih´ mir, ich habe jetzt aber anderes zu tun, keine Zeit! – da weiß man doch, dass da etwas nicht stimmen kann. Wie also gehen wir um mit dem Wort und das Wort ist in jeder Hinsicht: Wort Gottes. Vielleicht dämmert da etwas herauf, dass alles Geschaffene im Wort Gottes geschaffen ist: Gott spricht – und es „ist“. Mit dem Wort und dem Namen des Geschaffenen hat es eine tiefste Bewandtnis und es ist sehr, sehr ratsam, nichts als „Zufall“ anzusehen, so, als ob das uns Begegnende auch nicht sein könnte, nein, jede Begegnung mit den Dingen und Menschen, philosophisch: mit den ta onta, ist niemals Beliebigkeit. Alles, was begegnet, ist „Wort“, alles ist im Wort und nichts wäre außerhalb des Wortes. Meine Gesprächspartner in der Suche nach dem Wort sind der Kartäusermönch Augustin Guillerand: Im Angesicht Gottes, Martin Heidegger in einer späten Schrift zum Fragment 16 des Heraklit: Aletheia und Friedrich Weinreb: Die Rolle Ester. Die Länge des Weges ist der Aufenthalt: die Besinnung.

 

Von der Heiligen Maria – Mutter Gottes, heißt es in Lukas 2, 19: Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen (Luther). Die Gottesmutter liebt das Wort, den lógos und bewegt ihn in ihrer gesamten Existenzweise. Das Wort also bewegen, sich ansprechen und führen lassen. Denn wo das Wort durchbricht, da offenbart sich Wahrheit. Lukas 2,19 kennt keine „Eile“ – gebe es der Herr, dass die verlorene Zeitlichkeit im Wort zur Ruhe komme!

 

Ein wenig soll nun von der „Verbergung“ und sonach vom „Zufall“ die Rede sein. Dass Seiendes „anwest“ besagt: bestimmt sein durch Verborgen- und Unverborgenbleiben. Der äußere Anschein verweist auf Verborgenes, das sich nicht zeigt. Gott selbst „verbirgt“, sein Angesicht verbirgt er (Deut. 31,18) – dort steht, warum das so ist: sein Volk, wir also, haben uns anderen Göttern zugewandt! Zuwendung schließt Abwendung in sich: es ist unsere Geschichte der metanoia. Was sich dem intellektuellen als auch dem vordergründigen Zugriff verweigert: das liegt „verborgen“ und wenn man dann sagt: Verborgenes waltet mächtig und mit starker Hand, dann kann man damit wenig bis gar nichts anfangen. Und das stimmt auch völlig, denn mit dem Verborgenen kann man wirklich nichts anfangen, es ist „umsonst“ damit, zweck-los. Es ist dann aber die Frage, ob nicht das Verborgene mit uns etwas an-fängt, einen gänzlich „neuen Anfang“. Verbergung, Geheimnis, Mysterium: was verborgen ist entzieht sich den „Blicken“. Das ist und bleibt eine harte Auflage für den, der alles logisch wissen muss oder nur an das „glauben will“, was die Erscheinung der äußerlichen Form unserer Sinnlichkeit anbietet. Der Götzendiener des horizontalen Absolutismus ist eben auch ein Gläubiger, aber in einer sehr oberflächlichen (monadologischen) Weise. Er glaubt eben fest und überzeugt an die „Oberfläche“, an das Sichtbare und meint: das sei Alles. Wenn etwas dann jener Weise nicht entspricht, nicht hineinpasst: dann nennt man das Zufall, es hätte auch ganz anders kommen können.

 

Stimmt diese Meinung? Wenn man unter Zufall reine Beliebigkeit versteht: es hätte ganz anders kommen können – dann ist diese Meinung falsch. Wenn man unter Zufall den Zu-Fall versteht, also eine Bestimmtheit, die absolut ist, also von Gottes Vorsehung her bestimmt ist, dann versteht man den Zu-Fall recht, beweisen aber kann man das nach den Gesetzen der horizontalen Logik nicht. Daher ist es ein sehr fragwürdiges Unternehmen mit den sogenannten Gottesbeweisen. Das „Umsonst handeln“ geht tiefer: die Ursache einer Sache bloß zu „wissen“, das vermag nicht sehr viel. Wir „wissen“ eigentlich recht, recht und schlecht wenig, tun aber so, als „wüssten“ wir Bescheid! Wenn man das eigene Wissen näher betrachtet, dann fällt schon auf, wie brüchig es ist, wie man immer weiter und weiter fragen kann und doch an kein Ende kommt. Man macht dann halt und sagt sich: weiter geht´s eben nicht. Naturwissenschaften können vielleicht einiges erklären – aber genügt dieses Wissen? Oder das sogenannte Experten-Wissen? Heute zählt der Experte mehr als das, was er daherredet – Hauptsache ist doch, es sagt ein Experte. Und an das Gesagte müssen wir dann eben auch „glauben“. An den Grenzen unserer Existenz kommen wir mit jeder „Art“ Wissen in die Krise, jedes Wissen verliert sich da in ein Dunkel und mit dem Dunkel zeigt sich die Ohnmacht und mit der Ohnmacht die Hinfälligkeit und mit der Hinfälligkeit die Gebrochenheit und dann von hier aus am Horizont die „Verlassenheit“. Und Gott schweigt in alle dem, er hält sich verborgen. Und ich kann beten und beten und bitten: so zeig´ dich doch, gib mir ein deutliches Zeichen, eine Wundererscheinung wie bei den Heiligen, wie in Fatima usf. Doch Gott schweigt immerzu!

 

In diesem „Dunkel“ bewährt sich: umsonst liebe ich Dich, Herr, für nichts! δωρεάν: umsonst, ohne Ursache, ohne Grund kann man sagen, grundlos. δωρεά ist die Gabe, das Geschenk umsonst. In Offb. 21,6 und 22,17 sowie in Mt 10,8 ist eindringlich von diesem Umsonst δωρεάν:  die Rede: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben!“ Im schon Empfangen haben liegt die Vollendung, die Gabe des Seyns ist in sich vollendet, es gibt keine Verbesserung oder Verschlechterung, die Wahrheit im Herrn ist Vollendung. Das ist schwer für den nur horizontalen Verstand zu begreifen, doch es ist so: wenn auch die ganze Welt in Trümmern liegt, manchmal auch das eigene Leben und alles „umsonst“ scheint, dann gerade zeigt sich mitten im Untergang die Vollendung; dann waltet „trotzdem“ die Liebe. Längst vor unserem Geben liegt schon das vollendete Empfangen-haben. Das Eigentümliche ist nun, dass wir hier keine Wahlmöglichkeit haben, ich möchte es anders ausdrücken: wir allesamt sind in die Herrlichkeit der absoluten Gabe hinein-geworfen, in diese wesentlich nicht zu korrigierende Vollendung. Diese Vollendung in Geworfenheit sollte man einmal still betrachten. Die Gabe als Geschenk Gottes ist uns immer schon einen Schritt voraus, was immer ich auch unternehme, ich könnte es nicht, wäre ich nicht in die Vollendung schon geworfen. Das kann der horizontale Mensch sehr schwer annehmen, sieht er doch immerzu nur den Augenschein der Veräußerung, der Äußerlichkeiten und er sieht auf sich selbst in seiner Gebrochenheit, sieht überall den Mangel, das Leid, den Krieg, die Zerstörung, die Krankheit. Und dann kommt dieser Zwang des Tun-müssen auf, man muss doch „aktiv“ werden usf. Aber an der Vollendung in der Wahrheit Gottes kann man sich nur „gelassen erfreuen“ – da ist nichts zu tun oder zu machen oder zu korrigieren. Hier gelten nicht die horizontalen Kategorien der Entwicklung: hier ist jedes Geschöpf in Vollendung schon da.

 

Nichts ist verlässlicher in unserer Verlassenheit als diese vollendete Wahrheit: „Umsonst habt ihr (schon) empfangen“. Wenn das Seyn (Gabe Gottes) herrscht, dann trinken wir auch immerzu und immerfort aus dieser heiligen Quelle der umsonstigen Gabe. Und das ist nun freilich ein Drama: das haben wir vergessen, verdrängt, das wollen wir  nicht akzeptieren oder es spielt, wenn überhaupt, nur mehr eine Nebenrolle oder eben gar keine. Wir leben in der vollendeten Wahrheit und verweigern dieselbe zugleich. Selbst der Verirrteste oder der größte Verweigerer kann diese Wahrheit nicht abstreifen, er kann sie zwar verdrängen oder nicht wahrhaben wollen: aber in Nichts kann er sie nicht auflösen, so als gäbe es das gar nicht.  Diese Verweigerung ist oft eine Verhinderung: man ist gehindert, mit vielen anderen Dingen so beschäftigt, dass die vollendete Wahrheit ganz verschüttet liegt.  Λήθη meint auch das „Vergessen“: dieses Vergessen ist nicht etwas Vermeidbares, sondern gehört zu zum Existieren in der Fremde. Wir alle trinken aus der Liebe Gottes und vergessen es immerzu. Dieses Vergessen in uns vermag aber nichts an der Wahrheit und Würde der Gabe zu ändern: die Wahrheit „ist“ geschenkt, einerlei ob man ihr Stand hält oder davon läuft.

 

In Hiob 1,9 steht das Wort: Der Satan antwortete dem HERRN und sagte: Geschieht es ohne Grund, dass Ijob Gott fürchtet? Dasselbe δωρεάν, ohne Grund, umsonst! Der Satan ist der „Hinderer“, er hindert uns hier auf Erden „umsonst zu lieben“. Dramatischer könnte es nicht sein: Der Teufel wird zugelassen Hiob daraufhin zu versuchen: den Herrn (die Schöpfung) umsonst zu lieben. Hiob wird ver-sucht daraufhin, den Herrn zu lieben „vergeblich“. Er macht sich auf die „Suche“ nach diesem Umsonst durch alle Wirrnisse hindurch.  Dieses „vergeblich“ sieht man nur negativ wie umsonst, ohne Nutzen. Vergeblich ist aber auch speculativ: darin liegt das „Ver-geben“, zuvor schon das „Geben“, die Gabe. Ver-geblich existieren heißt auch immer zugleich: ich vergebe dir weil ER mir schon vergeben hat, denn die Gabe kommt mir immer zuvor, sie ist immer einen Schritt voraus: daher die Mahnung des Herrn: Vergib immerzu, ohne zu zählen, jederzeit, alles und jedem. Geschieht dies – dass Hiob Gott „umsonst liebt, ohne Grund liebt“ ? Vergeben kann ich nur, weil ich ja schon „empfangen“ habe.

 

Dass der Mensch ohne Grund „Gott fürchtet“ bedeutet eigentlich: ohne Angst und ohne sich zu fürchten. Und Hiob ist doch jener, der zuvor in Angst betet: der sich fürchtet, dass die Seinen Gott nicht ehren usf. Gott „fürchten“ hat aber mit Angst und Schrecken nichts zu tun, im Gegenteil: es ist die vertrauende Auslieferung meiner selbst in das absolute Wohlwollen, in die einzige Sicherheit der Wahrheit, die da schon „west in Gott“, in die schon waltende Vollendung, kann man sagen. Der diábolos verdreht alles, er ist der Affe Gottes, der simias dei und tritt dann an uns heran, wenn Angst und Schrecken walten. „Gottes Vertrauen“ ist Ergebung, sich ganz ein-lassen in das absolut „Gute“ (die Güte).

 

Gottes-Furcht ist wesentlich das existentielle Bekenntnis: ich bin Sünder vor dem Herrn. Das hat mit Fürchten und Angst nichts zu tun, sondern mit metanoia, Umkehr. Da hat die Gottes-Furcht nichts mehr zu tun mit sich Fürchten oder Angst haben: Gottes-Frucht ist die Erlösung von aller Angst und Fürchterei: man könnte sagen von aller Kleinheit und Enge (ENG – ANGst). Erst der Sünder gelangt in die Freiheit der Kinder Gottes: ja Herr, ich habe mich so weit von dir entfernt wie nur möglich, vergib mir – eile mir zu helfen! Der stolze Mensch in uns ist nicht in der Lage zu diesem existentiellen Bekenntnis. So wird dem Hiob der vermeintlich feste Boden unter den Füßen entzogen bis er am Ende auf-gibt, es sein lässt in „Sack und Asche“. Eigentümlich ist, dass der Verdreher, der Versucher, der Lügner von Anfang an dazu führt, dass Hiob „so arm“ wird, dass er Gott „schauen“ kann (metanoia). Hier liegt ein unbegreifliches Mysterium. Mysterium sagt schon: verborgen, es waltet in der Verborgenheit. Verbergen heißt hebräisch „hester“ (nistar: ich bin verborgen). Der Ursprung aller Dinge die „sind“, liegt in der Verbergung. Verbergung ist: Walten des Geheimnisses. Über das Mysterium sollte man sich keine Sorgen machen, der Urquell entspringt immerzu dem lebendigen Gott – wozu also die Sorgen?

 

Es ist eigenartig mit uns Menschen: da betet man und betet, will im Glauben vorankommen, geht zu Exerzitien, die sind ganz gut, man fühlt sich besser, vielleicht erwartet man dann so Privatoffenbarungen, Erscheinungen usf. Dann werden Wunder erzählt – ganz in der Logik des „do ut des“ – „quid pro quo“: da wird viel gebetet (das „Viele“: ist es nur Quantität?) – jedenfalls "hier" das Beten – und dann "dort" die Wirkung. Diese Logik spielt eine große Rolle und macht Eindruck. Man sagt dann: der Herr hat hier „eingegriffen“ – durch das Beten kam plötzlich die Gesundheit. Längst ist man stimmungsmäßig im geistigen Kaufmannsladen: so großartig ist der Herr – er erhört alle Gebete und greift wirksam ein. Das muss doch Ehrfurcht erzeugen! Das sind doch alles Wunder, oder? Und es fühlt sich ja gut an, oder? Und jetzt „weiß“ (Wissen) ich nach solchen Erzählungen, die Eindruck machen, wie es sich verhält: wenn so – dann so! Ich bekomme etwas von Dir, Herr: Heilung, Gesundheit, Ordnung, usf. Und zugleich mit dieser Haltung des „do ut des“ die Unsicherheit: mache ich alles richtig, bin ich fromm genug, bete ich „viel und viel“ (Quantität, Leistung) – und wenn ich „so bin“ – ja dann vielleicht gelingt das Wunder, dass der Herr „hier“ eingreift. Diese Unsicherheit hat einen Namen: Angst!

 

Hiob ist doch sehr fromm, heißt es, bekannt dafür, für seine Frömmigkeit – und dennoch hat er „Angst“. Etwas stimmt hier nicht und es liegt vermutlich noch daran, dass er „mit Gott rechnet“. Das hat mehrfachen Sinn: er hat Angst, dass die Seinigen sündigen  - und wenn er für sie betet, dann ja dann wird der Herr vergeben, Hiob unterliegt der Logik des „do ut des“ – wenn / dann – ich gebe, ich tue – damit du gibst, damit du tust! Hiob ist nicht geborgen in einer grenzenlosen Sicherheit, denn er rechnet noch. Man könnte sagen, er „zwingt“ den verborgenen Gott in seinen Kaufmannsladen und in diesem Laden herrscht im Hintergrund die Angst, es könnte sich nicht ausgehen so wie ich es gerne hätte! Es ist sehr, sehr menschlich so zu tun, es liegt sehr viel Ich darin und eben darum auch Angst. Lieben „umsonst“? : Solum quia Rex meus es. Das in uns aufkommende sehr menschliche Gefühl, dass es sich „lohnen“ könnte, dem Herrn zugeneigt zu sein, weil ich bekommen könnte: Heilung, Gesundheit, usf. – das ist am Ende Geschäftemacherei. Hiob wird nach und nach los-gelöst von diesem frommen habitus, frei gemacht: frei, „umsonst – für Nichts“ zu lieben. Ich liebe dich Gott – weil Du mein König bist (betet Franz Xaver) – nicht darum, weil ich noch etwas wollte. Ich verherrliche dich und du allein genügst.

 

Das Auslangen, das Genügen allein: dass der Herr der Herr ist – darin ist alles enthalten: was ich mir wünsche, was ich überlege oder kalkuliere, welche Geschäfte ich da mache mit dem Herrn, das alles ist im Grunde un-würdig, Ausdruck meiner Angst und immer ein Zeichen: ich kann dem großen verborgenen Gott nicht vertrauen! Ich muss ihn herabziehen in meine Logik und Rechnerei, in meine Kalkulation, damit er „greifbarer, handhabbarer“ wird – ich muss ihn herabziehen in meine Angst. „Umsonst“ hat also in einer anderen Hinsicht die immense Bedeutung des un-bedingten Vertrauens, jenes tiefe Empfinden einer Geborgenheit, die an keine Bedingungen mehr verloren ist. „Bedingung“ bedeutet: rechnen, kalkulieren – Angst haben! – die Angst, dass die Rechnung eben nicht aufgehen könnte, auch „meine“ Rechnung mit Gott nicht. Und dann die Enttäuschung – es hat alles nichts gebracht: Gott schweigt, er rührt sich nicht und ich war doch so bemüht und fromm.

 

Der große geistige Kampf ist der zwischen Bedingung und Bedingungs-losigkeit. Die geistigen Mächte ringen hier um ALLES: es ist der Glaube umsonst, das entbrannte Herz für Nichts! „Wüssten“ wir die Wahrheit: wir kämen nie dazu „frei“ zu sein, „umsonst“ zu sein – immer wäre uns das „Darum“ vor Augen, dieses berechnende Um-zu, nie wären wir „frei“ davon, absichtslos, es wäre immer unsere Absicht im Spiel, immer in uns der Kaufmann, der rechnet.  Ursachen zu wissen, vermag wenig, denn am Ende „wissen“ wir die Ursache nicht, das ist dann der Übertritt zum höchsten Wissen im Glauben. Wir „wissen“ auch nicht die Wirkungen unserer Taten, ein wenig noch in der Nähe, aber dann verliert sich alles. Es heißt, der Satan ist jener, der immer zu viel nachgedacht hat, er ist der Kalkulierer, der vor lauter Rechnung nicht zur Tat kommt. Es heißt auch, dass er der „Ankläger“ sei, also jener, der immerzu „ver-urteilt“.

 

κατηγορέω kommt aus der Gerichtsprache, es besagt: ich sage dir auf den Kopf zu, von oben herab, auf dich spreche ich herab, urteile „wie es sich mit dir verhält“ – so sind die Kategorien z.B. des Aristoteles zu-treffende Grund-Aussagen über die ta onta, über die Seienden, wie es sich mit ihnen im Grunde verhält. Diese Kategorien gelten als unverrückbar, sie kommen jedem Seienden „als“ Seiendem zu. Der An-Kläger hält Klage, „Gegen-Rede“, Anklage, Beschuldigung. Das alles liegt in diesem  lógos der Ursachenfindung in uns. Wer es also rein „nur wissen“ will, der kommt um die Anklage nicht herum, und das ist jetzt nicht unbedingt negativ gemeint: jede Definition ist gewissermaßen „kategorisch“, anklagend, zu Ende kommen wollend und in der Welt der Zeitlichkeit hat das eine bedingte Gültigkeit und Wichtigkeit.

 

Der Herr sagt: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!“ (Mt 7,1). Man muss sich bewusst sein, was es bedeutet zu „urteilen“, also zu „richten“. Man entkommt in der Zeitlichkeit dem Urteil nicht, es gehört zur horizontalen Logik, jederzeit urteilt es in uns. Ein „Ver-urteilung“ trägt aber den Anschein des Unverrückbaren, Unveränderlichen: so ist es und niemals wird es anders sein! Das aber ist fatal: der Ankläger ist eben jener, der „total, absolut ver-urteilt“: so ist es und nicht anders kann es sein – Punkt! Am Ende jeder absoluten Verurteilung ist kein Spiel-Raum mehr, da geht einem die Luft zum Atmen aus, es wird da immer enger und enger und ENGe bedeutet ANGst. Sich der Ver-urteilung enthalten (Fasten) heißt jederzeit den Urteilen in uns anfügen: es könnte auch ganz anders sein! Dieser Appendix: es könnte auch ganz anders sein! – entschärft jede Fest-legung, es „fest und fix“ zu wissen, das ist so ein Drang nach Eindeutigkeit in uns, nach Uniformität, nach Eindimensionalität: „so“ und nicht anders! Das gibt Sicherheit, dieses kategoriale Wissen und man muss das dann auch fest-halten, darf es nicht los-lassen – die andere Meinung, die da nicht zu meiner passt, muss vernichtet werden: es gibt nur eine Logik und diese ist meistens univok. Der Richter-Spruch ver-urteilt: so und nicht anders! Dann bist du Verbrecher und „nur“ Verbrecher. Hegel nimmt diese Logik in seiner Art auseinander: Was heißt es, abstrakt zu denken?  - Der abstrakte Mensch ist eben dieser fortwährende logische Impuls in uns nach Klarheit und Eindeutigkeit: so und nicht anders! Und Hegel meinte in seiner Rede, dass es gerade der Alltagsmensch ist, der „abstrakt“, der sich im luftleeren Raum der Gespinste aufhält und denkt und es nicht die Philosophen sind. Der Alltagsmensch in uns hält sich jederzeit fern vom: es könnte auch ganz anders sein! Er wohnt lieber im Abstrakten, im Hirngespinst, in der allgemeinen Meinung, im Vor-Urteil, im Zeitungsbericht, der abstrakte Mensch ist jener in uns, dem es sehr entgegenkommt, nur im allernächsten Anschein zuhause zu sein, im Wechsel des äußeren Andrangs der Äußerlichkeiten, die heute wieder schon von vorgestern sind. „Konkret“ denken und wohnen (sich aufhalten) in der Welt hieße dagegen: ich „weiß“ es nicht, es könnte auch ganz anders sein, sich anders verhalten – konkret denken meint: ich halte mich da jetzt auf und frage an, ich sehe „näher“ hin, werde also „konkreter“ und siehe: es eröffnet sich eine Vielfalt, die Univozität verliert ihre Dignität. Man könnte da ins „Staunen“ geraten und man kommt nie an ein „Ende“.

 

 

 

(Weiterführung)

 


 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(VIII)

 

Λήθη IV

 

„Konkret denken“ besagt so viel wie: der Vielfalt mit Staunen und Ehrfurcht begegnen. „Denken“ muss hier ganz weit gefasst werden im Sinne des lógos, denn das légein ist das „Sammeln“, das Aufsammeln dessen, was ja schon „vollendet“ da ist. Denken ist lógos und lógos nie nur eine Kopfangelegenheit. Der wahre Denker ist „Sammler vor Gott“ – man kann auch sagen: jeder „Sammler vor Gott“ denkt wahrhaft.

 

Etwas erscheint, west kurze Zeit an und vergeht. Woher es kommt und wohin es geht: Mysterium. In den Worten der Bibel rauscht der Urquell, das verborgene Mysterium, unser Herr und Gott, ist nicht fassbar oder greifbar, er entzieht sich aller horizontalen Maßstäbe, es ist wirklich „umsonst“, dahinter zu kommen, das Geheimnis zu lüften.

 

Ferdinand Ulrich denkt in allen seinen Schriften über den Sinn der „Wegbiegungen“, also der Umwege, nach. Mir scheint das sehr wichtig: „Wegbiegung“ meint den „Kleinen Weg“ (Heilige Therese von Lisieux) – das Kleinste auf dem Lebensweg ist staunenswerte Offenbarung, absolut sinnerfüllt, das Kleine, das Verachtete, das Nebensächliche, gerade das Nichtbeachtete, das Unnütze und Unbrauchbare (was die Welt dafür hält), gerade jenes, was mit dem sogenannten Fortschritt und der Entwicklung nicht mitkommt, das aufhält, das am Fortschritt hindert, das im Weg steht. Man könnte fast sagen: das alles sind „Wegmarken“ der Heiligkeit. Wie sehr verschleudern wir die „Gegenwart des Augenblicks“?

 

Der je seiende Augenblick „ist“ der Kleine Weg – aber der Mensch wartet auf Sensationen und Feuerwerke, auf verwirklichte großartige Ereignisse – nur diese hätten Dignität. Nein, Gott geht mit uns den ganz „Kleinen Weg“, in jedem erlebten Augenblick sagt er „mir“ (und nicht einer Allgemeinheit) zu: ich bin „da“ – was dir widerfährt, je jetzt, es ist dein „Bestes“ – sei ganz ohne Furcht, sei absolut sorglos, ängstige dich niemals - es würde mich sehr verletzen: vertraue mir restlos, bedingungslos.

 

Der „Träumer“ ist gerade jener, der die „Wegbiegungen“ (den kleinen konkreten Weg) überholen will: er will das Ende, das Ziel, die Herrlichkeit „sofort und ohne Umwege“ – jetzt  – er will den kleinen Weg, der ihm bestimmt ist, abkürzen und die Herrlichkeit in Reinheit „jetzt hier und sofort genießen“. Der Träumer scheut die Wege der Mühsal, er verachtet das Un-nütze, das Nicht-Populäre, er verachtet das Nebensächliche, er verachtet den „Tau der Morgendämmerung“. Er will die Wahrheit sofort und jetzt und ohne Umwege. Der Träumer verweigert den konkreten Lebensweg, er träumt lieber in abstrakten Luftschlössern, die er sich zurecht zimmert.

 

Der „Kleine Weg des Alltags“ könnte Heiligung sein: man handelt und freut sich im Wissen, dass man eigentlich sehr wenig weiß und dass das sehr, sehr gut ist: denn das Mysterium waltet, Erlösung ist da, Rettung ist da – es könnte also gänzlich gelassen und sorglos sein: alles ist gut.

 

Nun entgegnet der sogenannte Realist: Du spinnst, du träumst dir deine Welt zurecht, du Realitätsverweigerer, du „Träumer“ – die Welt liegt in Trümmern und du meinst: alles ist gut?

 

Der „Kleine Weg“ also: nichts in der Schöpfung ist unwichtig, jeder Augenblick, jedes Ereignis hat göttliche Dimension. Das Kleine, das Wehrlose, das am Weg Liegende: es er-innert (führt uns in das Innerste) uns daran, dass die Stärke und Potenz des bloß Horizontalen nicht Letztes ist, nicht Alles ist. Das Kleine und Nutzlose für diese Welt „irritiert“ die Erfolgshungrigen.

 

Das ganz Verborgene in der Erfolgswelt, das ganz Nutzlose und nicht Beachtete – weil es keinen Nutzen für den Profit erbringt: gerade hier zeigt sich die Herrlichkeit Gottes.

 

„Bettler“ sein – er hält nur die Hände auf, er selbst kann nichts geben weil er ja nichts hat, er kann nur Empfänger sein vor den Toren „Roms“, dem Weltglanz. Dass Du als Mensch absoluten Wert hast, der unverrückbar ist, einerlei der horizontalen Kommentare: das ist der Bettler in uns, denn er ist „reiner Empfänger“, dankender Empfänger. Wenn die Welt des Glanzes und der Feuerwerke  an Ansehen verliert, kommt zum Vorschein der Erlöser als Bettler. Der „Kleine Weg“ ist Weg der Sinnlichkeit von Augenblick zu Augenblick, nichts ist bedeutungslos was da geschieht je jetzt!

 

Hans Buob hat das einmal in einem seiner Vorträge sehr prägnant ausgedrückt: Herr, was willst DU mir „jetzt“ damit sagen! Wer „so“ sein Leben mit dem Herrn teilt, der liebt den Herrn, der geht den „Kleinen Weg“.

 

Den „Kleinen Weg“ gehen bedeutet: das Unauffällige „hüten und leben“. Das Unauffällige in unserer Zeit ist die „Stille“ – die Stille „hüten und leben“. An den Auffälligkeiten der rastlosen Raserei unserer Zeitlichkeiten keinen Anstoß merh nehmen besagt: „wehrlos“ sein.

 

Der Bettler ist im Wesen: wehr-los, er kann und will nichts dagegen halten im horizontalen Andrang. Die Wehr im großen Strom „wehrt“ sich, staut, hält dagegen, kostet viel Kraft, hält Stand, gibt nicht auf.

 

„Wehr-los“ sein trägt dagegen eine besondere Würde, einen „ewigen Glanz“: das Wehrlose ist das Ausgelieferte (das absolut Vertrauende), regelrecht das Hingerichtete – es nimmt keinen Anstoß mehr an dieser Welt des Erfolgreichen: es heiligt den Augenblick aus Ewigkeit. Wenn der „Welt-Erfolg“ erahnt, dass im Bettler doch die Wahrheit zum Vorschein kommt, dann wird die Wut grenzenlos: der Bettler muss gekreuzigt werden – die Welt des Erfolgs kann ihn nicht ertragen. Der „Bettler“ also: er ist arm aus einer tiefen Freude, dass der Herr „da“ ist und waltet – Gott allein genügt.

 

Der Bettler weiß um die „Wut“ der Erfolgswelt, er weiß auch, dass die Erfolgswelt ihn vernichten wird  - Vernichtung hier gesehen aus der Perspektive der Erfolgswelt – die Waffen der Erfolgswelt werden ihn kreuzigen und zu Tode bringen, aber der Bettler weiß: diese Waffen können ihm im „Wesen“ nichts anhaben, sie können ihn zwar wegradieren aus dieser Erfolgswelt, aber sie können wesentlich keinen Schaden anrichten (im Wesen, das geheiligt ist). Für die Erfolgswelt ist ER vernichtet, ein Versager – für die Ewigkeit ist ER gerade hier der „Sieger“, der Erlöser – der Herr aller Mächte und Gewalten. Und es zählt doch immer die Ewigkeit und nicht das Immer-fort der Endlichkeit!

 

Man kann die Sonne (die Ewigkeit der Herrlichkeit in Gott) nicht vertreiben, indem man mit Stöcken nach ihr schlägt!

 

Wehrlosigkeit und Machtlosigkeit, Bettler sein: Gott, unser Schöpfer, ER ist dieser Bettler: er bettelt um "unsere" Aufmerksamkeit, er ist der ganz Wehrlose, der ganz Machtlose – weil ich IHN nicht zulassen „will“. Wenn schon unser Schöpfer so „arm“, „bettel-arm“ ist, ER, der doch alle Macht hat aus dem Nichts zu schaffen, ER, der Allgewaltige, der ALLES in seinen Händen hält, birgt und liebt - er bettelt um "uns":

 

So gib, Herr, Allmächtiger, dass ich Dir ent-sprechen mag, DIR antworten will, gib, dass ich so arm vor DIR zu stehen komme im Reichtum Deiner Gabe: dass ich Bettler sei weil Du zuvor schon Bettler für "mich" bist!

 

Suche ich Gott überhaupt und wenn ja, weshalb? Warum tue ich das und es ist doch so: erst wenn ich „umsonst“ suche, erst dann suche ich IHN als König weil er mein König ist. Es geht dann nur mehr um IHN, er, der Allgegenwärtige. Umsonst muss man handeln und sich überwältigen lassen von der absoluten Armut des Seyns (Gabe). Und die „Erklärungen“? Erklärungen sind sehr gut getarnte Fluchtwege, wer Erklärungen sucht oder selbst Erklärer ist, der muss eben sein Minderwertigkeitsgefühl vor Gott noch mit Erklärungen zudecken. Man hält es schwer aus: die dichte Heiligkeit des Seyns, spürbar in der Armut der Stille. Vielleicht bin ich immerzu „schnell zufrieden“, eile dahin und stets auf der Flucht, vor diesem Wagnis der dichten Heiligkeit im Seyn. Schnell, viel zu schnell bin ich zufrieden mit dem Wort, fresse es in mich hinein, wie es sich dem Augenschein eben darbietet: so  wird auch das Leben gefressen, wie es kommt und die Wörter fallen ein, Armee um Armee. Die Lebens-Augenblicke werden auch so in sich hineingefressen, es ist ein wahnsinniger Rausch, eine Trunkenheit ohne Ende. Jene Zufriedenheit meint Stumpfheit, Fluchtbewegung, sich schon und nur mit dem äußeren Anschein begnügen, univok existieren.

 

Heidegger bemerkt einmal: Hölderlin habe ihm die Zunge gelöst; in jener Zeit war eine Wende: in den Schriften mit Beginn der dreißiger Jahre nehmen diese immer mehr die Form des Fragments an, keine Fußnoten mehr, keine Hinweise auf Andere und wenn doch, dann fragmentarisch.

 

Man könnte hier fragen: wohin führt denn aller „Aufenthalt“? Antwort: in die heilige Dichtigkeit des Seyns! Und was ist dann? Warum tun wir so und immer dieses Fragen und Suchen? Ist in uns dieses Suchen nach der „nackten Wahrheit“ am Werk? Die "nackte Wahrheit" (die Schlange), sie interessiert uns, diese wollen wir „wissen“ und wenn wir sie eingefangen haben, dann haben wir alles erreicht!

 

Etwas „wissen“ besagt auch: ich könnte es auch dann „machen“ – es herstellen!

 

Noch einmal zurück zum Anfang: Im Anfang war der lógos: es besagt: alles ist in Vollendung schon „da“ – und die Sinne nehmen nichts wahr davon, es herrscht Krieg überall – und „trotzdem“ ist die Vollendung schon da. Das ist das Schwierige, überzeugt zu sein: dass Vollendung hier schon herrscht, dass die Gnade alles überstrahlt, dass Erlösung absolut hier herrscht: denn der Augenschein hier zeigt etwas ganz anderes: den Verlust, die Krankheit, den Krieg, das Minus, die Lüge, die Gebrechlichkeit.

 

„Schade“, denkt sich der horizontale Mensch: er sieht nur Vergänglichkeit, Verschwinden, Unzulänglichkeit – dann ist der Mensch verloren im Verschwinden der Zeitlichkeit.

 

Ferdinand Ulrich denkt zu Beginn von „Homo Abyssus“ den Zirkel der Hermeneutik: wir fangen schon immer im „Ziel“ an.

 

Anders gesagt: Wir fangen schon immer in der "Erlösung" an - können wir das begreifen? Es ist nicht so, dass das Schlachtfeld der Zeitlichkeit das letztlich Bestimmende ist - im Gegenteil: ja, dieses Schlachtfeld druchschreit jeder von uns, aber wir gehen hindurch mit der Gewissheit: der Messias ist "da".

 

Das ist etwas Großartiges, es bedeutet: wir können aus der Liebe Gottes nie herausfallen, wir können zwar flüchten und verleugnen, dem Heil, das waltet, den Rücken kehren, wie der verlorene Sohn, am Ende aber sind wir „immer“ geborgen, „geheilt“, kann man sagen. Wir gehen im "Ziel unbedingt seiend" (von Gott in unserem Namen gerufen, eingezeichnet) dem Ziel entgegen: das ist der Sinn unserer Wanderschaft in der Fremde hier auf Erden.

 

Aber der bloße (nackte) Augenschein wird uns immer wieder überzeugen wollen, dass es sehr, sehr ernst sein muss mit dem nackten Augenschein – doch der Hebräer in uns weigert sich, er sagt: Augenschein, du kannst heranrücken wie du willst, du Angst-Macher – es ist mir einerlei: denn der „Herr herrscht“, die „Erlösung ist da“ – mach´ also, dass du fortkommst, der Mensch lebt eben nicht vom Brot allein!

 

Brot allein: das ist etwas sehr Tiefes: wir meinen immerzu, hier im Leben wäre Endgültiges zu finden und das ist der Irrtum, das ist die Lüge, die der Lügner von Beginn an verspricht: hier, im Endlichen, im Brot, da wäre unendliche (nicht Ewigkeit)  Glückseligkeit zu erreichen – vorausgesetzt: du betest mich an – heißt: du unterwirfst dich mir, folgst mir blind: ich verspreche dir den „blinden Rausch“, die „blinde Glückseligkeit hier im Zeitlichen“!

 

Der Satan verspricht uns ALLES hier auf Erden, ALLES in Zeitlichkeit: laufen wir dem ALLES in Zeitlichkeit nach, sind wir verkauft, am Ende sind wir dem Nichts nachgelaufen, dem Vergänglichen, dem Augenschein, das wir für absolut hielten. Im Nichts, im Verschwinden, in der Zeitlichkeit das wahre Leben, die Ewigkeit finden zu wollen: das ist eigentlich Sünde! Der Esau in uns ist sogar bereit, seine Ewigkeit der Seele für die Zeitlichkeit, für den Augenschein, zu verkaufen! Die Zeitlichkeit hat ihre eigene Gesetzlichkeit, ihre Unumstößlichkeit und ihre Präpotenz, ihr Schlachtfeld, ihr Gemetzel. Es geht hier zu wie es eben zugeht: ein Hebräer auf diesem Schlachtfeld zu sein heißt: trotzdem „JA“ sagen, ja oft „umsonst JA“ sagen! Aus dem Schlachtfeld selbst und aus ihm ist keine Erlösung: die Erlösung „herrscht“ – sie kommt vom Mysterium, niemals vom Schlachtfeld – in der Zeitlichkeit ist nichts zu finden. Das „nackte Schlachtfeld der Zeitlichkeit“: wie oft zeigt es nur Tod, Verschwinden, Vergänglichkeit, Vergeblichkeit?

 

Und, wenn wir ehrlich sind, wir müssten jetzt rufen, wir alle auf diesem Schlachtfeld der Zeitlichkeit: Wir wollen doch Ewigkeit!

 

Heil und Erlösung „herrschen“ im Anfang: also immerwährend ist ALLES schon da – aber wir hören lieber auf die Schlange, auf ein eingebildetes Ideal, das „hier auf Erden“ noch zu erreichen wäre, Hauptsache, es wird gemacht, es wird getan – wir müssen doch „tun und entwickeln!“ Die „Vollendung“ waltet aber schon – sie ist nicht machbar!

 

Was wäre es, würden wir darüber in die Stille kommen? Unsere ganzen Programme und Projekte würden durch und durch fragwürdig, belanglos – denn es herrscht das Heil mitten im Schlachtfeld der Zeitlichkeit. SEYN ist, herrscht: es ist doch nicht herstellbar oder machbar. Aber man glaubt eben weiterhin blind an Entwicklung, an Verbesserung, an das endlose Glück am Schlachtfeld der Zeitlichkeit.

 

Am Ende wird der kluge Mensch nach aller Jagd am Schlachtfeld der Zeitlichkeit die Sinnlosigkeit anbeten, die „nackte Wahrheit“, dass allüberall eben der Tod, die Vernichtung oberstes Prinzip seien und es wäre dann nur wahr, sich diesem Götzen zu unterwerfen – man sei dann ehrlich und tapfer: es gibt nichts, es gibt nur den Tod und weiter nichts, es gibt nur Weiterentwicklung, Höherentwicklung und weiter nichts!

 

Aber die Seele in uns, die, die aus der Ewigkeit her in uns waltet, sie hält dagegen: „Alles ist schon da“! – es ist im Wesen nichts zu machen oder zu entwickeln – mag der Augenschein (die Zeitlichkeit)  ganz dagegen sprechen. Die „Vollendung“ ist jetzt da, ist schon da, sie herrscht: die Seele kann sich hier völlig ausruhen, Vollendung atmen.

 

Erlösung ist im SEYN schon immer da, west an: aber wir erkennen das nicht, wollen es lieber selbst bewerkstelligen! Der Mensch, der der waltenden Erlösung im Seyn Stand hält, nicht mehr flüchtet: er frägt nicht mehr: ti estin, sondern hoti estin: nicht mehr „was“ sondern „Wer…“ – die Frage nach dem Wer ist die Bekundung des „Kleinen Weges“, während die Was-Fragen im luftleeren (logifizierten)  Raum immer weiterfragen und resignierend  keine Fußspuren mehr hinterlassen.

 

Die „nackte Wahrheit“ (die Schlange), ja, das gibt es auch, das Schlachtfeld der Zeitlichkeit, den Augenschein, die Äußerlichkeit, die sich als letzte Wahrheit gerne ausgibt und sehr, sehr überzeugend sein kann.

 

Uns aber sollte diese „nackte Wahrheit“ letztlich egal sein, unser Herz soll davon nicht trunken sein, denn die Liebe Gottes herrscht, sie umhüllt alle Schlachtfelder, sie wartet darauf, dass wir sie sehen – sie ist ja „da“ – trotzdem und gänzlich „umsonst“.

 

 

(Weiterführung)

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(IX)

 

Λήθη IV

 

 

Irrt unser Schöpfer in „seiner“ Schöpfung selbst herum, verwitwet, mit Schleier, un-erkannt? Wenn es gänzlich dunkel wird – tenebrae:

 

Nah sind wir, Herr,
nahe und greifbar.
Gegriffen schon, Herr,
ineinander verkrallt, als wär
der Leib eines jeden von uns
dein Leib, Herr.


Bete, Herr,
bete zu uns,
wir sind nah.

Windschief gingen wir hin,
gingen wir hin, uns zu bücken
nach Mulde und Maar.

Zur Tränke gingen wir, Herr.

Es war Blut, es war,
was du vergossen, Herr.

Es glänzte.

Es warf uns dein Bild in die Augen, Herr.
Augen und Mund stehn so offen und leer, Herr.
Wir haben getrunken, Herr.
Das Blut und das Bild, das im Blut war, Herr.

Bete, Herr.
Wir sind nah.

 

(Paul Celan)

 

Tenebrae factae sunt: Finsternis entstand! Finsternis: wohin? – man weiß es nicht mehr. Es ist jetzt an der Zeit, in der Finsternis nach „innen“ zu gehen – ein-zusehen! Kierkegaard dichtete einmal: "Entweder oder" – darin sind wir die Gefangenen, im Entweder-oder, die Versklavten. Im Gefängnis der Zeitlichkeiten könnte das Wunder geschehen, nichts mehr zu „wissen“, dagegen „umsonst zu glauben“, daraus die absolute Gewissheit erwächst, dass wir nur durch diesen Glauben zur Liebe gelangen, diesem Wagnis der Hingabe umsonst und auch zugleich der Hinnahme umsonst.

 

Es ist der „blinde Bettler“, der das Lieben vermag – nicht der Sehende, der zuvor sehen (wissen) muss, damit er handeln könne. Der Glaubende aber „sieht“ (weiß) nicht mehr, so dicht ruht er am Herzschlag des Seyns – In Sinu Jesu. Es ist der „blinde Bettler“, der den Herrn am Brunnenrand sehen kann, er ist arm geworden von aller Zeitlichkeit und „sieht“ in der Finsternis. Der blinde Bettler „hört“ den stillsten Ruf des Herrn, er geht einher auf den Wegen nach Sion, die trauern, weil keiner mehr zum Festmahl erscheint. Er, dieser Bettler, er wird nicht wahrgenommen von der großen Welt der Feuerwerke, er ist Schmutz und Dreck für die Welt des Erfolges. Aber er geht gen „Sion“ – trotzdem, umsonst, verachtet von den Vielen – er geht! Vater und Sohn: sie wissen alles, was kommen wird – und der Sohn blickt den Vater an und er, der Vater „erkennt“ diesen Blick der „umsonstigen“ Liebe (die nicht rechnet): lass´ mich gehen, Vater, für sie, die Vielen! Und der Vater lässt es zu. Der Bettler geht, er geht trotzdem, er geht umsonst, alles spricht dagegen: aber er geht „dennoch“ – und das ist nicht mehr „logisch“ einzufangen, zu begreifen: dieses „Umsonst und Trotzdem“ – weil Du mein König bist! – das muss der horizontale Erfolgsverstand vernichten – es ist ihm, diesem logifizierten Geist, die größte Gefahr!

 

Es war von der „Träne“ die Rede, der Liebes-Träne: die Träne ruht am Herzen Jesu – am Herzen des Seyns, so nah und „dicht“ (Dichtung) ist sie diesem Herzschlag, dass die Träne meint und „überzeugt“ ist, es wäre ihr eigener: ein Doppelschlag der einen Schlagader Gottes. MARIA: in ihr ist dieser Doppelschlag vollendet in Geschöpflichkeit. Maria, unsere Gottes-Mutter, sie rechnet niemals, niemals kalkuliert sie: sie ist so „nahe“, ganz dicht in nächster Nähe zum Erlöser, sie trägt ihn, sie, die Geschöpfliche. Man muss hier Stille halten: Sie ist jene, die unsere gebrochene Geschöpflichkeit in den Himmel geführt hat: ein für alle Mal! Im Anfang rieten die Engel dem Schöpfer: lass´ es sein mit diesen Menschen, sie werden dich enttäuschen!

 

Dann diese weibliche Stimme, Anna: Tu es, ich gehe mit diesen Menschen, ich trage alle Bitternis und alle Enttäuschung, tue es dennoch „trotzdem und umsonst“! Und der Schöpfer schenkt sich daraufhin „umsonst“ in seiner Schöpfung! Das „Seyn ist erfüllt“ besagt: Herr, segne und rette sie – und es ist erfüllt! Das ist Seyn der Dichtung, absolute Nähe: Intimität! Der Herr sagt: Darum sage ich euch: Alles, um was ihr auch betet und bittet, glaubt, dass ihr es empfangen habt, und es wird euch werden (Mk 11,24).

 

Hier spricht sich das Beten als Intimität aus, als Nähe zum Nächsten: die Zeitlichkeit spielt hier nicht mehr die Rolle, die ihr sonst zugestanden wird. „Die Zeit ist nahe“ (Offb 1,3) und „Ja, ich komme bald“ (Offb 22,20): die Nähe und die verlorene Zeit, denn „dieses“ Bald spricht nicht mehr von der Zeitlichkeit her in die Ewigkeit, sondern Ewigkeit umfängt hier Zeitlichkeit, oder anders gesagt: Intimität der Nähe „verliert“ Zeitlichkeit, sieht sie noch, wie von Ferne, denn die Seele ruht in der Fülle der Zeit (Mk 1,15). „Fülle“ der Zeit ist nicht vollendete Zeitlichkeit, sondern die Zeitlichkeit ist von Fülle und Vollendung umfangen, durchwohnt. Im Griechischen ist an dieser Stelle nicht mehr von Zeitlichkeit (Chronologie) die Rede, sondern vom kairós: die Fülle  ist da, in nächster Nähe, sie ist der Chronologie im Sinne der Zeitlichkeit Fundament. Es ist dieser Kreisgang im Ziel (Ulrich), wir fangen immer im Ziel schon an, im Anfang also, in der Vollendung und gehen dieser Vollendung dennoch entgegen, wir Entfernten: wir sind vollendet und gehen in die Vollendung (mit der ganzen Gebrochenheit, die da ist). Das ist für den rechnenden horizontalen Verstand, der nur Vergangenheit und Zukunft veranschlagt, schwer begreiflich. Die Zeit „ist“ vollendet, sie ist zugleich aber gebrochene Zeit, Zeit des Verloren-seins, zugleich Zeit der Wende, der metanoia, zugleich Zeit der Umkehr und zugleich Zeit, da der Herr in Herrlichkeit wieder kommt. Gleich-zeitig waltet es in der Ewigkeit: als ich ein Kind war…, da kann man doch nicht sagen: das war ich nicht, das ist vorbei, aus und Punkt! Nein, das Kind bin ich, es ist nicht vorbei, es ist „eingesammelt“ (légein) in Ewigkeit, hier nur von „vergangen und vorbei“ zu reden ist ein Irrtum. Und die Frau am Brunnenrand? Es kommt darauf an, wie „intim“ wir sind: es ist kein „nur“ historischer Bericht, ein Ereignis, hat sich abgespielt, ist aber vorbei. Nein, nichts ist vorbei: die Fülle der Zeit ist da, ich aber bin ganz woanders, in historischen Berichten, bin gänzlich abstrakt angezogen, umhüllt von Ferne, bekleidet mit Vergessen, verloren in Zeitlichkeit.

 

Er-innerung ist nicht nur: es war einmal so (ja, das war es bestimmt auch), zugleich und viel „intimer“ ist das Nach-innen-gehen, das meint eigentlich Er-innerung, anders gesagt: Er-innerung ist „wesentlich-werden“, ins Innere gehen, ins Wesen gelangen. Und hier ist nichts vorbei, nichts ist da: es war einmal – sondern die ganze Fülle ist an-wesend, alles ist hier versammelt: Johannes, die Frau am Brunnenrand, meine Kindheit, der Großvater, den ich nie kannte, die Verstorbenen, alle meine Erinnerungen sind lebendig versammelt in Er-innerung, kairós. Ewigkeit herrscht und Zeitlichkeit ist da und man sagt: so schlimm wie heute war es noch nie, diese Zustände in Gesellschaft usf. Man kennt dieses Jammern. Und man weiß, dass der Herr wiederkommt in Herrlichkeit, man spricht vom jüngsten Tag. Wenn aber die Zeitlichkeit immer schon von Ewigkeit umfangen und gehalten ist, dann kann doch nichts verloren gehen, die Zeitlichkeit ist „eingesammelt“ in Ewigkeit, so auch meine und deine. Nichts geht verloren, alles aber ist versammelt da: Vergänglichkeit erleben wir, aber das ist längst nicht alles, wer nur auf die Vergänglichkeit starrt, der hat seine Intimität mit der Ewigkeit verkauft. Wenn ich schon, der Sünder, einem anderen verzeihen kann, in Wort und Tat und im Herzen, um wie viel mehr und größer verzeiht der Herr?

 

Intimität „ahnt“ die tiefe Versammlung im Wesen.  Eine „Ahnung“ haben, das ist nicht nur: ich habe einen Sinn für etwas, ich verstehe mich darauf, der hat eine Ahnung davon. „Ahnung“ ist der Gang vom univok Abstrakten in die Welt der konkreten Intimität. Dieser „Gang“ ist wesentlich Opfer-gang, nicht im Sinne der herben Verluste, des schwierigen Verzichts usf. Je intimer, je konkreter der Mensch am Herzen des Herrn ruht, desto mehr findet Opferung statt: denn das Opfer ist „Näherkommen zum Herrn“. Opfer bedeutet: Sinn-Erfüllung, sich intim sammeln in der Zeitlichkeit. Die gebrochene Zeitlichkeit ist durchwohnt von Ewigkeit: das ist erstaunlich. Je nachdem, in welche Richtung ich dann gehe: zurück nach Ägypten oder ins Gelobte Land? Wenn ich nur auf Historisches blicke, auf Berichte, auf das Kommen und Gehen, nur darauf fixiert bin, auf Zeitlichkeit, auf Vergänglichkeit, dann bin ich verloren und Ägypten ist meine abstrakte Wirklichkeit, ich frage dann nur mehr: wann war das, wann wird es sein? So „eng“ (Angst) ist es dann in mir – und wo, wo die Weite der Seele?

 

Anders das konkrete Opfer: es ist zum Greifen „nahe“ in der konkreten Nähe der Intimität. Der Gang ins Gelobte Land ist „jetzt“, dann, wenn ich diese Intimität zu-lasse: mit meinem Namen, mit meinem Schicksal und so „intim“ erlebt Gott mit jedem von uns die „ganze Welt“, die Freude der Schöpfung. In jedem So-sein verbirgt sich die gesamte Schöpfung, nichts ist da vergangen oder verloren. Auf dem Weg von Ägypten ins Gelobte Land durchwandert man die „Wüste“: in der Wüste wird es um alles gehen, um diese Intimität mit Gott. In der „Wüste“ unserer Versuchungen zählt nur mehr das „Wort“, der lógos ist hier vollendet „da“ -  das graphein,  das Wort ist verlässlich, unumstößlich: Γέγραπται – in der „Schrift“ -  „heißt“ es, in der Schrift steht es, hier ist es vollendet! – vor diesem lógos im Wort muss der Verhinderer weichen, er kann dem ewigen lógos nicht Stand halten!

 

Es wird übersetzt: In der Schrift „heißt“ es… (Mt 4,4). Wir Heutigen verstehen dieses „Heißen“ nicht mehr, es bedeutet: Befehlen! Das ist ein absoluter Imperativ! Jesus, unser Herr, „befiehlt“ dem Satan in der Wüste wenn es heißt: In der Schrift „heißt“ es… (Mt 4,4). Wenn ich sage: Ich „heiße“ dich willkommen – so ist damit Absolutheit, Unverrückbarkeit ausgedrückt. Das „Geheiß“ verstand man immer auch als „Gelübde“, also absolutes Versprechen! Wenn Jesus dann dem Satan in der Wüste auf jede Versuchung entgegnet: In der Schrift „heißt“ es… - dann offenbart sich die Unverrückbarkeit und Unerschütterlichkeit, die absolute Dignität des Wortes (die „Heilige Schrift“) – das Wort Gottes macht den Satan „mundtot“, das Wort Gottes „befiehlt“ (heißt) dem Satan, kann man sagen: auf das „Wort“ Gottes hin kann der Satan nichts mehr entgegnen, hier scheitert der Versucher „absolut“ – er probiert es dann „anders“, mit anderen zeitlich-horizontalen Mitteln (Brot, Macht und Herrlichkeit auf Erden) und das ist schon der Hinweis, dass er „ablässt“ von seiner eigenen Intention, dass er hier auf Erden eigentlich nur mehr Register wechseln kann, dass er je andere horizontale Feuerwerke zünden kann: er ist sich seiner Niederlage bewusst, so wechselt er nur mehr die äußeren Kleider! Der Satan bemerkt selbst in seinen Versuchungen wie „kraftlos“ er im Wesen seiner Äußerlichkeiten ist!

 

Das Wort Gottes „befiehlt“ – das heißt „heißen“! Und ein Befehl besagt ja immer auch, dass dieser auszuführen ist. Wer befiehlt, der verlangt die Ausführung und darin liegt ja auch eine unermessliche Geborgenheit und Sicherheit. Wer mit dem Wort Gottes „intim“ ist, der folgt dem „Geheiß“ Gottes. Gott spricht immerzu: Ich „heiße“ dich willkommen: Du bist mir an-empfohlen von Ewigkeit her. Der „Befehl Gottes“ ist etwas sehr Intimes, er legt seine ganze Barmherzigkeit in diese stillste Kürze, in dieses Kleinste, in diesen Null-Punkt, könnte man sagen, in diese intime Dichtigkeit. Stillste Kürze, in Er-innerung an Heidegger, meint das „Aufblitzen“ in der dunkelsten Nacht: tenebrae.

 

Intimität bedeutet auch: das Herz ist entbrannt von der kleinsten Kleinigkeit, überrascht, dass das „da“ ist. Wer in der Zeitlichkeit gefangen bleibt, der stößt immer an Grenzen, er läuft in den Engen der Angst im Kreis herum, im Gefängnis des „Anstoßes“!. Die tiefe Ahnung aber – und sie ist die wahre Gewissheit (das hat mit Wissen nichts mehr zu tun) – schon hier im Ewigen zu leben, in „Gottes Wort“ – macht sanft. Feindschaft wird dann nicht mehr sein, denke ich, weder bin ich mir selbst Feind noch ist mir der Andere Feind. Ich könnte jedem das Beste gönnen, auch meinen Feinden und es freut mich dann auch, wenn es ihm gut geht, ich wünschte ihm auch, dass seine Seele in diesem Frieden sei, eine Freude, die man manchmal selbst erlebt.

 

Im nächsten Abschnitt möchte ich das Wort von Paul Celan: tenebrae – ich über-setze es mit „Verlassenheit“ – bedenken. In aller Verlassenheit liegt ein „Lassen“, die Verlassenheit wohnt sozusagen in nächster Nähe zur Gelassenheit.

 

 

(Weiterführung)


 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(X)

 

 Λήθη V

 

 

Tenebrae factae sunt: Finsternis entstand!

 

Finsternis heißt es. Paul Celan verdichtet im „Gast“ dieses „Dunkel“: der, der den Gruß getauscht mit dem Dunkel. „Verlassenheit“ – Gott-Verlassenheit. Es geht hier um das Schönste was es gibt, die „Ewigkeit in Gott“, aber keiner will sie, da ist ein Deckel auf dem Herzen. Es geht da um Leben und Tod: wofür lebe ich – wofür sterbe ich? Sie spotten, sie sind zu, sie wollen nichts von Ewigkeit, lehnen sie ab: sie schreien: gib´ uns diese Welt hier, gib´ Wunder hier unten, im Zeitlichen – von deiner Ewigkeit wollen wir nichts! Sieh´, ich bin ja hier  krank – heile mich hier, dann glaube ich vielleicht an Dich! Gib´ uns Brot und Spiele in unseren Vergänglichkeiten – dann glauben wir vielleicht an dich!

 

Sie redeten so, damals! Nein: in mir „redet es jetzt“ so! Nichts war nur damals, das war es auch, aber es ist jetzt in mir, ganz aktuell! Das Heil hier unten aber ist gerade: dass du an Gott glaubst, ihm treu bist  - aber das seht ihr nicht, könnt es vermutlich auch gar nicht sehen: Vater, vergib ihnen!

 

„Ewiges Leben“ – wenn man das schon hört, das ist doch Träumerei, du Fantast! Verlassen hängt der Erlöser am Kreuz, verlassen von „mir“, jetzt. Verlassenheit  - es ist auch meine: es wird mir „dunkel“ in meiner Seele, ich sehe zwar im Außen immer schärfer, meine Augen gieren nach Zeitlichkeit und Augenschein, die Augenlust geht ins Unermessliche, ich fordere Feuerwerke,  zugleich wird es immer dunkler in mir, meine Ein-Sicht geht verloren: Verlassenheit, Dunkelheit.

 

Der Herr „erlebt“ die Verlassenheit (es ist kein Spiel „als ob“) in voller Wucht, ungeschwächt. Hans Buob sagt einmal: der Herr erlebe die Sünde „ungeschwächt“, in voller Wucht: wir Sünder erleben sie nicht mehr so, sie ist ja durch den Herrn gesühnt. Man kann sich das nicht mehr vorstellen. Gott selbst „erlebt“ das Exil, die Gottesferne, diese absolute Verzweiflung. Er erlebt am Kreuz in voller Wucht: ich habe Dein Bestes für dich und du, du lehnst es ab, verweigerst! Ich kann nicht – wenn du nicht willst! Hier ist mir, deinem Gott, eine Grenze gesetzt: die Freiheit der Liebe! Wenn unser Herz nicht liebt, ist der Herr machtlos!

 

Es sind 33 Gedichte von Paul Celan in sechs Zyklen, entstanden zwischen dem 6. März 1955 und dem 3. November 1958: der Zyklus ist überschrieben: Sprachgitter. In diesen Jahren erlebt Celan eine „Schreib-Hemmung“, er hätte, so sagt er, ein „wortloses Jahr“ hinter sich. Unter „Sprachgitter“ versteht Celan ein „rein Geistiges“. Die Hemmung, der lógos selbst kommt in die Krise: er hat sich vom nur äußeren Anschein völlig zurückgezogen, das nur Visuelle wird ihm fremd: Sprachgitter (Sprechgitter) – es ist eine aus dem Stummen herauszu-hörende Sprechart. Dieses Heraus-hören aus der Stille wird eingefangen im Wort: im Sprech-Gitter. Mir fällt dazu Heidegger eben ein: die Sprache spricht. Allem zuvor ist der lógos da – allem zuvor entspricht nur das Schweigen diesem lógos im Hören. Es antwortet im Hören!

 

„Tenebrae“: entstanden in 8 Monaten, März bis Oktober 1957. Das Officium tenebrarum, auch Karmette, wird an den drei Kartagen gefeiert. In der dunklen und schmucklosen Kirche wird aus den Klageliedern des Jeremia gelesen. Dabei werden die 15 Kerzen des Tenebraeleuchters gelöscht: Dunkelheit, tenebrae. Was jetzt geschieht am Kreuz, das ist die "Erlösung" aller Geschöpflichkeit - ein für Alle Mal: die Zeitlichkeit ist erlöst.

 

„Nah sind wir, Herr“: Hölderlin spricht in „Patmos“ von dieser Nähe: Nah ist / Und schwer zu fassen der Gott / Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch / Im Finstern wohnen.

 

Die nächste Nähe liegt im Dunkel und wer wäre näher als unser Schöpfer, näher als wir uns selbst sind. Die Gefahr des distanzierten Bloß-Denkens liegt in der Flucht: ich will es nicht erleben, sondern bloß zur Kenntnis nehmen. Dunkel (der, der den Gruß getauscht mit dem Dunkel) – er erlebt das Dunkel, kein „als ob“, kein Distanziertes mehr, nein, tenebrae waltet, man kann tenebrae zwar wegdiskutieren, verklären in Gefühlsduseleien, liebäugeln oder als Tradition mitbeten: das alles ist schon Flucht ins Angenehme: Spott in der Entfernung.

 

Wozu (warum) hast DU mich verlassen, Gott? – tatsächlich ist es so, kein Spiel, es rührt sich nichts hier unten. Können wir das aushalten, dem Stand halten? Dann „spielen“ wir nicht mehr „als ob“ – oder ich „spotte“ weiterhin, mein ganzes Leben lang: im Spott liegt die ganze Wucht der distanzierten Ablenkung, des Flüchtens: ich nehme mein Leben doch lieber selbst in die Hand! Ich muss mich „jetzt“ noch nicht entscheiden, es hat ja noch Zeit, in 20 Jahren vielleicht usf. So ernst muss ich das jetzt nicht mehmen. Das ist der eigentliche „Spott“ am Kreuz, nicht die dort haben gespottet, sondern ich bin „jetzt“ der Spötter: es hat ja noch Zeit, es muss jetzt nicht entschieden werden! „Im Finstern wohnen“ (Hölderlin): es sagt, die Finsternis ist Realität, eine Wirklichkeit, vor der wie nur allzu gerne ausweichen, lieber doch etwas Greifbares, Visuelles, Sichtbares, Fühlbares, lieber Feuerwerk – lieber Endlichkeit als Unendlichkeit.

 

Die Übersetzung: warum? hat noch den Klang des völligen Unverständnisses, „warum?“ ist im Grunde eine Anklage, das „Wozu“ aber frägt an, es stellt sich dem  Faktum der Finsternis: so frägt der an, der nicht mehr flüchtet. Wozu diese Dunkelheit, Herr? – keine Antworten sind da, nur mein Spott: es hätte ja noch Zeit mit der Entscheidung, es sei ja nicht ganz so ernst.

 

Jeder „weiß“ um das nackte Leben, ausnahmslos: jeder geht in seiner Art „windschief“ hin, gebeutelt vom So-sein seiner Lebensgeschichte, man schiebt es auf und weiß nicht wohin damit. Wenn du so „nackt“ aussiehst, du Leben, so tödlich getroffen, dann lehne ich dich ab, lieber lenke ich mich ab, besaufe mich mit Endlichkeit.

 

Ich stehe vor dem Grab und es „ist“: tenebrae – es ist mein Grab, nicht deines. Und bitte jetzt keine Vertröstungen, kein Frommes. Und dann bemerkt man: Betäubung gelingt nie absolut, besoffen kann man nicht lebenslang lügen, die tiefe Ahnung: Auf der Flucht bin ich! Tenebrae: alles scheint vergebens, jetzt wird es einem klar und es hilft auch hier nichts mehr, Betäubungen, allzu lange schon. Man bemerkt das doch, so aus der Ferne dämmert das doch! Nichts hilft jetzt mehr. Noch eine letzte Betäubung  - man produziert das schon, die Entschlafungs-Pille mit programmierter Glückseligekeit, gibt´s  dann, sagen wir für € 20.000,- in Apotheken: die Himmelfahrt ins glückselige Programm. Dann hat man dem Tod doch wirklich ein Schnippchen geschlagen und beruhigt kann man sich zurücklehnen, wenn es unerträglich wird, dann eben diese Pille der wahren Humanität – denn: man muss nicht unnütz leiden, das wäre ja unmenschlich, Gott sei Dank, ist die Forschung schon so weit: den Schmerz, die Trauer, den Abschied, die Dunkelheit, die Verlassenheit, die Verzweiflung – das alles muss nicht mehr sein, das versteht doch jeder, oder - das hat man sich doch im Namen der Menschlichkeit nicht verdient, oder? Das ist dann die letzte Lüge!

 

Dass die „Hilfe im Namen des Herrn“ sei – das beten wir oft bewusstlos. Die Rettung kommt gerade vom Anderen her, niemals aus Zeitlichkeit: Gesehen habe ich das nicht hier, im Horizontalen ist weit und breit keine Hilfe. Jetzt gilt es Stand zu halten: Im Glauben, dass in dieser Verlassenheit die „Rettung im Herrn“ da ist. Der „Spötter“ aber ist in mir: das alles mit Gott und Ewigkeit, das alles ist doch nichts! Und dann die Resignation: na gut, irgendwie wird´s  schon weitergehen, mag sein, dass da ein Himmel ist – wer kann das schon sagen! Das ist aber eine Lüge: es geht eben „nicht“ irgendwie so weiter, so ohne Ende weiter, Horizontales endlos und irgendwann die Sonnenexplosion, dann ist es aus. Die Eingefressenheit in das Nur-Lineare des Endlichen hier läuft sich aus in dieser Lüge: un-endlich soll die Endlichkeit sein, sie soll niemals aufhören; dazu gehört dann auch das „Testament“ machen, ich lebe in meinen Kindern weiter, es gibt den Tod nicht, die Generationen leben ja weiter: wunderbar. Das alles ist Lüge. Heidegger sprach einmal von dieser „ontologischen Rückstrahlung des Weltverständnisses auf die Daseinsauslegung“ – wir leben so, als wäre Vergängliches ALLES, dieses Vergängliche strahlt so zurück in unser Verständnis, dass wir von hier aus, also von der Froschperspektive aus, alles erklären und fundamentieren: aber Endlichkeit kann bestenfalls abstrakte Un-endlichkeit, Endlichkeit ohne Ende, hervorbringen, niemals aber „Ewigkeit“.

 

Und das Ewige Gericht? Davon will man nichts hören, hier, denn es ernst nehmen hieße, die Horizontalität im „ALLES hier" aufgeben. Ewiges Gericht bedeutet aber: es wird „absolut gut sein“, gerichtet werden, repariert werden, was gebrochen war, ist jetzt heil, was verwundet war, geheilt! Er wird unseren „armseligen Leib“ verwandeln: wie das sein wird, das „wissen“ wir eben nicht – und dieses "Nicht-Wissen können" ist die unfassbare Barmherzigkeit unseres Schöpfers. Er meint es so gut mit uns, dass wir uns letztlich nicht mehr im logifizierten Wissen verirren. Und doch drängt es immerzu: hier soll es sein, ein bisschen wenigstens! Doch es bleibt Dunkel, tenebrae.

 

Gott schweigt – Verlassenheit, es rührt sich nichts: würde sich auch nur ein „wenig“ rühren (hier), ich wäre sofort wieder gefangen in der horizontalen Kontinuität.

 

Die alles tragende Entscheidung, vor der jeder wegläuft, sie nicht wahrhaben will, es ist diese: diese Welt hier vergeht, hier ist keine Ewigkeit und Un-endlichkeit wäre Lüge. Hier besteht eben ein Bruch: der Herr am Kreuz weist jede Endlichkeit zurück, er gibt keine endlichen Zeichen und Geschenke hier: auf dass wir Glaubende werden. Jetzt steht diese Entscheidung an: habe ich Vertrauen oder nicht?  Denn: es herrscht immerzu die Hilfe, Rettung ist immerwährend da, das ist die einzige verlässliche Überzeugung! Wenn ich nur denke, das sei ja  sentimental, Gefühlsduselei: dann ist das schon eine Lüge, ein Spott, Sünde. ER ist doch das „ewige Leben“ – warum dann das Spotten? Es nicht ernst nehmen, das ist Spott. Der Spott ist doch: ich kann dir das nicht glauben mit der Ewigkeit, denn die Wirklichkeit „hier“ ist doch die alles überzeugende. Es nicht "ernst" nehmen, die "Als-ob" Perspektive, das ist Spott!

 

Wir merken schon: in uns lebt so ein Drang das Diesseitige nicht aufgeben zu wollen, wenigstens noch 40 Jahre – aber nicht jetzt. Der jetzige Augenblick ist immer viel zu früh zum Sterben. Noch 900 Jahre, das wär´s, dann hätte man noch endlos Zeit: aber dann, nach 900 Jahren? Was ist dann? Man könnte es längst „wissen“ wie das ist im Sterben, man kennt die zahllosen Berichte darüber: aber ist uns das „Wirklichkeit“ und wie steht es dann um die sogenannte horizontale Wirklichkeit hier? Das Sterben ist das größte Wunder: es wird alles „neu gemacht“ und „gut gemacht“, alles, was nicht gut war, es wird dann geheilt sein. Und wir spotten darüber, weil wir ja Gescheiter sind und denken: reine Einbildung. Und so wie der gebildete Alltagsmensch in uns sich eben auch ein-bildet, dass die lineare Zeitlichkeit alle Wirklichkeit sei, eben ganz abstrakt lebt (Hegel), so spottet er über Ewigkeit und ewiges Leben, über ganz heil sein, spottet über den Erlöser, der „trotzdem, umsonst“ herrscht.

 

Der Spötter in uns lehnt den Herrn nicht direkt ab, er lobt ihn sogar mit seinen Formeln, aber seine gesamte Existenz "glaubt" nicht an ihn, dass Er der wahre Erlöser ist, dass Erlösung "herrscht".

 

Der Wahrheit „ins Gesicht spucken“ ist die Ablehnung in uns: ich kann und will von Deiner Ewigkeit nichts wissen! Die Jahre, die ich noch hier habe – wer weiß schon wie viele es noch sind – die lebe ich dann mit aller Intensität, lenke mich ab und immer weiter so. Ich ertränke mich mit Zeitlichkeit. Und dann tritt der Tod heran – und er kommt doch täglich – auch zu mir tritt er „jetzt“ heran (nicht irgendwann): denn Todesstunde ist ja jederzeit. Bin ich dann  überrascht, ich wollte es ja nie wahrhaben, Panik – was geschieht jetzt? Glaube ich an den Arzt, der mir horizontal bestätigt: ich hätte nur jene wenigen Wochen noch zu leben? Glaube ich diesem horizontalen Verkünder unverrückbar – oder glaube ich „Ewigkeit“: dass der Vater seine verlorenen Kinder heimholt, dass es so eben nicht irgendwie weiter geht, sondern überraschend „neu“ gesammelt ist – nichts ist verloren, alles aber geborgen?

 

Wir sehr vermöchten wir von Ewigkeit überzeugt zu sein? Und dann geht der Herr mit uns jetzt nach Emmaus, nicht nur damals, sondern „jetzt“ und wir sehen ihn nicht und doch ist er mitten unter uns. Und wir kennen nur mehr Berichte „über“ Jesus, Berichte über den Auferstandenen usf. Das Abstrakte in uns hindert, ver-hindert und be-hindert. Jeder kennt doch diese Emmaus-Geschichte: ja, das war einmal, es war auch einmal Corona-Zeit udn einmal waren die Kriege, alles war einmal: hier merkt man die eigene Verbannung, diese tödliche Ferne.

 

Erst als der Herr das „Brot“ bricht gingen ihnen (gehen uns) die Augen auf! Man kann sagen, dass wir den Herrn nicht erkennen besagt: hartnäckig hängen wir an unseren Vorstellungen und abstrakten Festlegungen, die zur Gänze von Zeitlichkeit durchtränkt sind!

 

Was heißt „Brot“ brechen? Wenn das „Brot“ zur Wandlung gebrochen ist, gehen ihnen die Augen auf: sie „durch-brechen“ hin zur Wahrheit: das Brot ist nicht mehr nur Brot, der Tod nicht mehr nur Tod, das Grab nicht mehr nur Grab: im Brechen des Brotes ist es aus mit meiner Abstraktheit, gebrochen wird alles Univoke in mir, die Eindimensionalität öffnet sich der ganzen Wahrheit, der Ewigkeit: das Brot ist Leib Christi. Meine Sinne sehen Brot, das Brot ist aber der Leib des Herrn – er ist da, ich sehe ihn nicht, ich will ihn betasten, wie Thomas, aber besser wäre es, ganz zu glauben ohne zu betasten.

 

Können wir zu diesem Glauben der Emmaus-Jünger mit-durch-brechen? Wo und wann soll das geschehen? Jetzt ist immer dieser Anfang – im Kleinsten schon! Der Auferstandene „lebt wahrhaft“ unter uns, mit uns, jetzt durch-brechen heißt eigentlich: aus dem Gefängnis  meiner abstrakt univoken Eindimensionalität aus-brechen und die Herrlichkeit des So-seins empfangen. Und hier keine Angst haben oder Sorge: nein, der Erlöser „ist“ der Erlöser, Er macht es gut, Er heilt, Er be-freit, Er erweckt uns aus unserem Todeskerker. Aus eigener Kraft könnte ich das nie. Der Herr „bricht“ zuerst das Brot, heißt: er ist uns also immer schon Voraus, einen Schritt immer voraus: wir können Ihm immer nur hinterherlaufen, er zeichnet die Spur, auf der ich angstlos wie blind gehen sollte - in allen Dingen, er wartet immerzu schon am Brunnenrand: bis ich hinzutrete!

 

Wovor also noch Angst oder Furcht oder Zweifel? Nein: Rettung „herrscht“ – im „Anfang ist alles gut“ bedeutet: jederzeit (zu allen Zeiten) ist „alles“ gut, in allen Zeiten ist alles „gut“, weil das Maß der Zeitlichkeit die Ewigkeit ist.

 

Nun: An-Wesen-heit Gottes bedeutet: sei absolut sicher, berge dich darin, sei ganz sorglos! Nicht was uns so in den Sinn kommt, was wir so hin-denken, das alles hält uns noch in Gefangenschaft. Sollten wir dahin kommen, es „sein-zu-lassen“ (das wäre Erlösung) – unsere Ziele aus den Augen zu verlieren: also „nie damit gerechnet“ im Rechnen des Wissens – der Herr ist doch da, Rettung ist da: was sollte ich da noch berechnen? Es geschieht dann alles, ohne dass ich gezielt etwas tue. Da-sein ohne Absichten, gemeinsames Dasein „umsonst“! Das erst  ist Grund-Vertrauen, Herz zu Herz; es ist da auch jetzt kein Jammern mehr über die schrecklichen Zustände – die ja sowieso da sind – nein: jetzt siegt die Herrlichkeit – denn sie hat ein für alle Mal am Kreuz gesiegt!

 

Die Herrlichkeit der Ewigkeit ist jetzt schon da: in meiner Fantasie, in  meinen Träumen, in meinem Gönnen und Wünschen, in meinem Glauben: Der Realist in mir  sagt freilich: das kannst du nie beweisen!

 

Trotzdem, "umsonst": Ich gönne dir, dass du in Ewigkeit bei Gott verherrlicht bist! Ich gönne es dir von Herzen! Wie könnte der Schöpfer, der ja ALLES allen gönnt, dies je vergessen? Wenn ich, der ich doch im Herzen böse bin, meinem Nächsten Gutes wünsche, vielleicht sogar bete für ihn, wie viel mehr wird der Allgute, der Schöpfer, der gar nicht anders kann als die „Gutheit“ zu sein (es ist sein Wesen), Dir Gutes bereiten wollen: von Ewigkeit her?

 

Paul Celan dichtet am Ende (also im Anfang)

 

„Es warf uns dein Bild in die Augen, Herr.“

 

Wir „sind“ in Deinem Bildnis, Schöpfer des Himmels und der Erde, Dein Abbild sind wir (Gen. 1, 27) – gezeichnet und eingeschrieben in dein Wort, daraus niemals entlassen, wie wir auch flüchten mögen, immer ist Deine Empfängnis, Dein Empfangen uns voraus: Blut ist die nächste Nähe, absolute Intimität und im Bildnis Gottes sind wir geborgen: man kann jetzt bekennen: Du, Allmächtiger Gott, Du wirfst alle Ewigkeit in meinen Augenschein, in meine Äußerlichkeit, in all meine Not und Zeitlichkeit, in alle mein Vergänglichkeit, Du, Herr, warfst Deine Ewigkeit in meinen Tod: Tod, wo ist nun dein Stachel?

 

Angst also, wo ist dein Stachel?

 

In der finstersten Zeit, in aller Not, in allem Krieg, in aller Gott-Verlassenheit: die Herzen erheben, sich freuen durch und durch: denn der „Retter herrscht“ – was könnte uns da noch schaden? Es gibt heutzutage auch eine sehr geistliche Verengung: es ist die Dramatisierung der Mächte des Guten und des Bösen, das Einsteigen in dieses Drama – das sicher da ist! Bei jenen, die da einsteigen, im Sog dieser Mächte mitschwingen: da ist spürbar die nächste Nähe der Angst.

 

Maria Magdalena: Wer ist Maria Magdalena? Sie durchbricht die nächste Nähe der Angst, diese auch ganz fromme, geistliche Dramatisierung!

 

 

(Weiterführung: „Maria Magdalena“)

 


 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XI)

 

Λήθη VI

 

Maria aus Magdala (Turm aus dem Norden, Urteil der Veräußerung)

 

Sie glauben nicht! (Mk 16,9-20) Was ist es um den Glauben? Un-Glaube ist keine Nachlässigkeit oder Dummheit, ein Lapsus, ein bloßer Fehler. Man hockt in einem Gefängnis und rennt „blind“ gegen die eigenen Gitterstäbe bis man nicht mehr kann! Es geht tiefer, dieser Un-Glaube: der Unglaube verlangt Zeichen und Wunder „hier“, jetzt, sofort!

 

Wer ist Maria Magdalena? Was meint Besessenheit? Wer sind die Dämonen? Besessenheit könnte man auch mit „Faszination“ übersetzen: man ist fasziniert von „einer“ Erkenntnis, von einer Lösung, von einem Weg, von einem Urteil – nur dies und „nur“ dies! Du tust Gutes: du bist gut und nicht böse – du tust Böses, du bist böse und nicht gut! Das univoke Urteilen  - dem wir ja nie entkommen – es „sitzt“ unverrückbar. Man ist überzeugt von Vorstellungen, Psychologie, Psychoanalyse, Ärzten, Weltlichem, usf. Man besinne sich einmal auf dieses fortlaufende Urteilen in uns und wie es uns Erleichterung schmeichelt: es zu wissen, das erleichtert! Alles irgendwie „erklären“ zu können: das erleichtert – freilich nur für den Augenblick! „Baum der Erkenntnis“ (des Wissens) – mit dem Un-Glauben ist kein Lapsus am Werk, es geht an unser Wesen hier. Besessenheit: das ist Enge (Angst), Steifheit, Sturheit, nur ein Weg, die Lösung wissen, die Lösung haben, das Ziel gefunden haben usf. Es ist wie ein Fluch, ein Bann: Anderes kennt man nicht und will man gar nicht zulassen, man sitzt so sehr auf seiner Gewohnheit des Schon-immer-Gewusst-habens, dass Anderes bloß Träumerei sei, eben nur Glaube, Hoffnung, Liebe – aber was ist das schon? Der Träumer gerade ist aber jener „abstrakte Mensch“ in uns, der immerzu wegläuft vor sich selbst, der es nicht wagt zur Ent-scheidung mit sich selbst zu kommen, also „konkret“ zu werden. Im Abstrakten ist man sesshaft geworden, be-sessen, ist besoffen und betäubt von Ein-gebildetheit, Ein-seitigkeit: Univozität. Der abstrakte Realist sagt: du glaubender Träumer, du Fantast! Und ich sage: gerne bin ich so ein Träumer, wir alle sind Träumer, auch du, Realist, deine Träume sind vielleicht sehr, sehr eng, oft sehr fantasielos, sehr kümmerlich, weil du die Anderen nicht leben lässt!

 

Du bist gut, du bist böse, du bist dumm, du bist intelligent, du bist erfolgreich, du ein Versager, du bist fleißig, du bist faul, du bist sportlich, du bist träge usf. In Abstrakta hält sich der Besessene auf, im eigenen Spiegelkabinett ohne Ausgang. Er sieht entweder schwarz oder weiß: Farben kennt er nicht und gefragt nach Farben müsste er antworten: ich „will“ sie gar nicht kennen! Der Un-Gläubige hockt eben auch in seinem eigenen Spiegelkabinett ohne Ausgang und gefragt nach dem Glauben müsste er (per Gesetz) antworten: ich will den Glauben nicht, weg damit!

Da entgegnet eine Stimme: es gibt aber „Farben“ (trotzdem, umsonst) und jetzt schon sehr wütend und zornig holt der Abstrakte zum Rundumschlag aus: ich „glaube nicht“ an deine Farben, weg damit – weg mit DIR!

 

Mirjam trägt das „Bittere in der Zeitlichkeit“. Als die Engel den Schöpfer zu bedenken geben: tu´ das nicht mit diesen Menschen, sie werden dich enttäuschen (und es wird stimmen mit dieser Enttäuschung), da ist es die Stimme der Anna: tue es dennoch (umsonst und trotzdem) – ich gehe mit der Schöpfung mit. Die Heilige Anna ist die Mutter der Heiligen Maria – Mutter Gottes.

 

„Maria“ Magdalena: sie trägt auch das Bittere der Zeitlichkeit. Und sie war vermutlich zugleich sehr hochmütig, das heißt: ihr Mut wuchs und wuchs, ihre Festigkeit in allem Weltlichen gab ihr Sicherheit in allen Dingen: so und nur so und nicht anders! Maria Magdalena in uns: wir wissen es, so und nur so, unsere Urteile: so und nur so und das ergibt eine grenzenlose Sicherheit, zwar nur im Moment, aber das wird schon noch bei ausreichender Entwicklung! Das Bittere der Zeitlichkeit er-tragen: hinein-geworfen sein in dieses univoke Urteilen, in diesen Stolz des Zu-Ende-Definierens „hier“, in diese Verirrung, in diese Irre. Das Bittere der Zeitlichkeit tragen wir alle, er-tragen es. In die Zeitlichkeit geworfen sein besagt: ich werde dieses Urteilen tragen müssen, ich entkomme ihm nicht, kann es nicht abschütteln: der Erlöser ist dann jener, der mich aus diesem Gefängnis be-freien wird. Stolz zu sein ist überzeugt sein davon: wir können es hier, alleine oder gesellschaftlich, wir errichten schon das Paradies auf Erden, wir können das, wir planen das: wenn nicht heute, dann eben übermorgen: wir glauben an uns – fertig, wir finden schon die Lösung „hier“! In dieser Haltung, die in uns selbst da ist, wird das Irdische riesengroß, türmt sich auf, erscheint dann sehr beeindruckend: es sind Riesen der Zeitlichkeit. Heute sind solche Riesen die sogenannten Experten, die immer Bescheid „wissen“ und befragt werden, man betet sie an und huldigt ihnen, man darf sie nicht hinterfragen: was sie sagen gilt sofort! Der Experte ist doch verlässlich und gibt uns Sicherheit. Ärzte sind solche Riesen, denn sie können heilen, sagt man, aber das ist eine glatte Lüge. Kein Arzt kann heilen, sie können vorübergehend Symptome lindern, aber Heilung kann kein Arzt bringen. Die Achtung wächst dann vor solchen Experten ins Riesenhafte und sie wachsen bei sich selbst ins ohne Ende: die gesteigerte Selbstachtung (Hochmut) sitzt dann auf einem und hindert, man ist dann regelrecht belagert und besessen davon, wie gelähmt, unbeweglich, monoton, univok: nur was dieser Experte sagt, das gilt.

 

Maria Magdalena: 7 Dämonen seien aus ihr ausgefahren, Jesus ist da, ganz in der Nähe: „er heilt“ – es besagt: sie, Maria Magdalena, war so vollständig „zu“, ihre gesamte Existenz allumfassend horizontal ermächtigt, eine andere Option zu „seyn“ war ihr gar nicht möglich, so überzeugt war sie von der Weise wie sie lebte, so „besessen“ von dieser horizontalen Fixiertheit und Existenzweise, dass Optionen des Anderen gar nie am Horizont – ja nicht einmal denkbar waren. Kein Arzt der Welt (wortwörtlich: des Weltlichen) könnte hier Heilung bringen und wer „hier“ dies wollte oder versuchte, er wäre Magier, Zauberer, am Ende der Lügner von Anbeginn. Heilung geschieht, weil ER, der Heiland anwesend ist und seine Nähe (Intimität) „heilt“, nicht irgendein Hokuspokus weltlicher Art oder irgend so ein Tun!

 

Von horizontaler univoker Besessenheit frei werden: das verändert die gesamte Existenzweise: vorher hatte man Bretter vor den Augen, jetzt sieht man die Farben, vorher war es entweder schwarz oder weiß, gut oder böse, dumm oder gescheit: jetzt aber herrscht das „Seyn“, die Güte, das Gute, das Heil, das So-sein in Gutheit: die Farbenpracht der Schöpfung.  So be-freit gibt es auch keinen Grund mehr sich fest-zu-legen. Das zu Ende Definieren findet in der Befreiung ihr Ende. Das sich jetzt Zeigende ist Er-öffnung. Es herrscht Offenheit, war man vorher blind, so sieht man jetzt erst. Maria Magdalena erkennt den Auferstandenen: es heißt bei Markus „er erscheint“ ihr. Das ist missverständlich übersetzt, Jean Corbon hat darauf hingewiesen: dass der Auferstandene Herr nicht uns erscheint, sondern ER „ist“, er tritt nicht auf und ab, sondern im „Maße unseres Glaubens“ sehen und erkennen wir ihn. Im: ER „IST“ zeigt sich die Ohnmächtigkeit und Brüchigkeit der Vergänglichkeit, der Zeitlichkeit. Es ist die Frage nach der Intimität der Herzen, sie, die Intimität, ist dieses Maß. 7 Dämonen, die Vollzahl also, die gesamte Existenzweise wurde geheilt, verändert: sie ist ein ganz neuer Mensch, geöffnet, sehend, sprechend: wie nie zuvor!  Es ist sehr wichtig: Heilung kann sein, weil Heilung herrscht: es „ist“ heil durch den Auferstandenen Herrn, alles Seyn ist im Wesen „heil“. Die Heilung der Maria Magdalena ist im Wesen das Durchbrechen im Glauben in die unfassbare (nicht mehr wissbare) Wahrheit der Schöpfung. Es fühlt sich an wie ein Traum: nicht mehr gilt: so und nicht anders! – sondern: es könnte auch ganz anders sein und es ist auch bestimmt so: in dieser unermesslichen (nicht mehr wissbaren und messbaren) Weite hat doch alles Platz und Würde (außer die Sünde). Diese Heilung ist da, weil der Herr da ist: die Schöpfung ist im Heil und es liegt an uns, dass wir uns vom Heil betreffen lassen, betroffen werden davon. Die anderen aber, die da noch weinen und klagen: es ist in uns, dieses Weinen und Klagen und Jammern: dass das Zeitliche einmal zu Ende ist, der Tod herantritt, das ist dieses Klagen, man will das nicht wahrhaben. Und wenn das Ende hier definitiv gestellt wird und sonst nichts – und definitiv sterben wir doch, aber der Glaubende weiß um die Ewigkeit, er geht hier zwar weg, aber in die Ewigkeit ein, die jetzt schon „herrscht“. So kann der Geheilte sich im Wesen seiner Existenz nur freuen, freuen auf die Rückkehr ins ewige Vaterhaus.

 

Heilung von Besessenheit ist im Grunde das Freiwerden von der Eingefressenheit in den „nur“ horizontalen Absolutismus. Der Besessene ist immer auch der Gefangene der Zeitlichkeit, des Kausalen, des Kommen und Gehens. Untergangsstimmung ist immer ein Zeichen dafür, dass das Zeitliche über Gebühr angebetet wird. Man sagt: Du stirbst! Ja, sage ich, stimmt  - aber das ist doch längst nicht alles, denn ich freue mich auf den Himmel, freue mich auf die Begegnung mit Thomas von Aquin und möchte mit Augustinus darüber reden, was er sich beim Birnenklau eigentlich gedacht hat. Und meine Großväter, nie kannte ich sie hier, aber dann, dort, da werden sie mir viel zu erzählen haben. Und Melchisedek: der ist auch da, ich werde staunen. Kannst du hier durchbrechen? Das ist die Frage. Ich bin schon sehr gespannt auf diese Begegnung mit der Ewigkeit, das wird alles übertreffen was ich je erlebt habe. Es ist die Frage, ob dieser Traum durchbrechen darf in mir: diese wahre Wahrheit und Schönheit, ob das in mir Realität sein darf. Der sogenannte Realist schüttelt den Kopf – ist auch gut, denke ich bei mir, diese Welt des „do ut des“, der Kausalität, die kenne ich auch und sie ist ja sehr, sehr mager-süchtig und bestimmt nicht ALLES. Wenn mein Grab bloß mein Ende ist, dann ist es wirklich zum Weinen und Klagen, es hat sich dann mein Leben hier am Grab zu Ende analysiert: Ende und aus! Dann ist klar, dass das gesamte Leben einen herben Verlust darstellt. Maria Magdalena „sieht“ den Herrn, denn ihre gesamte Existenz ist neu, ER hat sie von ihrer eingefressenen Eindimensionalität erlöst und von ihrer Überzeugtheit, dass Weltliches Alles sei. Es ist der Glaube, der vom bloß eindimensionalen Wissen erlöst.

 

Die Befreiung aus dem eindimensionalen Existieren ist der Aufbruch in eine Welt, deren Herkunft wir gründlich vergessen haben. Dieser Aufbruch bricht auch die „Wörter“ auf, sie erzählen dann von jener Dimension, die wir weder wissen noch kalkulieren können. Der Erlöser herrscht, ist da: er „tut“ nichts, denn seine reine Anwesenheit in mir erlöst. Den Erlöser kann man nicht machen oder herstellen. Was ist dann hier noch zu tun? Antwort: nichts ist hier mehr „gezielt“ zu tun. Das ist dann das gelassene, absichtslose, dankbare Sein umsonst miteinander, für Nichts. Und da muss man sich jetzt fragen, bewusst werden darüber: was ist Sünde!

 

Es liegt darin das ganze Wagnis unseres Lebens. Sünde hängt wesentlich mit Versuchung zusammen. Jede Sünde hat etwas zu bieten: anzubieten, herzuzeigen! Man hat die Wahl zwischen dem Versucher (dem Hinderer) und Gott, dem Schöpfer und Gott bietet uns seine gesamte herrliche Schöpfung an: sie ist sein Angebot an uns, seine Geschöpfe. Dieses Angebot der Schöpfung annehmen bedeutet: in Beziehung treten, intim werden mit der Schöpfung, einfach gesagt: sie lieben – so aber, dass wir darüber nicht den Ursprung, den Schöpfer verlieren. Die Intimität mit der Schöpfung soll uns also durchblicken lassen zum unsichtbaren Schöpfer, diese Nähe zur Schöpfung soll uns zum Unbeweisbaren führen. Der Versucher bietet uns auch etwas an: die Schöpfung als endlichen Absolutismus. Absolutum heißt das „Los-gelöste“. Der Versucher bietet uns die Schöpfung los-gelöst vom Schöpfer an, das ist sein perfides Angebot und er verspricht uns das Beherrschen: verstandesgemäß, analytisch, nur den Augenschein berücksichtigend. Der Versucher bietet uns die Welt jederzeit „zu Ende kommend“ an: in Definitionen, Festlegungen, Vorurteilen, Verurteilungen, Überzeugungen, der Versucher ist jener Geist, der die Vielfalt der Welt in die Enge (Angst) der Armseligkeit führt: in ein „nur so und nicht anders“ – in die Kälte der Eindimensionalität. Der Versucher führt mich in die Überzeugtheit der Kosten-Nutzen-Rechnung und hindert die Beziehung zum Unbekannten (Nicht Wissbaren).

 

Entgegen der univoken Welt der Eindimensionalität ist doch das Leben viel, viel reicher. Diese nur univoke Welt will ich dem Versucher nicht überlassen. Der Versucher gönnt uns nicht diese besondere Beziehung zu unserem Schöpfer, gönnt nicht diese absolute Geborgenheit. Gelänge diese besondere Intimität zu unserem Schöpfer, dann hebte sich das Reich der Einseitigkeit, das so wichtigtuerische Reich der Horizontalität auf. Der Versucher lebt gerade vom Neid auf die Anderen, vom Pech der Anderen, vom Unglück der Anderen: ich würde hier sagen, der Versucher lebt von Definitionen, er lebt vom zu Ende kommen: er lebt von der Fantasielosigkeit der univoken Logik. Es ist sehr, sehr wichtig eben vom Leben „ALLES“ zu fordern, wirklich nach den Sternen, nach Gott zu greifen: aber immer im ganzen Umfang der Beziehung zu Gott. Man erlebt dann die Gesellschaft der Heiligen, derjenigen, die schon von Ewigkeit her wissen: wunderbar! Ich überlasse dem Bösen diese herrliche Welt Gottes nicht: ziehe mich nicht protestierend oder nörgelnd oder beleidigt zurück.

 

Der Schöpfer hat mir seine Welt geschenkt: daher erobere ich sein Geschenk an mich, nehme sie dem kalten Bösen weg: unter der Führung unseres Herrn – und so genieße ich unter seiner Führung das Land, die Welt, die mir zu eigen gegeben ist: sein Weinberg gehört mir – seine Gabe: der Wein, das Brot, die Kirschen, diese Menschen und Begebenheiten: die Gaben der Schöpfung, herrlich, die Eindrücke usf. – sie sind mir zu eigen gegeben, eine herrliche Freude!

 

Voller Geschmack, voller Genuss, voller Freude in Gott ist die Gabe, die er schenkt. Der Böse mag es, wenn wir uns in Angst vor der Sünde verstecken, zurückziehen vor der Herrlichkeit dieser Gabe der Welt in Gott. Der Böse lacht immer über die Angst in uns, über das Fürchten in uns, denn es engt uns ein, zieht uns zusammen: sein Land der berechneten Planung (das ist die Kehrseite der Angst) ist dann gesichert. Gott einbeziehen in mein Leben, mit ihm leben bedeutet eben nicht: die Welt verneinen, auf die Welt verzichten, bei jedem Schritt in dieser Welt Angst zu haben, etwas falsch zu machen (Hiob). Wer aber Gott auf seiner Seite weiß (in einem über-natürlichem Wissen), dann erst weiß man wahrhaft die Welt zu erobern. „Diese“ Eroberung entspricht im Wesen der Demut, der Ehrfurcht in allen Dingen. Sünde ist: Trennung von Gott, ich lebe so, als ob es Gott und seine Schöpfung nicht gäbe. Die Intimität zu Gott kann nur frei aus Liebe, „umsonst“ sein. Und wenn Tod und Sterben schon so mächtig sind in unserem Dasein, wie ein unumstößliches Naturgesetz daherkommt (man ist machtlos) – wie viel mächtiger als dieser Tod ist dann jener „große Sinn“, der diesem Naturgesetz „kündigt“: nein, du hast keine Macht über mich – denn mein Seyn ist von Ewigkeit her! Wenn der Tod schon so stark ist: weil er „sicher“ kommt – wie ein Naturgesetz, wie viel stärker ist das Wagnis der „umsonstigen Liebe“: sie sagt „trotzdem JA“!

 

Die Schöpfung ist dazu da, dass wir uns grenzenlos an ihr erfreuen „mit unserem Schöpfer“! Sünde könnte auch das sein: dass man die ganze Fülle der Schöpfung in Gott nicht verherrlicht, das Danken und Genießen in Gott vergisst, dass man sich unwürdig findet, die gesamte geschenkte Schöpfung als Gabe nicht genießt. Das ist auch die Sünde. Gott selbst, der Schöpfer, schenkt sich selbst hin in seiner Schöpfung, heißt: die absolute Liebe „hier“ herrscht! Was kann dann noch passieren, wovor also Furcht?

Dieses Land der Liebe Gottes, die Schöpfung, nicht zu erobern in der Freude und im Genießen seiner Gabe, das ist Sünde. Es ist Sünde, wenn man nicht wagt, das Land Gottes in dieser "Weite" (aus der Enge/Angst in die Weite) zu erobern. Die Verführung der Sünde will uns von dieser Verherrlichung abhalten, klein machen, verängstigt machen: nur ja nichts falsch machen! Aber es geht nicht mehr um das „Machen“, sondern um das „Frei sein zur Intimität“, das gelassen sein, das dankbar sein: um das Ruhen im: dass es „schon gut gemacht ist“!

 

Der Schöpfer „fordert“ niemals: er flüstert uns stets zu: lass alles sein und leg´ dich zur Ruh`- ich sorge für dich! Es ist das der „Geist der Kindschaft“ – der Psalm 131: Ich ließ meine Seele ruhig werden und still;

wir sollten un-bedingt (umsonst) den Durchbruch „wagen“ – trotzdem: wir sollten es wirklich wagen zu leben, wahr zu leben: trotz aller Versuchungen zur Sünde! Das Leben in Gott „wagen“, dieses Abenteuer akzeptieren: sich angenommen wissen und „Ja“ sagen. Alles andere tut der Erlöser – nicht wir müssen es tun, das ist die tiefste Nachricht. Im schlimmsten Sturm unseres Daseins schläft der Herr im „Heck“, also am Grunde unserers Seins „wacht“ er über uns, einerlei wie und was wir tun, ob wir Gute oder Böse sind: ER wacht! Am Ende im Anfang: Mit Maria Magdalena folgen wir dem Herrn, unseren Erlöser, er ist „da“ – gegenwärtig – so wollen wir wagen und das Leben „jetzt“ betreten, gerade da, wo die Welt in  uns wächst und uns entgegenwächst, wo die Welt für uns zu-bereitet ist: diese unsere Welt mag  es sehr gerne, wenn sie zur Freude Gottes "gegessen" wird.

 

Es ist der sehr gescheite Kalkulierer in uns, der den „Kopf-schüttelt“ (die Abwehr), hier am Ende ist das auch sehr heilsam, denn aus dem Senfkorn wird doch auch Gewaltiges, oder?

 

Béla Weissmahr SJ, schrieb das Buch: "Die Wirklichkeit des Geistes". Ich war damals mit Hegel intim: kurz vor seinem Sterben bemerkte Hegel: man könne alles, was er geschrieben hätte, gänzlich vergessen: er meinte: was von ihm persönlich sei, das könne man vergessen!

 

Die  Begegnung mit Weissmahr war für mich, denke ich jetzt zurück, die Wende! So fügt es ich im "Gottes großem Brückenbau" (Rilke).

 

Weissmahr zeigte mir den Stolz meiner eigenen Überheblichkeit, mein maßloses Zufrieden-sein am Stammtisch meiner Eitelkeiten.

 

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XII)

 

Λήθη VII

 

Immerwährende Gegenwart

 

„Heilige Maria – Mutter Gottes“ ist dieser Zyklus überschrieben. Wenn man das so liest, dann  - wenn man es nicht ganz vergessen hat – wird fast automatisch weiter-gedacht (gebetet): …bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes  - Amen! Vielleicht bemerkt dann einer noch: ah, ja, das ist der „Rosenkranz“. So ertappt man sich dabei und vielleicht „errötet“ man auch, wenn man sich dabei so auf frischer Tat ertappt, fühlt bei sich: peinlich war ich jetzt! Rosenkranz beten – das ist doch peinlich, oder?

 

Die Gnade (man könnte sie übersetzen mit Erlösung oder Intimität) herrscht „trotzdem“ (meinem Stolz zum Trotz, meiner Peinlichkeit zum Trotz) in aller Zeitlichkeit, sie ist anwesend als immerwährende Gegenwart im Fließen der Zeit. Und die Gnade wartet, sie wartet auf die Sehn-Sucht meines stolzen Herzens. Sehn-Sucht, das ist auch eine „Sucht“ und unter Sucht versteht man zunächst immer etwas Negatives. Und das „Sehnen“ – es ist das Verlangen, das will ich, hinter dem Sehnen steht immer mein Wille. Sehn-Sucht könnte auch besagen: ich will das Suchen, die Sucht, ich gebe mich nicht mit dem zufrieden, was mir der Augenschein anbietet, nein, in mir ist ein Drang nach Suche, nach Mehr, sodass ich bemerke: ich suche mehr im Sinne der Innerung, der Er-Innerung. Sehnen ist immer ein Wollen, der Wille ist im Wesen ein Drang, ein Drängen: dorthin soll es mich bringen! Sehn-Sucht ist die Sucht meines Willens nach dem Inneren, nach der Er-Innerung: nach dem Wesen, eidos, ousía.

 

Es ist etwas ganz Wunderbares um das „Wort“, um den lógos: denn der lógos zeigt und spricht, er weist den Weg und schenkt Wegmarken. Erstaunlich, müsste man bemerken: ich erlebe mich geführt durch den lógos.

 

Im Johannes-Prolog heißt es: Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος: man übersetzt: im Anfang war das Wort. Aber das ist für uns, die ja immer sofort alles schon verstanden haben, ein Verrat, ein Verkauf, eine Veräußerung. Das immer-schon-verstanden haben ist ein Verrat am Wort, am lógos, es bleibt dabei jedes Wort bloß im Äußerlichen, am Rande, ich erlaube dem Wort nicht, sich mir zu „schenken“, zu geben, zu öffnen, ich verweigere die Hingabe des Wortes (lógos) an mein Herz. Das ist Verrat des Wortes, Verkauf, Veräußerung: Judas in mir! Mein Ich erlaubt es nicht, dass mein Schöpfer mich an-spricht: ich verweigere dir, mein Schöpfer, diese Ansprache: DU – DU bist mein geliebtes Kind von Ewigkeit her - das verweigere ich, mein stolzes ICH!

 

λόγος: das Griechische eröffnet immer einen Horizont, ein Mehr im Sinne der Vielfalt. Hegel nannte das „speculativ“ denken. Darunter kann man sich vorstellen: alles wäre „wahrer“ – nur nicht das Univoke, das Eindeutige, die Tod bringende Definition, das schnelle Urteil. Wahrer wäre die Vielfalt, der Traum, die Fantasie, das Durchbrechen in das schon immer gesegnete So-Sein! Der Aufbruch in die fantastische Wahrheit in Gott: das heißt es, speculativ denken, seyn! Der eingetrocknete (tote) Realist entgegnet freilich: Du bist ein Träumer, Rosenkranzbeter usf. Wir kennen diese Stimmen in uns sehr, sehr gut!

 

Von der Sehn-Sucht war die Rede, sie ist der „Wille zum Such(t)-en (Such-t)“: ich gebe mich nicht zufrieden mit den Feuerwerken der Horizontalität (Zeitlichkeit), es reicht mir nicht aus, es genügt mir nicht der Rausch der Weltlichkeit, das alles füllt mich nicht aus, es be-friedet mich nicht: bringt mir nicht den Frieden und „Friede“ bedeutet eigentlich: Ort der gesegneten Freude! (Friede = Freude). Wenn ich im Frieden (Freude) bin, dann bin ich in der grenzenlosen Freude! Das muss man einmal bedenken: der Friedhof ist bei uns immer ein Ort der grenzenlosen Trauer – aber das stimmt nicht, das ist eine Lüge, ganz verkehrt: der „Hof des Friedens“ (der Fried-Hof), er ist ein Ort der maßlosen Freude, der tiefen Freude: denn die Seelen sind jetzt zuhause, sie wesen an in Ewigkeit, sie freuen sich endlich ganz zuhause zu sein.

 

Die Gnade, die Erlösung: sie wartet auf die „Sucht“ in mir! Habe ich in mir „diese“ Sucht, ja, das ist die Frage, bin ich endlich ein „Süchtiger“, ein „Abhängiger“, kann ich nicht mehr lassen von dieser Sucht nach Ewigkeit?

Der Schöpfer, er wartet darauf, dass wir „süchtig“ sind nach ihm, die „Suchenden“ seien. Wenn wir nicht mehr „suchen“ (süchtig sind), dann sind wir tot, längst bevor wir da und dort „verenden“. Ver-enden: dieses Wort ist sehr traurig: es besagt, dass das Enden im Verenden ausläuft ohne Aufenthalt, also ohne Besinnung, ohne Sucht, ohne Umkehr, ohne metanoia, ohne Schuldbekenntnis, ohne Reue.

 

Man kann es nicht oft genug betrachten: ER, der alles in seinen Händen hält und birgt, er wartet auf uns, auf unsere „Sucht“ zur Umkehr. Er, der alles in seinen Händen hält: er wartet auf den Fantasten in uns, gerade auf die Fantasie in uns, auf das Fantastische: und ich möchte jetzt ganz ausdrücklich „Fantasie“ mit „absoluter Intimität“ übersetzten. Fantasie = Intimität: diese Gleichung einfach einmal zu-lassen, einfach einmal so stehen lassen: diese Gleichung „lassen“. Das „Lassen“ birgt in sich das Zu-lassen, wer los-lässt, der lässt zu. Bergen, darin hört man doch „Ge-birge“ und das Gebirge, das „ruht“ doch in Herrlichkeit, das spürt man doch, wenn man das Gebirge „schaut“ – jeder weiß das! Das Gebirge „schauen“: man fühlt tief in sich: alles ist gut, alles ist o.k., alles ist doch schon ge-heilt!

 

Im Betrachten der Gebirge zeigt sich uns das Ewige, das ruhende Heil!

 

Es ist etwas grenzenloses Heiliges um das Wort, um den lógos. Wenn es möglich wäre, müsste man den Heiligen Johannes immerzu (allgegenwärtig) betrachten. Wir sind sehr beschenkt und zwar im Vollmaß: das „Wort“ ist uns geschenkt und darin, im Wort, darin liegen Anfang und Ende, das Gesamt, die Vollendung herrscht da, das Wort ist das Paradies auf Erden. Denn der lógos ist uns über-liefert, er hat sich entäußert und hin-gegeben, verloren hat er sich in unsere Zeitlichkeiten. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott“ ( Joh 1). Mehr muss man gar nicht mehr wissen, denn hier leuchtet die Vollendung: das Wort „ist“ Gott. Man merkt schon, wie es sich sträubt in einem: Wörter, na gut, Wörter die kommen doch wie Armeen, wir verkaufen und veräußern sie rund um die Uhr ganz und gänzlich „besinnungs-los“, wie die Besoffenen, die eben auch nicht mehr wissen, was sie tun.

 

„Und das Wort ist Fleisch geworden“: der lógos strömt in jeder Faser der Schöpfung, in allen Dingen weht die Lebendigkeit der Ewigkeit. Nichts, kann man sagen, ist mehr verloren, alles aber gesammelt (légein), geborgen in diesem lógos. Die Hartnäckigkeit, dieses Sträuben in uns, damit etwas anfangen zu können, das ist noch immer die Verweigerung in uns, dieses tiefe Fühlen des Misstrauens; aber es hat auch hier das Gute, dass dies Bemerken schon „Wende“ anzeigt. Längst nämlich fängt der lógos mit uns etwas an, für die „Armen im Geiste“ (Meister Eckhart, Armutspredigt: sehr zu empfehlen), für die Armen, die Intimen, die bekennen: ich kann wirklich nichts mehr anfangen mit dieser Rede, denn alles fängt mit mir der lógos an. Wir sind sehr gut gestellt, denn der lógos ist uns überliefert: im Wort: der Heiligen Schrift.

 

„Wege ins Wort“: die Sprache spricht „heute“ nicht mehr, in mir spricht sie nicht mehr: wir lernen Wörter, aber es sind tote Hülsen, zum Verkauf, zur Veräußerung, zur Prostitution angeboten. Man könnte z.B. einmal das Wort selbst „bitten“, dass es mich zulässt in sein Innerstes. Das Wort ist doch das Lebendigste was es gibt, hier waltet das Wesen des Lebens. Über-setzen: was heißt übersetzen? Über-setzen heißt: dem lógos im Wort folgen, die Stimme darin vernehmen und sich einfach (also nicht verkompliziert) leiten lassen.

 

„Heilige Maria“: das Heilige meint das Schönste, das Vollendete, Segen, Gnade, Fülle. Anna ist die Mutter der Maria. Es wird so berichtet, dass Anna die Mutter Mariens ist: die Evangelien berichten nichts darüber. „Nichts“ darüber berichten: es meint die Einladung zum „Hinzutreten“, es wagen, das Wagnis beginnen: dem Herrn (auf Nichts hinzu) zu „antworten“. Und diese Antwort sagt: Ich werde keinen Rausch dieser Welt benötigen, Herr, mein Gott, Du allein genügst!

 

Gott allein genügt! Was bedeutet das? Es zeigt: es wird keinerlei Rausch dieser Welt benötigt zur Fülle des Lebens: das ist es, „nüchtern“ zu sein. „Be-Geisterung“ kommt nicht mehr vom Horizontalen her: sondern aus der „schweigenden Stille in Gott“. Dennoch handeln, trotzdem handeln, eigentlich umsonst handeln: entgegen aller Widerfahrnisse, aller Widerlichkeiten in der Zeit: trotzdem „Ja“ sagen und diesen Weg gehen, Schritt für Schritt, im je geschickten Augenblick: das ist es, be-geistert zu sein. Maria, die ganz reine Jungfrau, sie wird einen Sohn gebären: das ist für den Aufgeklärten lächerlich, für die Heutigen ist das nicht einmal etwas Äußerliches mehr: denn Äußerliches nimmt man doch ja noch zur Kenntnis, so ganz schnell. Dass eine Jungfrau gebiert, das nimmt man nicht einmal mehr zu Kenntnis, man verabscheut das!

 

Maria ist Mirjam: Bitterkeit, Empörung, Widerspenstigkeit. Die Mutter Mariens ist die Stimme der „Gnade, des Erbarmens“: die Heilige Anna rät Gott zur Gnade und der Schöpfer willigt ein und Maria, Mirjam, sie wird das Bittere „tragen – ertragen“, umsonst, für Nichts, um der Liebe Willen. Die Mutter Mariens besagt: Barmherzigkeit und daraufhin willigt der Schöpfer ein, er stimmt zu. Es herrscht also absolute Barmherzigkeit, miseri-cor-dare! Der Schöpfer schenkt sein Herz „umsonst“ der Gebrochenheit: das heißt misericordia, Barmherzigkeit! Es herrschen daher allerzeit und in allen Zeiten Gnade und Barmherzigkeit: in allen Kriegen und Niederlagen dieser Zeitlichkeiten!

 

Das Wunder hier ist: das Bereit-sein im Vertrauen auf IHN, den Geliebten, auf seine Überraschung als Geschenk der Gnade, dies zu empfangen „umsonst“, keine Absichten mehr verfolgen, sondern frei sein davon, erlöst sein davon. Dieses „Umsonst“, davon war in den letzten Zyklen immer wieder die Rede, dieses Umsonstige kann der „Feind“ (der Böse) nicht fassen, er kann es eben nicht berechnen und kalkulieren und das ist ja sein Wesen: das Planen, Berechnen, do ut des, quid pro quo. Umsonst zu handeln entzieht sich seiner Berechnung, es passt sich hier nicht an, ist nicht greifbar für seine Absicht.

 

Ein anderes Wort für „umsonst“ ist die Liebe. Das Wesen der Liebe ist die Treue, die Zuverlässigkeit. Liebe ist viel mehr als Gefühl: Liebe heißt Standhaftigkeit in Treue, Zuverlässigkeit im Vertrauen, Intimität als Nähe – als „Bleiben“, dabei bleiben, nicht weglaufen, ausharren – treu sein. Liebe kann es nur in Freiheit geben, die Freiheit der Liebe verträgt keine Diktatur der Versklavung, das Gesetz des „um-zu“. Zw-ang (eng) ist gleichbedeutend mit Angst: man kann das eine für das andere setzen: alle Angst zwingt, jeder Zwang ängstigt sich. Wo immer das Zwänglerische auftritt, da herrscht die Enge der Angst. Im Hebräischen „zar“ liegt der Angst der Bedränger, der Widersacher, der Feind, das Bedrängt werden zugrunde. Überall, wo die Angst herrscht, da hat die Liebe keinen Platz. Wo der Maßstab herrscht, also die Berechnung, das Abwägen, die Kosten-Nutzen-Rechnung: da überall hat die Intimität keinen Platz. Ein anderes Wort für Liebe wäre „Intimität“, denn wenn man heute von Liebe spricht, dann schämen sich die meisten und halten es für Duselei der Gefühle.

 

Liebe, also Intimität, ist etwas Gewaltiges: Intimität ist imstande, die ehernen Gitterstäbe meiner Angst zu durchbrechen, heißt: den horizontalen Absolutismus in mir zurückzuweisen, zu bekennen: Angst, ich überlasse dir nicht diese Welt. Die Intimität der Liebe ist gewaltig: sie hebt Berge hinweg und lässt es zu, dass er ewige lógos sich ihr zeigen darf. Man muss sich das einmal vorstellen: der ewige lógos bettelt um Aufnahme bei mir, bei mir, der ich flüchte!

 

„Intimität“ spricht von Zärtlichkeit: mitten im „Krieg des Lebens“ spürt man: nichts ist bloßer Zufall, vielmehr ist alles, was geschieht: Zu-Fall, mir zugeeignet zur freien Freude und zur freien Antwort meiner Danksagung. Liebe verträgt nur diese Freiheit der Intimität, dieses „Wach-sein“: Herr, es ist dein Wort, Du selbst!

 

Die Intimität der Liebe könnte gar so verrückt sein, so irrsinnig, die Last der Gebrochenheit zu tragen, das Verletzte in unser aller Welt, die Gebrochenheit, die Krankheit unser aller Seelen: umsonst, für nichts! ER, der Messias, hat das getragen und absolut erlöst. Die Erlösung, könnte man sagen, ist ein ehernes Gesetz, unumstößlich wahr, unverrückbar, eingeschrieben in des Vaters Herzschlag. Erlösung „ist“ geschehen im Herrn: Tat der Ewigkeit – uns zum Heil!

 

Warum treten wir nicht hinzu, nehmen das ewige Heil nicht an, es verlangte nur unser kümmerliches: JA!

 

Die Erlösung liegt gerade im „Umsonst der Intimität“: denn hier wird alle Logik der Berechnung verlassen, durchbrochen. Hier steht man „nackt“ und wird doch mit Ewigkeit bekleidet. Das ist das Wagnis: in der ganzen eigenen Armut mit Ewigkeit bekleidet werden – je jeweilen – mit unserem Schöpfer: mit ihm zu gehen, es zu wagen, das eigene Leben und das Geschehnis der Zeitlichkeit als eingeschrieben in sein Herz.

 

Ein Winterabend

 

Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.

Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Golden blüht der Baum der Gnaden
Aus der Erde kühlem Saft.

Wanderer tritt still herein;
Schmerz versteinerte die Schwelle.
Da erglänzt in reiner Helle
Auf dem Tische Brot und Wein.

 

(Georg Trakl)

 

Vielleicht kennt „Mancher“ diese Dichtung von Georg Trakl. „Mancher“: der „Gast“ (Celan).

 

„Es kam mir Einsicht“, kam mir ein „Einfall“: könnten es Engel sein? Dann könnte mein „achter Tag“ besagen: Gottes Lenkung in jeder Sekunde ist fruchtbar geworden! Sollte es möglich sein, ohne zeitliche Krücken auszukommen, also ohne Überlegungen nachzudenken? Unüberlegtes Denken ist doch ein reines Wunder, man könnte es nur empfangen und danken – und dann geben, ebenso un-überlegt, nicht haften daran oder es einsperren, für spätere Jahre etwa.

 

Erst jenseits der Zeitlichkeit erreicht der Mensch sein ewiges Leben: nicht „nur“ nach dem Tode, sondern jedes Mal, wenn er gestorben ist. Wir sterben und auferstehen doch jedes Mal, wenn wir „neu“ werden. Die Stimmungen: Ungeduld des Herzens, der Versuchung erliegen, im „Zeitlichen“ das Wunder, das Ziel zu erreichen, dem Erscheinenden, dem Äußeren, dem Weiblichen zu erliegen. Wenn die Welt nicht mehr „sättigt“, dann erst hungert einem wahrhaft, hungert einer nach Gottes Wort. Welche Ziele habe ich eigentlich noch – was sättigt mich wirklich und wo bin ich noch verirrt?

 

Man kann sich immer entscheiden ins Äußerste hineinzugehen, sich im Äußersten verirren, im Außenschein des Zeitlichen, des Vergänglichen. Die Versuchung Jesu in der Wüste: ich denke oft darüber nach, der Herr „diskutiert“ nicht mit dem Versucher, es gibt in der „Wahrheit“ keine Diskussionen, keine Demokratie oder Beliebigkeit: die Versuchungen des Horizontalen dagegen sind Seifenblasen, schillernd jetzt und hier, aber alle vergehen. Der Herr der Welt ist der Herr der Zeitlichkeit, wer sich vor ihm niederwirft und ihn anbetet, der erhält doch, so scheint es wenigstens, das, was er sich so vom Horizontalen versprechen mag. Die bloße, nackte Zeitlichkeit, was ist sie schon ohne Ewigkeit in Gott? Erlösung besagt: der Gesetzmäßigkeit des Horizontalen zwar unterworfen sein, ihr aber nicht erliegen, sie zurückbinden an den Vater.  

 

Wer sich im Äußersten verrannt hat, der ist er-blindet. Und das Taub sein – im sich Betäuben? Stumm: was heißt stumm sein? Der Stumme hat zum Leben in der Welt keine wahre Beziehung: er ist eine Monade, die immerzu mit anderen kollidiert. Gerade die Vielschwätzer sind wesentlich „stumm“: in ihrem Gerede können sie nichts sagen. Der Blinden und Taubstummen sind heutzutage unübersehbar viele und so bin ich selbst oft und oft auch.

 

Und die Gelähmten? Der Gelähmte ist oft an „seine eigenen Eigenschaften und Gewohnheiten“ gefesselt: das Procrustes Bett. Die Eigenschaften sollten nicht mich tragen, sondern ich sollte sie aufnehmen und tragen. Krankheit ist ein Zeigen im Geäußerten, das Böse zeigt sich im Äußeren, die Krankheit der Seele bricht durch. Die Krankheit der Seele ist schwer, schwierig: er-schwer-end. „Schwär“ nannte man im mittelhochdeutschen das Geschwür, die Krankheit, das Geschwulst, den Aussatz.

 

Wenn eine Seele „alles“ als sehr schwierig und schwer empfindet, also immerzu „jammert“, dann ist sie sehr „schwer“ erkrankt, alles ist niederdrückend, gedämpft, depressiv. Man kann also sagen, dass „jede Krankheit“ sehr ansteckend ist, allein wenn ich schon über Krankheiten nur spreche „stecke“ ich andere an in das Leid miteinzustimmen, von meinem Leid dann zu erzählen usf., die Jammerei ergänzt sich und schaukelt sich auf. Das Wort „Ansteckung“ könnte man besser übersetzen mit: Suggestion.

 

„Gesund“ dagegen ist jene Seele, die „schöpft“, die „nimmt“, die einfach „trinkt“ – weil Seyn und Erlösung ja schon herrschen. Der „Erkrankte“ geht immer einen sonderlichen Weg, er ist ein „Sonderling“, ein Privatmann und im Griechischen ist es gerade der „Idiot“, der idiotés, der eine „Sonderrolle“ spielen will: die Allgemeinheit ist mir zu banal – ich möchte die Hauptrolle haben! Jeder von uns will doch eine Hauptrolle spielen – zumindest träumt man davon, berühmt, anerkannt, gelobt und hier verherrlicht zu werden: die ganze äußere Welt träumt davon. Die Aussätzigen, das sind doch wir selber, die wir Ruhm und Ehre und Applaus suchen, anerkannt sein wollen.

 

Da muss man sich fragen: was heißt eigentlich „Unternehmung“? Gibt es solches, dass man nichts mehr unternimmt, weil alles schon im Wesen da ist – dass alles wesentlich erfüllt, gesegnet, dass nichts mehr unternommen werden muss, damit Erlösung sein könnte. Die ganzen Unternehmungen und Pläne des Menschen könnten jetzt zur Ruhe kommen, gesegnet sein, wie der Heilige Sonntag. Am Heiligen Sonntag soll eben „Nichts“ mehr unternommen, geplant, kalkuliert oder gleistet werden. Der Macher-Mensch hat am Heiligen Tag keinen Ort seiner Leistungen mehr, das wird ihm von Gott her verweigert, er kann hier nicht zu Tische sitzen, das ist von Ewigkeit her ausgeschlossen. Der Superintelligenz, dem künstlichen Gehirn, sind also absolut von Gott her Grenzen gesetzt. Die Wut wird sich zwar noch steigern deshalb, weil der Dämon im Wesen kein Anrecht hat. Immer dann, wenn der Wille im bloß Horizontalen Absolutheit anstrebt, Losgelöstheit von Gott, dann sind die Geister der Dämonie am Werk. Dämonen sind daher immer auf dem Weg zur Allmacht: nur so und nur so soll es gehen, sie sind in ihrem Wesen „univoke“ Geister mit einer sehr geschliffenen, kalkulierten Logik: und alles nur im Zeitlichen, im Begrenzten, im „Windhauch“. Der Lügner von Anbeginn verspricht im „Windhauch“ (der Vergänglichkeit, Zeitlichkeit) Absolutheit, Wahrheit, Allmacht, Lust ohne Ende: er verspricht Un-Endlichkeit (immer weiter so und ohne Ende) in der Vergänglichgkeit.

 

Der Schöpfer selbst hat „sie begrenzt“, die Dämonie, und immer dann, wenn eine Seele das Maß der Sünde übersteigt, setzt Gott Grenzen: offenbart ER sich als der Erlöser. Das kann man bei sich einmal bedenken!

Ohne Ursache, umsonst, vergeblich: das ist im Hebräischen: Anmut, Gunst, Gnade. δῶρον (umsonst)  im Griechischen bedeutet es: Gabe, Geschenk – ohne Ursache, umsonst.

 

Man sagt noch bei uns manchmal in einer Redensart, wenn man es sehr gut meint: „Keine Ursache!“ Also man tut etwas für jemanden und der bedankt sich dann und man antwortet: Keine Ursache! Das ist eine unglaubliche Liebes-Bezeugung, wenn man das ernst meint: keine Ursache, das heißt: umsonst gebe ich dir das, keinerlei Gegengabe notwendig, es ist unerfindlich, dass ich so tue, reines Geschenk, weggegeben zur „reinen Freude“ – nimm es und freue dich umsosnt!

 

Das Wort „gratis“ kommt vom Lateinischen „gratia“: es ist umsonst zu haben, das kostet nichts, man kann auch sagen: es kostet dich nichts, dein Heil, bloß dein armseliges JA. Im Lateinischen Ave Maria, gratia plena, dominus tecum: da ist von diesem Umsonst die Rede. Maria ist „voll“ dieser Gnade des Umsonst, besser übersetzt: sie ist voll „Absichtslosigkeit, ganz ohne Egoismus“ – „so“ arm ist sie, daher die „Magd des Herrn“, ihm vertrauend vollends ausgeliefert und ergeben. Die Sklavin des Herrn ist dichteste Intimität: Echo der Liebe!

 

Maria, die reine Jungfrau, sie kann aus sich der Lust in sich, also dem Egoismus, nicht nachgeben: Lust ist immer egoistisch bedingt. Etwas hier sehr, sehr wünschen, begehren, sich danach sehnen, den Kopf verlieren danach, das meint: ἐπιθυμία. Der Heilige Paulus spricht davon im Brief an die Epheser 4,22, der Egoist wird immer „verdorben“ durch diese Be-Gierde. Ferdinand Ulrich hat in seiner spätesten Schrift „Virginitas foecunda“ auf den „sterilen“ Heiligen Joseph, den wir heute feiern, hingewiesen: „Steril“ sein bedeutet hier: nicht mehr anfällig sein auf die Augen-Lust, auf die Gier nach Zeitlichkeit und Weltlichkeit und das ist der tiefe Sinne von „Keuschheit“, auch der vom „Zölibat“.

 

Immer dann, wenn diese „Lust“ hervordrängt (man spürt diesen Drang, der ja ein Zwang ist), dann sind die Dämonen am Werk. Und jeder Dr-ang und Zw-ang (ang – eng) verlangt in sich nach „Perfektion“: nur so und nur so und nicht anders! (univok eben) Perfektion ist nichts anderes als die Angst der Mathematik, die Angst der Rechnerei. Es gab einmal eine Strömung der Philosophie, der der junge Wittgenstein, der als Volksschullehrer in Trattenbach (mein Nachbarort) unterrichtet hat, auch angehört hat: es waren die zwanziger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts, da war man wirklich der Überzeugung, jedes Problem „ausrechnen“, also auf die „Formel“ bringen zu können. Man sagte dann überzeugt: „rechnen – berechnen wir“! Man kann auch sagen: es ist die Angst in uns selbst, die immerzu rechnet und berechnet und es endlich wissen will. Besessenheit ist daher im Grunde nichts anderes als Perfektion in Vollendung (horizontaler, zeitlicher Absolutismus).

 

Man muss daher gar nicht so den Kopf schütteln über die Sonnen-Könige, die absoluten Herrscher im damaligen Frankreich: in uns selbst regieren diese Sonnenkönige immer dann, wenn die „Lust“ in uns nach Absolutheit, nach Losgelöstheit strebt und sich dabei die Seele verliert.

 

Die gute Nachricht: niemals erreicht die „Lust“ (die Losgelöstheit von Gott oder die Dämonie, der Antichrist) ihr Ziel – der Lust ist von Gott her eine „heilige Grenze“ gezogen. Ferdinand Ulrich hat darauf Bezug genommen: die bloße nackte Zeitlichkeit kann sich bloß potenzieren, aber nie „durchbrechen“. Aus der 6 kann man bestenfalls 66 oder 666 „machen“ – die Zahl 666 ist gleichbedeutend mit dem „endlichen Absolutismus in uns“.

 

Der Besessene „ist“ schon ein Toter längst bevor er verendet und darüber sollte man einmal still werden.

 

Jede Besessenheit kann im Wesen aber „geheilt“ werden: und zwar ist es die oben genannte „Sehn-Sucht“ (nach dem verborgenen Gott), die Sehnsucht nach Umkehr: das bemerken bei sich: es stimmt hier bei mir hinten und vorne nicht: ich bin „erlösungsbedürftig“ – aus mir kann ich das nicht, ich „bedarf des Erlösers“!

 

Dieses tiefe Empfinden nach Erlösungsbedürftigkeit „ist“ schon Begegnung mit dem Heiligen Geist, mit dem Herrn, dem Erlöser.

 

Noch ein Gedanke: wir Menschen, alle, ohne Ausnahme, wir sind alle „Anbeter“, wir beten immerzu an, ohne Unterlass, es ist in unsere Seelen dieses Heil der Anbetung gelegt, von Anbeginn an: die einen beten eben die Zeitlichkeit an, den Materialismus, oft nur die Vergänglichkeit, die anderen die Ewigkeit, Gott, die einen beten ihr Motorrad an, die anderen eine Sacher-Torte, die einen beten Sport an, die anderen Alkohol, die einen beten Ruhm und Ansehen an, die anderen Armut und Stille: das Anbeten „liegt“ in unser aller Seelen.

 

Das ist doch das Erstaunliche und doch ein absolutes, gravierendes Zeichen dafür, dass wir allesamt „leidenschaftlich“ sind, hingabefähig, dass wir Erlösung „wollen“, das „Gute“ erstreben: oft sehr verhindert und behindert: aber dennoch: das wahre Sehnen liegt in unseren Seelen. Es lässt sich nicht „verhindern“, auch nicht durch den „Hinderer“, der der Satan genannt wird.

 

Und das ist doch die „Frohe Botschaft“, das ist doch die Überzeugung: dass die Rettung, dass Heil herrscht – weil in unser aller Seelen die Sucht nach Heil da ist, oft sehr verhindert, oft sehr verkehrt: aber doch da – in mir, in dir, in uns allen!

 

Und Georg Trakl, „Ein Winterabend“? – davon soll im nächsten Zyklus ein wenig die Rede sein.

 

 

(Weiterführung)

 

 

 


 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XIII)

 

Λήθη VIII

 

Im Zeichen des Lammes

 

 

Sünde: dem Äußeren verfallen sein meint: das Vollendete wäre im Zeitlichen erreichbar. Dagegen: wer sucht (die Sucht), der findet immer:  und sein Be-finden ist dann glücklich. In uns das Streben: Ewigkeit durch Zeitlichkeit zu ersetzen. „Wissen“, Definieren: das ist so eine Zwangsneurose, eine Lust, der man oft und oft erliegt. Oder das Urteilen: das Urteil erleichtert, beschwingt, man spürt: im Urteil ist wenigstens etwas Verschnaufpause in dieser Flucht. Im Wort „Fluch-t“ liegt doch schon der Fluch. Der Fluch ist jener, dass man meint, dass das Äußere etwas Wesentliches zu erzählen hätte, dass mein Urteil wesentlich wäre, am Ende Alles, diese nicht ausrottbare Eingebildetheit in meinen Eigendünkel.

 

„Zeitlichkeit“ frisst doch alles in sich hinein, verschlingt ohne Unterlass, ist wie ein „wildes Tier“. Wenn man einmal bedenkt: wie sehr sind wir den Zeitlichkeiten, was da so kommt und geht, unterworfen und „hörig“? Wie sehr „messen“ wir nur mit den Maßstäben unserer Vorstellungen, mit den Maßstäben Zeitlichkeit (Horizontalität), die doch allesamt nur Söhne und Töchter des Zeitlichen sind? Was Wunder, dass der „so“ ausgetrocknete Mensch nie Frucht sein kann, die er doch schon „ist“. Es müsste ein heilsamer Schlaf über ihn kommen, ein tiefes Empfinden „ohne Macht“ zu sein und zu existieren: Ohn-Macht wäre eben ein allererstes Heilmittel für die Seelenkrankheit alles selbst zu können, zu berechnen, zu planen und auszuführen!

 

Der Kampf ist jener, den die Zeitlichkeit (Vergänglichkeit) gegen die Ewigkeit führt. Zeitlichkeit ist ein „apokalyptisches Tier“, es deckt auf, macht offenbar, die Gegner zeigen sich in aller Offenbarkeit: man weiß jetzt, worum es geht in aller Entschiedenheit. καλύπτω heißt bedecken, verbergen – wieder die Verbergung! Wenn es aber offenbar wird, dann zeigt es sich massiv im Äußeren (im Augenschein) – das heißt: in jedem „Veräußerten“ verbirgt (Gebirg) sich auch etwas von Ewigkeit, das sich eben nicht „ver-äußert“. Zeitlichkeit (Vergänglichkeit, Äußerung) täuscht den Status „Unvergänglichkeit“ vor, das ist der Trug und die Lüge. Man kann das herrschende Ewige (Gott) nicht mit verfließenden, zeitlichen, horizontalen Maßstäben berechnen und das tun wir doch fortlaufend, flüchtend, ob bewusst oder unbewusst. „Jedes“ Urteil in Zeitlichkeit ist ja schon horizontaler Maßstab, zu Ende definiert, also „gekreuzigt“: ver-nichtet!

 

Es heißt: wenn die Zeitlichkeit „erlöst“ sein wird, dann wird die Braut Zeitlichkeit dem ewigen Bräutigam zugeführt sein. Und es heißt weiter: deshalb ist der „Tod“ hier im Wesen „gut“, weil er uns Menschen aus unseren Gefängnissen befreit.

 

Ich denke jetzt an das Wort „Schmerz“: den Schmerz lehnen wir ab, er soll nicht da sein, weil es eben „schmerzt“ mit dem Schmerz, es ist „bitter“, Schmerzen zu haben. Anna, so heißt es, sei die Mutter unserer Gottes-Mutter Maria. Anna wird im Hebräischen mit „Gnade“ übersetzt, in der Gnade liegt doch die Barmherzigkeit, das cor dare, das Herz schenken. Und die „einzige“ Tochter der Anna, Maria, sie ist bereit (fiat mihi), das „Bittere“, den „Schmerz“ zu tragen: umsonst, trotzdem, für Nichts. Maria, Mirjam, es besagt: das Bittere der Zeitlichkeit tragen: sie ist daher wirklich die „Schmerzens-Mutter“.

 

Und dieses „Bittere“, dieser un-ermessliche Schmerz im Leiden Jesu, da es ihm alles Blut kostet, aus den Adern presst, das ist, dass er sieht, dass die Welt, die Menschheit, wir jetzt, ich und du, dass wir ihn und seine Heilsbotschaft nicht „verstehen können“, weil wir dem Äußeren, dem Augenschein, der Augenlust, der Vergänglichkeit, der Zeitlichkeit so verfallen sind, dass wir überzeugt davon sind: dies wäre ALLES: das ALLES wäre nur hier, in der Vergänglichkeit zu finden und auch zu erreichen! Wir Spötter beim Kreuz, wir haben den „Deckel auf unserem Herzen“, in unserer Seins-Mitte. Mirjam, Maria, sie wird jenes Kind aus dem Heiligen Geist in diese verfluchte Welt bringen, das diesen „Schmerz“, diese „Bitternis“, tragen und erlösen wird. Es ist sehr wichtig: das Heil „herrscht“, ist da: einerlei wie es im Außen aussehen mag, ob alles dagegen spricht, ja, im äußersten Krieg der Zeitlichkeiten „herrscht“ die Erlösung, ist der Friede „da“ – denn der Erlöser hat alle Bitternis (Schmerz) „getragen“ und trägt sie immerzu: je jetzt. Der „Hinderer“ will uns von dieser Wahrheit fern-halten.

 

„Ferne und Nähe“: das ist sehr ernst und entscheidend: gerade wenn der nächst begegnende Augenschein widerspricht: „Nein“ sagt, wenn alles dagegen spricht, ja sogar den Tod „fordert“, gerade dann ist die „Erlösung“ absolut nahe, am Nächsten. Klar: das kann die nackte Vernunft nie begreifen, lehnt das auch ab, es gehört zum Schmerz Jesu am Kreuz, da er in „voller Wucht“ die Ablehnung des Heils „erlebt“ hat und immerzu „erlebt“, das ist nicht Vergangenheit. Wer immerzu nur im Gefängnis der Zeitlichkeit eingekerkert ist, der erlebt alles aus der „Ferne“, die ihn dann nichts mehr angeht. „Nähe“ besagt Intimität, ein „In die Nähe kommen“, ja, das ist der Sinn des Opfers: in die Nähe Gottes kommen, aus der Ferne, aus der Verlassenheit, aus der Flucht „umkehren“, heim-kehren, nach Hause kommen: intim sein!

 

Und jetzt versteht man doch auch die Gefahr der „Distanz“ (in Zeitlichkeiten) im nackten lógos, der alles von „Ferne“ nur betrachtet und dabei in sich  – ohne es zu sagen – bekennt: was geht mich das an? Pilatus ist ganz in dieser Art und Weise wenn er frägt: Was Wahrheit? Er ist vielleicht interessiert aus der Ferne, nur so, zu einer tiefsinnigen Rede – aber er bekennt zugleich: was gehst DU, Herr und Gott, mich eigentlich konkret an, ich verweigere dir, dass du mich im Herzen berührst, in meinem So-sein, hier und jetzt! Das ist der Pilatus nicht nur damals, sondern Pilatus ist lebendig jetzt, in mir, immer dann, wenn ich nur aus der Ferne „liebäugle“.

 

Und der Herr, er „antwortet“ nicht mehr in diesem „ewigen“ Augenblick, denn er weiß (wie in den Versuchungen in der Wüste): Diskussionen zum Zeitvertreib und zum Interesse, aus der Ferne, dazu ist es viel zu ernst: ich bin für dich da, Pilatus, dass deine Herzmitte sich mir öffnet, dass du die „Nähe“ suchen magst – doch du bleibst fern, wäscht dir die Hände und bekennst bei dir: was gehst du mich eigentlich an, über dich reden, „Ja“, das geht noch (Diskussionen), aber dass du mich an-gehst, mich er-öffnest, meine Herzmitte öffnest und berührst, mich veränderst: das will ich nicht, ich will der Pilatus bleiben der ich bin – das ist mein Wille, das ist mein Leben: Was gehst DU mich also an!

 

Pilatus lebt in „uns“, nicht nur damals, jetzt ist er da, er ist die Stimme in uns, die wir „fern“ bleiben wollen und aus dieser Ferne raunen: was gehst Du mich an, lebendiges Leben? Ich denke immer wieder an den Prolog des Johannes, da ist vom „Licht“ die Rede und dass die Finsternis es nicht „fassen“ könne. Und im „Licht“, da liegt doch das „Leichte“, man könnte Licht sogar mit Sorglosigkeit über-setzen, ganz sorglos (im gänzlichen Vertrauen, dass es schon gut gemacht ist) zu existieren, das wäre es „licht“ (leicht) zu existieren. Die Schwerkraft kann per definitionem das Licht-e nicht „fassen“, das geht nicht. Da, wo dann das „Ewige Licht“ leuchtet, da ist es ganz „leicht“, so „licht“, dass keine Zeitlichkeit es fassen könnte. „Leicht und licht“ werden wir nur, wenn wir uns hier in der Zeitlichkeit, im bloß horizontalen Absolutismus, als „Lüge“ empfinden. Verleugnung bedeutet dann: die zeitliche Eingefressenheit ist nicht „Alles“, die Erscheinungen, die kommen und gehen, sie haben in sich keine Absolutheit, keine ewige Dignität. „Wer sich verleugnet“, der blickt in die Ewigkeit, stellt das Zeitliche dem Ewigen gegenüber. Selbstverleugnung hat nichts Schweres oder Depressives an sich, sondern die „helle, die lichte“ Freude, die Leichtigkeit der Ewigkeit. Wer sich selbst verleugnet, der streicht bei sich seinen eigenen Absolutheitsanspruch durch und da gibt es ja schon viel in uns: alleine beim Urteil.

 

Das „Lichte“ (Leichte) liegt auch mitten im Wort: Ver-Herr-lich-ung! Die Seele, die den Herrn, die Schöpfung, verherrlicht, das ist jene, die „leicht und licht“ sein kann, die nichts Schweres mehr empfindet, obwohl ihr – zeitlich gesehen – viel Schweres zugemutet wird, die leichte lichte Seele kann nicht depressiv sein. So leicht und licht zu sein, das ist in sich schon Lob und Verherrlichung und man merkt schon hier, dass da von einer Eigenleistung nicht mehr die Rede sein kann, im Gegenteil. Der „Aufstieg zu Gott“ (Fulton Sheen) ist der Aufstieg in das Lichte und Leichte, in die Los-lösung. Am Ende unserer Tage werden wir so los-gelöst aufsteigen, das Ende unserer Tage kommt aber nicht zeitlich gesehen irgendwann daher, sondern aus der ewigen Perspektive gesehen „ist“ dies schon „ewiges Ereignis“: jetzt.

 

Und das „Kreuz“?

 

Es gibt eine sehr weit verbreitete geistige Verirrung, eine Form der Geistes-Erkrankung, die der Mensch als solche schwer erkennen kann weil sie ihm das Natürlichste geworden ist, und zwar seit Kindertagen an: es ist die Überzeugung, dass das hier Konkrete das einzig Reale wäre, das, was „Wirklichkeit“ ist, das erfahren wir doch durch die Konkretheiten des Lebens. Was nicht in dieses natürliche Konzept passt, das ist irreal, ungültig, bloße Fantasie und wird in das „persönliche Eck“ abgetan. Sehr schlimm ist dann, dass der nur horizontale Geist sich darüber gar keine Rechenschaft mehr gibt, sondern wir erleben Realität eben „so“, wir fragen nicht nach dem „Sinn von Sein“ (außer die paar Philosophen aus  Todtnauberg usf.).

 

Vielleicht bekommt man hier ein Ahnung vom Schmerz des Gekreuzigten, denn er sieht: sie alle haben einen „Deckel auf ihren Herzen“ – sie können in ihrer Verranntheit gar nicht „bemerken“, so sehr sind sie überzeugt von sich und vom horizontalen Absolutismus. Man ist so sehr mit bloßen Äußerlichkeiten, dem Augenschein  beschäftigt: blind, taub und stumm, „zu“ – dass Realität gerade im „Verborgenen“ (Mysterium) waltet und alles Zeitliche erst mit Sinn unterfängt, dafür fehlt der „Sinn“.

 

Sie – wir alle – wir wollen in unserer „Ruhe ungestört“ bleiben, in dieser Gewohnheit, in unseren Ablenkungen und Verirrungen. Es gibt kein Leben der Vorläufigkeit, des „als ob“, das ist eben die Lüge, dass die Uraufführung des Lebens irgendwann schon noch kommen werde, dann einmal, später einmal: jetzt können wir ja probieren, testen, verweigern, verschwinden, vertuschen usf. Ich komme jetzt auf einen Gedanken zu sprechen, der mir sehr, sehr wichtig erscheint: es ist etwas in uns, das uns „hindert“, das Seyn in Gott für ganz „voll“ zu nehmen, es nicht so ganz ernst zu nehmen, so, „als ob“ wir unendlich viele Gelegenheiten hätten, ausprobieren könnten, ja, die Zeit einfach so „vergeuden“ könnten – so als machte das nichts, man könnte „folgenlos“ unendlich probieren und basteln immerfort.

 

Ich denke da eine Begegnung mit Erzbischof Fulton Sheen, etwa um 2017. Diese Begegnung war sehr tiefgreifend und berührend für mich, denn in diesem tiefen Gespräch zeigt sich mir, welch unermesslicher Egoist ich eigentlich bin. Und er sagt da etwas sehr Erstaunliches: es fehlt uns der „Göttliche Humor“ – und der Sinn lag genau darin, alles das, was wir „hier auf Erden" so wichtig nehmen, das sollten wir doch niemals „so ernst“ nehmen, denn unser Zelt hier auf Erden wird bald zusammengefaltet und weg damit, dann offenbart sich die ganze Herrlichkeit. Am Ende brachte er diese sehr tiefe Dichtung: Der Spürhund Gottes – und da merkte ich, das bin ja ich, dieser Flüchtende, ich flüchte vor Gott mit tausenderlei Ausreden. Wir sollen die „Zeitlichkeit“ eben nicht so ernst nehmen, Göttlicher Humor eben.

 

Fulton Sheen hat die Erde, dieses Schwergewicht, glaube ich, 1979 verlassen. Und ich begegnete ihm 2017. Da wird man sagen: Du spinnst! Und da ist die andere Seite, der Hebräer in uns, der entgegnet: du solltest im Blick auf die Ewigkeit alles „sehr, sehr ernst“ nehmen und zwar in der Hinsicht, dass dir alle Augenblicke als güldenes Geschenk vom Schöpfer umsonst geschenkt werden und ich dürfte mich daran grenzenlos erfreuen. „Diese“ Ernsthaftigkeit meint eigentlich Intimität. „Gestorben“ ist Fulton Sheen 1979 für den Historiker in uns, die Wahrheit aber weiß es „un-historisch“ tiefer. Der univoke Geist in uns – der Hinderer, der Satan – er will freilich hindern, dass 1979 und 2017 „eine“ Wahrheit sind, er will immer nur das Eindeutige (univok) und immer nur das Zeitliche, Vergängliche. Der Satan meint es mit dem Vergänglichen, mit dem Lufthauch immer "bitterernst"! - das ist seine List!

 

Es dementgegen absolut „ernst“ meinen mit der Ewigkeit, das heißt eigentlich: es gibt diese „Spielchen“ des als-ob nicht, sie allesamt sind Lügen, Seifenblasen. Wir sind von der Ewigkeit in allen unseren Augenblicken des Existierens „angesprochen“, aufgefordert Antwort zu geben: das „ernst“ zu nehmen und zugleich aufgefordert, dem Vergänglichen keinen Absolutheitsstatus zuzumessen!

 

Bevor ich zur Dichtung: „Ein Winterabend“ von Georg Trakl etwas sagen möchte, noch ein Wort zum „Verrat“ – denn die Verräter, die sind wir doch selbst und immer dann, wenn wir das Wort, den lógos verkaufen, verschleudern wir in den Verrat, das ist das „Nicht-ernst-Nehmen“, dass der Schöpfer uns jederzeit erwartet und anspricht in seiner Schöpfung. Der Verräter ist in seinem Wesen der „Als-ob“ Mensch, der Distanzierte, der Abständige, der immerzu bekennt: es geht mich jetzt nichts an – später vielleicht einmal, man wird sehen!

 

Die größte Versuchung ist vielleicht die, dass der Mensch es „hier“ unternimmt, Vollkommenheit zu atmen (ohne seinen Schöpfer), dass er seine Herkunft verkauft, sein Erstgeburtsrecht – wie Esau, an Äußerlichkeiten und Vergänglichkeiten, dass er hier „vergisst“, woher er eigentlich stammt. Hier in meinen Plänen die Absolutheit des absoluten Glücks zu erreichen, das kennt doch jeder von uns – und das ist die Hybris.

Und in dieses distanzierte Geschehen stolpern wir doch immerzu: wir reden „über“ – distanzierter Bericht, wie wenn es uns jetzt und hier nicht beträfe. Ich frage mich manchmal, ob man das überhaupt aushalten kann, diese dichte Intimität zum Herrn, der mich immerzu an-spricht: dann sind wir doch lieber nur „Zuschauer“, distanzierte Beobachter, Berichterstatter.

 

Es ist ein „unheimliches“ Wort in Markus 1, 24. Der Dämon erkennt „auf der Stelle“ den Heiligen Gottes, da ist kein Zweifel – und dann das Wort: Was haben wir mit Dir zu schaffen!

 

Was gehst du uns an, lebendiger Gott? Das Wesen des Dämons ist es „sich nicht angehen lassen zu wollen“, immun zu sein, taubstumm und blind, lieber Zuschauer aus der Ferne sein, einen spannenden Kriminalroman über Jesus lesen und Kaffee trinken: aber, was geht mich das schon an? Wieder diese logifizierte „kälteste“ Frage des Pilatus in uns: Was Wahrheit?

 

Noch eines: der Herr steht vor Pilatus, eigentlich: Pilatus steht vor dem Herrn, so muss es heißen und er spürt, dieser Pilatus in uns, dass es um „Alles“ geht, es geht jetzt zum Sterben in uns allen! Es ist jetzt, da es in mir zum Sterben geht, wirklich ernst, ich merke an mir: alles Zeitliche hatte doch nie die Dignität, jetzt kommt etwas ganz Gewaltiges! Pilatus in uns begegnet dem lebendigen Gott und ER ist das „Lamm“ Gottes. Das Lamm „lässt mit sich geschehen was ihm geschieht“!

 

Das „Lamm“, was immer ihm geschieht, es existiert im schrecklichsten Geschehen der Zeitlichkeit absolut „ruhig und unbekümmert“. Es wird jetzt zur Schlachtbank geführt, vernichtet, dem grausamsten Tod überliefert: das Lamm aber bleibt dabei in absoluter Seelenruhe, weil es seinen Ursprung im Vater kennt!

 

Im „Zeichen des Lammes“, das hinwegnimmt die Sünde der Welt! – so beten wir. Pilatus ist ebenso ein „Versucher“, ein letzter Versucher in uns zur Rede, zur Diskussion, zum Distanzierten. Im Nicht-Antworten unseres Herrn liegt dagegen das dichteste Vertrauen, die stärkste Überzeugung: dass die Wahrheit in Gott allein genügt! Das ist intim seyn mit meinem Gott!

 

Das „Lamm Gottes“ nimmt die Gesetzlichkeit unserer Zeitlichkeit (unserer Widerfahrnisse) „hin“, ohne Protest, ohne Widerstand, ohne Gegenwehr, ohne Murren, ohne Auflehnung – ganz im Vertrauen, dass der Vater im Himmel es schon „gut“ meint. Sollte es möglich sein, hier mit-zu-gehen? Das „ist“ das Wunder: hier geschieht die „Liebe“ in der Welt unserer monströsen Gesetzlichkeiten und Abhängigkeiten, hier „passiert“ das freie Umsonst der Liebe, das „Ja umsonst“!

 

Wenn ich bete: Lamm Gottes… - hier waltet die Intimität in heiliger Dichtigkeit!

 

Vielleicht ist es an der Zeit, wenn man einmal bekennt: Ich bin „müde, Herr“ – ich habe dich geschaut, und nun komm´, Herr, denn du vermagst ja Alles!

 

Ein „blindes Vertrauen“ ist es, diese bedingungslose Liebe, Zeichen des Lammes, dann kann man sich dem Gesetz ruhig hingeben, also dem Lauf der Dinge wie sie kommen und gehen, sie also ohne Murren dankend aufnehmen. Der Auszug aus Ägypten, es ist unser eigener Auszug aus einer lebenslangen Gefangenschaft einer oft selbst fabrizierten Gesetzlichkeit in die Freiheit der Kinder Gottes. Das klingt sicher sentimental, aber das tut nichts, denn der Auszug ist gerade auch jener aus unseren Gefühlen und Sentimentalitäten.

 

Der nächste Zyklus – Fuge (Fügung) wäre besser genannt – „Im Zeichen des Lammes“ – und „Ein Winterabend“ (Georg Trakl). Ein Winterabend könnte uns doch heißen: k-ein Winterabend, eine Stille, ein Abend, der uns aus un-erfindlichen Gründen her an-spricht! Heißen: ich heiße dich willkommen! Heißen, das heißt eigentlich vom Herzen her wünschen oder gönnen: dann hieße es: ich wünsche Dir die Fülle und das Glück dieser Stille des hier nicht findbaren Glücks, diesen Winter-Abend, das Seyn im Zeichen des Lammes.

 

Trakl verdichtet im 2. Vers der 3. Strophe: Schmerz versteinerte die Schwelle.

 

Diesen Vers will ich betrachten, denn er erzählt vom Auszug aus Ägypten im Zeichen des Lammes. Wie wunderbar ist unsere Schöpfung im Wort, ich denke da an den „Hebräer-Brief“ – gebe es der Herr, dieses Heilige Wort tiefer zu verstehen. Wie reich sind wir eigentlich beschenkt, denn die ganze Schöpfung, die ganze Wirklichkeit in und um uns ist ja „im Wort“ und das Wort „ist“ Gott und alles ist geworden aus dem Wort Gottes (Johannes). Da muss man schon staunen, also sehr „nüchtern“ werden darüber welch ein Wunderwerk diese Schöpfung eigentlich ist. Der Auszug aus Ägypten wäre dann der Auszug aus dem Tod in das Leben.

 

„Ein Winterabend“: Im Winter wächst nichts mehr, die Triebe unserer Weltlichkeiten kommen zur Ruhe, steril im Sinne des Wachstums ist der Winter, wie der Heilige Josef „steril“ ist, nicht mehr anfällig auf Augenlust, nicht mehr gefräßig nach Sauerteig der Welt. Steril sein bedeutet nicht mehr anfällig sein auf das Quantitative, auf das immer mehr und mehr, wer im Wesen „steril“ ist, der bedankt sich für das ihm Zugeschickte, weil er weiß, dass darin alles gesegnet und vollendet ist. Sehr zu empfehlen: Virginitas foecunda (Ferdinand Ulrich) und seine Betrachtung über „Krippe und Kreuz“.

 

Auch am „Abend“ ruht doch die Welt, der Mensch begibt sich zur Ruhe (heute zwar nicht mehr). Winter und Abend kommen zusammen in Sterilität, in Unfruchtbarkeit. Der Winter – der Abend und das Lamm Gottes? Das Lamm erobert diese Welt des Quantitativen, es beherrscht (herrscht über) diese Welt des Aufruhrs und des Aufreizenden durch Hingabe und Sanftmut. Wenn ein Schwein geschlachtet wird, dann quietscht es und wird irre daran, das Lamm im Schlachthof der Welt blickt sanftmütig durch das hindurch, was ihm geschieht, es zuckt nicht, wehrt sich nicht, es steht „fest“ wie eine Burg, einerlei was ihm je jetzt geschehen mag. Auch das Lamm ist „steril“, unfruchtbar, es kann wesentlich nicht ausagieren und auszucken, wie wir das täten und tun, uns auflehnen und protestieren, anfällig sind auf dies und das, ganz aus dem Häuschen eben.

 

Im Winter konnte man früher nichts mehr „machen“, der Landmensch musste auf den Frühling warten, am Abend, da kann man doch auch nichts mehr „machen“, da begibt man sich doch zur Ruhe (zum Sterben) und das „Lamm Gottes“, es „macht“ doch in seiner Passion auch nichts, lässt alles geschehen wie es kommt, hält nicht dagegen, agiert nicht, „macht“ nicht. Der Winter, der Abend und das Lamm erteilen dem „Machertum“ eine wesentliche Absage.

 

Im letzten Vers der 3. Strophe dichtet Trakl: Auf dem Tische Brot und Wein. Sicher denkt man sofort an Eucharistie und damit ist es erledigt. Aber was sagen „Brot“, was „Wein“?

 

Die Wandlung in der Heiligen Eucharistie zeigt doch in dieses Mysterium und wie sehr können wir das nicht verstehen, stoßen da an absolute Grenzen. Wir sehen nur äußere Hülle, Brot und Wein und weiter nichts. Nur an das Irdische, Materielle und Zeitliche geklammert, kann man das nicht begreifen.

 

Es ist die Frage, inwiefern wir dazu neigen das Äußerliche (die Außenschale), die Welt eben „nur“ als äußerlich zu nehmen, damit abzufertigen, als „unwichtig“ zu nehmen, so als wäre es nur Äußerliches. Und das Heilige, es wird dann auch bloß „äußerlich“ genommen, richtig veräußert, wie Ware, die verkauft wird. Wenn die Wahrheit nur im Äußerlichen gesucht wird, dann ver-äußern wir sie, wir verkaufen sie, wir verraten sie. Wer das Heilige Wort nur äußerlich, so von der Ferne aufnimmt, der nimmt es im Grunde gar nicht auf: er verrät das Wort. Der Verrat zeigt sich gerade dann, wenn „diskutiert“ wird, in Frage gestellt wird: dann geht mich das Wort schon nichts mehr an, man will seine Wahrheit vernichten, kreuzigen. Wer also bei der Kreuzigung Jesu emotional zusammenzuckt: wie grausam, wie blutrünstig usf., alles hier in dunkelsten Farben eingehüllt, für den ist Jesus bloß ein Objekt aus der Ferne, auf das man halt mit Mitleid herabschauen kann – ganz aus sicherer Ferne und distanziert. Eigentlich bekennt man in dieser Art zu sehen: was gehst du mich eigentlich an, Jesus von Nazareth? Wir verkaufen uns selbst immerzu an die Welt der Zeitlichkeiten, an die Welt des äußeren Augenscheins.

 

Da muss man sich jetzt fragen: was bedeutet es, dass der Herr für „uns“, die Abtrünnigen, alle Krankheiten und Sünden trägt – für mich und für dich – was heißt das eigentlich?

 

Jesus, der Auferstandene, er erlebt „jedes“ Leid um uns zu zeigen: es gibt das ewige Leben, die Auferstehung! Das Leiden hier ist nicht etwas Absolutes, in unseren Zeitlichkeiten  hat es kein Ende! Nach aller Krankheit hier im Horizontalen, da kommt das ewige heile Leben! Wir sollen unbedingt vertrauen darauf, dass das so ist: egal wie grausam die Zeitlichkeit uns beschneiden wird! Das Sterben Jesu und die Auferstehung unseres Herrn, sie sind die Mitteilung an mich: es stimmt absolut, alles unerträgliche Leid hier – und das kommt ja bestimmt – ist am Ende (im Anfang) schon „gut“ gemacht. Die Passion Jesu ist im Wesen „Frohbotschaft“: es wird mit dir alles „gut“ sein, „erlöst“ sein, egal, wie schlimm du warst, wie sehr du verirrt warst, wie sehr du dich verrannt hast – ich habe dich schon eingefangen in mein ewiges Heil: kannst du das annehmen?

 

Das Leiden Jesu ist gerade „dieses Geschenk“ an mich. Kann ich das annehmen? Das ist die entscheidende Frage, hier entscheidet es sich: das heilige Los-lassen oder das gewalttätige Verweigern!

 

Am Ende unserer Tage ist das Grab „leer“. Der Fried-Hof ist „Ort der Freude“, nicht der Trauer (Fried- Friede – Freude) – man kann das auch übersetzen: alles ist jetzt gut gemacht, leicht und licht!

 

Die Emmaus-Jünger, wir, jetzt hier, die wir im Leben unterwegs sind in unseren Tod, in die Herrlichkeit, wir erkennen den Herrn am „Brot brechen“, er teilt das lebendige Brot aus, an uns, und zwar an jeden von uns wie uns „verlangt“ (Sehnsucht). Wir leben nicht vom Brot der Zeitlichkeit allein – wir leben vom „Wort“, vom lógos, von jedem Worte Gottes: das ist das ewige Brot. Was uns das Wort Gottes zur Nahrung umsonst schenkt, das „ist“ wahres Leben.

 

Noch etwas: Gedanken sind nicht nur „so“ Gedanken, Nebensächlichkeiten, mal so oder mal so! Ein tiefer Denker sagte einmal: Gedanken, das seien „Engel“ und Engel, die haben eben Flügel, sie steigen auf wie der Weihrauch und sie steigen herab in unsere „Gedanken“!

 

„Wie“ wir denken (und was wir denken), welche Gedanken wir wälzen, was in uns denkt, das ist etwas Großartiges, es sind „Engel“, Boten Gottes, Mit-teilungen Gottes: das Brot-brechen heißt: ich „teile“ Dir mit, ich „teile“ Dir aus, Ich, dein Gott, ich gebe mich Dir hin – so wertvoll bist DU für mich!

 

"Ein Winterabend" - darüber wollte ich doch jetzt ein wenig sprechen und es ist "anders" gekommen - dem Äußeren nach, dem ersten Anblick nach: ich "glaube", es hätte es besser nicht treffen können.

 

Am Ende, also wenn ich in meiner Sterbestunde "licht" werde, dann wird es mir kommen: Ich danke Dir, mein Herr und mein Gott, denn gesegnet hast DU alle meine Zeitlichkeit (nicht irgendeine), es ist alles gut, repariert, trotz meiner Verfehlungen und Irrungen: denn nur DU trugst mich darin jeder-Zeit in all meiner Verfehlung!

 

Am Ende des sechsten Tages der Schöpfung heißt es doch: Es war "sehr gut" - also ein Superlativ, der sechste Tag, es ist der Tag, in dem wir Menschen "sind", geboren sind und leben. Und dieser Tag ist nicht nur gut, sondern er ist "sehr gut" (denn an den anderen Tagen zuvor  war es "gut" - aber am sechsten Tag meines Lebens, da ist es "sehr gut"). Wir müssten darüber sehr still werden: "sehr gut" bedeutet: mache dir niemals wieder Sorgen in deiner Zeitlichkeit, in deinem irdischen Leben, denn ICH, dein Schöpfer, ich habe dich gesegnet mit aller Gutheit, die du dir gar nicht mehr vorstellen kannst. Wenn du dir nichts mehr vor-stellen musst, dich also verbarrikadieren musst, dann bist du befreit zu meiner Liebe! So spricht der Herr!

 

Mir scheint, dass der Hinderer uns gerade "diese Erlösung, diese Freiheit der Liebe" nicht gönnt (der Neid)!

 

Dieser Erlösung zu bedürfen ist die Armut und zulgeich Danksagung  meiner Intimität.

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XIV)

 

Λήθη IX

 

Nicht nur ist es gut – sondern „alles“ ist gut. Es war in meinem Leben schon immer „alles“ gut, auch wenn ich es ja so oft nicht einsehen konnte: dennoch stimmt es damit. Das „Brechen des Brotes“, daran erkennen wir: Mein Herr und mein Gott! In der Heiligen Eucharistie wird das Heilige Brot gebrochen, ausgeteilt, an mich, an dich – je nach meiner Sehnsucht und es ist dabei „sehr gut“, heil gemacht, repariert: wie am sechsten Tag der Schöpfung! Ich denke jetzt an das Gebet des Rosenkranzes: ich bete um Glauben, Hoffnung und Liebe – und diese 3 sind niemals beweisbar, erklärbar, es fehlen da alle Beweise aus der Gesetzlichkeit, also der Erfahrung im Zeitlichen.

 

Was heißt das? Die „Heiligen Worte in der Schrift“ sind niemals „sentimental“ zu verstehen, diese Worte sprechen nie zu meinen Gefühlen und wenn ich sie so verstehen sollte, dann bin ich noch Gefangener meiner Schwärmerei. Verfolgung, Tod, Verleumdung und Auferstehung: überall in der „Schrift“ ist da die Rede davon und wir sind ja dann oft zu Tränen gerührt, richtig sentimental, wenn man diese Geschichten erzählt bekommt, dann ist das etwas für meine Gefühle, Schwärmerei und man bemerkt nicht, dass das Sentimentale schon das weit Entfernte ist, der Seins-Modus „Vorhandenheit“, würde Heidegger sagen. Sentimentalität im Anblick des „Heiligen Wortes“ ist im Grunde Heuchelei und wer urteilt, das Beten des Rosenkranzes sei etwas für sentimentale Gemüter, der ist noch viel mehr dem Gefühl verfallen als mancher, der den Rosenkranz wirklich betet. Das Gebet in jeder Hinsicht hat viel mehr und wahrer mit „Überzeugt-sein“ (Brief an die Hebräer) zu tun, etwas ganz Trockenes könnte man sagen, etwas sehr Geklärtes (Abgeklärtes, Reines). Das Gebet ist ganz „klar und rein“ – wie trübes Wasser, dass doch ganz klar wird, wenn sich aller Wirbel gelegt hat, mutatis mutandis: wenn alle Zeitlichkeit (und Emotion) in mir zur Ruhe kommen, dann „ist“ Gebet – ob man dann noch dieses oder jenes murmelt, das ist nicht mehr so wichtig. Das wahre Gebet ist eine sehr „trockene“ Wüstenangelegenheit, hat wenig bis gar nichts zu tun mit Emotion oder Mitleids-Tränen. Gebet könnte man auch sagen, ist das Aufsteigen, das Licht-werden (leicht werden) aus aller Schwere der Zeitlichkeit. Das „Herz“ ist nichts Sentimentales, wenn gesagt ist: Du sollst den Herrn, Deinen Gott, mit ganzem Herzen „lieben“: dann ist da keine Spur von Sentimentalität oder schwärmerischem Gefühl, im Gegenteil: das Herz ist das Zentrum meines Seins, wofür ich lebe, wofür ich sterbe, ohne Herz könnte ich doch nicht seyn und so hat jeder von uns sein Herz (Seinsmitte) immer dort, wofür er lebt und wofür er stirbt. Und das ist eben die Frage: ist der Schöpfer mein Herr und mein Gott oder sind es meine sentimentalen Zustände, die Zeitlichkeiten oder Vergänglichkeiten, meine Urteile oder privaten Überzeugungen, die Logik des do ut des, lebe ich nur das quid pro quo?

 

Das „Herz“ schenken bedeutet: hier „will“ ich zuhause sein und sesshaft werden! Liebe hat sehr viel mit „Wille“ und „Überzeugung“ zu tun, eine oft sehr trockene (sterile) Angelegenheit. Heilige Sterilität besagt: nicht mehr anfällig sein auf den Augenschein, auf die Augenlust, auf das Zeitliche, den Windhauch. Wohnt das Herz „zu sehr“ im Vergänglichen, dann „tut es eitel“ und Eitelkeit ist mataiotes, Nichtigkeit, Windhauch, eitel Geschäft. Steril sein heißt auch nicht: ich verachte die Welt, bin ein Welt-Verneiner, da ist man auch noch „sehr eitel“ in der Welt-Verneinung. Heilige Sterilität hat aber ihren Wohnsitz, ihren Aufenthalt nicht mehr im Zeitlichen, sie ist im Innersten zuhause und kann von hier aus erst das Zeitliche mit dem „rechten Maß“ achten.

 

Zuhause sein heißt doch: wohnen – und da denke ich jetzt an eine späte Schrift von Heidegger: Bauen – Wohnen – Denken. Es wäre gut, jetzt dieser Spur zu folgen, vielleicht ergibt es sich. Vom Wohnen kommt ja auch das Gewohnt-sein, sich ge-wöhnen, die Gewöhnung. Vielleicht bemerkt man auch einmal, dass unsere Lebenswohnung auch „bewohnt“ ist, sehr oft von guten Geistern, manchmal auch von bösen. Davon „überzeugt“ zu sein, das hat man uns freilich gründlich ab-gewöhnt oder es uns erst gar nicht an-gewöhnt. Wie wir denken, welche Gedanken ins uns jetzt anwesen, das ist keine Nebensächlichkeit, derart werden wir wohnen, sesshaft sein und so bauen wir, es ist also sehr wichtig, was oder wer in unserem Geiste „wohnt“ – ganz entscheidend. Der Hebräer-Brief (der Heilige Paulus) spricht von dieser „verborgenen Gewissheit“ – Luther übersetzt hier sinnerfassend: ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht! Im Zweifel liegt ursprünglich das Urteilen, das Trennen und das Nicht-Zweifeln ist dementgegen: ich entsage dem Zweifel in mir, ich will gänzlich „hin-über-ge-führt“ sein in diese für den Augenschein „verborgene Gewissheit“, wie es im griechischen ἔλεγχος  (Heb 11,1) zum Ausdruck kommt: ein Überführt werden, darin liegt doch auch schon die Führung. Hebräer 11,1 spricht von der „Hoffnung“ und Hoffnung ist im Wesen: Richtschnur, Messschnur, Wegmarke könnte man auch sagen, sichere Leitung. Wer „hofft“, der ist sich „gewiss“, der Hoffnungslose dagegen, der glaubt nur an sein mageres Wissen, ist völlig davon eingenommen, oft sehr univok. Die wahre Hoffnung aber ist immer schon „gänzlich erfüllt“, sie lässt überhaupt keinen Zweifel mehr aufkommen!

 

Nun ein Wort zu: Ein Winterabend (Georg Trakl)

 

Die Sprache spricht! Dieses Wort von Heidegger meint das tiefe Empfinden, dass es ohne Unterlass in uns „spricht“ – sogar sehr deutlich dann, wenn keine Wörter mehr nach außen dringen. Dichtung ist daher im Wesen niemals Ausdruck, sondern An-ruf, im Anruf liegt der Ruf des Wortes. Das Hören des Rufes ist das Näherkommen, weiter oben war von der „Intimität“ die Rede. „Nähe und Ferne“ eröffnen die Dimensioniertheit, in der die Sprache spricht. Das Wort spricht, wenn der Ruf gehört wird. Heraus ragt aus dem ganzen Gefüge des Gedichtes der 2. Vers der 3. Strophe: „Schmerz versteinerte die Schwelle“. Was ist eine Schwelle? Man sagt ein Grundbalken, der trägt. Das Wort Schwelle ruft hier aber im Sinne von: an der Schwelle stehen, wie im Psalm 84,11, dort heißt es:

 

Denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser als (sonst) tausend. Ich will lieber an der Schwelle stehen im Haus meines Gottes als wohnen in den Zelten des Unrechts.

 

An der Schwelle im Haus meines Gottes stehen besagt hier, vom Äußeren in das Innerste kommen und wiederum vom Innersten in das Äußere gelangen. Das Wohnen in den Zelten des Unrechts bedeutet demnach das eigene Herz im Veräußerten sesshaft machen, nicht mehr intim sein wollen mit dem Wesen des Geschaffenen, sich nur mehr äußerlich herumtreiben und aufhalten. Heidegger übersetzt einmal den „Schmerz“ als fügenden Riss und dieses fügend reißende Auseinander ist zugleich gesammelt gefügt. „Versteinert“ heißt dann tragend verlässlich, Welt tragend, Schöpfung tragend, Existenz tragend, „mich“ von Ewigkeit her tragend, mich von Ewigkeit her geborgen „wissen“.  Der Schmerz hat hier nichts mehr von dem, was wir so zunächst darunter verstehen und es wird schon klarer was es heißt: die Sprache spricht. Heidegger bemerkt einmal über die Alltagssprache, dass diese ein oft vergessenes und vernutztes Gedicht sei. So dichtet es im Menschen wohl immerzu und diese stille Dichtung im Menschen wird jäh unterbrochen durch das Verlauten, die Rede oder die Schrift. So dichtet es am Dichtesten und am Intimsten in der „Stille“. So spricht das Wort allem zuvor zunächst aus dem Gehör. Insofern der Mensch Hörender ist, insofern kann er Sprechender sein.

 

Es ist schon länger her, da es mir kam: die „Entsprechung zum Seyn des Seienden“, damals war das noch ganz im Denken Heideggers, ich ahnte mehr als ich begriff. Im Wort Ent-sprechung liegt doch die Sprache, das „Sprechen der Sprache“. Wenn ich heute diese Zeilen lese: „Der Mensch spricht, insofern er der Sprache entspricht!“ Ent-sprechen heißt es dann, sei im Wesen „Hören“ – das Hin-Hören. Und jetzt etwas sehr Entscheidendes: der Mensch „hört hin“, insofern er dem Geheiß der Stille „ge-hört“. Das Geheiß wurde in der alten Sprache als „Befehl“ ausgesprochen: Befiehl dem Herrn deine Wege! – heute versteht man das nicht mehr, es bedeutet: die Sprache also „befiehlt“ ihr Geheißenes. Befiehl dem Herrn deine Wege heißt dann eigentlich: Vertraue „zur Gänze“, dass es schon gut gemacht ist, vertraue schon jetzt und hier, dass es „vollendet“ ist. Das ist dann hier das tiefste Antworten: die Danksagung, die Heilige Eucharistie.

 

Wenn ich diesem „Vertrauen zur Gänze“ gehöre, versklavt bin darin (gar nicht anders kann als gänzlich zu vertrauen) – dann antworte ich im Sinne der Ent-Sprechung.

 

Dem Befehl (Geheiß) der Stille ver-eignet sein, das ist die Entsprechung zum Seyn des Seienden: Sklave der Stille sein.

 

Am Ende dann das Wort: Zurück-haltung! Wir sollten, das meint das Wort Zurückhaltung, dem „Wort“ (lógos) unsererseits immer verhalten, zurückhaltend, „stille“ zuvor-kommen. Man könnte hier sagen: der lógos sollte jederzeit „empfangen“ werden und Empfängnis ist doch die „absolut vertrauende Haltung“. Habitare heißt doch: sich befinden, wohnen, sich aufhalten darin, davon kommt das Wort „habitus“, das Gehaben, so hält der sich auf, so lebt der, hier hat der seinen „Wohnsitz“.

 

Meinen "Wohnsitz" im „Hören“ haben, in der Zurück-haltung, im „Geläut der Stille“ (Heidegger).

 

Vielleicht gelingt ein Wink:

 

Gethsemane

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XV)

 

Λήθη X

 

Gethsemane

 

Wörter werden nicht mehr über-setzt, das sagt: ich öffne mich nicht mehr dem Sinn des Wortes, das, was es sprechen möchte (die Sprache spricht). Daher kennt man nur so äußerlich das Wort Gethsemane, sagt dann eben Ölgarten dazu und weiter nichts: da merkt man doch schon die ganze verlorene Äußerlichkeit in der Sprache, im Wort. Der Gesalbte ist der Messias, aber was bedeutet das, „gesalbt“ sein?

 

„Sehn-Sucht“, davon war weiter oben die Rede. Man könnte sagen, die Sehnsucht in uns drückt sich in dem klaren Wissen darin aus, dass das Weltliche und Zeitliche uns nie „Alles“ geben könnten. Sehn-sucht ist also die absolute Frustration über die Feuerwerke des Horizontalen und es ist sehr wichtig, hier aufzumerken: Wir alle „wissen das in einem vergessenen Wissen“, wir haben vergessen, dass es hier in meinem Leben, im Weltlichen, niemals absolut gut und zureichend sein kann, also im Zeitlichen. Der „Sünder“ in uns, er betet gerade diese „Vergessenheit“ an. Er will die Vollendung in dieser Zeitlichkeit „haben“, nicht dort im Ewigen. Und so kann man sagen, dass dieser Keim der Frustration in unseren Herzen, niemals hier auf Erden das gänzliche Glück haben zu können, eigentlich  höchster Segen ist.

 

Gethsemane: Jesus wirft sich auf „den Boden“: er betet! Was heißt „beten“? Beten heißt ursprünglich: bitten, flehen, er-sehnen, wünschen, sehn-süchtig sein. Und eigentlich gesehen „betet“ jeder Mensch auf Erden „immerzu“, er wünscht ja immerzu, immer waltet in ihm die Sehnsucht, das Wünschen: freilich oft sehr behindert, verkehrt – aber doch immerzu da. Auch der Atheist „betet“, ja sogar sehr feurig und innig, aber eben betet er einen Götzen an. Die Götzendiener in uns sind auch Anbeter, aber ihre Energie des Betens geht verloren, in die falsche Richtung. Das muss man einmal bedenken, der längst (hier) verstorbene Fulton Sheen hat mich darauf aufmerksam gemacht: im Scheusal, im Ungeheuer des Menschen, da liegt eine große Kraft, ein Sehnen nach „Ewigkeit“ – in jedem von uns also. Der Kommunist „sehnt“ sich auch, er wünscht das Himmelreich im bloß Horizontalen, in der Kommune usf. Der Perverse in uns ist auch sehr leidenschaftlich, er wünscht und sehnt sich nach Vollendung, so auch der Alkoholiker, der Drogenabhängige usf. Der Heilige Augustinus, war er nicht leidenschaftlich im „Birnenklau“? Welche Energie steckt doch in uns, welche Hoffnung, wir alle sind Süchtige, Sehn-Süchtige und eines Tages – im rechten Augenblick (kairós) – da wird unsere Kraft der Sehnsucht in die wahre Heimat geleitet sein, dann sind wir „süchtig nach dem Vater“ (da, in diesem kairós, hat dann die Ewigkeit die Zeitlichkeit berührt, gesegnet).

 

„Fiel auf die Erde“ – Markus 14,35. Der Herr unser Gott, er fällt auf die „Erde“, was heißt das? Wenn ich mich „hinwerfe“, dann ist alle Wucht darin, kein Zurückhalten, kein Zögern. Hinwerfen könnte man sehr gut als „Ganzhingabe“ übersetzen. Die Erde ist doch das Zeitliche, das Vergängliche und wenn sich unser Herr auf die Erde, auf die Zeitlichkeit wirft, dann bedeutet das: alles, was uns hier im Kommen und Gehen begegnet, das ist gesegnet, es ist uns zum Segen, jede kleinste Kleinigkeit. Das Hinwerfen auf die Erde besagt: ich liebe diese Welt, die du geschaffen hast, großer Gott – alles ist zum Segen und für uns, dass wir uns unermesslich (ohne Maß, absichtslos, umsonst) erfreuen daran. Dann das Wort Jesu: Vater, nimm diesen Kelch von mir! Der Herr kennt unser horizontales Verlangen, er weiß Bescheid, er kennt uns! Der Herr kennt unser Verlangen nach der Herrlichkeit nur in Zeitlichkeit: hier soll es sein! Und in diesem „ewigen“ Augenblick dann das Wort: Aber nicht, was ich will, sondern was du willst, soll geschehen.

 

Es wäre gut jetzt hier anzuhalten: denn in diesem „ewigen Augenblick“ ist unser erlösungsbedürftiges Sein „ein für Alle Mal“ erlöst, d.h., dass alle Zeitlichkeit durchbrochen und „geheilt“ ist, daran gibt es keinen Zweifel mehr. Die Schöpfung ist „geheilt“ – absolut repariert“ – gerade dann, wenn es dem Augenschein nach nicht danach aussieht. Und dennoch schläft es in uns, immerzu, wir alle, wir jetzt, wir „schlafen“ – und dieser Schlaf bedeutet Verfallen sein an das Weltliche, an das Schwergewicht, an das, was uns als „wirklich“ gilt! Wir können das „Heil in Ewigkeit“ nicht sehen, wir sind blind dafür. Das Schlafen der Jünger in Gethsemane (das ist jetzt auch mein Schlaf) ist die Verhärtung meines Herzens an die einzige Wirklichkeit der Ewigkeit. Heute „schämt“ man sich für diesen Sinn: Ewigkeit. Wer davon nur spricht, der gilt als Realitätsverweigerer. Dagegen: ich bin doch „ewig“, ich sterbe nicht, ich gehe nicht in ein Nimmerwiedersehen. Wenn man heute einem sagt: ich bin un-sterblich, ich gehe zwar weg von dieser Erde, das ist dann mein Verschwinden von hier (Begräbnis usf.) – aber dann erst lebe ich wahrhaft in Herrlichkeit, ich bin nicht zum Nichts geschaffen, sondern auf Ewigkeit hin! Das versteht keiner mehr, hier „schläft“ es in uns, da sind wir blind, taub und stumm geworden, Aussätzige. Die Aussätzigen, es sind die Schlafenden in Gethsemane in uns selbst, das sind oft die in uns, die zwar beten, aber das Wunder nur „hier“, im Äußeren (im Aussatz, in der Hülle), erwarten. Mein Seyn aber ist niemals (nur) „äußerlich“, zeitlich, vergänglich, Augenschein. Jeder Mensch ist „ewig“ – absolut „gesichert“, kann man sagen. In der Ewigkeit Gottes liegt unsere absolute Sicherheit. Das zu sagen und davon zu sprechen: das ist heute sehr peinlich, das will man nicht so hören, da denkt man doch: Spinner, Träumer!

 

Man kennt das Wort „veräußern“: jemand veräußert sein Anwesen (Gutshof z.B.), er verkauft das usf. Veräußern heißt Verkauf, wegbringen, weggeben. Wenn jemand sein Innerstes weggibt, dann gibt er „sich auf“, er veräußert und verkauft sich, er begeht einen „Verrat“, ja, er „verrät“ sich. Eine verkaufte verratene Seele sieht nur mehr horizontal, will von Ewigkeit nichts wissen, kennt nur mehr Leistung, Trieb und Genuss und wenn schon der „Himmel“, dann jetzt und hier und nur für mich: zeitlich soll es sein!

 

Die verkaufte (verratene) Seele kennt keinen Spiel-Raum mehr, sie findet das „Umsonst Handeln“ unwürdig, ihr ist alles so „dicht“, dass etwas Anderes überhaupt keine Option mehr ist. Dann ist die Seele wie „tot“ und ist doch zugleich überzeugt: ganz und voll im Leben zu stehen. Diese tote Seele betet immerzu den Götzen: es gibt nichts anderes! – an, Ende und aus. Der Aussätzige in uns ist eben ganz veräußert, verkauft an die Hülle, das Geschwür an der Haut zeigt das schon an, der Aussatz, da wird es dann konkret. Der Aussätzige leidet am Anbeten der Eindimensionalität, er krankt am: Nur so und niemals anders! Und dieser „Verrat“ in Gethsemane ist doch diese Veräußerung, dieser Verkauf der "Göttlichen Wahrheit", dieser Judas in uns. In uns allen „ist“ etwas, das uns ins Äußerliche (in den Verrat) drängt, in die Veräußerung, in den Aussatz: man will lieber gleich sein mit anderen, uniform sein, univok sein, dann ist man nicht mehr so alleine: und alles soll hier im Zeitlichen sein.

 

Die Einmaligkeit einer Seele: ist sie nicht „schwer“ zu ertragen, vor Gott so ganz alleine zu stehen, ihm zu antworten? Da ist doch die Verbrüderung im Äußeren leichter, das univoke Herplappern erleichtert, das Existieren in der „Ferne“ gibt für den Moment ein besseres Gefühl: die „Verbrüderung im Man“ entlastet!

 

„Einmaligkeit“ einer jeden Seele: man muss das einmal still betrachten. Diese Einmaligkeit ist schwer zu tragen, man will sich dann nach außen hin (im Äußerlichen) vergleichen, ähnlich werden, gleich werden, univok werden. Heidegger nannte das das „Man“. Dann geschieht immer dieser „Verrat“, denn im Veräußern zeigt sich die Not, die wir empfinden: einmalig vor Gott zu stehen. Der Herr in Gethsemane „betet“ zu allererst, es bedeutet: er hält der Einmaligkeit der Seele vor Gott die Treue. Wie treu bin ich meiner Seele eigentlich, kann ich das aushalten: meine Träume, meine Fantasie, meine Gedanken, die die Schwerkraft der Erde verlassen, mein Hoffen, Glauben und Lieben, kann ich „umsonst tun“, für Nichts tun, absichtslos sein? Wer von den Anderen hier unten wird das verstehen können? Und wenn nur schon ein Anflug in mir ist, „verstanden sein zu wollen von den Anderen“ – da halte ich schon nicht mehr Stand, flüchte in das Univoke, in die Zustimmung der Anderen, die ist mir dann mehr Wert als meine Einmaligkeit vor Gott. In diesem Augenblick „verrate“ ich meine Seele, verkaufe sie für 30 Silberlinge, wie Judas. In mir ist also diese Neigung meine ewige Seele zu verraten, meiner Einmaligkeit vor Gott nicht Stand zu halten, lieber will „Man“ sich im Äußeren (Augenschein, Anschein, Geltung, Meinung usf.) wieder erkennen und haben, da will man sich identifizieren: wenn der Andere zu mir „ja“ sagt, dann kann ich leben, wenn er „nein“ sagt, dann ist der ein Böser. Lieber im univoken, eindeutigen, eindimensionalen Radius leben, als in der niemals zu veräußernden Einmaligkeit. Seht her: was habe ich nicht alles vorzuzeigen, ich bitte jetzt um euren Applaus! (Titel, Ämter, Leistungen, usf.) So tun wir doch immerfort, verraten und verkaufen unsere Einmaligkeit vor Gott. Der Verrat in Gethsemane: Judas kommt mit den Vielen, mit der Schar: so leben wir doch, wenn wir ganz ehrlich sind, mit der Zustimmung der Vielen hier, von ihnen saugen wir das Leben, im „Man“ lässt es sich leichter leben.

 

Das Innerste ist eben das „Intimste“ und lässt sich nicht veräußern, der Name des Intimsten könnte sein: Mysterium. Das Mysterium verweigert den Verrat, den Verkauf ins Äußere, lehnt die Formel, die Phrase, die Berechnung usf. ab. So sagt man: ja, Herr Buchhas, das sind sie, wir kennen sie: diese Herkunft, dieser Werdegang, jetzt Koordinator, Vater von drei tüchtigen Kindern, geschieden, ihre Eltern, die kennen wir noch usf. Eigentlich bin ich (und jeder von uns) doch viel, viel mehr: wer kennt denn schon unser Innerstes? Jeder ist ein-Mal nur, einmalig, nie vergleichbar und das Innerste verweigert die Veräußerung, mit seinem Innersten kommt jeder alleine nur vor seinem Schöpfer zu stehen: frühestens und anfänglich im Sterben, da bemerkt man das doch, oder? Deshalb ist das Urteilen und Vergleichen ein Veräußern, ein Verrat, ein Kapital der reinen Äußerlichkeit. Wenn ich urteile: ah, der Hegel, so ein schwieriger Denker, was der da philosophiert, diese Schwerfälligkeit, dieses Orakeln usf.

 

Kierkegaard hat so geurteilt, und diese Urteile sind ganz abstrakt, abgezogen, Leerformeln könnte man diese nennen. Unsere Urteile über die Anderen: den kenne ich, der ist ja der und der und hat diese Herkunft usf. , das ist schon im Wesen ein „Fest-machen“, eine Festnahme, ein Einkerkern in die veräußerlichte Form. Den Herrn „fest-nehmen“ bedeutet eigentlich: ihn verdinglichen, so veräußern und verkaufen, dass er „hier im Augenschein“ Ware sein kann, mit der man Handel treiben könnte. Man muss das Mysterium unbedingt „greifbar“ machen, ins Äußerliche zwingen, eine Formel „erfinden“, Hauptsache: das Mysterium ist irgendwie handhabbar, greifbar. Vergleichbar will ich sein, mich messen, meinen Wert horizontal einbringen, mithalten mit den Anderen, so ganz veräußert sein, mein Innerstes (mein Mysterium) verraten, meine Einmaligkeit eintauschen im Aussatz! Die Seele, die dann so ganz veräußert, verraten und verkauft ist, die kann freilich nur mehr als Monade existieren: die Rede der verkauften Seele kennt nur mehr Formeln: das ist der, der diese Herkunft hat, der ist Lehrer, Konditor, Hökersfrau, der Philosoph, das kennt man, das liest man, Putin ist ein Kriegsverbrecher usf. Die verratene Seele stimmt ein in diese Abstrakta des „Man“ – da ist man in seiner eigenen, eingeschüchterten Singularität des Existierens sicherer (aufgehoben).

 

Aber Putin: wer kennt ihn schon, wer weiß um ihn, was ihn bewegt, welche Geschichte in ihm ist – so wie in uns allen? Er kennt sich ja vermutlich selbst nicht, wie wir alle! Wir kennen das nicht und wissen es nicht: woran wir aber dann glauben, das sind bloß leere Abstrakta, Formeln zur Weitergabe: der so, der so und „nur so“. Aber das stimmt eben nicht und so kommt es dazu, dass die ganz verkaufte Seele (Hoherpriester) frägt: Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten?

 

„So“ fragen zeigt an: wir sind so sehr veräußert (im Aussatz), dass wir nur mehr Worthülsen hin und her veräußern. Der Apostel Thomas wird den Herrn „erkennen“, er bekennt dann: Mein Herr und mein Gott! In diesem Augenblick (der ja ein ewiger ist) hält die Seele dem Mysterium Stand, sie stellt sich, flüchtet nicht mehr in Äußerlichkeit und „Leerformel“, kommt von der Ferne der Abstrakta in die Intimität und Konkretheit mit ihrem Gott.

 

Hugo von Hofmannsthal sieht dieses ganz veräußerte Wesen in uns allen am Werk, wir können diesem Hang auch nicht entrinnen in der „Ballade des (unserers) äußeren Lebens“: meines veräußerten Lebens.

 

Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen,
die von nichts wissen, wachsen auf und sterben,
und alle Menschen gehen ihre Wege.

Und süße Früchte werden aus den herben
und fallen nachts wie tote Vögel nieder
und liegen wenig Tage und verderben.

Und immer weht der Wind, und immer wieder
vernehmen wir und reden viele Worte
und spüren Lust und Müdigkeit der Glieder.

Und Straßen laufen durch das Gras, und Orte
sind da und dort, voll Fackeln, Bäumen, Teichen,
und drohende, und totenhaft verdorrte...

Wozu sind diese aufgebaut? Und gleichen
einander nie? Und sind unzählig viele?
Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen?

Was frommt das alles uns und diese Spiele,
die wir doch groß und ewig einsam sind
und wandernd nimmer suchen irgend Ziele?

Was frommt's, dergleichen viel gesehen haben?
Und dennoch sagt der viel, der „Abend“ sagt,
ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt
wie schwerer Honig aus den hohlen Waben.

 

Die wir doch „Groß und ewig einsam sind“ heißt es da: man versteht es sehr schlecht, wenn man darunter hier das Heroische, das große Gefühl usf. versteht, wie es einem „so kommt in der äußerlichen Begegnung".

 

Lyrik, Dichtung ist niemals etwas für „Gefühle, nie etwas Sentimentales“: in der Dichtung „verdichtet“ sich Intimität, Sage des Seyns. „Ewig einsam“ sagt von der Einmaligkeit meines Seyns im Stehen vor meinem Gott.

 

„[…] die abstrakten Worte, deren sich doch die Zunge naturgemäß bedienen muß, um irgendwelches Urtheil an den Tag zu geben, zerfielen mir im Munde wie modrige Pilze.“

 

So im „Lord Chandos Brief“: Hofmannsthal spricht von einem „Müssen“, wir entkommen dem abstrakten Urteil nicht, es ist uns wie eine Haut übergezogen. Solches zu „erkennen“ zeigt aber an, dass viel Tieferes, nicht nur das Abstrakte am Werk ist. Das „Zerfallen der abstrakten Logik“ unserer Daseinsform bekennt: die Worte versagen, das Mysterium „bleibt“ Mysterium, es lässt sich nicht in die Logik der Zeitlichkeit zerren; es lässt sich zwar ver-urteilen und am Ende kreuzigen, das ändert aber nichts an der Wahrheit des Mysteriums. Die ganz verkaufte und verratene Seele ist „gefangen“. Menschen, die sich nur mehr in Abstrakta aufhalten, sind gefesselt und gefangen. Das ist sehr bedrohlich: zur Zeit geht das ja um: die Russen sind jetzt die „Bösen“ und der Westen, das sind die Guten, Nordkorea ist schlimm, Österreich gut, der und der Minister hat Steuern hinterzogen, die alten Politiker waren noch „gut“. Solche Urteile kommen doch ständig und man weiß doch: das alles ist wie ein Sich-Anlügen. Das Fixiert-sein auf Abstrakta bedeutet ganz „eng“ werden, dass es Anderes überhaupt geben könnte, dass der uns so schnell verurteilte Bösewicht im nächsten Augenblick ein Heiliger ist, das will man nicht mehr wahrhaben. Der Gefangene ist an die Welt der Äußerlichkeit „so“ verkauft, er hat lauter Stress, Hetze und pausenlose Arbeit, deckt sich ein, ist eingeschüchtert, betäubt sich, ein Gefangener im Status Gesellschaft, Establishment. Als so Gefangener wagt man das Wagnis Mysterium in Gott nicht, das ist doch peinlich, etwas für alte Weiber.

 

Das Fixiert-sein auf Abstrakta meint auch das Mitgerissen-werden von der Menge, von der Politik, vom „Man“, von dem, was man so sagt, was so die Meinung ist, man fürchtet „wie MAN so fürchtet“ – die Schlagzeilen diktieren unsere Sorgen und Ängste: jetzt die Angst um den Dritten Weltkrieg, dann die Angst Corona, die Angst nicht mehr am Leben bleiben zu können usf. Es sind alles „uniforme“ Sorgen. Da kann man sich fragen: komme ich vor lauter uniformer Sorge überhaupt noch zur „Einmaligkeit meines Stehens vor meinem Schöpfer“?

 

Gethsemane: Ölpresse – das Leben wird in der Zeitlichkeit ausgepresst, wie die Olive gepresst wird, das „ewige Leben“ (der Herr) hält Stand, daher ist ER der mit „Öl Gesalbte“, der Messias – der uns Zerquetschten den wahren Weg durch das Auspressen, den Tod, hindurch voran-geht. Der Herr ist „Vor-Gänger“, jener "Vorgänger", der immer war und zugleich jener Voran-Geher, der voraus-geht, leitet, winkt (der Wink), den Weg anzeigt.. Der Auferstandene, er geht doch nach Galiläa voran, voraus: in die Zeitlichkeit, in das Irdische, in unser aller „Norden“.

 

VOM SINN DER ZEIT

 

Es „fügt“ sich, es ist mehr als 30 Jahre her, die erste Begegnung mit Heidegger, mit „Sein und Zeit“. Und diese erste Begegnung war durch und durch ein Scheitern, rein äußerlich, ein Kollidieren meines Unverständnisses, ich war so „zu“, dass ich immerzu nur das verstanden habe, was mein beschränkter Horizont aufleuchten ließ. Die Begegnung mit Heidegger wurde dennoch zur Freundschaft, vielleicht sogar „intim“, wer weiß. Nichts geht verloren: alles ist schon „gesammelt“, ein-gesammelt (légein, lógos). Heute gibt es viele, viele Gegner von Heidegger und ich muss das jetzt sagen: die haben nichts verstanden, die prostituieren ihre Wichtigkeit und ergötzen sich daran. Die leben sogar dann von Büchern, die sie „gescheit“ veröffentlichen oder Lehrstühle besetzen. Der Heilige Geist aber führt uns die Wege, zeigt ganz klar an, wohin wir alle von Ewigkeit her gerufen sind. „Zeit“: die Frage bei Heidegger, aber mir war immer klar: es gibt Dinge im Himmel und auf Erden, da scheitert das Wort, man versteht oder ahnt sehr tief und weiß dann auch; aber sagen lässt sich das nicht mehr. So bleibt jeder von uns am Ende „einsam“ zurück, wie im Sterben, im Übergang zur Herrlichkeit. Und das ist auch schon wieder mager ausgedrückt, denn alle Heiligen, zumindest mein Schutzengel, stehen treu im Sterben bei mir – also keine Einsamkeit von Ewigkeit her.

 

Und in „Sein und Zeit“, da ist doch vom „Sophisten“ die Rede und von der Verwirrung, dass man in einer „Verlegenheit“ wäre, das Sein zu fassen, das Sein sei „frag-würdig“ geworden. Die Stelle vom Sophistés ganz zu Beginn ist kein Zufall oder Aufputz: wer das Folgende verstehen will, der muss in „diese“ Verlegenheit geführt werden, dann kann er erst aufmerken. Ein anderes Wort für Verlegenheit heißt das „Staunen“ oder die „Demut“ – oder den je geschenkten Augenblick „heiligen“, zu bekennen: ich "weiß" es nicht, es könnte doch auch ganz anders sein! Das ist Demut, Mut zu der Wahrheit, dass das Seyn meinen begrenzten Horizont ewig übersteigt!

 

„Vom Sinn der Zeit“, von „Ewigkeit“, von „Sterblichkeit“, vom Durchwirkt-sein der Zeitlichkeit und Vergänglichkeit vom Heiligen Geist soll im nächsten Zyklus die Rede sein. Möge unsere Gottesmutter Maria alles segnen, denn sie trägt alles „Bittere“ der Zeitlichkeit, Mirjam, sie trägt es umsonst, für Nichts, deshalb ist sie die Unbefleckte, die ganz Reine, die gänzlich Absichtslose, sie trägt alle Zeiten und Zeitlichkeiten und daraufhin passiert die Schöpfung, der Vater vernimmt diese Stimme: tue es mit diesen Menschen – ich gehe schon mit, umsonst, für sie, für alles Geschöpfliche. Gestern hat Papst Franziskus die Ukraine und Russland dem Unbefleckten Herzen Mariens anempfohlen, diese kriegerische Zeitlichkeit in ihr unbeflecktes Herz gelegt. Dieser Akt der Ewigkeit ist vollendet, der Sieg des Friedens gewiss – wie 1917 in Fatima. Der Frieden kam dann ja „gewiss“ 1919 – und die Maßstäbe unsere Zeitlichkeiten reichen eben niemals zu, die „Ewigkeit“ zu erfassen. So wie ein langes Erdenleben am Ende in einem „ewigen Augenblick“ schon da ist.

 

Von „Ewigkeit“ her zu denken, das ist eigentlich diese Frage nach dem „Sinn von Zeit“, die Heidegger lebenslang un-ruhig (Augustinus) sein lässt.

 

Es gilt die Sprache (das Wort) der Ewigkeit in der Zeitlichkeit wieder zu entdecken, auf-zu- decken, den Sinn des Ewigen auf-scheinen zu lassen. Die Methode dieses Sehen-lassens nannte man einmal die phänomenologische: die Dinge (ewige oder zeitliche) so sehen lassen oder zeigen, wie sie sich von sich selbst her offenbaren (so wie sie sich zeigen, von sich her "sehen lassen"). Mit Heidegger hat man sich immer „schwer“ getan, auch mit Ferdinand Ulrich und jene, die glauben, dass sie das verstanden hätten und dann ihre Eigenlust verkaufen, die plagen sich ganz besonders.

 

Auf der Suche nach der Ewigkeit: diese Sehn-Sucht bringt uns „näher“ zum Mysterium der Ewigkeit. Mit der Ewigkeit plagt man sich auch, weil man nicht wagt, dass sie sich von sich her zeigen möge! Es ist das größte und wunderbarste Ereignis in der Zeitlichkeit.

 

In dieser Sehn-Sucht hat es keine Eile mehr, das ist der Unterschied zu den sonstigen Sehn-Süchten dieser Welt und der Zeitlichkeiten, die immer unter Druck und Eile passieren müssen. Die Sehnsucht nach der Ewigkeit weiß sich schon am „Ziel im Vater“, daher kann sie ganz gelassen auf dem Weg zum Vater sein.

 

(Weiterführung)

 

 

Heilige Maria – Mutter Gottes

(XVI)

 

Λήθη XI

 

VOM SINN DER ZEIT: das „letzte Kind“ I

 

 

Der Zyklus der Verbergung - Λήθη - zeigt in das Mysterium aller Offensichtlichkeit, dass in jeder "Äußerung" (Äußerlichkeit) ein Innerstes bestimmend (Gestimmtheit) verborgen liegt. Dieses Innerste liegt "vergessen", was Λήθη auch besagt. Äußerung wird augenfällig im Wort, in der Sprache unseres Sprechens, hier wird es "dicht", umfassend, es  umgreift aber die "Äußerung" alles, was im Seyn anwest: das ist das Seiende. Die gesamte uns begegnende Schöpfung ist "Äußerung", Gebärde des Schöpfers. Im Wort "Gebärde" liegt schon die Geburt, das Bären, und so verweist mich die Verbergung auf das "letzte Kind" im "Haus des Brotes" - nach Bethlehem, in jene Ewigkeit, da der Schöpfer im Sohn in das Äußerste (Äußerung) herabkommt (das war nicht nur damals sondern geschieht in diesem Augenblick): bis in die letzte Ferne der Gottverlassenheit am Kreuz. Der "Sinn" der Zeit ist das  "letzte Kind", das anfängliche, das die Zeitlichkeit von Ewigkeit her durchbrochen hat und zwar: ein für Alle Mal! Dieses "ein-für-Alle-Mal" hebt den Zyklus der Zeitlichkeit auf, es herrscht Ewigkeit in der Zeitlichkeit. Dieses Mysterium ist jenes von "Krippe und Kreuz" - Fruchtbare Jungfräulichkeit (Ferdinand Ulrich). Ent-äußerung besagt: sich weg-geben, sich ver-schenken umsonst. Das "letzte Kind" ist der ewige Anfang der Anfänglichkeit im Fluss der Zeitlichkeit, kairós, der "ge-stillte Augenblick".

 

Der Mensch erlebt den Kern seines Lebens, das Ewige, wenn er das Wort als Gottes Wohnung erkennt, wenn er in der Sprache, sei es im Schweigen oder im Lachen oder Weinen, in der Freude oder im Glück, Gott vernimmt. Wenn Gottes Stimme seine „Stimmungen“ baut. „Wieder-Holung“ in der Zeit ist ein Zeichen von Ewigkeit. In der ständigen Wieder-holung „keusch“, „intim“, „bescheiden“ sein. Wieder-holung bringt das Wohnen, die Ge-wohnheit.

 

Im Folgenden wird die "Sprache" sprechen: die Sprache spricht und darin geht es um das „letzte Kind“, es ist das anfängliche Kind, der Beginn des Lebens: das Wagnis der Sprache. Warum nur sind die Türen verschlossen? Die Türen sind deshalb verschlossen, weil der horizontale Zeitmaßstab (Kausalität) die alleinige  Herrschaft übernommen hat und zwar seit Anbeginn. Es geht um die Welt der Ewigkeit und die Welt der Zeitlichkeit in ihrer Einheit, die Ehe zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit. Eine Zwischenbemerkung: immer wenn einer spricht: „…es geht gerade darum…! – ist das auch sehr verdächtig, denn das ist zugleich die Selbstoffenbarung, dass man noch nicht vollends davon überzeugt ist, wovon man meint, dass es überzeugend sein soll. Mein Geschreibsel hier zeigt also offenbar an, dass ich noch längst kein Heiliger bin! Das „letzte Kind“: es ist das „anfängliche“, „im Anfang war das Wort“. Anfänglich ist „beginnend“, treu bleibend. Dieser Anfang lässt sich besser ausdrücken als: es fängt das Neue an, die Berechnung der Kausalreihe (Zeitlichkeit) hat hier keinen Auftrag mehr. Kind sein ist nicht „kindisch“ sein, vielmehr hat es mit Keuschheit, Reinheit, Treue und Vertrauen zu tun. Ich stelle zunächst einmal eine Behauptung auf (eine mir wichtige Überzeugung): wir werden in allen unseren irdischen Augenblicken „absolut“ geführt und zwar mit einer grenzenlosen Güte (Gutheit). Einsehen kann man das aus der Froschperspektive nicht, beweisen lässt es sich nach den logischen Maßstäben der Zeitlichkeit nicht: es lässt sich aber tief ahnen und dann könnte das eine unumstößliche Wahrheit sein, der Aufbruch des Menschen für die Ansprache der Ewigkeit. Hier braucht es großen Mut zum Anfänglichen, das Hindurchblicken durch die Veräußerung.

 

Die „Veräußerung“ ist keine Kleinigkeit, sondern etwas sehr Prinzipielles: es bedeutet in letzter Konsequenz das Existieren im nur Äußeren, in den zufälligen Äußerlichkeiten, die in der Zeitlichkeit kommen und gehen. Dieses "absolute (losgelöste) Wohnen" in der Veräußerung kann nur im Modus der Gleichförmigkeit passieren; nur wenn sich alles irgendwie vergleichen lässt, auf einen Nenner gebracht wird, nur in der univoken Logik ist veräußertes Existieren möglich. Veräußerung lässt sich auch nicht umgehen, sie gehört zum Wesen der Zeitlichkeit, problematisch wird es aber dann, wenn Wahrheit oder Wirklichkeit, der Sinn von Sein, nur mehr in dieser „horizontalen Veräußerung“ gesehen werden: dann wird der Maßstab des Vergleichens immer relevanter, es ist die Logik des Vergleichens, die dann den Alltag beherrscht, die Bewertung (Abwertung und Aufwertung), der äußere Augenschein zählt, das erste Aufflackern der Medienberichte usf. Problematisch also wird die Veräußerung, wenn man sie hier „absolut“ setzt, dann existiert man im „horizontalen Absolutismus“ und das ist eine sehr gefährliche „geistige Erkrankung“, eine Ein-schränkung in die Enge (Angst). Der Mensch der Veräußerung kennt dann nur mehr: entweder so – oder so. Zugleich: das ist nicht möglich. Entweder Leben oder Tod: die Einheit von Leben und Tod im Leben ist nicht möglich. Zu Beginn muss etwas voraus-geschickt werden: es soll hier die Rede von der Ewigkeit in Gott und von Zeitlichkeit hier sein, weiters von der verkauften, veräußerten Seele und vom „anfänglichen Kind“. Dabei soll auf das Dichte (Dichtung) der Intimität gelauscht werden. Die Frage: wer bist DU Großer Gott, der sich im „Wort“ offenbart (Wort Gottes)? Es ist die wichtigste Frage überhaupt, sie nicht ernsthaft stellen und Antwort geben, das hieße so viel wie „tot“ sein.

 

„Opfer“ bedeutet sinngemäß: Näher kommen, Gott ich komme Dir nahe! Opfer ist gleichbedeutend mit „leicht und licht“ werden, die Schwere oder Schwerkraft verlassen, das Herabdrückende und Depressive auf-geben, die Sorgen und Ängste los-lassen: das alles ist Opfer, auf-steigen, hinauf-steigen zum meinem Herrn und Gott. Daher ist die Opferung im Wesen immer ummantelt von Freude und Friede. Die Fastenzeit kann keine Zeit der Trauer sein, im Gegenteil: sie muss Zeit der reinen Freude (Friede) sein so wie der Fried-Hof wesentlich Ort der Freude ist. Leicht und licht (Licht) seyn ist gleichbedeutend mit „intim seyn“. Das Seyn mit „y“ soll anzeigen, dass das, was wir unter „Wirklichkeit“ glauben zu verstehen, frag-würdig sein soll: der ernsten und tiefen Frage unsererseits bedürftig. Einen bedürftigen Gott erträgt man (Man) vermutlich nur sehr schwer, denn Gott, der Allmächtige, der kann doch gar nicht bedürftig sein – das geht nicht, das ist für den Verstand inakzeptabel. Gott aber, mein Erschaffer, er ruft mir zu: ich bedarf deiner! Es ist dieser Ruf in Gen 3,9: Wo bist du? Adam, das ist doch unser Wesen „jetzt“, der Mensch in uns und so liegt schon hier nach aller Schwere der Sünde die unfassbare Vergebung der Sünden, die ganze Barmherzigkeit des Vaters liegt in diesem Ruf: Wo bist du nur – Mensch – ich, dein Vater, ich suche dich, ich bedarf deiner! Das „Man“ in uns hält das schwer aus und man sieht doch dann, dass der Herr am Kreuz ohne Macht im „Schrei der Welt“ stirbt. Dass ein allmächtiger Gott am Kreuz stirbt ist ein Skandal für uns. Der Schrei Jesu am „Kreuz aller Zeiten“ ist der Ruf: Wo bist Du? Längst also bevor ich Gott „suchen mag“, sucht ER mich, geht mir nach, mir elenden Sünder. Das genügt: darin sollten wir einmal zur Ruhe kommen, das betrachten, der Allmächtige sucht und bettelt um mich. Ich müsste auf der Irrfahrt meines Lebens wohl einen Schritt in der wahnsinnigen Schnelligkeit aussetzen, angehalten werden und diesem „Ruf“ (Wo bist DU?) einem „ewigen“ Augenblick lang Stand halten.

 

Die Spur der „Intimität“ ist voller Hoffnung, Freude, ein Himmel auf Erden kann man sagen. Intimität ist doch dem Äußeren am fernsten, ist vertraut, innerlichst und im Vertrauen sein ist wiederum gleichbedeutend mit: sich im Glauben aufhalten, innerlichst sein, intim sein. Intimität ist im Innersten Seyn: im Adyton des Griechischen Tempels befand sich das „Allerheiligste“, es war un-zugänglich. Ein un-zugänglicher Ort, ein für den Sterblichen Ort der Ortlosigkeit. Wir kommen mit unseren nur horizontalen Vermögen nund Vorstellungen da nicht hinein, es ist uns verwehrt, darum ist dieser ortlose Ort: „heiliger Boden“ (2 Mose, 3,5).

 

Wir sind nicht mehr „vertraut“ (intim) im sinigularetantum zu existieren, im nur als Singular Existierenden, im „Einmaligen“, das so nie wieder kommt, das Einzigartige, nie so Dagewesene. Heidegger hat darüber tief nachgedacht. Ereignisse kommen und gehen, jeder erfährt das bei sich, aber man schenkt diesen alltäglichen Ereignissen keine Aufmerksamkeit, alle diese Augenblicke dagegen sind Schickungen im singualretantum – wie gehe ich damit um? Ich bemerke das gar nicht, merke nicht auf. Es bedürfte zu diesem Aufmerken meiner Intimität und das ist doch das Innerste, Adyton meiner Existenz. Er-innerung ist das Sich-auf-halten (wohnen) in diesem Innersten, das zugleich unzugänglich ist, nicht im Kategorialen einfangbar, wissbar – es bleibt Mysterium und ist dennoch alleine „wahr“. Sich er-Innern besagt dann den Weg nach innen begehen, der Weg der Innerung kann nicht im Äußeren, in der Äußerung, im Veräußern passieren. Vielleicht ist der Judas in uns jener, der diesen Weg der Innerung nicht gehen kann, weil er alles in der Veräußerung haben will. Er ist ge-hindert am Weg der Innerung, sucht nur im Außen, in der Veräußerung: da soll der Herr und Gott seine Macht zeigen, im Zeitlichen. Der Gott als Bettler ist ihm unannehmbar, eine Zumutung. Denn bettelarm sein, das besagt doch: ich kann dir nichts mehr anbieten, hier zeigen, im Sinnlichen dir geben: ich bedarf aber deiner Sehnsucht, deiner Liebe umsonst. So einen Gott verachten und verspotten wir, nicht nur damals, sondern jetzt und hier: denn wenn das Wunder nicht hier erscheint – wenn es für die Sinne leer und kalt bleibt, umsonst eben, ist man enttäuscht und flüchtet in den sinnlichen Rausch für den betäubten Moment.

 

Das „letzte Kind“ heißt es oben: ein erster Wink wäre, dass das Kind in uns nicht „weiß“ im Sinne des kalkulierten Wissens oder der Berechnung, es existiert absichtslos, umsonst könnte ein Berechner und Kalkulierer in uns sagen, das Kind in uns bringt nichts ein, es schaut nichts heraus dabei. Und wenn das Allerheiligste (Adyton) un-zugänglich ist, dann ist es unzugänglich im Wissen wollen, in der Berechnung, daher hat der Kaufmann (der Händler, der Rechner) im Tempel keine Aufenthaltsberechtigung. Kinder können wesentlich keine Ökonomen sein, sie würden alle Geschäfte in den Bankrott führen, Welthandel im Kinderreich ist nicht vorstellbar. Das „Letzte“ im letzten Kind ist der Zeitlichkeit enthoben, das Lineare wird hier absolut unterbrochen: es geht eben nicht so weiter und so weiter, sondern Ewiges bricht herein und auf. Das Adyton ist wesentlich nicht im Außen, da kann es gar nicht existieren, sich zeigen. Es verweigert den Handel, die Verschleuderung, es zeigt sich in der Armut des Nichts (für das Außen). Was sich der horizontalen Berechnung entzieht, muss das Heilige sein, wer daher den Augenblick heiligt, lebt „jenseits“ der Berechnung, er kann nicht mehr berechnen weil er intimer Empfänger geworden ist, der es aushält, dem singularetantum nicht zu entfliehen, den Augenblick nicht zu verraten oder zu verkaufen. Für die Freiheit unserer Seele „umsonst zu lieben“ werden wir einmal gerichtet werden, dafür, ob wir diese Freiheit der Seele verkauft und verschleudert, oder bewahrt und zugelassen haben. Das Leben ohne Kalkül im Umsonst der Liebe erwägt das Existieren im singularetantum, und zwar jeden Augenblick. Wenn dem so ist, dann ist jederzeit „Ansprache“: was meint das jetzt eigentlich, warum geschieht das jetzt, warum mir, zu dieser Zeit, in diesem Augenblick, in meinem Alter, zu dieser Welt-Zeit?

 

Dieses Erwägen heißt: das Wort (den lógos) erwägen, es betrachten, sich ihm öffnen: denn die Sprache spricht.

 

Jean Corbon spricht in seinem tiefen Werk: Liturgie aus dem Urquell (Johannes Verlag) – vom Menschen, der meinen könnte, die Früchte (des Seyns) für sich pflücken zu können. Am Tisch des Seyns versammeln sich jene, die dem Mysterium der Zeit und des Zeitlichen lauschen. Jean Corbon nennt dann: den Anfang der Zeit / den Ablauf der Zeiten (den Alten Bund) / die Fülle der Zeiten (der Neue Bund) / die letzten Zeiten (in denen wir heute leben) / die Vollendung der Zeiten. Immer geht es da um „Zeit“ und „Zeitlichkeit“ und überschrieben ist dieses Kapitel IV (S. 45):

 

Die Himmelfahrt und die Ewige Liturgie.

 

Hier wird dann spürbar die Macht der Entgegnung von Ewigkeit (Ewige Liturgie) und Zeitlichkeit (Schöpfung) und diese Entgegnung meint im Innersten „Vermählung“ – Hochzeit, würde man dazu sagen. Entgegnung ist eigentlich dann Begegnung der Ewigkeit mit der Zeitlichkeit, der Himmel berührt die Erde. Diese Begegnung ist nun gerade jene des Intimsten, des Innerlichsten mit dem Äußerlichsten, der Vergänglichkeit, es ist die Zusammenkunft des Wesens mit der Veräußerung, dem Äußerlichsten, es ist das die Hochzeit, könnte man sagen: die Vermählung der Verlorenheit mit ihrer Herkunft, ihrer göttlichen Kindschaft. Hochzeit heißt auch „Trauung“: es meint, ich traue mich Dir zu – es meint: ich überlasse mir dich, gebe mich dir ganz zu eigen, bin dein Eigentum! Der Jesuiten Pater Peter Lippert SJ, Bernhard Vošicky OCist wies mich auf das Buch hin: Der Mensch Job redet mit Gott – dieser Jesuiten-Pater betet ohne Unterlass auf Seite 247:

 

 „…Du schweigender Verwalter aller meiner Schätze, Du Fremdling, den ich als Gast in mein Zelt geleitet habe, und ich weiß nicht einmal, wer Du bist…“.

 

Es ist dies jene Stelle in diesem Werk, da sich die Seele „traut“, also an-vermählt (Heilige Hochzeit) – die Seele ist jetzt bereitet, der Spur ihrer Intimität endlich zu folgen. „Bereitet“ meint jene Gaben-Bereitung, die in der Heiligen Liturgie vollzogen wird. Intim sein = bereitet sein. Gaben- Bereitung ist niemals Vollzug eines Rituals, sondern „Sprache der Intimität“. Die Seele spricht endlich mit Gott, sie redet ihn endlich mit „DU“ an, wie Hiob oder Augustinus in seinen Confessiones. Im Gebet von Pater Lippert ist viel von Zeit die Rede. Ich möchte daher ein Bekenntnis ablegen: wer mit Zeit und Zeitlichkeit spricht, der unterhält sich ohne Unterlass mit der Ewigkeit (und mag es selbst gar nicht wissen).

 

Die Seele spricht zu ihrem Schöpfer: Du Fremdling! Ein vollendetes Wort in der Zeitlichkeit, darin liegt alle Wucht der Intimität, alle Wucht der Hingabe: der Mensch, im Äußersten existierend und auch gefangen, bekennt: ich „weiß“ dich nicht (ich habe kein Wissen über dich), Gott, du Fremdling, fremd bist du mir, weil ich in meiner irdischen Logik an Deiner Größe strande – so gebe ich mein Wissen auf und über-lasse mich ganz Dir! Erst im Scheitern aller unserer irdischen Versuche offenbart sich der Große Gott: der Strand über allen tobenden Meeren. Es ist gerade die Ohnmacht, die zeigt, wie sehr der Schöpfer alles trägt. Die Gnade liegt in der „Machtlosigkeit“ (Ohnmacht), sichtbar geworden im „Kreuz“. Das Kreuz zeigt den Sieg, die Erlösung von allen selbstgewählten Machtansprüchen.

 

Jetzt habe ich mich sehr verloren, bin bei Pater Lippert SJ gelandet, ich hatte das gar nicht vor, es ist mir eben „gekommen“. Ein-Gebung sagt man dazu und heute lächelt man darüber, aber das ist sehr banal, dieser Hochmut des Lächelns.

 

Intimität „kennt“ eben niemals Banalität: intim sein ist doch nächste Nähe, nichts ist Frustrierender als ein logisches Kalkül (Lächeln) in der Intimität, das wäre doch ein Liebes-töter, oder? Wer sich die Intimität in Gott zu-mutet, diesen Mut aufbringt zur nächsten Nähe mit Gott, der weiß, dass jeder Augenblick als singularetantum „umsonst geschenkt ist“ und er hat daran seine „helle, seine lichte  und umsonstige leichte Freude“! Das „letzte Kind“: zeugen, gebären, Kind sein, Geburt. Es sei jetzt sehr an den Johannes-Prolog er-innert: Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Die allzu bekannte deutsche Fassung kommt gar nicht ins Innere, (Man) „weiß“ ja schon immer die Wörter. Gott „ist“ das Wort und was heißt dann dieses Seyn im „ist“? Aber wenn man schon nur hört: Gott, Engel, Jungfrau usf. – dann sind das bloß Wörter, vielleicht Träumerei, der kalte Verstand kann nichts anfangen damit und das ist auch wahr: denn der berechnende Kosten-Nutzen-Verstand kann wirklich damit nichts anfangen, er muss sich zu seiner eigenen Sicherheit dagegen wehren, auflehnen. Jehochanan: der Herr äußert sich im Seyn, in der Welt,  als Gnade, Erbarmen. Elisabeth: Gott ist meine Gewissheit. Zacharias: der Herr gedenkt.

 

„Dort“ also sind die güldenen Geräte: wenn man heute den Heiligen Tempel, eine Kirche betritt, dann ist alles „vergoldet“ – aber „Man“ versteht es nicht mehr: die Quelle des Lichts, das Goldene. Das „letzte Kind“: Heidegger meint einmal in der VII. Fuge „Vom Ereignis“ über den Letzten Gott: Das Letzte ist jenes, was die längste Vor-läuferschaft nicht nur braucht sondern selbst ist, nicht das Aufhören, sondern der tiefste Anfang, der am weitesten ausgreifend am schwersten sich einholt (HGA 65, S. 405).

 

Anschließend an diese Stelle bedenkt Heidegger die „Verweigerung“. Über den Sinn dieser Stelle ließe sich Tiefes sagen. Das „Letzte“ meint hier nicht mehr das gängige Denken einer Zeitlinie, die einmal abschnappt, so im horizontalen Immer-weiter-so-und-ohne-Ende, wie etwa: da hat es einmal angefangen – dann wird es einmal aufhören und das ist dann das „Letzte“, das Ende. Oder: ein Mensch beginnt zu leben und stirbt einmal, die Welt dreht sich zwar weiter und irgendwann geht dann auch die Welt unter. Das Letzte wäre da verstanden als Ende einer Kausalitätsreihe, bloße Horizontaliät, die sich mehr oder weniger berechnen lässt, zumindest einschätzen lässt. Aber das Letzte meint den „tiefsten Anfang“, der am weitesten ausgreift. Im Wort „Auf-hören“ liegt noch ein anderer Sinn, der schon die Richtung angibt: es hat hier mit Sein-lassen zu tun: ich lasse es sein mit dem horizontalen Absolutismus (höre auf damit), er gilt mir nicht mehr als Maßstab. Die „letzte Seele“, könnte man hier sagen, spricht zum horizontalen Maßstab: ich habe mit Dir kein Gespräch, dein Blendwerk mag da sein, mich betören, aber es juckt mich nicht mehr! Das Auf-hören im Seinlassen ist dann zugleich ein Hinauf-hören zu Gott, dem Vater aller Dinge, und damit wird die Seele leicht und licht. Die „längste Vor-läuferschaft“ meint hier jene „Länge“, die anklingt im „Winterabend“ von Georg Trakl: „…lang die Abendglocke läutet“. Es ist wiederum nicht mehr das Maß der kausalen Logik: lang – kurz – mehr oder weniger – entweder oder: jene „Länge“ ist ganz anders dimensioniert und ich würde die „längste Vorläuferschaft“ mit kairós benennen: der „rechte Augenblick“, der hereinbricht wie eben die Ewigkeit „einbricht“ in die Zeitlichkeit. Das Maß jener Länge im Längsten, könnte man jetzt sagen, ist die kürzeste Kürze, das „Blitzen“, die dichteste Dichte der Intimität.

 

In Daniel 8,19 ist einmalig von der „letzten Zeit“ die Rede, und zwar meint es die „letzte Zeit des Zorns“. Im Hebräischen liegt darin auch der Sinn des „Ausbleibens, des Zögerns“. Das „Letzte“ bleibt in der horizontalen Logik des „Man“ aus, es ist hier unauffindbar, gar nicht zu fassen in der Zeitlinie der Erscheinungen. Im Aus-bleiben ist doch ein Bleiben anwesend, nur zeigt es sich nicht mehr, es „verweigert“ den Zugriff wie das Adyton im Heiligen Tempel. In diesem Sinn ist das „letzte“ im letzten Kind gemeint, damit eben das „anfängliche Kind“, die Erwartung des nicht mehr Erwartbaren, die Erwartung des Un-möglichen in unserer sehr beschränkten möglichen Logik. Das „letzte“ meint: Ankunft, Herabkunft, Niederkunft, Geburt. In der Erwartung liegt schon die „Sucht“ nach dem Unmöglichen: das ist die wahre Sehn-Sucht, von der schon weiter oben die Rede war: die Sucht nach dem Un-möglichen.

 

Und das „Kind“ im letzten Kind?

 

Im Aus-bleiben für die Welt der horizontalen Logik kündigt sich das „ewige Bleiben und An-wesen“ an, das nicht mehr Sichtbare für die Sinnlichkeit gänzlich „arme“ bezeugt gerade in der Verweigerung (Heidegger) seine Herr-schaft und Herr-lichkeit. Darin liegt der „Herr“ aller Dinge und die Herrschaft dieser Herr-lichkeit ist „licht und leicht“. Das alles sind Winke in die Gottes-Kindschaft unserer Seele. Heidegger hat das tief geahnt (so steht es aber bei ihm nicht). Und es ist immer wieder dieser tiefe Riss in unser aller Seelen: wie soll ich das „wissen“ (erkennen) oder es „umsonst glauben“ (das das eigentlichere Wissen, der lógos ist).   Jedes Kind trägt etwas von ewiger Kindschaft in sich, etwas Jungfräuliches, Heiliges müsste man da sagen: die Seele ihrer ewigen Heimat. „Jungfräulich“, damit kann der horizontale Verstand schwer umgehen, kann nichts anfangen damit. Und wenn es dann bei Lukas heißt, dass die Jungfrau Maria einen Sohn gebären wird ganz aus dem Heiligen Geist, dann merkt man doch wie „schwerfällig und müde“ unser Geistiges Auge geworden ist. In 1. Mo 24,16 ist von dieser „Jungfrau“ Rebekka die Rede, die kein Mann erkannt hatte, die alle Augenblicke, kann man sagen, mit der Quelle allen Lebens verbunden ist, hinab- und heraufsteigt, die keinen Ehe-Bruch begeht und daher „schön“ genannt ist. Der Ehe-Bruch mit Gott ist der Bruch des Bundes unsererseits mit IHM, unserem Erschaffer, , ist die Verfallenheit an die Schwerkraft der Eindimensionalität und das Sich-los-sagen vom Vater aller Schöpfung. Wer den Bund mit Gott bricht, für den zählt mur mehr der Augenschein, das maßlose Immer-weiter-so und ohne Ende.

 

Rebekka ist noch von keinem Mann „berührt“. Sie ist heil und ganz, jungfräulich, schöpft aus der Quelle immerzu. Sie ist gänzlich steril für die Anfälligkeit auf Zeitlichkeit zu setzen. Die in den Augenschein und in die Vergänglichkeit verliebte Seele hat am Ende das Nichts, die Sinnlosigkeit, den verfluchten Augenblick: den Tod. Vielleicht ist es an der Zeit darüber in die Stille zu kommen, welche Kraft in der Liebe liegt (1 Kor, 13). Wer diese „Liebe“ nicht hat, diese Sehnsucht nach heil sein, die Allen alles Gute „gönnt“, der ist, kann man sagen: tot!

 

Am Ende ist für den, der das verweigert, alles sinnlos, öde. Wenn „diese Sehnsucht“ stirbt in der Seele, dann ist wirklich allerhöchste Gefahr. Es sind nicht die Gefahren unserer Zeitlichkeit (hier) wirklich bedrohlich, nur eines aber: dass die Seele sich so verirrt, dass sie sich nicht mehr sehnt nach ihrer Herkunft, nach der Quelle, aus der sie doch lebt. Glaube, Hoffnung und Liebe sind wesentlich „zeit-enthoben“, jenseits der Vergänglichkeit. Wer glaubt, wer hofft und wer liebt, der verschleudert sein Innerstes in das Jenseits der Berechnung: er ist dem Umsonst, dem für Nichts „hörig“, er verlangt nichts mehr für seinen Dienst des Liebens  umsonst, weil der Dienst umsonst ihn zum wahren Leben be-freit hat. Rebekka ist noch von keinem Mann „berührt“, ihre Seele ist nicht vergiftet, kontaminiert von kausal bedingter Ursache, von Zeitlichkeit, nicht eingeschüchtert oder verängstigt von horizontalen Erfahrungen, die wir alle im Zeitlichen erleben müssen. Ihre Seele ist „frei“ vom vergewaltigenden Zugriff der Enge der Angst. Ihre Seele ist ledig vom Wissen müssen, ledig der wissbaren Gier, der Gier nach Gewusstem, nur zum Einordnen und Berechnen verzweckt. Sie ist „rein“ davon, eben jungfräulich.

 

Virginitas Foecunda: Wenn das Seyn zur Rast einlädt, zum Anhalten, zur Einkehr, zum Sein-lassen, zum gelassenen Blick auf Zeitlichkeit, dann sind die "guten Boten" spürbar anwesend: und der Bote, das ist doch der Engel: angelus domini! So "dicht" zeigt sich der Dank!

 

 

 

(Weiterführung)

 

 


 

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© Thomas Buchhas