μετάνοια (teschuwa)
Es heißt: eine Umkehr nur in leeren Worten sei eine große Sünde; derjenige, der sich so verhält, sei schwer krank. Die Umkehr ist also immer Tat, der Täter der Umkehrende. Dieses Tun kann nur in Stille und Ruhe geschehen, man kann darüber nicht reden. Erst im Tun, im Handeln, liegt die metanoia. Die Gefahr liegt in der blutleeren Abstraktion, im bloßen Auskundschaften, im: ich nehme es zur Kenntnis, das war´s, das reicht. Es gibt Momente, sehr wichtige denke ich, da wird einem ganz klar, dass jeder Tauschhandel aussichtslos ist, sogar eine große Sünde. Was heißt hier aber Sünde? Sünde ist im Wesen ein Nicht-empfangen-wollen; anders gesagt: wir schon immer Empfangenden verweigern den Empfang, d.h., wir danken nicht mehr und das heißt, wir kapitulieren nicht. Kapitulation bedeutet: ich gebe mich selbst auf (wie ein Paket), ich lasse es zu und nehme es an. Das ewige Heil kann man sich nicht kaufen, hier verbrennt aller Tauschhandel, hier ist man vor eine Entscheidung gestellt, hier geht es um das ganze Seyn und man spürt schon, dass wir dem Schöpfer nur geben können, was er uns zuvor schon gibt. Der sonst übliche Handel gilt hier nicht mehr, im Ewigen ist unser Seyn eine Bankrotterklärung: hier gelten ganz andere Maßstäbe. Wer hier bankrott geht, gilt als Verlierer, wer dort bankrott „ist“, ist ein Heiliger. Wenn der Tauschhandel nichts mehr gilt oder ausrichten kann, wenn ich das einsehe, dann bekommt man eine Ahnung von der umsonstigen Liebe (Ulrich). Alle Dinge hier auf Erden, heißt es, seien das Opfer unseres Schöpfers. Wir wissen das mit einem eigentümlichen Wissen und tun oft lebenslang so, als wäre das eine Option, als ginge uns das nichts an, eine Beliebigkeit, Nebensächlichkeit. Die Wurzel aller Angst besteht vielleicht darin, die Frage nach Gott unbeantwortet zu lassen, also nicht zu antworten, ihr nicht Stand zu halten. Hieraus resultieren auch alle Schuldgefühle, die man dann abarbeiten zu können glaubt: Leistung bringen, dann wird der Herr Erbarmen zeigen. Aber das ist eben nicht Erlösung, sondern Zwangsarbeit, Frohndienst in Ägypten, Leiden unter der Herrschaft der Angst. Das Anzeichen der Erlösung liegt im Staunen können über alles in dieser Welt, liegt in der Hoch-Achtung vor allem Seienden: nichts ist mehr „selbst-verständlich“ – alles aber geheiligt. Wir leben in einem Heiligtum, im Tempel – aber wir zeigen diese Hoch-Achtung nicht mehr, wir haben „vergessen“. Wer im Tempel die Augen erstmals wirklich aufschlägt, der kann nur mehr „danken“. Dankbarkeit zeigen ist: erlöster Mensch sein.
Zwang hat hier keinen Platz: entweder der Mensch liebt aus Freiheit, oder gar nicht, er dankt weil er dankt, oder gar nicht. Alles in dieser vergänglichen Welt ist heilig, weil es von Gott ist, nichts ist daher nebensächlich. Vergesse ich das, entsteht dieses Schuldgefühl in uns: wir wissen – aber wird verdrängen den Erlöser. Schuldgefühl ist das Anzeichen davon, dass die Freiheit der Liebe „verkauft“ wird, dass da ein Handel eingefädelt wird, dass man glaubt, man könne sich die Erlösung erkaufen, erschwindeln: also er-leisten. Aber das Höchste im Menschen unterliegt nicht unserer kleinkarierten Ökonomie. Die „käufliche Liebe“, wissen wir, ist keine. Wer sich Liebe kaufen möchte, der scheitert: er kauft sich vielleicht ein egoistisches Gefühl für Momente. Die Liebe „umsonst“ lässt sich nicht kaufen, mit ihr lässt sich nicht handeln: sie kann empfangen oder verweigert werden. Der Liebe „umsonst“ ist es Grund genug zu schenken, sich zu verströmen, sie denkt gar nicht an Leistung oder Gegenleistung. Im Tempel hat der Geldwechsler keinen Platz.
Benjamin: Sohn der Schmerzen, Sohn des Unterpfandes, Sohn der rechten Seite, Sohn vom Ende der Tage: der Vereinigung. Benjamin ist „hier“ ganz zugegen : Halleluja! Wir sollen in dieser unserer je jetzigen Welt das Hier endgültig und absolut mit dem Ewigen verbinden. Es geht also niemals darum, was wir tun, sondern „wie“ wir es tun. „Frucht vom Ende der Tage“: jeder von uns hat diesen Wunsch – und wenn man das bei sich verneint, was ja oft vorkommt (oft mehr unbewusst als klar und deutlich) – und eben seltsam ist dann, dass diese „Frucht“ nicht angenommen wird (Dominus est).
In Gen. 3,9 frägt Gott der Herr: Wo bist Du? – man muss sich hier fragen: Gott, der Allmächtige, frägt nach mir – er, der Große Gott, der Schöpfer, der alles ins Seyn ruft, er ruft uns – die Abtrünnigen, die Sünder, die nichts wissen wollen von ihm, die IHM die kalte Schulter zeigen. Da muss man sich fragen: Wer bist DU eigentlich, dass DU nach uns rufst – warum tust DU das? Müssten nicht wir, die Geschöpfe, nach IHM rufen? Jeder stelle sich diese Frage und jeder beantworte sie auch: und zwar auf der Stelle, dass heißt: je jetzt! Warum rufen wir nicht nach DIR, Gott?
Warum rufe ich nicht: Gott, wo bist du – ich will dich finden, zeige dich, kämpfe mit mir, gib´ mir Mut, dass ich mit dir kämpfe! Warum tun wir das nicht?
Hier muss man anhalten: der Mensch, der sich im bloß Irdischen, im bloß Horizontalen einrichten will, der es hier auf Erden „sehr wohlgefällig haben will“ (willhaben) – der frägt nicht mehr nach Gott, der frägt nur scheinheilig nach Gott, dass er uns die irdischen Wünsche und Pläne erfüllen mag. Dann ist Gott willkommen, sonst nicht. Gott ist dann Erfüllungsgehilfe meiner Ideen und Pläne und wenn sich diese erfüllen, dann lobe ich ihn; sonst brauche ich ihn nicht, es geht um mein Wohlgefühl hier auf Erden – und da soll Gott mir alles erfüllen was ich mir so wünsche. Jeder kann das bei sich weiter denken.
Gott ist, kann man sagen, „verzweifelt“, es sind die Tränen des Herrn im Ölgarten: er findet seine Jünger „schlafend“. Schlafend heißt eigentlich: der Mensch „frägt“ nicht mehr nach DIR, Gott. Gott ist dem Menschen kein DU mehr, kein personales zu DIR, oh Gott, geneigt sein. Gott fleht uns sogar an: Kannst du Mensch nicht DU zu mir sagen? Ich bin doch dein Schöpfer, alles hast du von mir, alles und auch deine Erlösung schenke ich dir: warum also frägst du nicht nach mir, warum rufst du mich nicht?
Wer kann das verstehen, was hier am Werk ist? Wir müssen umdenken: Gott, der Schöpfer, ER sucht uns – wer kann diese Liebe begreifen? Es müsste ja gerade umgekehrt sein: dass das Geschöpf den Schöpfer sucht und verehrt – das versteht doch jeder, oder? Aber es ist nicht so. Was ist da am Werk? Der Allmächtige ist auf der Suche nach seinem Geschöpf? „So“ ist die Liebe Gottes – ER läuft uns Abtrünnigen nach, ER sucht uns – und er wartet, wartet bis wir Antwort geben: Herr, da bin ich!
Οὕτως γὰρ: „So sehr“ – in dieser Art und Weise liebt uns der Schöpfer, dass er um unsere Liebe bettelt, dass er uns nachläuft – obwohl wir IHM alles verdanken.
Da muss man still werden, was ist da am Werk, wie verirrt ist unser Sinn?
Da ist dieser Drang in uns, dass das Unsere immerzu erfüllt sei: meines. Das Leben soll erfüllt sein, die Wünsche sollen erfüllt sein – es soll alles gut laufen: dann ist es erreicht! Was aber ist dann erreicht? Die Betäubung kann so weit gehen, dass man „vergisst“ – von einem Rausch in den anderen kippt und Rausch meint hier Haltung, habitus: so möchte ich sein, das will ich haben, das soll mir gehören (in allen Varianten). „Alles erreicht hier, alle Wünsche erfüllt hier“ – wenn es so scheint, dann kommt immer etwas Anderes, eine Krise, etwas pfuscht herein: oft ist es dann Krankheit, die durchkreuzt. Man erlebt das oft, z.B. steht die Pension vor der Tür und man denkt sich: fein, jetzt kann ich das Leben rundum genießen, jetzt habe ich es erreicht und dann plötzlich Krankheit. Oder: wenn ich das oder das noch erreichen könnte, „ja dann…“ – jeder hat so bei sich seine Pläne und Vorstellungen und immer spiele ich dabei die Hauptrolle. Dabei spürt jeder von uns, dass die „Rechnung nicht aufgeht“ – manchmal gehen die kleineren Rechnungen auf, aber die großen? Der endliche Absolutismus, merkt man, ist nur in einem permanenten Rauschzustand möglich, eigentlich gesehen nicht möglich. Irgendwann dann das Erwachen: es ging nicht. Dann der Gang in die Apotheke, die Ablenkungsmanöver müssen fortgeführt werden, vielleicht noch ein anderes Auto, diese Diät, ein Urlaub dort noch – ja dann… Und das grausliche Spiel beginnt wieder und wieder.
Früh lernt man „Selbstbeherrschung“ – das ist eine Pflicht, selbstbeherrscht sein: nun reiß dich endlich zusammen, du brauchst ja ein gutes (Lebens) Zeugnis! Dann können wir stolz sein und du kannst es auch. Wenn du aber diese Beherrschung verlierst, dann bist du ein Verlierer, gehörst nicht mehr dazu – wir mögen dich nicht als Verlierer. Die Selbstbeherrschung über sich verlieren hieße: die Oberhoheit über sich preisgeben, also ich bin nicht mehr Herr meiner selbst, habe es nicht mehr im Griff. Der, der die Selbstbeherrschung verliert, der hört auch auf mit aller „Schauspielerei“ – weil er sich verliert, hat er auch nichts mehr zu verlieren: er kann sich un-geschminkt zeigen, muss sich nichts mehr vor-machen, sich und den anderen (die mögen urteilen wie sie wollen, sind es doch deren Urteile).
Tränen des Blutes: Tränen sind das Hinaustreten unseres innersten Wesens. Erst wenn wir „weinen“, können wir uns verstehen: d.h., erst wenn wir es aufgeben, Masken zu tragen – dann zeigt sich unser Innerstes, die Tränen treten nach außen (nicht die physischen). Die können auch sein, müssen aber nicht. „Weinen“ hat in erster Linie nichts zu tun mit Jammern oder heulen (oder physischen Tränen). Wenn jemand physisch weint, kann das auch eine Maskerade sein.
Das tiefe Weinen bedeutet daher immer: jemand zeigt sein wahres Gesicht, er hat es aufgegeben, die Oberhoheit über sich zu behalten, er macht sich nichts mehr vor, steht „ledig seiner selbst“, steht „offen für…“ das Mysterium. Sein „guten Ruf verlieren“ und das auch zulassen, das wäre schon der richtige Weg. Weinen heißt daher wesentlich: Seyns-Offenbarung (es ist schon klar, dass hier nicht das physische Geheule gemeint ist). Wenn Gott weint, dann „offenbart“ er sich, sein innerstes Wesen tritt hervor, nach außen (wie die Tränen). Weinen heißt dann aus der Verborgenheit (lethe) in die Un-verborgenheit (a-letheia) kommen, sich zeigen, sich offenbaren – und zwar ungeschminkt. Deshalb sind die Taten Gottes immer Seyns-Offenbarungen, Gott weint nahezu immer. Daher auch: wenn man sich in einem tiefen Gespräch begegnet (da muss man gar nicht viel daherreden) – da weint man einander zu. Man kann sagen: jedes Gespräch, bei dem man nicht weint, kann man getrost vergessen, das war wertlos, da haben sich nur Monaden angeplärrt, äußerlich. Wem kann ich mich daher „ganz“ zu erkennen geben (ohne Maske)? Erst hier ist wahre Begegnung möglich. Das ist auch der tiefe Sinn der Beichte, der darin besteht, dass ich mich maskenlos zeigen darf – alles, ohne Ausnahme, darf da hochkommen und hervorkommen, nichts muss ich verstecken. Beichten ist daher ein Sich-leicht-machen, das Versteckspiel hört auf, ich darf ganz offen sein und erlebe keine Verurteilung.
Wann ist ein Mensch „wahr“?
Wenn er die Selbst-Beherrschung verliert: das Herrschen über mich selbst. Selbst-Beherrschung hat viel mit Rationalität zu tun, mit Reflexion, mit Überlegung und Logik, mit Machbarkeit und Planbarkeit, mit Nutzen-Kalkül, Kosten-Nutzen-Rechnung. Dies alles verliert an Lebens-Bedeutung, d.h. nicht, dass das alles unwichtig wäre, im Gegenteil – aber es verliert die Bedeutung der Lebens-Mitte. Ich verliere, weil ich mich gewinne – könnte man sagen. Die Heilige Theresa von Avila sagt einmal: ich sterbe, weil ich nicht sterbe!
Das ist eine sehr wichtige Wegmarke: es geschieht daher von selbst, denn ich habe es auf-gegeben (in speculativer Weise) zu tun, zu planen und zu machen. Es geschieht mir daher, ich will es auch nicht mehr erreichen, meine Eigenmittel sind dazu sehr begrenzt, ich bin mit mir selbst Bankrott gegangen, kann man sagen. Erst „diese“ Entblößung offenbart die Große Begegnung: hier erst wird vernehmbar: DU bist es!
Hier wandelt es sich: μετάνοια. Wenn jede Schauspielerei (Maskerade) aufhört, da beginnt das tiefe Weinen: dass innerste Wesen tritt heraus und zeigt sich dem Großen Gott, mein Wesen "wagt" das Antlitz Gottes, kann man sagen, es tritt DIR, HERR, gegenüber. Und Gott weint ebenfalls, denn er zeigt sich ja immer un-verstellt, wahr. Wo dieses Weinen geschieht, das ist wahre Begegnung, ist Wandlung: μετάνοια. Wenn einer „Blut weint“, dann hat das den ganz tiefen Sinn, dass er sein innerstes Wesen gibt, her-gibt, hin-schenkt. Die blutigen Tränen Jesu zeigen seine innerste Hingabe für uns, das Weinen des Herrn hat nichts Sentimentales, im Gegenteil: die Tränen des Herrn sind Zeugnis seiner Liebe zu uns. μετάνοια geschieht immer dann, wenn sich der Kopf (die Rationalität, das Kalkül) verloren hat: den Kopf zu verlieren hat grundsätzlich sehr heilsame Auswirkung. Wer den Kopf verliert (seine Selbstbeherrschung), der gewinnt eine Mitte aus „Blut“, ein lebendiges Herz. Selbstbeherrschung verlieren ist ein großes Wagnis: ich setze mich der Verurteilung der anderen aus und davor fürchtet man sich meistens. Oder wenn ich es nicht mehr „fest im Griff habe“ – was wird dann wohl sein? Die Verurteilung folgt auf den Fuß, z.B. jetzt mit Corona. Wenn man sagt: Gott hat es so gefügt, alles hat tiefen Sinn, auch wenn wir es im Moment nicht erkennen können. Wir werden staunen darüber, was der Herr aus dieser Corona-Krise machen wird. Hab´nur dieses Vertrauen. Haben wir es?
Da wird man regelrecht – wenn man das bekennen würde – hingeschlachtet (mit Verurteilungen). Das ist dann eben die Frage, ob man diese Verurteilungen fürchtet oder annimmt, aber nicht im Gegenreflex auf gleicher Ebene. μετάνοια ist nur im Vertrauen möglich. Das Wagnis des Verlustes der Schauspielerei wagen, die Selbst-Beherrschung verlieren, das ist der Beginn der Begegnung: je jetzt.
Und dann lasse ich auch meine "Verurteilungen" fallen, lasse es sein damit.
Was heißt das?
(Ostern, 2022)
VERSUCH des Unmöglichen
(Fortführung)
Wir leben also in einer „kastrierten“ Gesellschaft. In der Welt des Zwanges gibt es keine Fruchtbarkeit: daher Kastration.
Opfer: ich opfere auf, was mich bislang gefangen hält, ich opfere auf, was ich bislang für absolut wichtig hielt – meistens meine eigenen Vorstellungen. Wer im Kreislauf seiner eigenen Vorstellungen und Wünsche gefangen ist, der weiß vom Anderen „als“ Anderen gar nichts, der kommt aus seinen eigenen vier Wänden gar nicht heraus. Dieses Opfer soll immer mit Freude geschehen. Ich lasse also gerne den Kreislauf des irdischen Blutes durchtrennen. Der Kastrierte sieht nur den „Nutzen für die Horizontale“, er kennt nur Nützlichkeit und Berechnung für Vergängliches, oft nur Äußerliches. Er fragt stets: was bringt es? Was habe ich davon? Tut es mir gut? Geht es mir dann besser? Es heißt: lass´ alles, was erscheint, durch etwas in dir bestimmt sein, bestimmt werden, das von Gott ist. Man darf das Erscheinende betrachten, sofern man es immer auf Gott bezieht. Sobald man nur nach dem ur-teilt, was sich mir äußerlich zeigt, sehe ich nur das in der Zeit Messbare und verliere die Verbindung mit dem Anderen. Die Welt bloß nach ihrem äußeren Schein messen, beurteilen, einteilen, katalogisieren: das ist anziehend, sie bloß zu nehmen wie sie er-scheint: das ist Leben in der kastrierten Welt. Wenn ich mich so verhalte, mache ich mich zum Mittelpunkt aller Erscheinung und gehe so verloren, in die Fremde. Wie entsteht Wahrheit in uns? Nur durch „absichtsloses Tun“ – ohne Berechnung tun, das Tun um nichts, ohne Begründung. Dieses Tun tut dem Mitmenschen gut – handle einfach, ohne Berechnung- zu handeln und zu tun ohne an Erfolg oder Glück zu denken – das einzig erlöst vom Zwang. Dieses absichtslose Tun wahr-machen.
Was ist Traurigkeit? Wie zeigt sich diese? Heute oft in der Form des besinnungslosen „Immer-so-weiter-wie bisher“, gerade auch im losgelassenen Lachen und Lärmen, im Bekenntnis: wir kennen keine Traurigkeit. Dort, wo alles wie geschmiert und „rund“ läuft, dort ist der Mensch oft am Traurigsten: man sieht diese Leere und Traurigkeit in seinem Rausch der Betrunkenheit, in der Gier des Maßlosen: des Jetzt und Gleich und Immer so. Man kennt das: da, wo alles Horizontale erfüllt scheint, alles glatt läuft, alles Horizontale erreicht scheint, der Himmel auf Erden sozusagen, da ist die Depression oft massiv da. Dann muss man sich umso mehr betäuben. Im horizontalen Übermaß und Überangebot zeigen sich Traurigkeit und Aggression. Wir kennen das: manchmal kann man in Gesichter blicken, die sich un-beobachtet fühlen: dann sieht man diese Leere und Traurigkeit ganz klar; kaum ist man im Getriebe, begegnen sich oft nur mehr Grimassen (aufgesetztes Lächeln, gespielte Heiterkeit). Und die Grimassen schweigen sich doch an, sie sind stumm vor lautem Geplärr und schreien immerzu: was geht mich das an! Plötzlich – wie aus heiterem Himmel: das Staunen – wie ist es möglich? Was heißt das, Staunen? Es heißt: überrascht werden. Wer also im Gefängnis hockt, der kann nicht mehr staunen, daher ist nichts was geschieht eigentlich selbstverständlich. Mit allem, was mir begegnet, Kontakt aufnehmen – nichts verachten. Alles mit großem Interesse, mit großer Freude und mit großem Staunen aufnehmen: das bleibt, vergeht nicht, wird aufbewahrt!
Das betrifft vor allem den lógos, das Wort: was wir lesen und hören, das ist vermittelt durch den lógos. Hören auf das "Wort" heißt dann: sich etwas "sagen lassen wollen" durch das Wort - das ist dann das lebendige Wort. Die Sprache spricht (Heidegger): dann ist lebendige Beziehung da. Jeder kann das sofort bei sich prüfen: wie gehe ich um mit dem Wort, werbe ich um das Wort, halte ich mich auf beim lógos - oder weiß ich sowieso gleich alles (und das heißt nichts)?
Staunen heißt: nichts ist selbstverständlich, alles aber ein Großes Mysterium. Ich sehe also die Welt plötzlich mit „anderen Augen“ – sicher, die gleiche Welt und doch ganz anders: denn das „Staunen“ erhebt sich. Dann kommt die Gnade gerade „hier und jetzt“. Nicht die Welt verachten, im Gegenteil: alles kennen lernen wollen und sehr erstaunt sein darüber. Wir sind in der Welt, aber nicht von dieser Welt: unser Herz hängt nicht an dieser Welt, weil der Himmel in uns wohnt. Der Mensch, heißt es, muss alles tun „ohne es zu wollen“, ohne zu wissen: „warum?“. Das Leben genießen heißt nicht, in einen Rausch verfallen. Es heißt: die Dinge wach sehen, ihnen bereit und klar gegenüberstehen und sehen, „dass“ sie da sind – sie eben nicht verleugnen. Man frisst den Alltag in sich hinein, wie er sich darbietet: besinnungslos, bewusstlos – nichts Besonderes mehr, je mehr, desto besser – ein Rausch allseits: dauernd konsumierend. Aber: in jedem Ding „ist“ etwas ganz Besonderes, es zeigt etwas Unerhörtes, jeder Tag ist daher ganz besonders. Die Dinge sind eben nicht nur nützlich, sie tragen den Glanz des Nicht-Selbstverständlichen. Kann ich das noch sehen? Weil ich das Überraschende in jedem Ding sehen kann, daher kann ich mich freuen. Das heißt eigentlich „nüchtern“, „wach“ sein, das Wunder sehen, zu spüren.
Dan heißt es: schöne Worte, das redet der sich bloß ein - aber: das Einreden, das Ein-bilden ist sehr wichtig, ist keine Kleinigkeit: was ich mir ein-bilde, das wird Bildnis, ist absolut real - je nachdem; ich kann mir auch einbilden, diese oder jene Krankheit zu haben: dann wird es auch so "sein". Wenn ich Tabletten schlucke, saufe, mich betäube: dann verschaffe ich mir bloß äußerliche Freude, Genuss – diese Freude vergeht aber gleich wieder, muss neu verschafft werden – innerlich wird man leerer und leerer.
Man sagt, dass das Tun das Entscheidende sei! Aber dann - wie weiter oben schon gesagt: die Manöver der Ablenkung.
Was ist diese ständige Ablenkung und wovon werden wir abgelenkt? Es klingt jetzt zu abstrakt, genau genommen werden wir vom Seyn abgelenkt, von der Dichtigkeit im Seyn. Der Abgelenkte, kann man sagen, ist nicht ganz dicht, er steht nicht „dicht“ im Seyn, er ist durch und durch „durchlässig“ für das Horizontale (Zeitliche) derart, dass er „nur“ daran Anstoß nimmt. Es gibt auch eine andere Dichtigkeit, die schon sehr gefährlich ist: man ist dann „zu“, nicht mehr offen, kann nicht mehr hören: ist taub-stumm! Abgelenkt, kann man sagen, vom Seyn, das ganz „absichtslos und umsonst“ währt und ge-währt. Ich stehe zwar im Seyn und kann es trotzdem nicht empfangen, weil ich abgelenkt bin, meistens immer in das begegnende Horizontale. Der Sinn erfüllt sich dann nur mehr im Aktionismus, im Programm, in der Vor-habe, in dem, was ICH vorhabe. Die Vor-habe bei Heidegger, hat ganz anderen Sinn: es ist das im Voraus-Gehabte: also alles, was ICH gerade nicht machen kann: die ganze Herkunft, die Seyns-Teilhabe. Auch das Sterben gehört hier her, denn der Tod ist auch im Voraus „gehabt“ – also unverfügbar. Vorhabe ist Un-verfügbarkeit, das Machen scheitert „hier“ absolut (Ohnmacht). Dass es möglich ist, im horizontalen Absolutismus zu scheitern, das ist eigentlich die Große Treue und Hingabe unseres Schöpfers für UNS. Ablenkung bedeutet auch in uns das Wählen müssen, das Massive der Alternative: immer so oder so oder so, niemals aber „sowohl als auch“. In der Ab-lenkung liegt ein Gelenkt werden und zwar jetzt in dem Sinne, dass ich an meine Macht der Lenkung „glaube“, dass ich mich „autonom und handlungsfähig“ glaube; und diese Art von Glaube ist ein Verfallen sein an eine negative Freiheit. In der Wahl meiner Programme glaube ich mich frei, bin es aber nicht, sondern bin gebunden, abgelenkt. Am Ende hat der Mensch die Wahl zwischen dieser negativen Ablenkung oder der Gebundenheit der Freiheit der Kinder Gottes; diese Freiheit ist eine absolute Gebundenheit in der Führung durch den Heiligen Geist: Sklaverei der Freiheit. Es gibt auch im Denken den Hang zum „Wesen“ – zum „Wesentlichen“; das ist ja der Kern aller Metaphysik: ousía – kennt man, das Wesen. Viel ist darüber geschrieben worden und wer das Wesen „kennt“, es „weiß“, der hat das Wesentliche erfasst und wenn der das Wesentliche erfasst hat, dann ist er am Ziel, dann hat er das Geheimnis aus der Verborgenheit herausgerissen, verobjektiviert – Wissen ist dann Macht. Wie schwer es fällt, sich einmal nicht abzulenken sieht man dann, wenn man versucht, einmal 1 Stunde still zu sein: da geht es dann erst richtig los mit der Ablenkung: da stürmen Heerscharen von Gedanken heran; die Erlösung ist dann der Ruck zum Konkret werden im Tätig werden. So „jagt“ man das Wesen regelrecht, will es nach gewissen Regeln erlegen, einfangen und hat, so glaubt man, das End-Ziel gefangen. Aber, was ist dann, wenn man das Wesen „erlegt“ hat?
Ich glaube, das meinte Ferdinand Ulrich mit dem Schließen der ontologischen Differenz: das Wissen wollen, das Definieren und im Wissen zum Ende kommen wollen ist ein unausrottbarer Trieb, der in diesem Streben sich selbst ermächtigt: Wissen ist Macht. Man hält eben die Beschränkung, die Behinderung schwer aus. Das Seyn aber subsistiert nicht, es hält nicht an sich, lässt sich nicht definieren und einfangen: da bleibt man machtlos, ist dem Seyn ausgeliefert. Wie geht man mit dieser Ohn-Macht um? Sich darüber „verwundern“, das wäre schon sehr heilsam.
Das Wundern will nicht mehr „zeigen“, es staunt bloß, es will auch nicht mehr beweisen oder provozieren, das Sich-verwundern „ergibt“ sich. Man sagt ja oft: es „ergibt“ sich einfach wie von selbst. Und früher, als sich die Kinder noch prügeln durften, da hat man dem Anderen so lange zugesetzt, bis er sich „ergeben“ hat. Im Er-geben liegt auch das „Geben“: ich gebe mich Dir ganz hin, ich gebe, schenke dir mein Herz zu Deiner Verfügung, ich anerkenne Deine Oberhoheit ganz und gar: das ist dann die Selbst-Er-gebung. In dieser ver-äußert sich mein ganzes Wesen zugunsten der je höheren Herrlichkeit. Er-geben hängt auch zusammen mit be-gaben, die Gabe geben. Darüber ließe sich jetzt sehr Tiefes (Ferdinand Ulrich) sagen: das Seyn als Gabe Gottes. Liebe (Seyn) ist wesentlich: geben, Gabe. Auf-geben ist also los-lassen, es aufgeben, alles selbst in die Hand nehmen zu wollen, darauf verzichten, selbst mein Meister und Herr zu sein. Darin liegt das eigentliche Wesen der Freiheit der Kinder Gottes: sie sind frei von den eigenen sehr beschränkten Vorstellungen und offen für das Staunen. In dieser Haltung nähert man sich dem, was als eigentliches Opfer gebracht werden könnte: der Verzicht auf den horizontalen Absolutismus in mir und die Freiheit, sich offen zu halten, Empfänger zu sein. Hier entscheidet sich Wesentliches: der Vertrauende, der sich dem Seyn öffnet, auf-macht, herein-lässt, den Mut zur Zu-mutung aufbringt. Das hat viel mit Ehrfurcht zu tun, das ist dieses Staunen vor dem unbegreiflichen Geheimnis. Man versteht es heute sehr schlecht, wenn man von „Opfer“ spricht, da denkt man in erster Linie an Verzicht: das muss ich sein lassen, das darf ich nicht mehr, das muss weh´ tun, sonst wäre es kein Opfer usf.
Aber im Opfer liegt gerade die Erlösung: denn das Opfer sieht in allen Dingen das große Wohlwollen – im Opfern öffne ich mich, lasse herein, bin ganz Empfänger, Aufnehmer, Offener. Das Opfern ist ein Darbringen und kann nur im restlosen Vertrauen gebracht werden. Opfer ist daher in erster Linie Verzicht auf meine Vorstellungen, meine Pläne und meine Weisheiten, auf mein Müssen und auf meine Leistung.
Eigenartig ist, dass das Opfern als „dieser“ Verzicht ganz und gar vermieden wird: da bringt man lieber selbstgewollte Gaben, auf die man 4 Wochen verzichtet – das ist dann das äußerliche Opfer, hat aber mit Opfern nichts zu tun, sondern ist Beweisen wollen der eigenen Stärke. Wer sich „verwundert“ (also staunt), der "opfert sich", der ist schon Empfänger, er ist Täter des Empfangen könnens. Wundern und Staunen ist schon Tat des Opferns: zurücktreten vor der eigenen Eingebildetheit, mindestens noch ein wenig aufmerksam sein, dass da noch etwas Anderes am Werk sein könnte. Wer staunt und sich verwundert, der er-lebt die Dinge, die sich ihm zu-sagen. Er kollidiert nicht mehr nur mit Außenseiten (eben Äußerlichkeiten), er verzichtet auf seine vorgefassten Urteile über… - er begegnet, erlebt, ist offen und vermeidet die Festlegung. Das hat ganz und gar nichts zu tun mit Weltverleugnung oder Ablehnung der Welt, nichts zu tun mit Welt-Verzicht, im Gegenteil: jetzt erst bekommt die Welt Gelegenheit sich so zu zeigen, wie sie an ihr selbst ist (Heidegger).
Opfer ist daher wesentlich niemals „Eigen-Leistung“, geradezu das Gegenteil: Opfer ist vertrauendes Hoffen, frei-geben, sein-lassen, zu-lassen – Opfer ist Gelassenheit und Überzeugt sein von Dingen, die man „nicht sehen“ (Hebräer) kann – also im Glauben verankert sein, mit einem Wort: lieben! Heilung geschieht wie von selbst, sie wächst einem zu.
Es bleibt zu betrachten: was heißt da Leben? Was ist Leben eigentlich? Vorweg: Leben ist nur Leben von Ewigkeit her – alles andere bleibt im Tod! Wenn ich von Ewigkeit her lebe – da kann ich ganz beruhigt sein, auch wenn mein Körper dahingerafft wird: ich lebe doch in Ewigkeit. Versuchung bedeutet „überzeugt sein“, dass das irdische Leben, die Horizontalität, „alles“ sei. Nur „hier“ aber, in der Horizontalität des Endlichen, ist es uns möglich, „umsonst“ zu lieben, zu hoffen – zu seyn, ganz „absichtslos“ da zu sein und das ist eben die größte Herausforderung, die darauf wartet, „getan“ zu werden (eben nicht nur reflektiert zu werden). Gerade in der Beschränkung der Endlichkeit, im oft Aussichtslosen des Todes, da zeigt sich das Wunder des: ich tue „trotzdem“ – ich bin „trotzdem“ absichtslos, wünsche es dem Anderen auch, verurteile „trotzdem“ nicht usf. Eigentümlich: jetzt zeigt sich mir immer klarer, dass man in Gedanken sehr weit gehen kann; aber das Nur-Denken (ohne Handeln) ist eben beschränkt, am Ende nichts wert. Man muss daher die Grenze des Nur-Denkens über-schreiten, verlassen: es zeigt sich dann im Seyn. Es ist dann, dass ich die vernünftigen Grenzen des Zumutbaren verlasse in das Land des Un-zumutbaren. Dort heißt es sehr genau: das ist nicht möglich, das ist eben un-möglich. Die Liebe aber liebt gerade das Un-mögliche, sie nimmt keinen Anstoß am bloß Möglichen, bleibt dabei nicht stehen, schon gar nicht als Letzt-Sinn. Die Be-freiung wäre ohne die Schwere und Anziehungskraft der Horizontalen nicht möglich. Der Böse erträgt das Absichtslose nicht: dass einer tut ohne Berechnungen anzustellen! Das liebende Tun „kommt von selbst“ – der Akteur bin eigentlich nicht ich mit meinen Berechnungen und Abwägungen, bin nicht ich mit meinem Kosten-Nutzen-Kalkül. Auf dieses Kalkül lässt sich der Liebende gar nicht ein, er geht hier keine Kompromisse ein. Ewigkeit lässt sich glücklicherweise nicht besitzen, sie widersteht dem willhaben-Prinzip, sie lässt sich nur erleben, im Beziehung haben, in der Sehnsucht die „über-steigt“. Werde ich also zum Ewigen erweckt oder wende ich mich ausnahmslos dem Zeitlichen zu? Dann herrscht die Angst, denn die Angst ist der Schrei der Verlorenen in der horizontalen Wüste. Angst, spürt jeder, wird mächtig in der „Enge“ – wenn es eng wird, wenn also die vorgehabten Pläne durchkreuzt werden: oft massiv durch Krankheit. Was ist dann, verliere ich dann das Herz? Oder: jeder stirbt – nicht dann einmal, sondern „jetzt“ ist der Moment des Sterbens: was dann, verliere ich wieder das Herz (innerste Mitte)? Vielleicht wäre es sehr gut, wirklich einmal den Kopf zu verlieren, das meint die „Lebens-Rechnung“, den „Lebens-Plan-für-hier“ – dann spürte man die Grenze: wie entscheide ich mich „jetzt“ – nicht dann einmal. Diese Fragen dulden keinen Aufschub, das ist eine Lüge, eine Lebens-Lüge. Wo die Gelassenheit wohnt (Gewöhnung, habitus), da hat die Angst keinen Zugriff. Die Gelassenheit kann aber nur da wohnen, wo das über-natürliche Vertrauen wohnt und das ist eine je personale Geschichte, die jeder „selbst erzählen muss“. Eine der größten Versuchungen liegt darin, das Wort Gottes bloß denkerisch, überlegt, bloß a-personal aufzunehmen: man „isst“ das Wort Gottes nicht mehr, man sieht es von Ferne, schielt es an, aber das Herz bleibt kalt. Der logifizierte Geist flüstert dann: es sind nur Worte, es geht dich nicht im Wesen an, man liest diese Worte chronologisch wie die Chronik einer Tageszeitung, die im Lesen schon wieder vergessen ist. Es ist wichtig: Gelassenheit kann nicht sein, wenn meine Seinsmitte (Herz) am Vergänglichen hängt, wenn ich ausgeliefert bin an das Zeitliche, das ja vergeht; ich kann das Vergängliche wirklich nur schätzen und darüber staunen, wenn ich bereit bin, es auch los-zu-lassen, wenn ich es „lassen“ kann; wenn ich an es aber verloren (verkauft) bin, dann wird es mich (meine Seinsmitte) erobern und auffressen. Dann drängt sich diese hintergründige Lebens-Angst heran, wird mächtiger: von Gelassenheit dann keine Spur mehr, dann wird die Horizontale regelrecht vergewaltigt (das sieht man ja allerorts). Für den Gelassenen bleibt die Welt die Welt, sie hat aber ihre Anziehungskraft, ihre Aufgereiztheit, ihr Werben um mein Herz verloren – mein Herz hängt daher nicht mehr an der Außen-seite, an der Äußerlichkeit – sondern lebt aus der Ewigkeit. Erst jetzt kann die irdische Welt auch gelobt und verherrlicht werden, denn sie ist ja Gabe, Geschenk, Unverfügbares – uns zur Freude. Wenn die Seele mit ewigen Augen die Dinge anblickt, dann erst sind sie auch „schön“ – das ist Schönheit. Es wird um diese Verbundenheit mit unserem Schöpfer gehen; wo diese Verbundenheit fehlt, da gerät die Horizontale zum absoluten Gefängnis. Eine wichtige Voraussetzung zum Verstehen ist die Differenz zwischen Wissen und Glauben: dazu eine Behauptung: was wir Wissen nennen und recht und schlecht darunter verstehen (Beweise führen, Logik, usf.) das hängt sehr viel mit „Glauben“ zusammen und auch damit, was man letztlich unter „Wahrheit“ versteht. Was ist wahr? Was bedeutet das? Unter „Glaube“ wird oft etwas verstanden, was unter personale Beliebigkeit subsumierbar ist: das ist reiner Glaube, sagt man, d.h. so viel wie Unsinn, nicht belegbar, nicht beweisbar – etwas sehr Beliebiges, etwas für das Gefühl, etwas Sentimentales. Hier liegt ein großer Irrtum vor und ich glaube, man kann die Menschen hier nicht „überzeugen“ mit Beweisen. Die ewige Frage Gottes an mich: liebst Du mich „trotzdem“ – einerlei was ich dir zumute, einerlei wie es her- und zugeht? Wagst du diese „bedingungslose Liebe“ zu mir – denn mit „dieser“ Liebe liebe ich dich von Ewigkeit her! Will ich die Schwere der Welt verlassen, zu Dir, Herr, aufsteigen? Aufsteigen bedeutet: ich (glaube) ich bin überzeugt davon (das heißt eigentlich glauben): alles ist leicht, er-leichtert, ge-klärt (das ist das echte, wahre Erklären), nämlich dass es „ganz klar“ sei, also ge-löst und daher er-löst – los-gelassen: die Welt ist dadurch erhellt und erleuchtet; alles Schwere ist geschwunden „trotzdem“ die „alte“ Schwere bleibt. Das Wesentliche ist: es bleiben die Schwierigkeiten, die Krankheiten, die Plagen – alles bleibt so: aber der Auferstandene schreitet hindurch, das alles hindert ihn nicht mehr: JA zu sagen! Gott freut sich ewig, dass der Mensch zum Äußersten imstande ist, das heißt: zu diesem bedingungslosen JA sagen, zu dieser Liebe: trotz aller Kreuze und Schwierigkeiten. Das ewige Leben der kommenden Welt ist eben „jetzt“ da – aber vor lauter Horizontalität sieht man es nicht. Loben und Preisen heißt eigentlich: glücklich sein, indem man glücklich ist, weil man geborgen in Gott lebt, weil er alles schon erfüllt hat, durch „dieses“ Loben ehrt und verherrlicht man Gott. Den „Sohn“ gehen lassen: es zu-lassen, dass ich meine Ober-hoheit über mich gehen lasse, fahren lasse, sie opfere.
Es ist wichtig: was ich wähle, erhalte ich. Man kann sagen: unsere tiefsten Wünsche werden „immer“ erfüllt. Das ist für den herkömmlichen Begriff nicht zu verstehen, das tut aber nichts. Ich möchte hier ein Wort von Meister Eckhart am Ende seiner Armuts-Predigt bringen, er sagt:
Wer diese Rede nicht versteht, der bekümmere sein Herz nicht damit. Denn solange der Mensch dieser Wahrheit nicht gewachsen ist, so lange wird er diese Rede nicht verstehen, denn es ist eine Wahrheit, die nicht ausgedacht ist, sondern unmittelbar gekommen aus dem Herzen Gottes. Dass wir so leben mögen, dass wir es ewig empfinden, das walte Gott. Amen.
Darin spricht sich Tiefes aus: „Verstehen“ hat im Tiefsten damit zu tun, dass wir Stand nehmen, Haltung einnehmen, Verstehen ist also wesentlich ein „Tun“, Verstehen hat nicht in erster Linie die Dimension einer kognitiven Leistung. „Immer“ also werden unsere Wünsche absolut erfüllt: da frägt man sich: aber ich merke nichts davon, ich bleibe krank, ich bin im Elend, nichts ändert sich, keine Spur von erfüllten Wünschen. Dann ist es an der Zeit einmal zu fragen: was wünsche ich denn eigentlich? Habe ich mich bloß für das Horizontale entschieden? Dann wird sich dieses immer „erfüllen“ – je nachdem (gut oder schlecht – aber immer horizontal). Wer Horizontales wünscht, bekommt dieses. Der horizontale Mensch ist als solcher dann sehr „kastriert“, er hat sich verloren, verirrt und der Verlust der Ewigkeit ist keine Kleinigkeit. Der Kastrierte bemerkt das schon dann und wann, er verdrängt es aber gleich. Das Ewige im Menschen kann nie endgültig verloren gehen, es ist eine Macht in uns, die uns hier – im Horizontalen – nie gänzlich aufgehen lässt, zur Ruhe kommen lässt: der Ewige ist der „Unruhe-Stifter“ absolut, der ja dann auch deshalb gekreuzigt wird, weil man das schwer aushält – das ewige Sein. Lieber sich betäuben als wach sein. Das ist eigenartig und rational nicht erklärbar: dass der Mensch die Erlösung verweigert und die Betäubung wählt. Warum eigentlich? Das Böse ist eine Macht, die in sich verdammt ist. Verdammnis ist etwas Unverrückbares. Man sagt, die gefallenen Engel sind verdammt in Ewigkeit. Da gibt es keine Umkehr. Diese Macht spüren wir auch in uns, es ist ein Kampf, kann man sagen, auf Leben und Tod. Es ist daher wahrhaft ein Wagnis, in die Ent-schiedenheit gebracht zu werden, klar zu sehen: was will ich wirklich, wofür lebe ich eigentlich? Da darf man nicht ausweichen – das muss entschieden werden. Lebe ich bloß für die Horizontale oder für das Ewige? Verdammt ist derjenige, der diese Fragen sieht, sie auch begreift: aber keine Antwort gibt, keine Antwort kommt, es bleibt leer und finster.
Wann immer im Menschen die Sehnsucht erwacht „über-hinaus“, der zerbricht schon den endlichen Absolutismus, der ist schon auf den Weg in den Himmel, der zeigt auch Reue, denn Reue ist schon das Schauen der Ewigkeit, das tiefe Erwachen in einem selbst: ich „bin“ erlöst – ich brauche das nicht zu machen und kann es gar nicht. Das tiefe Empfinden in einem selbst, „erlöst zu sein“ (es ist ein Seyn, kein Seiendes) ist zugleich auch Grund und Boden der Vergebung: wer so „sehen“ kann, der vergibt sich selbst, denn er weiß sich von IHM her ins Seyn gestellt und so kann er auch allen Anderen nur das beste Wünschen, und das ist diese „Ewigkeit in Gott“ – das ist Vergebung. Ich bemerke im Anderen: auch in Dir ist diese Sehnsucht – sicher sehr verschüttet und verkrüppelt – aber sie ist da und das ist dein Wesen, da bist du mein Bruder, meine Schwester. Wir wünschen uns dieses höchste Glück über alles Horizontale hinaus. Sei „gütig“ immerzu, heißt es. Gütig sein heißt: „gut“ sein – auch seinen Feinden alles Gute wünschen, gerade ihnen, dass sie es ganz „gut“ haben mögen: das ist Vergebung im Wesen. Am Ende fragen wir alle – alle Menschen – „Wer bist Du, Großer Gott?“ – und jene, die den Kopf dabei schütteln oder verächtlich ätzen, die fragen ganz besonders danach, sie trauen sich aber nicht, dieser Frage Stand zu halten! Der Mörder in uns frägt auch: Wer bist Du, Großer Gott – er frägt aber ganz verkrüppelt! Wenn man das erkannt hat, dann kann man allen Widersachern ver-geben, ihnen „geben“, wonach sie verlangen, ihnen wünschen, dass ihnen Heil sei! Der „Herr“ zieht alle Augenblicke vorüber – je jetzt - das Heil geschieht fortwährend – man kann nur staunen und danken, sich ergeben. „Ewigkeit“, „Erlösung“ erleben wir ganz „real“ im Jetzt, weil Erlösung uns immer schon einen Schritt voraus ist, wo auch immer wir hingehen in dieser Welt, in unserem Seyn, der Weg ist vom Herrn her „bereitet“ – so sagt es auch der Psalm 23. Am Ende angelangt, also im Anfang, zeigt sich das Wunder: ich lebe von Ewigkeit her – alles ist schon erlöst.
„Versuch des Unmöglichen“ – im Wort Versuch liegt wesentlich die „Versuchung“. Versuchung wird gleich negativ belegt, als Verführung. Dann gibt es freilich noch die Bestimmung: ich versuche es, ich probiere es. Die Verführung liegt gerade darin, dass ICH es probieren muss, versuchen muss, ich muss all meine Kräfte aufwenden um z.B. der Versuchung zu widerstehen.
Im Versuch liegt aber auch das „Suchen“, und das ist der eigentliche Sinn: bevor ich mich auf die Suche begebe, bin ich schon der Gesuchte, die Frau wird schon am Brunnenrand „erwartet“, man kann sagen: der Herr hat sie gesucht, daher findet sie IHN. Wir sind schon die „Gesuchten“, längst bevor wir suchen, wenn überhaupt. So ist unser Seyn immer schon zum Voraus gerufen, dem Ruf kann keiner entgehen und jeder antwortet auf seine Weise (oft sehr verloren). Und das Unmögliche? Es meint das Transzendente, das Verlassen der horizontalen Ansprüche: alles, was mir möglich erscheint, könnte bei kräftiger Anstrengung auch verwirklicht werden: Pläne, Ideen, Projekte usf. Das Unmögliche aber verweigert die Verwirklichung im horizontalen Geflecht: hier stoße ich an meine Ohnmacht und das einzusehen ist sehr wesentlich, denn „diese“ Ohnmacht befreit mich vor der Hybris meines Wahnsinns. Das Unmögliche führt zum Auf-geben: das Wort hier speculativ gemeint, also ein Sich-los-lassen, dann ein Sich-auf-den-Weg-schicken-lassen (wie man ein Paket aufgibt), dann ein Hinauf-geben (ein Auf-Blicken), der Blick, also die gesamte Haltung und Gesinnung ist „erhoben“: die Seele erhebt sich zum Herrn und Schöpfer. Die Aufgabe hat aber auch den bekannten Sinn, dass mir etwas aufgetragen ist, dass ich die Aufgabe „lösen“ soll und dieses Lösen besteht gerade im Los-lassen, im Geben, im Sich-hingeben – das ist dann auch die Erlösung. Aufgabe ist kein Gewaltakt meiner Anstrengung, vielmehr hat diese Aufgabe mit „Vertrauen“ zu tun: das Vertrauen, dass am Ende aller Tage alles „gut“ ist – und dieses Ende der Tage ist je jetzt – in diesem Augenblick, deshalb, weil die Ewigkeit keine Zeit kennt. Am Unmöglichen scheitern eben alle Selbstermächtigungen, hier könnte ein Staunen beginnen, ein Sich-wundern, ein Auf-wachen, ein Inne-werden, das Wort in dem Sinne der Er-Innerung: man geht in das Innerste, in das Wesentliche und bemerkt mehr so nebenbei, dass man längst der Geführte, der Gesuchte ist. Bemerkt man dies, sieht man auch das Wunder. Das lässt sich nicht mehr sagen oder erzählen, es liegt jenseits des Horizontalen, des Zeitlichen und aller Versuche, das Wunder dagegen zum Erscheinen zu bringen zeugt nur von der Verfallenheit unserer Seelen an das Zeitliche, Vergängliche, der Sucht nach Haben wollen.
Gerade das Unmögliche zeigt die Kehre, die Um-kehr, die Ohnmacht ist wesentlich „positiv“. Man kann eigentlich immer nur „rückblickend“ bemerken, wie der Herr uns schon führt. Dann beginnt vielleicht ein stiller Dialog: DU bist es – DU erwartest mich. Versuch des Unmöglichen – wir „sind“ die Gesuchten, längst bevor wir die Suchenden sind.
Deo gratias!
VERSUCH des Unmöglichen
(Februar 2022)
Wie geschah das? In der frühen Kindheit vielleicht; da wurde plötzlich das Herz herausgesetzt, es war noch rot und voller Blut, glühte. Dann mehr und mehr das Ausglühen, das Aufhören, das Erkalten. Später dann zeigt sich diese Herzenskälte, sie ist sogar äußerlich erkennbar: immerzu ist es kalt, die toten Finger zeigen bloß an: diese Herzenskälte. Allein: es gibt nicht nur ein eiskaltes Denken, das ist die Logifizierung – die gibt es andauernd. Man denkt „beziehungslos“, denkt über…, redet über…. Man spürt dabei die Kälte, da bleibt es dann sicherer, bequemer. Der reine Geist, sagt man, ist der Geist ohne Beziehung, ohne Sehnsucht, da ist kein Herzblut darinnen. Das ist schlimm, das ist schon sehr tödlich. Beziehungslos denken hält man heute für normal, z.B. hat das jedes Urteil an sich: der ist so und so, die ist so und so… - und schon ist´s passiert, man denkt sich nichts weiter dabei. Urteile sind aber grauenvoll, tödlich; nicht nur weil sie den Anderen vernichten, ich selber, der Urteilende, bin in meinem Urteil vernichtet, es ist nur Ausdruck meiner Beziehungslosigkeit. Man kann sagen: jedes Urteil fegt das eigene Gefängnis leer: tödliche Fest-legung.
Später, vielleicht, gelingt ein Ein-Blick: es gibt Begegnungen, die sind in sich tödlich; ich meine das jetzt in einem ganz anderen Sinn, nämlich derart, dass man selbst durch und durch erschüttert ist: und das ist der Beginn der Wandlung. Wie lässt sich das „sprachlich“ ausdrücken? Ich ringe also jederzeit mit der Sprache. Sprache, Wort – im Griechischen heißt λόγος auch Wort. Und im Johannes Prolog ist von diesem λόγος die Rede und da wird schon klar, wie es mit dem Wort wesentlich ist. Das Wort ist da nicht nur so ein Wort-Ding. Ich möchte also darüber sprechen (das ist schon sehr irreleitend formuliert; erstens: ich möchte… und 2. darüber…) – sit venia verbo. „Ringen“ ist gut – um das Wort „ringen“; das ist ein Näher-kommen, das Wort ansehen, es lieben, Beziehung aufnehmen – in diese Richtung wird es gehen. Im Hebräerbrief ist davon die Rede. Da heißt es:
Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens (Hebr. 4,12).
Dieses Wort soll jetzt der Leitfaden sein. Heute flog ein Gedanke heran, es war sicher ein Engel des Herrn: es ist alles erfüllt; was zu tun bleibt ist eben das Nicht-tun, das unermessliche Empfangen. Dazu ist die Stille nötig und das Gelassen-sein und sicher das Sich-Zeit-lassen (nehmen). Man muss sich eben auf-halten, weil jeder Augenblick ein ewiges Geheimnis birgt. Was denkt man da, man liest: das Wort Gottes ist lebendig! Was ist ein lebendiges Wort? Von Heidegger her bin ich schon misstrauisch der Frage-Form: was ist… gegenüber; man spürt schon, dass da Ver-Sachlichung hereinspielt. Die Was-Frage will zum Wesen vordringen, will definieren, am Ende heißt das: zu Tode definieren. Man muss da aufpassen. Also: lebendiges Wort – „lebendig“: was heißt Leben? Leben, lieben, laben, loben – das könnten Hinweise sein. Leben und Tod, denkt man auch zusammen oder gegeneinander. Lebendiges Wort „tötet“, es ist gefährlich, sich dem lebendigen Wort aus-zu-setzen. Ich glaube darin liegt der innerste Grund der heutigen Verweigerung, sich der Heiligen Schrift auszusetzen. Denn das lebendige Wort ist „vernichtend“, es räumt alle Illusionen weg, deckt jede Lüge auf, vernichtet blödsinnige Vorstellungen, das lebendige Wort dringt in den tiefsten Grund unserer Seele. Daher kommt die Verweigerung, es wird gemieden, damit man in Ruhe gelassen immer weiter irren kann. Mit der Heiligen Schrift kann man sich nicht „beschäftigen“, das ist Dummheit, so eine Art Spielchen. Im Gegenteil: wer sich auf das lebendige Wort einlässt, der setzt seine gesamte Existenz auf´s Spiel. Es ist das größte Wagnis, das man sich vorstellen kann – viel abenteuerlicher als die Solo-Besteigung der Eiger-Nordwand im Hochsommer (weil da der Steinschlag so gefährlich ist). Ich mache mir – während ich schreibe – eben Gedanken darüber, wie ich schreiben, erzählen soll – welche Form. Vielleicht die Form der schwebenden Distanzierung: mir fällt da immer wieder die Formale Anzeige von Heidegger ein: also immer Hinweise, Weg-weiser, Weg-marken. Gehen muss ja jeder selbst. Ferdinand Ulrich hat einen treffenden Untertitel in seinem Hauptwerk „Homo Abyssus“ – da heißt es: Wagnis der Seinsfrage. Übrigens will ich diese Schrift sehr empfehlen: man versteht dann besser, was es heißt: „speculativ“. Sicher muss man sich dabei Zeit lassen, das ist heute schon schwierig genug. Also „Wagnis“ – Wagnis hat immer damit zu tun, dass man selbst ins Un-gewohnte kommt, den gewohnten Bereich verlässt und sich dem Ur-gewohnten nähert. Das wäre jetzt auch eine schöne Zusammenfassung für „Homo Abyssus“: Man nähert sich im Ziel dem Ziel an. Dann: Wagnis heißt auch, dass man nie den Weiterweg klar weiß, er wächst einem zu, man weiß nicht recht wie, man muss also (G)großes Vertrauen haben. Dann: Wagnis heißt hier auch: wahrhaftig sein, sich nichts mehr vorlügen. Der Ertrag des eröffnenden Denkens ist ja immer der, dass man seine eigenen Blödheiten klar sieht, dass man lernt „Empfänger“ zu sein. Da gibt es ein treffendes Gedicht, das einmal Georg Gadamer in einem seiner Vorträge bringt. Ich stelle es hier herein, es spricht auch Wagnis, seltsam, darum kommt es jetzt hereingeflogen:
Solang du Selbstgeworfnes fängst, ist alles
Geschicklichkeit und läßlicher Gewinn -;
erst wenn du plötzlich Fänger wirst des Balles,
den eine ewige Mit-Spielerin
dir zuwarf, deiner Mitte, in genau
gekonntem Schwung, in einem jener Bögen
aus Gottes großem Brücken-Bau:
erst dann ist Fangen-Können ein Vermögen, -
nicht deines, einer Welt. Und wenn du gar
zurückzuwerfen Kraft und Mut besäßest,
nein, wunderbarer: Mut und Kraft vergäßest
und schon geworfen hättest..... (wie das Jahr
die Vögel wirft, die Wandervogelschwärme,
die eine ältre einer jungen Wärme
hinüberschleudert über Meere -) erst
in diesem Wagnis spielst du gültig mit.
Erleichterst dir den Wurf nicht mehr; erschwerst
dir ihn nicht mehr. Aus deinen Händen tritt
das Meteor und rast in seine Räume...
Aus: Die Gedichte 1922 bis 1926 (Muzot, 31. Januar 1922)
Da ist von der Begegnung Gott und Mensch die Rede und vom großen Empfangen. Das Große Empfangen ist wesentlich „heilig“, nicht weil der Mensch so heilig wäre, sondern weil er „plötzlich Fänger“ wird (also Emp-fänger). Das sind wir ja alle schon immer, eh klar, aber zeitlebens oft nur „tote Empfänger“. Heilig ist der Empfang, wenn er „lebendig“ ist und das kann er eigentlich nur sein im Dank, und der Dank ist immer lebendiger Dank, da gibt es eben keine Ausflucht und Ablenkung mehr, da werden alle Ablenkungs-Manöver als lieblos erkannt; die werden dann auch losgelassen. Davon ausgehen: Alles ist schon da, die ganze Fülle ist schon da. Jetzt möchte ich etwas sehr Wichtiges sagen, finde ich zumindest, dass es sehr wichtig ist: Irgendwie, glaube ich, hat jeder zumindest so ein Gefühl in sich, dass da in der Welt es nicht ganz gut hergeht, dass da immer was offen bleibt; da muss man gar kein Pessimist sein, also, jeder weiß bei sich, irgendwie stimmt es nicht ganz. Klar, man kann sich belügen, alles schön reden, da weiß man aber auch, dass das nicht stimmt. Man spricht heute manchmal von Umkehr, Besinnung usw. – das kennt man. Was ist Besinnung? Es ist ein Aufruf, sich für das WORT Zeit zu nehmen. Das kann (oder soll sogar) Lyrik sein, wunderbar: Paul Celan, oder Rilke – wer auch immer. Dann die großen Erzähler: Dostojewskij z.B., vielleicht auch der eine oder andere Denker – an erster Stelle dann das Heilige Wort selbst (das kommt erst oft viel später). Sich Zeit nehmen für das Wort ist nie verlorene Zeit, es ist „heilende Zeit“. Das versteht man schwer: wenn man z.B. sehr schwer krank ist, z.B. taubstumm, wie der Taubstumme im Evangelium – das ist einer, der redet zwar zeitlebens wie von Sinnen, rund um die Uhr – aber er sagt eigentlich nie wirklich ein „Wort“ weil er in Wahrheit stumm ist, und er kann auch nicht wahrhaft hören, weil er zeitlebens seine Ohren mit lauter Blödsinn anfüllt – der ist also sehr „schwer krank“: da kann das WORT absolut heilsam sein und ist es auch. Ich behaupte jetzt etwas, kann es aber nicht beweisen im Sinne einer Gesetzmäßigkeit: jede Krankheit kann eigentlich nur durch das WORT geheilt werden (freilich, das lebendige WORT: und das WORT ist Fleisch geworden, durch den lebendigen λόγος). Das alles sei jetzt einmal so voraus-gesetzt. Dann noch ein Wort zur Heilung: was heißt heilen, heil sein, heil werden? Im Wesen bedeutet Heilung die Loslösung vom egoistischen Gefängnis, die Loslösung von der Festgefressenheit an die eigene Vorstellung und an die Welt der Äußerlichkeit. Heilung ist also in erster Linie niemals ein Wegnehmen irgendeiner physischen Erkrankung – das kann auch sein – ist aber dann bloß eine Zugabe. Wer um Heilung betet, der wird heil an seiner Seele, nicht in erster Linie körperlich (obwohl das dann auch eine Rolle spielt). Man kann daher sagen: wenn die Seele krank ist, kann der Körper gesund sein, wenn die Seele gesund ist, kann der Körper auch krank sein. Der Körper spielt also nicht die wesentliche Rolle, sondern die Seele. Man darf aber den Körper deshalb nicht verachten, im Gegenteil: der Körper ist etwas Heiliges, weil darin die Seele wohnt.
Wir fragen oft (oft auch ohne Besinnung): Wie geht´s dir? Geht es gut? Wir wollen, dass es gut geht, dass es gut ausgeht. Man denkt sich dabei nichts mehr, eine abgedroschene Formel. Wir fühlen auch: im Leben soll es uns selbst sehr gut gehen, das wollen wir erleben, erreichen. Ständig dieser Drang nach dem „guten Leben“, ein Leben ohne Leiden, ohne Beschwernisse usf. Es ist aber eine Schreckensvision: man steht kurz davor, glaube ich, dass man den künstlichen Menschen kreiert. Also, man wird dann Chip´s implantieren können, die Unendliches versprechen und auch verwirklichen. Diese Chip´s sind programmiert auf: unendliches Wohlgefühl, andauerndes Hochgefühl, keine Depressionen mehr, nur Rauschzustände, kommen Leiden, werden die als solche nicht mehr wahrgenommen und für das Sterben gibt´s dann auch den traumhaften Übergang, sodass da kein Sterben mehr sein wird. Traumhaft, diese Chip´s wird man dann in der Apotheke kaufen können, der Depressive auf Rezept.
Dieser Mensch ist so dabei, sich als solcher abzuschaffen, ihm fehlt dann nichts mehr und das ist gerade der Anfang vom Untergang. Es kommt dann in diesem glücksprogrammierten Leben nicht mehr zu Erschütterungen, daher auch keine Fragen mehr, die noch erschüttern, wo man merkt: das geht mir an die Substanz, da komme ich mit meinen billigen Lügen und Ausreden nicht mehr durch. Man frägt: Bist du zufrieden mit deinem Leben? Und meistens antwortet man: Ja, es geht mir gut! Oft lügt man dabei, denn es geht eben nicht so gut, man lügt es sich dann schön. Und man weiß ja auch, dass man immer zufrieden sein soll, so lehrt es auch die Kirche: sei mit allem zufrieden und so lügt man sich oft die Welt ins Gute. Jetzt bin ich 52, was aber wird in 60 Jahren sein – wo bin ich dann? Ja, sagt man: das führt jetzt zu nichts, diese Fragen kennen wir ja schon. Man kann alle Menschen deshalb schon sehr achten – alle – weil jeder diese Frage mit sich herum schleppt; wenige halten ihr Stand, sie wird dann weg-erklärt: dann ist man tot. Oder Vergangenheit: meine Lebensgeschichte – wo ist die? Weg? Schon allein das Wort Geschichte zeigt das Tote. Geschichte „so“ als volles Grab. Was, wenn diese meine Geschichte „stürbe“, dann wäre das Grab „leer“? Eine andere Perspektive: jeder hat schon sein Grab von Geburt an und das, was man Geschichte nennt, das ist all das, was wir im Durchgang durch unsere Zeit da hineinwerfen und zwar andauernd: alle Erlebnisse, alle Begegnungen, alles wirft man in das eigene Grab, das immer voller wird und versiegelt es temporär mit dem Bekenntnis: Vorbei, das war gestern, das vorgestern, das meine Kindheit – aus und vorbei, das ist Vergangenheit. Und dann gibt es da auch noch das „leere“ Grab; kennt man aus den Evangelien. Wenn man es nur „kennt“ im Sinne von: habe ich gehört davon, zur Kenntnis genommen: dann ist das „leere Grab“ dort auch tot. Oder mein Großvater. Habe den nie gekannt, der kam aus Russland, vermutlich dann auch Alkoholiker – wie so viele. Der stirbt dann knapp 20 Jahre vor meiner Geburt. Wer war er? Was für ein Leben hatte der? Die Großmutter spricht nicht darüber, jetzt ist sie auch tot. Ja, das ist eben die Frage: ist sie tot? Der Tote in uns urteilt: ja, gestorben, aus, vergangen – das ist vorbei, Schluss. Ja, da muss man dann sagen: das Lebensgrab bleibt voll. Oder: der Großvater, den ich nie gekannt habe, der lebt. Du spinnst, wird man sagen – klar! Gut, du bist ein Religiöser – auch ein schreckliches Urteil – du musst das eben glauben, dass da keiner wirklich tot ist. Was ist „Beziehung“? Das ist hier die entscheidende Frage: man kann sagen, dass die Erklärer, Aburteiler, die Logifizierten, die ganzen religiösen Spinner – das die alle „beziehungslos“ leben. Klar, für den Beziehungslosen ist der Großvater eben tot – aus und Schluss. Was aber, wenn der Großvater jetzt eben da bei der Tür hereinkäme, mich anblickte und sagt: Hallo, Enkel, schön dich kennen zu lernen, ich erzähle dir jetzt, wie das damals so war!
Da wird man sagen, du spinnst, bist kein Realist, das gibt´s nicht, du träumst eben, verweigerst die Realität. Oder: das ist ein Irrer, der spricht mit Toten usf. Das „bildest du dir eben bloß ein“. Das wird eine große Frage hier sein: Was heißt Ein-Bildung? Ich behaupte einmal: Ein-Bildung ist ein Tun, ein Handeln, ein In-Beziehung-kommen, ein Näher-bringen, Näher-kommen. Das Tun ist wesentlich, nicht das leere Philosophieren oder Logifizieren. Dabei kann man sich sehr schön einrichten, im Nachdenken von Denksystemen, kann sein leeres Leben damit auffüllen und anfüllen, man kann sich sogar mit Büchern „besaufen“, dann hat man einen Bücher-Rausch. Manchmal führt der Bücher-Rausch auch zur Ein-sicht; das ist dann reine Gnade.
Was heißt Beziehung bekommen? Es heißt, sich „nähern“ – an-fragen: Wer bist Du (eigentlich)? Du bist mir ein Rätsel! Bei den Menschen, die anfangen sich zu lieben, ist das klar: die haben Inter-esse am Anderen – wer bist DU? Beziehung bekommen heißt dann fähig sein zu lieben, an-zufragen, Inter-esse. Es kann vorkommen, dass dann wer frägt: Gott – wer bist Du eigentlich? Dann fängt auch eine Liebesgeschichte an. Wenn man aber nur lebenslang Staub frisst, also eine Illusion der Zeit nach der anderen reinstopft, dann ist das sinnlos und am Ende wird es immer sinnloser. Das kennt man von sich selbst: man beschäftigt sich lebenslang zu Tode, rund um die Uhr irgendeine Beschäftigung, Hauptsache sich irgendwie die Zeit vertreiben, was Sinnvolles tun, heißt es oft – aber jeder weiß: das ist die große Flucht. Auf der Flucht „schreit“ der Mensch zeitlebens: ich habe etwas verloren, ich finde es nicht, es ist weg. Gut, tröste ich mich halt und kaufe mir morgen ein neues Auto, das sechzigste Paar Schuhe, lese die und die Zeitung, berechne meine Pension, laufe in die Kirche, neues Handy, paar Jahre noch, Urlaub dort – einfach genießen.
Das ist auch ein Tun, aber man spürt da schon, dass da etwas nicht stimmt. Es gibt ein Mysterium des Tuns (das ist keine billige Magie) – denn das Mysterium ist immer Ein-Sicht, es lässt sich eben nicht rational einfangen, verfügbar machen. Geheimnis des Tuns – was ist das? Beten und Tun – zusammen. Beten ist im Grunde ein Tun der Liebe, ein In-Beziehung-sein: jedes Grashälmchen hat nicht-verrechenbare Bedeutung. Beten heißt auch: das Wort lieben wollen (da spielt der Wille eine große Rolle) – also mit dem Wort in Beziehung sein (nicht haben). Beten heißt immerzu fragen: was bedeutet das jetzt? - was sagst Du mir damit. Man merkt da oder ahnt es, dass jede kleinste Kleinigkeit (die wir so aburteilen) eine immense Bedeutung in sich trägt. Die erscheinende Welt ist von enormer Bedeutung; leider wird das Äußere gerade bei dem im Geist Trainierten ab-gewertet, das ist sehr traurig, auch das Körperliche wird dann abgewertet, Politik, Gesellschaft, Umstände – das alles kommt dann schlecht weg. Aber das ist gerade eine große Lüge, eine Fluchtbewegung des Stoikers (Hegel, Phänomenologie des Geistes) in uns. Das gehört dann auch zum „unglücklichen Bewusstsein“.
Die Welt, wie sie da ist und uns erscheint, ist sehr, sehr wichtig. Nicht in dem Sinne, dass wir an sie verfallen sein sollen, negativ oder positiv – sondern „weil sie da“ ist – deshalb hat sie enorme Bedeutung, ist etwas Heiliges. Das Körperliche, das hier Erscheinende, das ist enorm wichtig. Was ist ein Traum? Es heißt: ein Stück Leben ohne Lüge. Die Träume, heißt es, die ich stets vergesse, die nie in mein Bewusstsein treten, wirken tagsüber fort und gestalten mein Leben. Sie werden lebendig in der zeiträumlichen, erscheinenden Welt. Es heißt: das Wichtige beim Erzählen sei das Zählen – ohne dass sich der Verstand einmischt. Was heißt das? Alles geht von ganz allein – man muss (kein Zwang) nichts dazu tun – man kann ganz gelassen den Tag empfangen, jeden Augenblick. Vielleicht kommt eine Haltung der Gelassenheit, wo man spürt: alles ist „trotzdem“ gut – auch wenn´s drunter und drüber geht und alles anders kommt! Man muss das Leben, wie es auch kommt, „lassen“, es „sein“ lassen: das ist eben ein Zu-lassen. Man kann dabei ganz unbesorgt sein, es vermeiden, sich aufzuregen. Aufregung kommt immer von Zwang; alle Aufgeregten sind „Zwängler“, irgendetwas, was sie sich so gerade eingebildet haben oder wovor sie sich ängstigen, tritt wirklich auf: dann ist helle Aufregung. Seltsam, der Mensch ängstigt sich und ist dann überrascht, dass genau das eintritt, wovor er sich ängstigt. Das Seyn zu-lassen wie es ist: das ist die große Be-Freiung. Da kommen dann vielleicht Grobheiten, Kriege, Krankheiten, allerlei gesellschaftliche Blödheiten: einerlei, wenn das Vertrauen da ist, kann man das Seyn wie es eben ist, „sein lassen“. Wenn also alles, was uns täglich begegnet, „ewige“ Bedeutung hat, dann darf man nie achtlos sein, man sollte es jedenfalls nicht: alles verdient unsere ganze Aufmerksamkeit. Und ich glaube, dass das immer schwieriger wird, mit dieser ungeteilten Aufmerksamkeit: denn immer lenkt man sich ab, ist immer irgendwie beschäftigt, man muss immer ein Programm erfüllen, so oder so. Ganz „umsonst“ da zu sein scheint un-möglich. Daher die Überschrift: Versuch des Unmöglichen. Das meint eigentlich: mit ungeteilter Aufmerksamkeit ganz offen zu sein, ganz da zu sein – keine Wertung zu haben, ganz Empfänger zu sein. Das Un-Mögliche ist eben das „Riskierte“, das „Gewagte“, das „Wagnis“. Und es ist sicher, dass dabei nichts herausspringt, dass das nichts einbringt, dass da kein Gewinn, kein Nutzen, kein Erfolg herauskommt. Im Gegenteil: es wird sich zeigen, dass der Weg des Heiles wesentlich ein Weg des Leidens ist, ein Weg, der dann auch wesentlich ans Kreuz führt. Der Heils-Weg ist niemals ohne Kreuzigung. Zwang heißt: ich muss – ohne Wenn und Aber! Erlösung ist immer Erlösung aus dem Zwang, den ich auf mich selbst ausübe. Keiner kann mich zwingen, außer ich lasse den Zwang zu! Da müsste man sich jetzt länger aufhalten: man kann zwar (und es sieht auf den ersten Blick ganz danach aus) äußerlich gezwungen werden dies oder jenes zu tun – unter Strafandrohung – aber innerlich erlebt man das nicht als Zwang. Das Gegenteil ist auch möglich: äußerlich bin ich ganz frei zu tun, doch innerlich sehr gezwungen dies oder jenes tun zu müssen.
„Handeln ohne Absichten“ – das erzeugt Wut und Ärger. Kann der Mensch un-verstellt sein? Also keine Masken, echt sein? Das Tun zeigt es, nicht das Reflektierte. Absichten sind immer reflektiert, man hat so seine Gründe. „Trotzdem“ handelt man entgegen aller Berechnung, sogar in völligem Widerspruch zum gesunden Hausverstand. Das Wort „trotzdem“: zeigt das Störende an, das Irritierende. Handeln ohne Berechnung ist Tun ohne Absicht, seine eigenen Pläne los sein. Was ist dann? Meistens ist es ja umgekehrt: man überlegt sein Handeln, reflektiert, sucht Erklärungen und dann handelt man, so oder so. Man hat also stets Absichten, Entwürfe, Überlegungen – die kommen vor dem Handeln, vor dem Tun. Ein absichtsloses Tun kommt immer aus dem Seyn, nie aus der Absicht oder Überlegung. Das ständige Berechnen wollen zeigt nicht nur eine immense Angst in uns, sondern zeigt den großen Vertrauens-Verlust an.
Also „Erklärungen“ – Hegel sagt einmal: Mir selbst ist es schrecklich genug, wenn einer zu erklären anfängt, denn zur Not verstehe ich alles selbst.
Handeln ist wesentlich „Tun“; dieses Tun ist kein Rund-um-die-Uhr wie besinnungslos und kopflos fuhrwerken. Still sein kann eigentlich nur der Handelnde, weil er im Vertrauen ruht. Wer also ständig rechnet, der be-rechnet und das führt immer in die Enge (Angst), dass die Rechnung auch nicht aufgeht – man fürchtet sich schon beim Berechnen. So ist es auch mit den Absichten: die erzeugen dann immer Aggressionen, wenn sie sich nicht so erfüllen wie man es erwartet. Es ist ein Gefängnis, aus dem sehr schwer zu entkommen ist. Erlösung meint wesentlich Befreiung aus diesem rationalen Gefängnis der Festlegungen. Man muss das bei sich betrachten, diesen „endlichen Absolutismus“ (Festlegung).
„Verlassen sein“: verzweifelt sein. Ich behaupte jetzt etwas Gravierendes: der heutige Mensch ist nicht mehr wahrhaft verzweifelt. Er jammert dagegen rund um die Uhr, redet sich vieles sehr schön, alles ist im Grunde lieb, nett und es wird schon gut werden. Viele, viele Depressionen gibt es, jammervolle Zustände – überall. Dann das ewige Gejammere über Krankheiten usw. Das ist aber nicht „wahrhaft verzweifelt“ sein. Solange man noch jammert, ist man noch lange nicht verzweifelt, solange man noch depressiv ist, ist man auch nicht verzweifelt.
Der Psalm 22 zeigt ganz genau an, was das ist: Verzweiflung – Verlassenheit. Da gibt es keine billigen Vertröstungen wie: das wird schon, nicht so schlimm, am Ende wird eh´ alles gut. Es fehlt also Mut und Kraft zur „wahren Verzweiflung“, dass die Dinge, wie sie kommen und sind, wie Stürme über uns hinwegfegen, dass wir im tiefsten Ringen „alleine“ stehen – das wissen wir auch oder ahnen es. Diese „wahrhafte Verzweiflung“ lässt sich eben nicht schön reden und umgehen; sie lässt sich großspurig verdrängen, aber offenbart sich dann umso härter. Um der wahrhaften Verzweiflung im Mensch-sein, die nicht zu umgehen ist, zu entkommen, betäubt man sich lebenslang: Konsum, Rausch, Saufen, Drogen, Beruf, Karriere, Engagement, Lesen, Erklärungen, usf.
Diese Verlassenheit im Psalm 22 ist die unsere, jeder trägt sie, kann sie gar nicht abschütteln, versucht es zwar – aber am Ende aller Tage (am Ende des Tages) weiß es jeder (oft nur unbewusst): verlassen. Das Wort Verlassenheit beinhaltet auch ein „Lassen“; ehrlich konfrontiert mit dieser Verlassenheit findet man in dieser das „Lassen“. Wir wagen den Blick nicht mehr in diese Tiefe der Verlassenheit und doch sieht man sie in allen Begegnungen. Und dort, wo dann einer sagt: ja, ich bin ein Glückskind, mir gelingt alles, ich bin auf die Butterseite gefallen, habe das und das noch vor… also keine Spur von Verlassenheit, da zeigt es sich nur umso deutlicher: dieser Schrei aus unserer Tiefe. Solange ich noch über dies und jenes nörgeln und jammern kann oder mich auch fürchten muss: solange wage ich nicht den Blick in die Tiefe meiner Verlassenheit, bin ich nicht „wahr“. Man kann auch sagen: was, wenn ich mich nicht mehr betäube? Und die gefährlichste Betäubung ist vielleicht sogar die rationale, der „kalte lógos“, die „schöne Rechnung“, die „klare Festlegung“. Was, wenn ich auf das Betäuben verzichte? Dann, vermutlich, bin ich erst „Mensch“. Wir haben nicht mehr den „Mut“ zum Kampf in uns, zum Ringen, zum wahrhaften Klagen (daher auch die Klagelieder) – wir stellen uns nicht mehr der Herausforderung wie Hiob – wir haben nicht mehr die Kraft zur Anklage gegen Gott, „…mit dem man ringt, bis dass er einen segnet“ (Hofmannsthal). Wenn es hochkommt, jammern wir Gott an und winseln um Geschenke, meistens Gesundheitspakete – aber kämpfen und schreien mit ihm – auch das Wagnis dann, dass in diesem Kampf mein Leben auf dem Spiel steht? Man merkt: da geht es nicht mehr um meine Befindlichkeiten oder was ich so gerne hätte in diesem horizontalen Leben: da geht es um IHN, nicht mehr um mich.
Die „Alles wird schon gut, alles ist schön, lieb und nett-Mentalität“ (die Kehrseite ist dann das aggressive Ausagieren) zeigt eine unheimliche Ver-weichlichung, die ständig Ablenkung manövriert und Gegenwind vermeidet. Alle sind wir entweder lieb und nett zueinander oder grauslich und aggressiv, je nach dem. Beide Seiten haben das verweichlicht Sentimentale an sich, das Weinerliche, denn der Aggressive ist eben auch eine Heulsuse, eine besonders „rohe“. Betäubung allseits ist eben der Reflex, dass man dem Drama nicht mehr gewachsen ist. Das ist auch der Sinn der Selbst-verleugnung, von der der Herr spricht. Es meint: ich bin nicht nett und lieb, nicht aggressiv und verachtend, nicht schönredend, sondern: wahrhaft – ich verzichte auf meine Befindlichkeiten. Das sentimentale Objektivieren ist etwas ganz Tödliches: damit bezeuge ich meine Beziehungslosigkeit. Ich sage dann: das geht ja mich nichts an; dann ist auch die Beziehung nicht mehr da, denn zu einem entfernten kalten Wissens-Objekt kann ich keine Beziehung haben, bestenfalls eine logifizierte, da schiebe ich aber nur in mir Eiswürfel hin und her. Dem sentimentalen Objektivieren fehlt also der Mut zum Seyn, zur Konfrontation mit dem Ab-Grund (Homo Abyssus). Der Ab-Grund ist ein Nicht-Grund und daher in sich etwas Gewaltiges, nicht Feststellbares aber eben deshalb Allmächtig.
(Weiterführung)
LEBENDIGES WORT
(Februar, 2022)
Lebendiges Wort: speculativ, es erzählt sich das lebendige Wort, Wort Gottes. Es ist nicht mehr das gleiche Leben, aber doch dasselbe. Wie geschieht der Durchbruch? Er lässt sich nie machen, er ist plötzlich da, man weiß nicht wie, aber das ist dann die Wirklichkeit! Leben im Sterben: woraus lebe ich eigentlich? Was ich glaube, wird in meinem Glauben „geschehen“ – daher: …der in uns den Glauben vermehre, stärke, groß mache, einzig mache. Wer daher glaubt, kann wahrhaft Berge versetzen! Jesus zeigt sich ihr, Maria Magdalena, er lässt sich sehen nach meinem Glauben – denn er IST. Jean Corbon hat darüber Tiefes geschrieben: der Auferstandene IST: nicht ER verändert sich, sondern er lässt sich - je nach unserer Sehnsucht (=Liebe) erkennen. IST (so geschrieben) bedeutet die unverrückbare Wahrheit, die Treue der Liebe zu uns Un-Treuen.
Bei der Feige stehen bleiben heißt: diese irdische Welt genügt mir, ich brauche nicht mehr, es reicht mir! Wohnen heißt: ge-wöhnen! Wohnung beziehen: sich ein-leben! (davon auch: Ein-sicht) Wissen heißt eigentlich fest-legen, denken bedeutet: Fest-legung! Die Liebe denkt aber ins Uferlose, sie sehnt das Un-mögliche und weil sie es denkt, deshalb „ist“ es.
Man hat DICH gemordet, damals und heute, DU bist es nicht einmal wert, dass man an dir Anstoß nimmt. Wenn es hochkommt: weil ich etwas für mich will, um meinetwillen. Aber jederzeit bist du da, der Lebendige. Festlegung geschieht unentwegt: Herr, bewahre mich vor der Festlegung, vor dem Urteil, lass´ es nicht unverrückt bleiben. Ja, es fehlt der Glaube – alles ist dem Glaubenden wirklich, lebendig. Also nicht jammern, jeder Augenblick ist Hohes Lied. Wir leben lieber mit dem Betrug, mit dem Trug in der Zeit, mit der Schale außen. Liebe die Liebe, das geht nur in Freiheit, ist Wille in Freiheit – lieben zu wollen, zu antworten – dann lebt alles, ist personal, alles und jedes, aber nicht weil es dort und da ist – die Liebe schreitet hindurch.
Das Leiden, ein Lieben und was man Leid benennt sagt, dass ich die Liebe nicht fassen konnte. Wenn alles Wissen nur gewusst wird, ist Böses am Werk – das „reine Wissen“ ist in sich Böses. Was ist mit meinem Leben, jetzt? Richte ich es immer noch ein, Ziele? Die Liebe ist doch immer da, es ist eine Lüge zu sagen: ich analysiere erst alles und dann entscheide ich mich, für oder gegen – bis zur Entscheidung warte ich aber noch, ich hab´ ja noch Zeit. Verzichten: die Illusionen des Horizontalen wegräumen, ihnen nicht nachlaufen – frei bin ich, jetzt. Das lebendige Wort lebt (speculativ): hast du das schon einmal erlebt, dass das Wort lebendig ist? Rausch, Betriebsamkeit – man hat ja noch Ziele, die müssen verfolgt werden, oft mit Aggression – mit „muss“. Immer wieder dann rettende Zeichen: der Tod, das Sterben. Halte ich dem Stand, halt aus – halte ihn, den Tod, halte das Sterben? Oder betäuben (taub sein wollen, oft auch ohne es zu wollen)? Blind weiter so? Den Zwängen weiter erliegen?
Liebe kennt keinen Zwang, sie engt niemals ein, hat keine Angst, ist daher frei! Gibst du es auf, dich bloß horizontal einzurichten? Er-gibst du dich, das ist ein Sich-geben, das Er-geben, das ist: sich-frei-geben, in die Freiheit gehen, durch-brechen: Hingabe = Freiheit. Rauschzustand: alles selber machen wollen, machen müssen, machen können.
Zäsur, Einschnitt, wann war das? Liebe kennt keine Angst!
Wenn der Mensch nicht mehr weiter-frägt, in das gegenwärtig Ewige hinein (nicht in das Un-Endliche, das ein Weiter-so-Endliches ist) sich sehnt, dann stirbt das Wichtigste in ihm. Er ist am Horizontalen ver-endet, ver-west, jetzt schon. So ist die Apokalypse des Heiligen Johannes das Leben des Menschen schon „hier“. Verfolgt: wenn die irdischen Maßstäbe zerbrechen – das heißt: ich werde verfolgt, vernichtet! Und wer nicht verzeihen kann, der ist noch gebunden, an Äußeres und wer so gebunden ist, der muss sich betäuben, will nicht hören, muss sich besaufen.
Verstehst Du? Wachen – wach sein, jederzeit getragen sein von Ewigkeit: dann ist Gelassenheit da, keine Eile mehr. Jetzt dringt es durch, nicht wahr? Ja, das Ewige ist das, Du, Herr, bist da - und das Zeitliche war mein Leben, so oder so, immer nur Vergängliches. Warum diese Abwehr in uns? Man kann auch beten aus Pflicht, eine Art Zeitvertreib, um die leere, tote Zeit anzufüllen, um zu vergessen. Ständig dieses Vergessen machen, das Sich-betäuben. Aber DU rufst in dieser Betäubung, gehst mit und ich höre DICH (noch).
Ja, bei der Liebe geht es um das Höchste, daher auch die Höhe des Bösen, weil es sehr ernst ist. Alles andere im Leben sind Spielchen, Zeitvertreib, totes Geplärr. In all meinem Dreck sehe ich aber hindurch zu DIR – das ist eigentlich nicht verständlich, auch nicht machbar – es kommt einem zu (geflogen) – ein Engel. Maria Magdalena, DU hast das erfahren – hilf mir, bete für mich. Wer bei Gott wohnt, hat nichts zu fürchten: kann alles lassen, Gelassenheit, Mysterium des Tuns – je jetzt. Auf-wachen: nicht schlafen, heißt: lebendig sein, im Seyn sein, sich angesprochen fühlen – ant-worten – wage ich das? Ich töte dich, Herr, wenn ich es nicht glauben kann oder will – dann rede ich nur – aber tun? Tot-machen, zum Schweigen bringen, sei endlich still!
Stelle dir vor dein Sein in Ewigkeit, träume es: wie sehe ich da aus – wie bin ich da – vollendet, gesalbt, ewig, schneeweiß, rein, heilig, strahlend. Wir aber wollen dich eigentlich nicht – je jetzt – irgendwann einmal, ja, nach meinem Tod, vielleicht, weil du barmherzig bist – aber je jetzt? Wer kann das für wahr halten – und doch ist es die einzige Wahrheit – so ernst ist es. Gesalbt sein – jetzt ist die Salbung da – je jetzt – glaube ich das? Und das Denken? Es kann dich verführen, wegführen von der gesalbten Wahrheit, die dich jetzt anspricht, du aber hörst nicht mehr, sondern denkst bloß. Wort Gottes, nah, weil es jetzt in mir ist. Philosophie? Liebe zur Weisheit, sagt man, wer konnte das „zer-brechen“ – konnte das Brot brechen?
Doch dann immer wieder das Verdrängen, das Verschieben, das Weiter so…wie immer!
Bist DU wahr in mir, für mich, je jetzt? Jetzt „gilt“ es – antworte mir – bin ich, Dein Herr, wahr für dich – antworte mir?
Oder ver-äußere ich die lebendige Wahrheit, bringe sie ins Äußere – da geht es mich nichts mehr an, ist weg – zum Glück! So kann ich lebenslang vergnügt und sicher über den Herrn philosophieren – ohne Bedenken. Wissen, Lesen – lebenslang auch eine Art von Betäubung.
Das Lamm, also Gelassenheit, das ist das „Bild des Lammes“. Ich rede über DICH, Herr, wie über eine Sache – dann habe ich DICH verraten, verkauft, veräußert – unerträglich, wie kann es sein? Das „Reden über…“ ist immer eine Kreuzigung!
Das Leben „hier“ (horizontal) absolut, fix, unverrückbar machen – hier, das Zeitliche vergöttern – das ist der Verrat – endlicher Absolutismus. Ich könnte der Versuchung widerstehen, indem ich nicht das Reich hier, in der Zeit haben will, sondern in Ewigkeit. Wenn du glaubst, reagiert die andere Seite schon – und oft wollen wir Beweise, Eindrücke, es jetzt haben, hier haben – man kann nicht warten und will es nicht: Herr, schenke mir Geduld und Ausdauer und deinen Frieden!
Es heißt, die größte Überraschung im Ewigen wird sein, dass alles Leid hier auf Erden Liebe ist. Heiligen heißt: ewig spricht es zu mir – dass ich Ewigkeit empfange. Was heißt Glücklich-sein? Keine Angst vor dem Tod, das Gefühl: im Grunde ist es „gut“. Und dann die einzig wirklich entscheidende Frage, der man nicht ausweichen soll: ich sterbe – kann ich das, vermag (mögen) ich das? Vor dieser Frage läuft jeder weg, betäubt sich, hält ihr nicht Stand. Wird diese Frage verdrängt, meldet ich Aggression, so oder so: Unruhe, Unlust, Ungeduld. Denn ich will „hier“ bleiben, hier glücklich und gesund sein, jetzt soll es sein und am besten un-endlich, will gerade vergessen, dass ich ja gehen muss, nicht irgendwann, sondern jetzt ist es immer Zeit zu gehen – vermag ich das? (Vermögen, mögen)
An das Glück hier glauben, an das Äußerliche verfallen sein, das heißt: gefallen sein! Dann das Leben hier: ständig sich beschäftigen müssen, um nicht verrückt zu werden – Eucharistische Anbetung? – unmöglich, da geschieht mir nichts, da merke ich, dass ich ganz armselig bin, da steigt die große Unruhe in mir auf: sinnlos. Und die Ewigkeit – um das geht es doch, aber die kann ich nicht sehen, die ist mir nicht so da wie ich sie gerne jetzt hätte – erfahrbar wie die Tour. Ja, hier ist die Sache ganz ernst – Sohn Gottes: er ist ganz hier aber nicht von dieser Welt.
Was heißt es, ein Wort „endlich“ (in der Endlichkeit, in der Horizontalen) ernst-nehmen? Es heißt, dass es mir geschickt ist, ich mich ihm öffnen kann, es einlasse als mir Zu-geschicktes; das ist Geschick. Unsere wahre Heimat ist die Ewigkeit, von dort her muss man hinüber-setzen. Eucharistische Anbetung: Schweigen Jesu, weil ER im Schweigen ALLES sagt. Wir haben kein Vertrauen in uns selbst, zu „nichts“ zu werden und doch zu sein.
Das ist das große Wagnis, das ist die Liebe, die das vermag. Es wagen, auf-zu-hören und dann doch zu sein. Alles hier ist heilig von dort her. In der Vorstellung kann ich Zeit aufheben, kann träumen, korrigieren, reparieren: mir ein-bilden, es soll anders sein. Wage ich das? Wer das Ewige „hier“ leben will, wird verfolgt und getötet. Habe ich nur Beziehung zum Horizontalen – dann schlafe ich, bin betäubt, ohne Leben. Und Trösten? Trösten ist oft eine dumme Höflichkeit – denn die Sache ist zu ernst!
Worum geht es? Um das ewige Leben – um das geht es! Hölle: es sind ernste Fragen da – und weit und breit keine Antwort, ich habe es aufgegeben, weggewischt, suche nicht einmal mehr. Das ewige Leben hier schon: ein Können, ein Vermögen, ein Lieben (nicht ein Erklären). Je nachdem was du glaubst, tritt das Gute oder das Böse ein. Wenn Du Gutes denkst – dann folgt das Gute. Übe das, gewöhne dich, immer das Gute zu denken – dann wird es dir sein! Glaube also an die Große Kraft des Glaubens – es wird sein, wie du geglaubt hast.
Vielleicht die größte Sünde: meine Kleingläubigkeit, die Königswürde weg-zu-werfen.
Peter: hebräisch: der Durchbruch. Kreuzigen heißt: für un-endlich an die Zeit festbinden, Ende und aus, festnageln an das Zeitliche, hier soll er sein, in dieser meiner Zeit – da soll er sich zeigen. Der Himmel, den brauche ich nicht. Wer heute vom Himmel redet, der gilt als Irrer.
Wir sind angefochten, angespuckt, die wir vom Himmel heute und hier sprechen: Die Frau, das Äußere, kann doch das Innerste nicht heiligen, das Vergängliche kann das Ewige nicht heiligen – das geht nicht und daher kann die Frau kein Priesteramt vollziehen – das aber sagt man nicht mehr, versteht es auch nicht mehr. Dass sich eine Frau verhüllt, weil das Äußere, Vergängliche nicht primär sein soll im Horizontalen – wer versteht das?
Recht verstanden: Mensch sein meint: Frau sein und Mann sein zugleich, in Einem: jeder Mann hat das Frauliche, jede Frau das Männliche. Frau sein meint: ich trete heraus, zeige mich, jetzt so, jetzt so, aber immer irgendwie, bin Königin (wie im Schach), führe aus, gewinne oder verliere die Schlacht - aber immer im Zeigen. Der König im Schach bleibt im Hintergrund, er hält sich bedeckt, versteckt sich, bleibt im: Ver-Borgenen, in der Ver-Bergung, bleibt ge-borgen.
Dass das Äußere nicht Alles sein kann, das wissen wir, das empfinden wir mehr, als dass wir es klar fassen. In der Philosophie sagt man gelehrt: dass die Form nicht alles sein kann, sondern das Wesen, die ousía, die Essenz. Man spricht dann später von der fünften Essenz, der Quint-Essenz, aber das führt jetzt zu weit. Das Äußere, weiß man, vergeht. Ich werde älter, werde krank, schaue heute anders aus als vorgestern - äußerlich gesehen. Aber wir sehen: in mir bleibt etwas "ewig" gleich - das ist das Wesen, es verändert sich nicht - und um das geht es. Daher kann nur das Wesentliche heiligen, kann nur das Wesentliche (männliche) (Unvergängliche) die Heilige Feier voll-ziehen, und niemals das Äußerliche (frauliche), Vergängliche. Das wäre sonst ein Widerspruch in sich. Und von daher: das Verdecken des Äußerlichen hat einen tiefen Sinn, es sagt: schau´ nicht so sehr auf das Äußerliche, das vergeht sowieso - schau´ vielmehr auf das Innerliche, auf das Un-Vergängliche - das ist das Wichtige. Jeder Mensch hat das Männliche und Frauliche in sich: heute dominiert das Frauliche allüberall. Hier anzuknüpfen wäre sehr heilsam.
Was heißt Fest? Fest ist Begegnung des Zeitlichen mit dem Ewigen im Horizontalen. Wenn Du glücklich bist und gelassen bist und fröhlich, dann, sagt man, kommen bei dir die Gefangenen frei. Wer Angst hat, hockt in der Enge und fürchtet sich, er wird belagert, steht unter Zwang. Der Freie aber dichtet, er verdichtet das Unmögliche.
Wer von Ewigkeit spricht – wer tut das noch? – der wird vernichtet: man sagt, so ein Idiot – und schon ist er hingerichtet – bei uns selber geht das schon so.
Was ist Neid? Neid ist: ich gönne dir das nicht, das sollst du nicht erfahren. Neid ist etwas Dämonisches, kein Tier hat Neid bei sich. Der Neider ist im Wesen der Mensch der Nur-Horizontalen, er gönnt nicht Ewigkeit, weil er sie nicht ver-steht und verstehen kann ich nur im Glauben, wissen kann man das nicht.
Plötzlich jetzt: Jesus, du lebst – jetzt, ich begegne dir, jetzt! Halte ich das aus, will ich das überhaupt? Angst hat man nur in der Enge der Horizontalen, auch wenn man diese ins Unendliche treibt, was keine Ewigkeit ist. Der Baum des Wissens: seine Frucht ist immer der Tod, denn das reine Wissen kann keine Antwort auf den Tod geben, das kann nur das Glauben, Hoffen und Lieben. Dem Geringsten geben heißt auch: dem Flüchtigsten alle Aufmerksamkeit schenken, es lieben. Der Satan erträgt es nicht, wenn wir dem Flüchtigsten, dem Geringsten Aufmerksamkeit schenken, dem geringsten Gedanken, dem geringsten Wort: Aufmerksamkeit schenken, das Wort lieben – heißt: es wachsen lassen, es lebendig werden lassen – dann lebt das Wort und das Wort ist doch „bei Gott“. Ich weiß: ich sterbe. Wann gehe ich meinen Kreuzweg?
Der Traum zeigt sich als Realität! Kann ich das und will ich das glauben – als wirklich setzen? Unendlichkeit in mir selbst will ich töten – weil ich nicht glauben kann.
Was ist Liebe? Liebe kann es nur in Freiheit geben, alles andere ist Zwang oder Angst oder ängstlicher Gehorsam: ich tue aus Berechnung – das aber ist keine Liebe. Liebe kennt keine Absicht, keine Berechnung, kein Kalkulieren, kennt keine Angst oder Furcht – sondern ist frei, frei auch: nein zu sagen! Absichtslos lieben bedeutet: ich verzichte auf meine Absicht, verzichte auf meine Kalkulation, dass da etwas für mich herausspringt, dass ich da etwas für mich bekomme, ich verleugne mich – dann erst kann ich frei sein zu… Ich verzichte also auch darauf, nur horizontal zu leben, ich verzichte auf die Enge (Angst), weil der Himmel offen steht. Ich verzichte auf diese Enge der Angst, dann fällt die Aggression weg: ich muss nichts mehr haben müssen – das wäre Enge. Wer von Ewigkeit spricht, sagt ja schon, dass das Horizontale sehr beschränkt ist, er missachtet es aber deshalb nicht sondern erfreut sich und staunt, sein Herz aber gehört dem Himmel. Gerade da, wo alles leer zu sein scheint, wo alles schweigt, wo nichts zu finden ist, auch keine Gefühle mir kund tun, wo es Nacht ist in mir: da ist der Herr ganz da – da bin ich frei zu glauben: ja, Du bist es, mein Herr und mein Gott.
Was ist ein Beweis? Angenommen, jemand bewiese: alles, die ganze Schrift ist die reine Wahrheit – absolut. Und die Menschen stimmten zu. Was ist dann mit den Zustimmenden – sind sie dann andere Menschen, bessere Menschen – hat sich etwas geändert, leben die dann anders?
Frei sein kann ich nur im Glauben, wissen kann man das nie, ich kann die Wahrheit glauben, niemals wissen, denn das Wissen ist immer beschränkt, ein-geschränkt, abstrakt – in sich muss es ausfiltern, einschränken. Ich muss den Tod überwinden, erst dann kann ich frei sein, meinen Tod kann ich nur überwinden, indem ich ihn annehme, aufnehme, ja sage. Das kann ich nur im freien Glauben, in der freien Liebe. Dann erst fällt jede Beschränkung zusammen – das ist die Bedingung der Freiheit.
Herr, Du hast die Ewigkeit gebracht, wir aber wollen immer nur einen irdischen Herrn. Wer glaubt dir deinen Himmel, Herr? Ja, vielleicht ein wenig aus Berechnung.
Fest-legung ist Kreuzigung, Festnagelung: unverrückbar soll es sein, damit es gewesen sein kann, verfügbar, definiert sei – dann ist es tot, das Tote kann man besser handhaben. Der definierte fest-gelegte Mensch ist der tote Mensch: Du bist böse – aus und Schluss. Dass der Böse aber in sich gut sein könnte: ausgeschlossen.
Immer haben wir etwas Besseres zu tun, Dich wollen wir jetzt nicht – vielleicht für den Moment, sonst aber die endlosen Ablenkungen. Der Mensch ist Meister im Ablenken, sein Leben ein Manöver der Ablenkung – nur nicht dem lebendigen Gott antworten. Die Besessenen schreien es: was haben wir mit dir zu tun, Sohn Gottes! Das heißt: bleib du weg von mir, denn du bringst mich in Todesgefahr, du führst mich vermutlich dazu, dass ich mein besessenes Leben aufgebe, an dem ich doch hänge.
Was heißt un-ver-antwortlich? Es heißt: ich antworte DIR nicht, ich stelle mich taub, DU bist historisch. Ich spreche ein Gebet, aber es geht mich nicht an, es betrifft mich nicht, es führt mich nicht in Verzweiflung, damit ich leben könnte. Wir kreuzigen Dich, Herr, jederzeit, nicht nur damals, sondern jetzt, in mir wirst DU gekreuzigt: Du bist da, aber ich will nichts von dir wissen, schon indem ich dich objektiviere, töte ich Dich. Das Ewige aber enthält das Irdische, hält es aus mit ihm, trägt es: im Himmel gibt es keine Aggression, weil alles nicht begrenzt ist. Ich kann hier leben nur vom Himmel her, dann ist das Irdische gesegnet.Immer die Tendenz: das geht mich nichts an – DU gehst mich nichts an! Und das „Wort“? Das Wort ist Fleisch geworden! Wann spricht das Wort? Wenn ich das Wort liebe, dann kann es sprechen, weil ich höre. Diese Welt hier, mein Leben, alles ist sehr wichtig, weil es von Gott her ist – aber wer nur an das Vergängliche verloren ist, der ist verloren. Die Königswürde ist: alles bleibt in Ewigkeit, nichts vergeht, alles ist geborgen. Für mein schmales Bewusstsein verschwindet es, kann es bedeutungslos sein – aber für die Liebe zählt alles, das Kleinste, für die Liebe vergeht nichts. Empfangen? Was ist das? Das Heil kann ich nur empfangen – ja, sagen, aber mit der Liebe des Herzens. Alles Zeitliche wird vergehen – und ist zugleich geborgen im Ewigen: wer kann das verstehen?
Was ist das Heil hier? Dass wir glauben an Dich, lebendiger Gott – das ist das Heil. Und ich bin krank – erlösungsbedürftig, daher: Du bist mein Heiland, sei gepriesen!
Das ewige Heil bringst DU, mein horizontales Glück liegt in Deinen Händen. Herr, Du erlebst die Gott-Verlassenheit in ganzer Wucht – du erlebst, dass die göttliche Liebe zurückgewiesen, abgelehnt wird.
Ich lese Dein Wort: bin ich imstande, es in mich aufzunehmen? Dann ist es lebendig. Kann es Fleisch in mir werden?
Das Un-Endliche ist eine Lüge, das Ewige nicht – das ist die Wahrheit; wer an Un-Endlichkeit glaubt, glaubt an die grenzenlose Verlängerung des Götzen "Endlichkeit", er fixiert sich auf Endlichkeit. So wird es ihm dann auch sein.
Ewigkeit ist „jetzt“ – Auferstehung geschieht schon „hier“. Wir alle wollen doch, dass es „gut“ ist, dass alles „gut“ ist – wir sagen oft: ist alles gut?
Habe ich Vertrauen in die Auferstehung – jetzt? Glaube ich? Es ist unser Elend, dass wir a-personal leben wollen, keine Beziehung haben zum Himmel. Dass wir davonlaufen vor dem wahren Eingeständnis: JA, Herr, DU bist es!
Jetzt „herrscht“ die Hilfe: Jehoschua – Dein Blut rettet. Herr, hilf, dass sich das in mir bildet, Form gewinnt, ein-bildet – nicht das andere, das Vergängliche!
Diese elenden Fest-legungen, die immer fixieren, was ja dann auch kommt (und dann sind wir überrascht, dass es so gekommen ist, wie wir es ja fixiert, geglaubt haben).
Was ist meine größte, liebste Vorstellung, mein größter Wunsch? Welche Maßstäbe habe ich – will ich noch von der Zeitlichkeit etwas?
Hier bist DU da, in dieser Wirklichkeit, in dieser Endlichkeit – bist DU wirklich da. Wer kann das fassen?
Ja, DU, bist der Herr! Das Leben hier ist jetzt leichter, freudiger, es ist fast ein Fliegen, ohne Schwerkraft, ohne Schwere, ohne Depression, ohne Beschwerden (obwohl die Beschwerden da sind) – sie haben aber keine Schwerkraft mehr, es ist ein Neu-werden, ein neu Geboren sein. Ich betete: O Hostie, lebendiges Fleisch und Blut des geopferten Lammes, ich flehe Dich an: Lass mich aus Deinem Heiligen Blut und aus Deinem Heiligen Wasser aus meiner Heiligen Taufe neu geboren werden – der du lebst und herrschest in alle Ewigkeit – Amen!
Und so „ist“ es – so ist es. Jetzt ist es leicht, licht, hell geworden – Dank sei Gott!
Deo gratias!
τὸ τί ἦν εἶναι
Ohnmacht – Verlust – Erlösung
(Jänner 2022)
Das Ganze ist im Fragment schon „da“, freilich verborgen, im Gehen zum Ziel ist das Ziel an-wesend. So findet sich "Man" (vorerst das Heidegger´sche Man) vorweg in einem Raum, der ihn immer schon unter-fangen, gehalten hat (Mutter-Boden). Der Mensch steht von Anfang an in der Gefahr, sich als verfügende Ich-Macht zu erheben, sich in „sich selbst“ zu versteigen und die konkret-leibhaftige Vermittlung im Anderen und mit dem Anderen zu „verlieren“. Das ist dann der imaginierte, fantasierte Aufstieg in den Himmel, die schlechte Erhabenheit, das pervertierte reflexive (verkrümmte) Bei-sich-sein (bleiben) wollen, in diesem Ego-Binnenraum ist der Andere nur mehr die „begrifflich gewusste Andersheit“, ein bloß logifizierter Inhalt meines vermeintlichen Wissens.
„Schönheit“ ist der Glanz des Wahren und Guten, das sich umsonst (gratis) schenkt. Hässlichkeit, könnte man sagen, ist der Verlust des "Umsonst": hässlich ist das "do ut des", das "quid pro quo" - die Bedingung, der Anspruch, hässlich ist alle Form der Verkrümmung auf sich selbst: incurvatio.
Und was ist es um diese Freiheit? Freiheit in ihrem Wesen bedeutet das „Frei-sein-für“ das Verantworten der Gegenwart im personalen Einsatz in der Passion des Sich-betreffen-lassens durch das Zukommende, mir jetzt Geschickte und die Weise (Melodie), „wie“ ich dieses empfange: schöpferische Zeitigung des τὸ τί ἦν εἶναι (Aristoteles) – Einheit von Passion und Tun.
τὸ τί ἦν εἶναι ist daher nicht Vergangenes, bloß Gewesens, sondern anwesend Ge-wesen-des, jenes, das jetzt an-währt, Grund und Boden bleibender Eröffnung für Passion und Tun, das Immerwährende im je jetzigen Auf-Bruch, er-öffnet je den lebendigen Augenblick, der nur als „freier“ gezeitigt werden kann: frei von idealer Versicherung, frei von irrender Progression und zugleich depressiver Regression. Auf die Passion, auf das ER-leiden, wird es wesentlich ankommen, die Passion ist der Garant der dichten Wahrheit, die kenotische Liebesleere.
Heidegger hat einmal ein Wort geprägt: Formale Anzeige – und das hat damals schon in den frühen Zwanzigern für große Verwirrung und Unverständnis gesorgt, dabei hat Heidegger seinen Studenten fast einfach (vielleicht zu einfach um verstanden zu sein), erklärt: die Formale Anzeige muss sich „erfüllen“. Man kann sagen: die formale Anzeige ist Hinweis zur Erfüllung, Aufforderung zum Einsatz – an sich genommen bleibt sie abstrakt und leer. Mit der „Unbestimmtheit“ ist nicht gut leben, vor allem in unserer Zeit der In-formierung, d.h. der Gleich-Formierung, in der alles schon definitiv gewusst sein muss, damit es sogleich vergessen werden kann. Der vertikale Einbruch bleibt immer Gefahr der Irritierung, der Erschütterung, dagegen sind die horizontalen Einbrüche langweilig und je lauter das Geplärr dieser, desto un-gefährlicher sind sie (siehe die tägliche horizontale Information, was uns „droht“ oder „drohen könnte“).
Die folgenden Ausführungen zielen nicht auf einen Idealraum, der irgendwann einholbar wäre, im Gegenteil: der „ideale Raum“ ist immer der vertikale Einbruch in der Passion des konkreten Härtefalles (Begegnung). Härte-Fall hat weder etwas mit „Fall“ zu tun noch mit abträglicher Härte, sondern meint das Nicht-auf-der-Flucht sein in ein imaginiertes Bei-sich-sein (un-ausgesetzt). „Freiheit“ wesentlich gedacht, ist dagegen „a tergo“, vom un-geschützen Rücken her, gerade nicht imaginierte Beliebigkeit, sondern konkreter Auf-Bruch (als ein Er-leiden). Das Leiden hat wesentlich „öffnende Kraft“ und bedeutet hier: Offen-sein-für… das Sich betreffen lassen. Das ist das wahre Wesen des Leidens, es ganz dem entgegen, was man im ersten Hinblick als Leiden aufnimmt: ein Abträgliches, eine bloße Vernichtigung, eine Auflösung.
Die Begriffe: Ohnmacht - Verlust - Erlösung sind "Wesens-eins", sie versammeln sich im τὸ τί ἦν εἶναι: gemeinhin übersetzt als Wesens-was, besser als: was es war (oder heißt) zu Sein - das was-war-Sein. Vielleicht am besten über-setzt als: das an-wesend-Gewesend-sein. Das ist jenes Wesen des Wesenden, das nicht vergangen, sondern während Zukunft erst eröffnet. Über-setzten meint nicht in ein entsprechendes Wort bringen, im Gegenteil: das wahre Übersetzen ist "Einsatz", sich selbst in das je jeweilige Offene ein-bringen, sich ins Offene über setzen. Das zu zeigen (formale Anzeige) soll - unbeholfen genug - den weiteren Fortgang entfalten.
Das Los-lassen ist gleichsam das „Vergessen können“: a tergo eben, denn der Rücken überblickt nicht, er über-sieht sich nicht, sondern ist „ausgeliefert“ dem je jeweiligen Härte-Fall. Härte hat nichts mit Grobheit zu tun, sondern meint die Schmiegsamkeit des je Geschickten, die Offenheit für dieses, die Empfangsbereitschaft dafür: das ist Härte-Fall, nicht ideell abweichen davon, das wäre dann das Flucht antreten.
Im Los-lassen liegt ein Verzicht: der auf die imaginierten Zukunftsperspektiven, die ideell verplante tote Zukunft, die immer also solche die gehaltene Vergangenheit zur Grundlage hat. Beiderseits wird also gehalten und so Gegenwart nicht frei-gegeben. Los-gelassen wird in dem Sinne meine Archäologie der schlechten Vergangenheit, das Ding an sich, welches in einen toten Zukunftsraum extrapoliert wird, damit es schon vergangen sei. So wird das je ankommende Zukünftige schon im Archiv meiner Sicherheiten „abgefangen“ und katalogisiert. In dieser Zukunft liegt kein wirkliches Ankommen, liegt kein Empfang und niemals Überraschung: denn das Archiv meiner leeren Vergangenheit hat im Voraus die Ankunft verweigert.
Der „Tod“ kann man sagen, liegt in einer tödlichen Dialektik des „Schon gehabten“, dieses lässt das Archivierte nicht los und kann es nicht, weil es in es „verschanzt“ ist; das hat meistens biographische Gründe: im Mutterhaus ist gut „wohnen“. Zukunft kommt geplant aus diesem Archiv hervor und ist schont tot, bevor sie auch nur an-kommen könnte: das ist die gehabte Zukunft, eine Hexe mit roten Augen (die eben nicht weit blicken können). Jede „geplante Zukunft“ singt diese „tote Melodie“.
Der „Flüchtende“ kommt nie in der Gegenwart an, weil er entweder im Archiv hockt, oder Zukunft aus ihm heraus ent-wirft. Der so Tote dissoziiert in seiner Vergangenheit und der daraus geplanten Zukunft. Nur wer glaubt (also weiß), dass Zukunft umsonst geschenkt „ge-wesend“ ist, er-öffnet wahre Zukunft in der Ankunft. Auf die Zukunft zu gehen ohne sie schon im Archiv der schlechten Vergangenheit vorweggenommen zu haben heißt: frei-sein von Planung und Versicherung, heißt Ankommen lassen des je Überlieferten. Das führt zum Begreifen der ontologischen Zeit menschlicher Selbst-werdung: Selbst-empfängnis, kraft der Zu-kunft des geschenkten Seins-ja. Was heißt das? Wahre Zeit ist Ereignis-Gestalt der Seins-schenkung. Darin liegt ein vorweg nicht Verfügbares, eben das, dass das Seiende in seinem Sein zu Stande kommt, vorweg Geschenktes: das Sein ist unverfügbar. Diese Erfahrung bedeutet: Jetzt-ist „Gabe“ – diese Gabe im Präsens wird ver-tieft, darin enthüllt sich ge-wesen-de Vergangenheit als lebendiger Ursprungsort der Wendung nach vorne (Ahnung) – Zukunft wird nicht „vorweg-genommen“, sondern der „ahnende Raum für Begegnung“ aus dem Gewesend-sein eröffnet.
Seins-Schenkung heißt genauer: Ich bin Mir gegeben: das Ich ist an ihm selbst ein Du, ich komme von mir her auf mich zu, ich bin mir selbst ein Antlitz, eine Bewegung, ein Offenes, ein Sich-zu-wachsen – in meinem Wesen waltet selbst eine „dialogische Differenz“, die erst Frei-sein ermöglicht. In der Seins-Schenkung wird Freiheit sich selbst über-eignet und zwar voraussetzungslos überantwortet. Da die Seins-Schenkung geschenkt umsonst ist, wird sie wesentlich verdankt. Das Seins-Wort ruft die Gabe in ihr Dasein. Weil die Gabe „restlos“ weg-geschenkt ist, nur deshalb kann sie an „ihm selbst sein“ was sie ist: Gabe in ihrem Sein. Dieses Zu-kommen aus der Zu-kunft, welche unverfügbar ist, auf sich selbst, verbürgt ihr Dasein. Raum, Maß und Form der Seienden gehorchen dem Schenkenden, der sich selbst entleert, damit die Seienden „seiend“ seien. Das, was je jeweilen „umsonst“ (weil unverfügbar) im Jetzt aus des Kunft her ankommt, ist immer schon getragen vom absoluten unverfügbaren Seins-Willen, dem Seins-Ja. Die absolute Subsistenz ist daher das schon Gewesend-sein (das Unterfangen sein), aus dem her Zu-kunft ge-wesen-d ankommt.
(Weiterführung)
Ohnmacht: der/die bekannte: ich war ohne Macht; da jubelte der Himmel!
Oder: Freiheit als Gebet
Wer (nicht was) wird also den Mut aufbringen zwischen zweierlei Nichts zum: umsonst Geschehenden JA-sagen?
Und, aus welchen Quellen?
Da ist und wirkt ein „absolutes JA“, mitten in der Nacht, terra immaculata, IHR eignet eine los-gelöste (absolute) Initiative, weil SIE die ganz Reine ist und das Wasser DES Lebens zu grenzenlosem Leben aufspringen. Ja, weil er nichts empfangen hat, so hat er auch nichts zu geben!
Unschuld ist das Kind und Vergessen (Nietzsche) – also los-lassen: es „sein lassen“: das ist keine Berechnung mehr, weil es „gut“ ist. Im Sich-über-lassen (das Heilige Lassen) liegt der über-flüssige Akt (dieser Akt will nicht „haben“) - Neubeginn der Freiheit: mein Selbst-Sein liegt gerade im Sich-Empfangen und im Begabt-werden das Frucht-bringen. Die Haltung dieser befreiten Seele ist der „Dank“.
GEBET
Verweilen am Punkt der Leere: da alles erledigt ist, reine Armut, keine ausstehende Zukunft mehr – aushalten Können dieser Leere, sich-über-lassen dem gegenwärtigen Leben. Ich sehe mich nicht mehr im Über-lassen, denn gerade da, wo „Ich“ mir genommen bin, bin ich lebendig „selbst“ geworden. So gilt es unentwegt die empfangene Gabe zum Einsatz zu bringen und das geschieht im Auf-Hören-Können. Dann wird, so sagt man, der Alltag in seiner Alltäglichkeit zum vollgültigen Gebetsort, das Kleinste zum Element des Betens (un-endliche Überraschungen) – denn der, der „so“ sieht, sieht erstmals. Das Gesetz der Notwendigkeit wird nicht übersprungen, sondern von innen her überwunden. In der Knechtsgestalt bricht der Überfluss des Lebens auf, im Angenagelt-sein, im Nicht-anders-können aller täglichen Zumutungen. Der so Betende wurzelt im Seyn und nicht in „seinem“ Tun, und so wurzelt das Tun im Seyn und so ist es Recht getan. Für „mich“ bin ich ein geschenktes „Ich“, ich bin mir geschenkt (Gabe), gegeben. Gabe (ich) und Empfänger (ich) – hier ist eine un-abschließbare Differenz (dialogische Differenz). Mein Selbst wird durch diese Differenz auf-gebaut, gebaut. Die Mitte meines Selbst, der Grund, worauf ich existiere, ist mir umsonst geschenkt (Gabe), die mir vorweg ist, die umsonst ist und daher wahrhaft über-flüssig, mir anvertraut. Leben lebt aus diesem Unverfügbaren. Aber: bin ich Gottes Geschöpf, dann ist der Herr „da“ und ich bin nicht mehr nur „ICH“, sondern „Ich-Du“.
Auf der Seite des „begegnenden Anderen“ anfangen: Einwilligung, dass ich mir selbst gegeben bin.„Gelassene Ruhe im Seyn“: Anfang und Ziel aller Praxis! Verströmende Liebe (umsonst), die nicht das Ihrige sucht. „Dieses“ Frei-sein von sich selbst heißt: nicht sprechen von uns aus, sondern antwortendes Zur-Sprache-Kommen. Ich „komme zur Sprache“, die spricht (die Sprache „spricht“ – Heidegger). Zur Sprache Kommen verlangt das Gelassen-sein im Schon-gehört-haben. Denn, die Sprache „rief ins Erwachen“ – die Sprache rief und siehe: es „ist“. Längst bevor der Mensch sich auswortet, hat er „empfangen“ im Großen Hören der schaffenden Stille. Gott sprach, und es „ist“. Dieses Schaffen ist Raum geben zum Sich zeigen, Sich-sagen. Hier ist wahrhaft alles über-fließend grundlos geschenkt: also überflüssig. Am Grunde unseres Seins waltet dieser lebendige Überfluss, geschenkte Gabe. Die Besinnung , das wahre zu-Grunde-gehen auf dieses Walten ist „Gebet“. Es heißt: im Umsonst „fängt es an“. Dem selbstischen Frucht-machen absterben heißt: aus dem Frucht-Sein des immer gegenwärtigen Betens (Wer betet da eigentlich?) zu leben beginnen – als jene, die „in allem Reichgewordenen“ – durch IHN. Gott unser Schöpfer hat sich für uns absolut restlos hingegeben, damit wir „seien“, er hat sich für uns ausgeliefert – aber wir verweigern das Empfangen-haben, wir verweigern die Gabe, die uns doch allererst „sein“ lässt.
Aus diesem geschöpflichen Sein-gelassen-sein, in der Ruhe dieser innersten Mitte, in der ganzen Fülle der Zeit heraus gegenwärtig sein: das ist Gebet.
Was ist ein Verlust?
Warum schmerzt der Verlust eigentlich? Was steht da dahinter? Nur dem „Leeren“ ist Verlust, für den Über-Vollen gibt es keinen Verlust, weil er aus Armut über-fließend ist. Der im Herzen Tote erlebt alles als Verlust, er flieht vor dem Verlust und ängstigt sich in seiner Leere, die er äußerlich weg-arbeitet. Positive Armut: Armut durch Reich-seyn! Reichtum in Über-Fülle aus Armut. Der Mensch „ist“ befreit, er muss sich selbst nicht frei „machen“. Das ist doch das Erstaunliche: dass der Mensch be-freit ist und sich weigert. Die wahre Freiheit „hat empfangen“: Beten heißt dann: sich öffnen der „armen Wirklichkeit“, die in sich vollendet reich geworden ist. Der wahre Arme ist der reich Beschenkte: er hat nichts mehr aus sich selbst, sondern alles geschieht ihm in der Liebe, er leidet auch keinen Verlust, denn der sogenannte Verlust ist ihm reiche Gabe.
Ontologisch: die Substanz als Empfängnisdimension des Empfangen-Habens ist die wahre Armut des Reich-Beschenkt-Gewesend-seins. Frei-sein heißt dann immer: von sich selbst gelöst sein, selbst-los sein und daher frei in sich gründen im Ewigen Grund.
Dann, ein unheimliches Wort: Gott liebt die Kriecher nicht! (Ulrich) – sondern jene, die an IHM Widerstand nehmen, ihn so lebendig erfahren, dass er ganz Gegenwart ist und alles andere als un-wirklich. Ontologische Differenz: Sein (Geber, Gabe) und Seiendes (Empfänger) kann und soll nicht geschlossen werden, das heißt jetzt: es im Fragment aushalten lernen, im Kleinen des Alltags warten können. Alles ist schon angekommen, die ganze Fülle, die auch bleibt. Diese Fülle aber zeigt sich nur der Armut. ER ist es, der „erfüllt“.
Am Ende:
der Betende gibt die Rechnerei auf. Das Umsonst der erlösenden Liebe des Herrn an Kreuz ist Grund und Boden aller Herrlichkeit und „so“ kann der Mensch im Dank alle Rechnerei auf-geben, denn der Herr hat die Welt besiegt, überwunden: das allein reicht (und verlangt den größten Einsatz im Kleinsten des Alltags). Du, Gott und Herr, hast mein Gebet nicht erhört: darum will ich dir noch mehr danken und dich lieben „umsonst“!
Die Ohn-Macht bezeugt gerade die Herrlichkeit Gottes; mit mir kann ich nicht mehr rechnen, vergebens. Gerade in der Ohn-Macht geschieht die Verwandlung: die ER ist. Das alltäglich Kleinste offenbart das Licht Gottes. Entscheidend: ist es der Hunger oder der Über-fluss (umsonst)? Daher, alles Tun folgt dem Sein und nicht ist es umgekehrt, dass das Seyn dem Tun zu folgen habe. Der Betende ist wahrhaft über-flüssig, weil er weiß, dass er der Arme und so der Erfüllte ist. Am Ende gilt es, die allzumenschlichen Kategorien sein zu lassen, das Rechnen aufzugeben. Am Ende bleibt die Einsicht, dass die Welt wie bisher ein Ort des Verderbens bleibt, aber für den Betenden gibt es inmitten des Verderbens eigentlich kein Verderben, gerade im Nicht-erhörten Gebet „bekundet und bezeugt“ er: Du allein, mein Herr und mein Gott! „Trotzdem“ – JA! In der Stillen Anbetung des Eucharistischen Herrn, in der ganzen Qual des Sinnlosen, des Vergeudens von Zeit vor dem schweigenden, stummen Herrn, der Langeweile vor IHM, der Unruhe, aller Egoismen, die da jetzt aufbrechen, ausworten und nach Einlösung brüllen, in aller Lüge, die da hervorbricht vor IHM, in allem Schielen auf die verlorene Zeit vor dem Herrn: gerade in „diesem“ Ausleiden und Stand halten vor IHM „ist“ ER der Retter, in mir, in meiner ganzen Armut und Erbärmlichkeit, jetzt und hier mir am allernächsten: leidet ER in mir aus und mit und siegt!
Der für Gott Eintretende „ist“ der Blamierte. Umso besser, denn jetzt ist kein Anhalt mehr im Horizontalen der Verrechnung.
(Advent, 2021)
Nur die entschuldigte, gerechtfertigte Freiheit der erfüllten Zeit spricht im Präsens - oder:
Wer macht, ist tot, wer tot ist, er-mächtigt sich!
Über-Gabe: Anfang im Empfangen-Haben, da ist der Fernste der Nächste im Gewesend-sein, ankünftig schon ge-Wesend-da (Advent) – an mir selbst: ein(mein) Aug-in-Aug. In der Über-Lieferung ist die Fülle ge-Wesend da, einhergehend präsent. Weil alles schon erfüllt ist, nötigt man sich nicht, denn: wenn Du den trägst, der Alles getragen hat, wirst Du selbst getragen. So bin ich schon aus der Über-Lieferung heraus der Getragene. Es gilt: der Mensch, der in allem reich geworden „ist“, lässt sich alles „umsonst“ schenken! Nur der Empfangende also hat es nicht nötig, Seyn zu erwirken oder zu machen, er kann lassend „frei“ sein.
Wird die Gabe angezweifelt, und sie wird es, wenn der Empfang be-Zweifel-t wird (Gen. 3), also in der Schwebe gehalten wird, dann existiert der Mangel, der sich „er-leisten“ muss. Gerade aber der Empfangende ist gelassen ermächtigt zur Selbst-losigkeit, er kann sein Selbst lassen und es schenken, weil es erfüllt auf ihn (im Schon) zukommt.
Der Zweifel daran, dass die Gabe „als“ Gabe nicht ALLES sei, ist der Beginn der Wendung in das Nichts. Der Zweifel ist damit der Flucht-Punkt, von dem her „weg“ der Flüchtende zugleich der Ausgestoßene ist, der Beginn aller „Gier“. „Ich“ landet monadisch, erstarrt in einer vermeintlichen Un-Getragenheit, die es in dieser Leere so nicht aushalten kann und daher zum Maschinist seiner selbst wird. Der Maschinist verkümmert an seinem eigenen Anspruch, weil er die Fleischwerdung ausschließt, ist er blutleer und ächzt im fantastischen Algorithmus „seiner“ eingebildeten Produktivität.
Wenn das Gefäß, kann man sagen, nur halb oder ein wenig gefüllt ist, kann es nicht „über-fließen“ (es ist un-vermögend zum Sterben, weil es tot ist). Es möchte zwar, mitunter, und so stellt es selbst den Überfluss her, der eigentlich ein Toten-Tanz ist. Aber das „verum“ bleibt, der Stachel bleibt: verum est index sui et falsi, gerade in der Todes-Nacht. So ver-Sucht die zerbrochene Sterilität den Großen Empfang und ist allseits: Sucht! – mit allen Sucht-Mitteln „sich zu gewinnen“ und wird sich selbst dabei der Fernste. So ist die tote Seele allseits auf der Flucht im fabrizierten Spiegelkabinett, sie irrt mit geballten Fäusten, die gefroren, unfähig zum öffnenden Empfang. „Leere will…haben“ – Betrieb der Interaktion im gähnenden Aufschrei und Anschrei, reine Aktion und so wenigstens erlösende Bewusstlosigkeit.
Man muss es ins „Wort“ bringen, in unsere Zeit: da ist ein Gedränge, überall drängt es unelastisch, in der Sprache schon ist alles ins Eindeutige gedrängt, univok plärrt man sich an, eindeutig ist die tote Sprache. Außer-sich-sein heißt heute: Wut-Bürger sein, Wut ist außer sich vor Entrüstung und hält Mahl mit sich selbst, der, der wahrhaft außer sich ist, der ist gerade gelassen bei sich, der wohnt in der Nähe im DU.
Ich will mich nicht beschenken lassen, ich will mich nicht empfangen lassen, ich will mich nicht begaben lassen: ich will selbst mich beschenken, mich selbst empfangen, mich planen.
„Seyns-Schwebe“: der Geber, der nicht ALLES gibt (Zweifel) – der Empfänger, der nicht restlos empfangen kann, hält sich „zurück“: er verweigert die Fleischwerdung. Seyns-Schwebe ist Rückstau, Aufwall, Unentschiedenheit, Lauheit: alles ist möglich und nix ist fix!
Seyns-Schwebe ist „JA und NEIN zugleich“ – also Lüge, luzides Zwielicht, Zweifel. Verum index sui et falsi est: der Bezug zum Du zeigt sich daher ganz offenbar als Schuldbekenntnis ohne die Schuld freilich zu bekennen, denn: die fressende Gier nach dem Du (das ist heutigentags vielfach ersetzt durch die Gier nach allem) bekennt: ich bin noch immer nicht „ich selbst“ gewesen, ich habe also „meine Schuld“ noch nicht bekannt (ja, Fehler habe ich, wenn überhaupt, aber was ist das schon, die hat ja jeder – aber Schuld?).
So zeigt sich, kann man sagen, im ganzen Gedränge und Getöse, im Lärm aber auch gerade in der humanistisch gemachten Interaktion, gerade in allem „Macher-Tum“, die großangelegte pervertierte Beichte – die Scheinzuwendung wird „geglaubt“ und so ist es für die Lüge gut und mehr soll es ja nicht sein.
„Flucht“ – ein unheimliches Wort. Flucht vor dem echten Tod, den der Mensch stirbt, wenn er einstimmt ins Empfangenhaben des ihm umsonst, voraussetzungslos geschenkten, nicht im geringsten von seiner Seite her ernötigten Seyns als Liebe – diese Liebe also „zu-lässt“. Die Tragödie unserer Zeit ist die Unfähigkeit aber auch der Stolz, sich von dieser Liebe nicht lieben lassen zu wollen. Durch diese Liebe, die zuerst geliebt hat, wird der Mensch ermächtigt, ebenso voraussetzungslos den ersten Schritt zu tun: weil umsonst ist die Liebe, sie stellt keine Bedingungen, die Liebe tut immer den ersten Schritt, weil sie „umsonst tut“.
Den Tod der Selbstwerdung nicht sterben müssen: Tod des Frei-werdens in der Gegenwart des Selbstseins, im Gegenüber von Ich-Du-Wir. Es machtet die die Hybris der nicht verendlichten Seinsschwebe, es machtet die Verweigerung: das NEIN!
Leben bedeutete gerade Abschied (Sterben können) der un-beschränkten Möglichkeiten im Sein, den Tod ins Selbst-Sein hinein sterben können. Der Egoist verweigert den wahren Einsatz im Heute, er verweigert das „Umsonst“, weil er es nicht empfangen „will“. Der Egoist wagt niemals den „ersten“, d.h. den jungfräulichen Schritt als Wagnis, denn dann hätte er die Präsenz der Gabe in sich und sein Schon-Empfangen-haben bezeugt. Der Einsatz stirbt immer zusammen mit der Armut im Empfangen-haben ab.
Was aber, wenn ich auf einen treffe, der dieses tödliche Spiel nicht mit-spielt? Der lebendige Mensch verweigert das tödliche Spiel, weil sein Antlitz den „unbedingten Anspruch“ zeitigt: dieser Andere zeigt mir das: es ist aus mit den un-endlichen Möglichkeiten, die blutleer und tot sind. „So“ erfahre ich die ontologische Qualität (nicht Quantität) der Armut, die „meine“ ist. Im Angesicht des Lebendigen ist es aussichtslos, sich schön im Vergangenen „abzurunden“ und sich nett einzuhausen. Ebenso wird unmöglich: ICH wollte mich im Anderen gewinnen, abrunden und einhausen, lieblich und nett.
Mein Nein zum Schon-Empfangen-haben bricht an der Gestalt des „Lebendigen“ auf: dieses Nein erscheint jetzt am Horizont ausdrücklich und so erstmals vielleicht die Möglichkeit der μετάνοια. Arme Freiheitsfülle: denn Alles ist schon Empfängnis und Fülle zugleich und zugleich Armut und Reichtum – aus dem NEIN könnte das JA aufsteigen. Der lebendig mir Begegnende ist der ohne Absicht mir Zugewandte, der mich meint weil ich es bin. Er trägt damit einen un-bedingten Anspruch, der keine Bedingungen stellt und mein endloses Privatisieren in den endgültigen Konkurs führt.
(Weiterführung)
Zeitenlos
Auf, dass es werde, was es schon ist. Vergessen liegt eins um das andere, ein Kurzverweilen; ein Blick noch, ein alter, eingeholt vom Jüngling, gehoben, auf-gehoben, im Griff noch immer die Hinwendung, eine sanfte – die Gedächtnis. "Ein" - nicht mehr Ich, Du, ... - ein: impersonale. Es ist: Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden (Trakl) – Ausweglos sind noch diese Schritte – sind es die meinen? Sie verlieren das Mein, die Schritte, die Keinen, die Meinen, die Seinen. Wohin gingst Du, da´s nirgendhin ging? (Celan) Und das Schreiben? Noch eine Flucht, eine nicht mehr so ganz kräftige, blinde, Weltzugewandte. Ich sah mein Ich auf der Flucht – wer sieht, wer? Und wie, Entäußerung? Ein Vergessen, mein Mein zum Kein. Sagte es: die Seele sei Grenzen los – schläft sie, und weit, die Weite der Stille. Was sagt die Stille? Sie lässt los, lässt ab, gibt auf, lässt sein, vergisst sich, ist Zuseher, Zuhörer, Hörer des Wortes, Empfänger. Paschein – ein aAltes, Gehörtes. Gefügt ist erst das Aufgegebene – die Fuge, die Fügung. Die Fügung hat ein Telos, von dem her… Die Fügung gibt sich zu Eigen, lässt sich, über-lässt sich. Solches gelingt mir nicht, Dir nicht – es gelingt einem Ich nicht. Selbst-los sei die Fügung – ein Sprung. Ein Weg von… und eine Wiederkehr, hautlos, durchgezittert, schutzlos, geöffnet, meinkein Gestilltes, meinkein Ausgeliefertes, ein Wagnis, ein Stillstes durch WeltenStürme, gehalten vom Namenlosen. Die Stille ruft, ein Leer-sein, ruft, der Ruf der Stille – wohin? Nichts! Der innere Mensch, hieß es noch – fast grob – längst fern, verging, ein Zeitliches – der äußere Mensch. Wer schreibt, traut sich noch nicht, vertraut sich noch nicht zur Gänze dem Einen: Einung. 3. Rede: weiter kommst Du nicht, ein absolutum, ein Zu-Ende-Gekommenes. Das oft Kehrende: ein, ein, ein – ist vom Mein Gelöstes, mindestens ein Anlauf – es (dagegen) soll – „soll“ – ein Sprung – nicht werden, sondern „sein“. Das ist nicht mehr machbar. 3. Rede: Auf der Flucht, der insistierende Fliehende, der, der das Vertrauen will und nicht ist. Es kommt da zum Ende, zum Begriffenen. Es liegt ein großer, göttlicher Zorn darin, er zürnt mir – mir, ich bin nicht der Adressat, in meiner ….. empfängt der Adressat, namenlos und doch genannt.
[…]
Zeitenlos (II)
Einmal nannte ich das: Bruch des endlichen Absolutismus. Darin liegt die speculative Auf-Gabe. Solches ist nicht machbar – vielmehr: Gehörsamkeit – nächster Anklang: gehorsam. Es sammeln sich mancherlei Anzeichen an diesem schmalen Abschiedsgrat (Celan): die da wären: tentatives In-der-Welt-sein, ist es im Blick, hat das Tentative seine Kraft eingebüßt – Zeit des Umbruchs – Spürbarkeit, das Gemüt „weiß“ schon, ein Wissen eigenster Art. Das Gemüt – man kann geglückt auch sagen: die Stimmung. Nach all dem: die Sprache der Stille.
Sprache der Stille ist: Ein-Klang, ein Klang, ein: An-Klang. Längst ist das Empfangen-Können das Werk, die Gabe: die Auf-Gabe. Was jetzt noch steht und fällt - was sich nun noch hebt und senkt (Celan) - was jetzt noch kommt, ist Nehmen der An-Nahme.
Ein Wort der Großen Stille lautet: Gelassenheit. Jedes Ins-Ziel-Kommen ist zugleich daher ein Ins-Enden-Kommen, ein Enden. Von nun an betrittst Du spurloser diese Welt – anfänglicher: das Anfängliche lässt die alte Welt hinter sich, um sie wahrer im Empfangen-können zu bergen.
Die Sprache der Stille ist daher die Dankbarkeit.
[…]
Ankunft im Herrn: Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος (Johannes 1,1)
(Advent 2021)
Das „Wort“ ist keine Kleinigkeit oder Nebensächlichkeit: im Wort „wortet“ der Mensch das Wahre, was der Mensch und wie er es ausspricht, zeigt, „wer“ er ist. Im „Wort“ wird die Wahrheit „ein-gestillt“ bezeugt. Wahr ist der Mensch dann, wenn er Zeuge des wahren λόγος ist. Zeugenschaft gibt frei, ist arm, weil durch den λόγος aus-geräumt.
Man bemerkt, wahres Wort ist vielmehr zu-lassen, ein-lassen und wieder los-lassen. Dieses Lassen kommt aus der Gelassenheit, diese aber kommt aus der Vollendung, die alles, was ist, bis in die kleinste Faser hinein aus-spricht und so schon vollendet frei gegeben hat. In der Gegenwart der „be-freiten Freiheit“ leben, zuhause sein in der terra immaculata, denn der ewige λόγος bleibt, ist da. Aus diesem Geist spricht das wahre Wort.
So spricht die Sprache des Ewigen Lebens (Liturgie, Danksagung) oder die Sprache des Tötens, des Todes, Todes-Wort.
Es gibt hier kein „Drittes“: entweder „heil“ oder „unheil“.
Wie also und was der Mensch „spricht“ zeigt, ob er verloren, gänzlich verloren oder im Heil Ein-geholt ist, im Heil sich ergeben hat. So ist das Wort „der“ Indikator des Unheils oder des Heils.
Die Sprache, kann man sagen, „offenbart“ die ganze Wahrheit: die Lüge, den Egoismus, die Selbstsucht, die Stille und das Heil. Sprache ist „so“ lebendiger Leib, äußerste Not, κρίσις, Sprache und Wort offenbaren ohne ausdrücklich werden zu müssen.
Finde ich mich ein in den λόγος oder töte ich das Wort in meiner Un-zucht, weil ich das Hören verweigere? Und, warum verweigere ich die potentia oboedentialis?
Freigebende Ontologie
„Esse significat aliquid completum et simplex sed non subsistens…” (T.v. Aquin, De pot. 1a1)
Sein hat die Bedeutung von etwas Vollständigem [Vollendetem] und Einfachem, nicht aber von etwas Subsistierendem.
Seyn also voll-ständig, in ganzer Fülle – es subsistiert nur in der Verschenkung, nicht in sich, im „empfangenden Anderen“.
Ver-nehmend bejahend (liebend) an die Welt weg-gegeben (arm) zugleich die Welt verdankend als umsonstige geschenkte Gabe empfangen (reich) – mir zu-kommende Gabe, annehmend und in bejahender (liebender) Ver-Antwortung über-nehmen. Das „innere Wort“ ist damit immer cum amore notitia (T.v. Aquin). Die Folge: nur der Liebende spricht wahr, wer nicht liebt, spricht eigentlich nicht, er ist stumm. Der Liebende ist der in der Schweigsamkeit sich aus-Wortende, der ge-lassen das Wort, das ihn meint und schon getroffen hat, zu-lässt.
„Auf-Gabe“ - speculativ ergriffen: die Bestimmtheit (Wesen) der Seienden zeigt sich somit nur der empfangenden Offenheit für die Gabe des Gebers. Je mehr das schweigende Vernehmen, Ausworten, desto bestimmter die Bestimmtheit. Das Außersichsein der Materie zeigt sich als eine auf „Empfangen“ ausgerichtete und durch dessen Gewährtsein ermächtigte Potentialität.
Der Mensch ist das Wesen, das zwar als gegebene Gabe „ganz in der Fülle und aus der Fülle“ lebt, aber diese Fülle lebt sich nicht automatisch, nicht von selbst, sondern muss voll-bracht werden. Voll-bracht wird die Fülle „nur“ dann, wenn sie als geschenkte empfangen voll-zogen ist: im Dank!
Das „wahre Wort ist“: Empfängnis – schon empfangen haben. Die Ankunft (adventum) des reinen λόγος in der „reinen Empfängnis“, der terra immaculata, ist die bleibende Ankunft der Wahrheit, der EINZIGEN – vollendete Ankunft.
Im „Anfang“ heißt eigentlicher gedacht: im ewig Bleibenden – das Wort vergeht nicht, es durch-Kreuz-t alle Horizontale durch SEINE vertikale eucharistische Präsenz. Was immer Menschen auch sprechen, jedes Wort verweist (gerade auch die tote Sprache) immer auf diese Vollendung der Wahrheit im Ewigen λόγος – denn das schlechte Nichts hat kein Seyn, es lebt aber von ihm und verkehrt oft die Wahrheit, kann sie aber nicht umbringen. Jenseits aller Verwirrung im toten Wort waltet die Wahrheit in allem horizontalem Untergang, sie wird nicht irre an diesem, es ist umgekehrt: das tote Wort wird immer „irre“ an der grundlosen Wahrheit des Ewigen λόγος.
Sprache ist somit nicht nur Sprache, sie zeigt mit jedem Sich-Ausworten in die innerste Herzmitte der ganzen Schöpfung: man könnte damit sagen, dass „alles“ Sprache sei, die spricht. Aber, diese Sprache, die lebendige, kann sie nur sein, wenn sie der Vernehmende „empfängt“. Auch tote Sprache ist Sprache, aber sie ist noch nicht als Offenbarung an ihr selbst offenbar geworden.
So wird es jetzt darum gehen, den wahren λόγος, der schon mitten unter uns „da“ ist, durchscheinen zu lassen oder anders gesagt: gänzlich transparent zu sein im Umsonst der ganzen Fülle.
Bemerkenswert ist: das „Wort selbst“ führt den, der sich auf es einlässt, über sich selbst hinaus: das Wort „führt hinaus“, über mich, löst mich von mir selbst in eine ungeahnte Tiefe und Wahrheit.
Der Mensch „hütet“ Welt und Wirklichkeit in dem Wort, das er ihnen „gibt“.
Seyn ist „erste Wirkung Gottes“: eine unendliche Herrlichkeit, also „Gleichnis“ Gottes. Seyn ist wesentlich Gott „gleich“ – Abbild Gottes, wunderbar. Und so, als Gleichnis des Schöpfers, hält es nie an sich „fest“ – denn: dem Guten ist es eigen, sich zu verströmen! Bonum autem dicitur diffusivum sui!
Seyn ist an ihm selbst „selbstverströmende Akutalität“ – also niemals efficiens. Heißt: Seyn ist „reine“ Vermittlung – wunderbar.
Hier ist es, dass wir der „terra immaculata“ ge-denken, unserer Virgo Mater. Denn „Sie“ ist die reine Vermittlung, ja. Wir gedenken am 8. Dezember der immaculata conceptio. Ge-denken heißt hier: aller Dank, denn das Denken ist Danken (Gedanc).
Weil das Seyn nicht subsistiert (oder gleichermaßen insistiert), sondern wesentlich sich hergibt, verströmt, ausgibt, leer macht, deshalb ist es „rein“, ohne Makel, Gleichnis Gottes und daher kein Seiendes, denn alles Seiende subsistiert. Weil Seyn nicht subsistiert, deshalb ist Seyn Nichts!
Wenn also Seyn absolute Verströmung in die Seienden „ist“, dann bedeutet das absolute Intimität des Seyns im Geschaffenen. Ganz anders gesehen: das Seiend-sein ist „notwendig“ – es ist nicht zu umgehen, das Seiend-sein ist un-aus-weichlich. „Ist“ Seiendes, dann un-aus-weichlich, einmal im Sein angekommen, kann es das Seiend-sein niemals ablegen – es ihm aufge-nötigt. Darin klingt schon eine „Not“ an, von der noch zu sprechen sein wird. Was heißt eigentlich Seins-Auf-Gabe? Es bedeutet Sich-hinweg-geben in die Verendlichung, auf diesem Weg der Weg-gabe geschieht nichts mit dem Sein und es passiert nichts an ihm, weil es wesentlich „Nichts“ ist.In der Selbst-Aufgabe (Wegschenkung) kommt das Seyn auf sich selbst zu, das Seyn ist sich daher selbst Aufgabe in der Selbst-auf-Gabe. „Durch-Nichtung“ (exinantio): mit der Durchnichtung ernst machen, sie zulassen. Je „rest-loser“ das Seyn als die höchste Gabe Gottes sich auf-gibt – desto unhintergehbarer, desto ursprünglicher (Ur-Sprung) ist alles Endliche (das subsistiert) in seinem absoluten Grund vermittelt (Seyn als „reine Vermittlung“).
Seyn ist in seiner absoluten Kenosis auf die essentia angewiesen. Durch die essentia als Potenz kommt das Seyn zu sich selbst. In der Vielfalt und Mannigfaltigkeit der Seienden manifestiert sich ursprünglich der Abgrund der bonitas divina. Die Vielfalt entspringt der Subsistenzbewegung des Seins selbst. Der EINE Gott lässt das Seyn es selbst sein in der Vielfalt seiner endlichen Subsistenz. So erhält das „Kleine“ un-endliches Gewicht. Gottes Liebe „meint das konkret Endliche“ (das Kleine) und setzt die völlige Durchnichtung des Seyns selbst und so repräsentieren die Kreaturen „als“ endliche Kreaturen die Güte Gottes – gemäß der ihnen „eigenen Vollkommenheit“. Die Seinshypostase depotenziert Gott als Liebe. Die Essenz also ist der dem Seyn hörig offene Raum seines Sich-behauptens. Die Liebe Gottes zielt auf die Vielfalt der Kreaturen - sie sind „gemeint“ und absolut affirmiert. Die essentia (Wesen) ist somit Unterpfand und Versiegelung der exinantio des Seyns. So kommt gerade das Seyn in seiner Durchnichtung zu sich selbst in der Verschiedenheit und Vielfalt der Seienden. In der Vielfalt der Seienden macht sich das Seyn zur Auf-Gabe (speculativ) – so ist das Seyn „als“ Seyn geradezu diese Durchnichtigung: Selbigkeit von „Sein und Nichts“. Alles, was und wer im Seyn anwest ist „gesammelt“ im Seyn – sofern sie eben sind. Das Seyn selbst in dieser gesammelten Einheit ist „Nichts“. Weil Seyn wesentlich Nichts „ist“, ist Gott der Nicht-Andere des Anderen zu ihm (Homo Abyssus, 80). Hypostasierung heißt eigentlicher bedacht: Auf-gestaut-sein, an sich halten, ja, an sich fest halten.
Die Wesen sind von Seyn her „offener Raum“, der sich dem Seyn entgegenstreckt: die Wesen sind dem Seyn hörig, also offen, hingewandt und so „sind“ sie. So ist der Mensch notwendig in den Seins-Gehorsam als Selbst-Vollzug gestellt. Wird dieser Voll-Zug verweigert, verfehlt sich der Mensch im Un-Gehorsam (Sünde).
Ulrich denkt die exinantio ein-dringlich, d.h., dass die Kenosis nicht zum Schein logifziert ist, als dialektische Notwendigkeit, die einem dann letztlich leer lässt, ohne Fleischwerdung zurücklässt. In der restlosen Hingabe wird die absolute Herrschaft offenbar. Die Fruchtbarkeit dieses Denkens wird ersichtlich im Ernst der Fleischwerdung Christi in Maria.
Die Hin-richtung des Seyns durch die essentia bedeutet nicht Vernichtung des Seyns, sondern Be-Hauptung und Auf-Richtung zur Subsistenz als Endliches. Hin-richtung bedeutet: jede Möglichkeit der Selbstverkrümmung, jede Möglichkeit der Hypostase ist ausgeschlossen.
So kann man sagen, dass das über-wesenhafte Seyn immer schon auf die Seienden hin hin-gerichtet ist. Seyn selbst als Leerwerden ist daher ein Begrenz-werden und Sich-begrenzen-lassen. Die Hin-Richtung des Seyns durch die Seienden bewahrt das Seyn vor der selbstverkrümmten Selbstermächtigung. Einschränkung, Beschränkung, Limitierung, Zurückhaltung als Aufgabe, Verschenkung, Hingabe, Hergabe, Weggabe: im gänzlichen Verlust seiner selbst als Verschenkung geschieht der Selbst-Gewinn. Krisis bedeutet eigentlich: der „Schied“: Seyn verwendet (verschwendet) sich selbig für das Nichts, ist an ihm selbst Nichts. Durch die Durchnichtigung seiner selbst in der Begrenzung durch die Seienden werden diese gesetzt und hervorgebracht.
Jedes Denken steht in der großen Gefahr, die exinantio zu eliminieren, anders ausgedrückt: die Selbst-Opferung zu vermeiden, bloß zur Option zu machen.
(Weiterführung)